Inhalt

VG München, Urteil v. 30.03.2022 – M 7 K 21.2383
Titel:

kein Spiegelbildlichkeitsprinzip bei der Besetzung von Aufsichtsräten kommunaler Unternehmen 

Normenkette:
BayGO Art. 33 Abs. 1, Art. 92 Abs. 1 Nr. 2, Art. 93 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Entscheidung über die Bildung von Ausschüssen, deren Größe sowie das bei der Besetzung anzuwendende Verfahren folgt aus der Organisationskompetenz des Gemeinderats. Ein Anspruch auf Anwendung auf die Wahl des jeweils „bestmöglichen“ Berechnungsverfahrens besteht nicht.  (Rn. 33 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das in Art. 33 Abs. 1 S. 2 BayGO normierte Gebot der Spiegelbildlichkeit gilt nicht für die Benennung und Entsendung von Stadtratsmitgliedern für bzw. in Aufsichtsräte städtischer Beteiligungsunternehmen (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kommunalverfassungsstreit, Besetzung von Ausschüssen, Entsendung von Stadtratsmitgliedern in Aufsichtsräte, kommunalverfassungsrechtlicher Innenrechtsstreit, Spiegelbildlichkeit, Berechnungsverfahren nach d'Hondt, Berechnungsverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers, Berechnungsverfahren nach Hare/Niemeyer, Ausschussgemeinschaften, Minderheitenschutz, Weisungsrecht
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 23.03.2022 – M 7 K 21.2383
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 09.01.2023 – 4 ZB 22.2095
Fundstelle:
BeckRS 2022, 42641

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) gesamtschuldnerisch zu tragen. Die übrigen Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten über die Zusammensetzung der Ausschüsse des Stadtrats und die Benennung und Entsendung von Stadtratsmitgliedern in den Aufsichtsrat oder in die entsprechenden Organe von Beteiligungsunternehmen, von öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Vereinen oder anderen Organisationen (im Folgenden: Aufsichtsräte städtischer Beteiligungsunternehmen).
2
Nach der Kommunalwahl am 15. März 2020 hat sich für den aus insgesamt 80 ehrenamtlichen Stadtratsmitgliedern bestehenden Stadtrat der Beklagten folgende Sitzverteilung ergeben:

Name des Wahlvorschlagsträgers (Kennwort)

Gesamtzahl der gültigen Stimmen

Anzahl der Sitze

Christlich-Soziale Union in B. e.V. (CSU)

10.005.956

20 Sitze

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (GRÜNE)

11.784.866

23 Sitze

FREIE WÄHLER Bayern/FW FREIE WÄHLER M. (FREIE WÄHLER/FW M.)

1.013.688

2 Sitze

Alternative für Deutschland (AfD)

1.562.496

3 Sitze

Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

8.903.417

18 Sitze

Freie Demokratische Partei (FDP)

1.425.787

3 Sitze

Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP)

1.603.312

3 Sitze

DIE LINKE (DIE LINKE)

1.323.808

3 Sitze

Wähler*inneninitiative Rosa Liste M. e.V. (Rosa Liste)

397.783

1 Sitz

Bayernpartei (BP)

275.495

1 Sitz

M.-Liste

340.789

1 Sitz

Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die PARTEI)

530.673

1 Sitz

Volt Deutschland (Volt)

734.969

1 Sitz

3
In der konstituierenden Sitzung am 4. Mai 2020 gab sich der Stadtrat unter dem Tagesordnungspunkt 6 eine Geschäftsordnung, die unter anderem hinsichtlich der Besetzung der Ausschüsse Folgendes regelt:
§ 5 Allgemeines
(1) Die Vollversammlung bestimmt die Zahl und die Aufgaben der Ausschüsse, ihre Stärke sowie die jeweiligen Mitglieder (§ 2 Nr. 6).
(2) In den Ausschüssen müssen die den Stadtrat bildenden Parteien, Wählergruppen, Fraktionen, Ausschussgemeinschaften, Gruppierungen und Einzelstadtratsmitglieder gemäß ihren Vorschlägen nach dem Verhältnis ihrer Stärke im Stadtrat vertreten sein. Bei der Verteilung der Ausschusssitze ist das Verfahren nach d‘Hondt anzuwenden; der bzw. die Ausschussvorsitzende bleibt dabei unberücksichtigt. Haben Parteien, Wählergruppen, Fraktionen, Ausschussgemeinschaften, Gruppierungen oder Einzelstadtratsmitglieder bei der Verteilung der Sitze gemäß Absatz 2 Satz 2 den gleichen Anspruch auf einen Ausschusssitz, so entscheidet das Los.
(3) Soweit die Anwendung des Verfahrens nach d‘Hondt bei einer bestimmten Ausschussgröße zu einer überproportionalen Über-Aufrundung führt oder in Kombination mit dem Losentscheid führen könnte, so sind die Sitze dieser Ausschüsse nach dem Verfahren Hare/Niemeyer zu verteilen.
(3a) Wird durch den Austritt oder Übertritt von Stadtratsmitgliedern das ursprüngliche Stärkeverhältnis der im Stadtrat vertretenen Parteien oder Wählergruppen, Fraktionen, Ausschussgemeinschaften, Gruppierungen oder Einzelstadtratsmitglieder verändert, so sind diese Änderungen nach Abs. 2 und 3 neu zu berechnen.
(…)
4
Die Geschäftsordnung wurde gegen die Stimmen der (ursprünglichen) Klägerin zu 1), der Klägerin zu 2), DIE LINKE./Die PARTEI und der AfD beschlossen. Ein Änderungsantrag der (ursprünglichen) Klägerin zu 1), wonach die Sitzverteilung nach dem Verfahren Sainte-Laguë/Schepers erfolgen solle, wurde abgelehnt. Die Änderungsanträge der Fraktion DIE LINKE./Die PARTEI sowie der Gruppierung der AfD mit der Forderung nach Beibehaltung des in der vorherigen Sitzungsperiode angewendeten Berechnungsverfahrens nach Hare/Niemeyer wurden ebenfalls abgelehnt.
5
Die im Einzelnen einzurichtenden Ausschüsse und deren Kopfstärke werden in der Geschäftsordnung bestimmt. Nach § 7 der Geschäftsordnung besteht der Bau-, Finanz-, Gesundheits-, Sozial-, Kommunal-, Kreisverwaltungs-, Kultur-, Verwaltungsund Personal-, Bildungs-, Sport-, Umwelt-, IT- und der Ausschuss für Arbeit und Wirtschaft aus je 20 Mitgliedern (einschließlich des Vorsitzenden) und der Ausschuss für Stadtplanung und Bauordnung sowie der Mobilitätsausschuss aus je 23 Mitgliedern (einschließlich des Vorsitzenden). Der nach § 10 der Geschäftsordnung gebildete Rechnungsprüfungsausschuss besteht aus 7 Mitgliedern (einschließlich des Vorsitzenden), dem Kinder- und Jugendhilfeausschuss nach § 12 der Geschäftsordnung gehören nach § 71 SGB VIII, Art. 18 AGSG, § 3 Stadtjugendamtssatzung 14 ehrenamtliche Stadtratsmitglieder an. Die Zahl der ehrenamtlichen Ausschussmitglieder wurde im Vergleich zu der vorherigen Sitzungsperiode in den bislang mit 16 ehrenamtlichen Stadtratsmitgliedern besetzten Ausschüssen auf 19 erhöht (Bau-, Finanz-, Gesundheits-, Kommunal-, Kreisverwaltungs-, Verwaltungs- und Personal-, Umwelt- und ITAusschuss), da diese Mitgliederzahl der Bedeutung der betroffenen Ausschüsse entspreche.
6
Die Ausschüsse sind wie folgt besetzt: Im Rechnungsprüfungsausschuss haben die Fraktionen Die Grünen/Rosa Liste, CSU-FW und SPD/Volt je 2 Sitze und die zwischen den Klägerinnen gebildete Ausschussgemeinschaft einen Sitz. Im Kinder- und Jugendhilfeausschuss, bei dem aufgrund einer Überaufrundung das Verfahren nach Hare/Niemeyer angewendet wurde, haben die Fraktionen Die Grünen/Rosa Liste und CSU-FW je 4 Sitze, SPD/Volt 3 Sitze sowie die Klägerinnen und DIE LINKE./Die PARTEI je einen Sitz. In den Ausschüssen mit 19 Mitgliedern haben die Fraktionen Die Grünen/Rosa Liste 6 Sitze, CSU-FW und SPD/Volt je 5 Sitze und die Klägerinnen und DIE LINKE./Die PARTEI je einen Sitz. In den Ausschüssen mit 22 Mitgliedern haben die Fraktionen Die Grünen/Rosa Liste 7 Sitze, CSU-FW und SPD/Volt je 6 Sitze und die Klägerinnen sowie DIE LINKE./Die PARTEI je einen Sitz.
7
In der Sitzung vom 13. Mai 2020 wurde u.a. die namentliche Benennung und Entsendung der Stadtratsmitglieder für bzw. in die einzelnen Aufsichtsräte der städtischen Beteiligungsunternehmen mehrheitlich gegen die Stimmen der (ursprünglichen) Klägerin zu 1), der Klägerin zu 2), DIE LINKE./Die PARTEI und AfD beschlossen. UnterNr. 3 der Sitzungsvorlage (Nr. 20-26 / V ....) wird unter Bezugnahme auf die für die Ausschussbesetzungen beschlossene Umstellung des Berechnungsverfahrens u.a. ausgeführt, dass die Anwendung des Berechnungsverfahrens nach d`Hondt auch für die Sitzverteilung in den Aufsichtsräten zweckmäßig sei, wobei hier die Fraktionen zu berücksichtigen seien. In den Anlagen 1-26, die Bestandteile des Beschlusses sind, wird u.a. jeweils die Sitzverteilung, das angewendete Berechnungsverfahren sowie die namentliche Benennung der zu entsendenden ehrenamtlichen Stadtratsmitglieder dargestellt. Hier erhielten die Klägerinnen keinen Sitz.
8
Mit ihrer am .. Mai 2021 erhobenen Klage wenden sich die Klägerinnen im Wesentlichen gegen das in den vorgenannten Beschlüssen angewendete Berechnungsverfahren nach d´Hondt und dessen Ergebnis. Zur Begründung führen sie unter umfassender Sachverhaltsdarstellung im Wesentlichen aus, mit der in der konstituierenden Sitzung am 4. Mai 2020 beschlossenen Geschäftsordnung sei als wesentliche Änderung zur Geschäftsordnung der vorhergehenden Wahlperiode unter anderem die Verteilung der Ausschusssitze nach dem d´Hondtschen Verfahren mit der Begründung eingeführt worden, dass so das Stärkeverhältnis des Stadtrats in den Ausschüssen am besten abgebildet werde. Die Fraktion ÖDP/FW (ursprüngliche Klägerin zu 1) habe hingegen mit einem Änderungsantrag eine Verteilung nach dem Verfahren Sainte-Laguë/Schepers gefordert, da dieses nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen die höchste Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen erreiche. Die Fraktion DIE LINKE./Die PARTEI und die Gruppierung der AfD hätten in Änderungsanträgen die Beibehaltung des Verfahrens nach Hare/Niemeyer gefordert. Während sich die Klägerinnen sowie die Vorgenannten mit verschiedenen Argumenten gegen die Wiedereinführung des d´Hondtschen Verfahrens ausgesprochen und sich die CSU-Fraktion und der Oberbürgermeister dafür ausgesprochen hätten, hätte sich die größte Fraktion Die Grünen/Rosa Liste und die drittgrößte Fraktion SPD/Volt zu dem Thema überhaupt nicht geäußert. Bei einer Sitzverteilung nach Sainte-Laguë/Schepers oder Hare/Niemeyer hätte die (ursprüngliche) Klägerin zu 1) in den Ausschüssen mit 23 Mitgliedern jeweils 2 Sitze statt einem Sitz und die AfD jeweils einen statt keinen Sitz erhalten, während die Fraktionen Die Grünen/Rosa Liste und die SPD/Volt jeweils einen Sitz weniger erhalten hätten. In den Ausschüssen mit 20 Mitgliedern hätten die AfD jeweils einen statt keinen Sitz und die Fraktion die Grünen/Rosa Liste einen Sitz weniger erhalten. Im Kinderund Jugendhilfeausschuss hätten die Klägerin zu 2), die Fraktion DIE LINKE./Die PARTEI und die AfD jeweils einen Sitz mehr erhalten, die Fraktion Die Grünen/Rosa Liste, CSU und SPD/Volt jeweils einen Sitz weniger. Die Abweichung vom Proporz wäre für jede Sitzberechnung bei den Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers oder Hare/Niemeyer gleich, niedriger oder sogar deutlich niedriger als beim Verfahren nach d´Hondt gewesen. Das d´Hondtsche Verfahren sei mit der Geschäftsordnung vom 2. Mai 1984 durch das Verfahren nach Hare/Niemeyer abgelöst worden, um auch die FDP an den Ausschussberatungen zu beteiligen. Dieses Verfahren sei bis zum 30. April 2020, also 36 Jahre, ununterbrochen angewendet worden. In der zweiten Vollversammlung am 13. Mai 2020 habe der Stadtrat über die Benennung und Entsendung der 130 Aufsichtsratsmitglieder für 27 städtische Beteiligungsunternehmen mehrheitlich gegen die Stimmen der Klägerinnen sowie der Fraktion DIE LINKE./Die PARTEI und der AfD beschlossen. Auch bezüglich der Verteilung der Aufsichtsratssitze sei das d´Hondtsche Verfahren eingeführt worden, da ausweislich der Sitzungsvorlage so das Stärkeverhältnis des Stadtrats in den Ausschüssen am besten abgebildet werde. Die Klägerinnen hätten sich mit verschiedenen Argumenten gegen die Wiedereinführung und die Abschaffung der Möglichkeit zur Bildung von Ausschussgemeinschaften ausgesprochen, die Redner der drei größeren Fraktionen Die Grünen/Rosa Liste, CSU und SPD/Volt dafür und die Fraktion DIE LINKE./Die PARTEI sowie die Gruppierung AfD hätten sich nicht geäußert. Die Klägerinnen hätten darauf hingewiesen, dass die Darstellung in der Sitzungsvorlage, dass die Mehrheitsfraktionen durch ein anderes Zählverfahren in den Aufsichtsräten nicht mehr entsprechend abgebildet würden, falsch sei. Sowohl in den Fünfer-Gremien als auch in den ViererGremien gebe es eine eindeutige Mehrheit für Grün-Rot, was schon daran liege, dass sie als Mehrheitsfraktionen Bürgermeister in diese Aufsichtsräte schickten. Ihre Mehrheit werde daher doppelt berücksichtigt und damit das Durchgriffsrecht gewährleistet. Auch in den vergangenen Wahlperioden sei die Vertretung kleinerer Parteien in größeren Aufsichtsräten üblich gewesen, die kleineren Fraktionen hätten immer eine wichtige Sichtweise eingebracht. Bei einer Sitzverteilung nach Sainte-Laguë/Schepers hätten die Klägerinnen im Ausschuss (im Folgenden jeweils gemeint wohl: Aufsichtsrat) mit 10 Mitgliedern jeweils einen Sitz statt keinen Sitz und bei 7 und 8 Mitgliedern hätte die (ursprüngliche) Klägerin zu 1) jeweils einen Sitz statt keinen Sitz erhalten. Diese hätte somit 4 Aufsichtsratsmitglieder entsenden dürfen. Bei einer Sitzverteilung nach Hare/Niemeyer hätten die Klägerinnen im Ausschuss mit 10 Mitgliedern jeweils einen Sitz statt keinen Sitz erhalten, im Ausschuss mit 8 und 7 Mitgliedern hätte die (ursprüngliche) Klägerin zu 1) jeweils einen Sitz statt keinen Sitz erhalten. Darüber hinaus hätte die (ursprüngliche) Klägerin zu 1) in den beiden Ausschüssen mit 6 Mitgliedern, in den 12 Aufsichtsräten mit 5 Mitgliedern und in den 2 Aufsichtsräten mit 4 Mitgliedern jeweils einen Sitz statt keinen Sitz erhalten. Insgesamt hätte die (ursprüngliche) Klägerin zu 1) somit 20 Aufsichtsratsmitglieder, die Klägerin zu 2) ein Aufsichtsratsmitglied entsenden dürfen. Bei Zulassung der von den Klägerinnen angestrebten Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaft hätte sich für diese bei der Anwendung von d´Hondt jeweils einen Sitz im Aufsichtsrat mit 10 Mitgliedern, mit 8 Mitgliedern, in den beiden Aufsichtsräten mit 7 und 6 Mitgliedern und in den 12 Aufsichtsräten mit 5 Mitgliedern ergeben. Insgesamt hätte die Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaft somit 18 Aufsichtsratsmitglieder entsenden dürfen, wovon rechnerisch aufgrund der unterschiedlichen Fraktionsgrößen 11 Aufsichtsratsmitglieder auf die (ursprüngliche) Klägerin zu 1) und 7 auf die Klägerin zu 2) entfallen würden. Bei einer Sitzverteilung nach Sainte-Laguë/Schepers würde die angestrebte Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaft zusätzlich zu den auch ohne diese Gemeinschaft zustehenden Sitzen in den beiden Aufsichtsräten mit 6 Mitgliedern, in den 12 Aufsichtsräten mit 5 Mitgliedern und in den 2 Aufsichtsräten mit 4 Mitgliedern jeweils einen Sitz statt keinen Sitz erhalten, somit insgesamt 16 Mitglieder zusätzlich zu den ohnehin nach diesem Verfahren zustehenden 4 Mitgliedern erhalten. Bei einer Sitzverteilung nach Hare/Niemeyer würde eine Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaft keine zusätzlichen Aufsichtsratssitze für die Klägerinnen erbringen. Das d´Hondtsche Verfahren bei der Besetzung der Aufsichtsräte sei 1996 durch das Verfahren nach Hare/Niemeyer abgelöst worden und es seien bei der Berechnung auch Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaften zugelassen worden. Dieses Verfahren sei bis zum 30. April 2020, also 24 Jahre, ununterbrochen angewendet worden. Die Klage sei im Rahmen eines Kommunalverfassungsstreits als allgemeine Leistungsklage, hilfsweise als allgemeine Feststellungsklage zulässig, was im Folgenden näher dargelegt wurde. Die Klägerinnen seien als Organteile des Stadtrats nach § 42 Abs. 2 VwGO analog klagebefugt, da sie möglicherweise in ihren organschaftlichen Rechten aus Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO (Entsendungs- und Benennungsrecht für die Ausschüsse) und Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO analog (Entsendungs- und Benennungsrecht für die sonstigen Gremien) sowie aus Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO (Recht zur Bildung von Ausschussgemeinschaften) und Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO analog (Recht zur Bildung von Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaften für sonstige Gremien) verletzt seien. Die nicht fristgebundene Klage werde aufgrund der Pandemielage noch vor Ablauf eines Jahres seit der Fassung der angegriffenen Stadtratsbeschlüsse erhoben. Die Klage sei begründet. Die Klägerinnen würden durch die angegriffenen Beschlüsse in ihren Rechten aus Art. 33 Abs. 1 Satz 2 und Satz 5 GO, hilfsweise aus Art. 33 Abs. 1 Satz 2 und Satz 5 GO analog verletzt, was weiter ausgeführt wurde. Nach ständiger Rechtsprechung liege es grundsätzlich in der Geschäftsordnungsautonomie als Teil einer Organisationshoheit einer Selbstverwaltungskörperschaft begründet, dass diese im Rahmen der Gesetze und der Verfassung das Sitzverteilungsverfahren in ihren Gremien inhaltlich regele. Hierbei seien aber das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 11 Abs. 2 BV) auf der einen und das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 BV) mit dem sich daraus ergebenden Minderheitenschutz auf der anderen Seite einem schonenden Ausgleich zuzuführen. Aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BV) würden sich zudem Anforderungen an eine transparente und logisch nachvollziehbare Verfahrensweise, unter anderen die Pflicht zur nachvollziehbaren Begründung staatlichen Handelns, ergeben. Die ständige Rechtsprechung halte bisher mangels einfachgesetzlicher Vorgaben eine freie Auswahl zwischen den Berechnungsverfahren nach d´Hondt, Hare/Niemeyer und Sainte-Laguë/Schepers für zulässig. Als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips gelte jedoch das Willkürverbot. Nach der Rechtsprechung liege Willkür nicht allein dadurch vor, dass sich Fraktionen durch die Wahl des Berechnungsverfahrens zusätzliche Sitze zulasten anderer Fraktionen sicherten. Allerdings bedürfe es triftiger Gründe jenseits der bloßen Erweiterung der eigenen Machtbasis. Dazu könne unter anderem eine Verbesserung der Handlungsfähigkeit des Gremiums zählen, wenn die Stärkung der Funktionsfähigkeit das Vertrauen in den Bestandsschutz überwiege. Die beiden klagegegenständlichen Beschlüsse führten zur Änderung einer hinsichtlich der Ausschussbesetzung über rund 36 Jahre, hinsichtlich der Besetzung der Aufsichtsräte und der Zulassung der Bildung von Ausschussgemeinschaften über rund 24 Jahre gepflegten Rechtspraxis. Daher seien für die Änderung gewichtige Sachgründe zu benennen, da die Änderung anderenfalls willkürlich, nur zu Schlechterstellung oder zum Ausschluss bestimmter Fraktionen, Ausschussgemeinschaften oder Stadtratsmitglieder vorgenommen werden könnte und diesen die alleinige Beweislast zum Nachweis ihrer Diskriminierung aufgebürdet würde. Die Begründungen der Stadtratsbeschlüsse enthielten keinen einzigen zutreffenden Sachgrund. Die Argumentation, durch die Änderung müsse einer zunehmenden Zersplitterung im Stadtrat entgegengewirkt werden, sei nicht stichhaltig. Bei der Kommunalwahl 2020 sei, wie auch schon bei der Kommunalwahl 2014, 13 verschiedenen Wahllisten der Einzug in den Stadtrat gelungen. 2014 seien im Stadtrat 10 separate Fraktionen, Gruppen und Einzelstadträte vertreten gewesen, künftig seien es nur noch 8. Die Argumentation, dass die aktuellen Koalitionspartner ohne d´Hondt in den einzelnen Ausschüssen keine Mehrheit hätten, sei unzutreffend, da diese unter Berücksichtigung des stimmberechtigten Ausschussvorsitzenden in allen Ausschüssen auch bei einer Besetzung nach Sainte-Laguë/Schepers regelmäßig gesichert sei. Gleiches gelte für die Aufsichtsräte. Die Gemeindeordnung unterscheide nicht zwischen Regierung und Opposition, sondern gehe von einer kollegialen Zusammenarbeit aller Stadtratsmitglieder aus, denn der Stadtrat sei kein Parlament, sondern Teil der Exekutive. Deswegen irre die Stadtratsmehrheit, wenn sie eine Mehrheit der Koalition bzw. der „Regierungsfraktionen“ sicherstellen und eine Verzerrung der Mehrheitsverhältnisse der „Oppositionsfraktionen“ verhindern wolle. Die Verwendung dieser Begriffe in der Sitzungsvorlage sowie der Verweis auf ein Urteil des rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichtshofs zeige, dass von den Erstellern der Vorlage der Unterschied zwischen einem parlamentarischen Gremium und einem Kollegialorgan als kommunales Verwaltungsgremium übersehen worden sei. Des Weiteren seien alle Aufsichtsratsmitglieder durch die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften nicht Koalitionsmehrheiten, sondern dem Wohl der jeweiligen Gesellschaft verpflichtet (Treuepflicht), welches bei einem gemeindlichen Beteiligungsunternehmen durch die bestmögliche Erfüllung des das Unternehmen erfordernden öffentlichen Zwecks im Sinne von Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO erreicht werde, was weiter ausgeführt wurde. Die kleineren Fraktionen des Stadtrats könnten im Aufsichtsrat wichtige Argumente zur Unternehmensführung beisteuern, die von der Mehrheitskoalition übersehen oder aus politischen Gründen nicht in den Aufsichtsrat eingebracht würden, für den langfristigen Erfolg des Unternehmens jedoch bedeutend sein könnten. Zudem könne der Stadtrat als Gesamtorgan die zentrale Funktion des Aufsichtsrats, die Geschäftsführung zu überwachen, umso umfassender wahrnehmen, je mehr alle Fraktionen an der Aufsichtsratstätigkeit mitwirkten. Da in der bisherigen Verwaltungspraxis nicht zu bemerken gewesen sei, dass die in die Aufsichtsräte entsandten Stadtratsmitglieder der Stadtratsgesamtheit (regelmäßig) über wichtige Angelegenheiten aus den Unternehmen berichtet hätten, sei davon auszugehen, dass sie ihrer Berichtspflicht gemäß Art. 93 Abs. 2 Satz 2 GO nur gegenüber den sie entsendenden Fraktionen nachgekommen seien. Daher sei auch zur Sicherung eines Informationsgleichstands die Entsendung eines möglichst aus jeder Fraktion stammenden Aufsichtsratsmitglieds erforderlich. In der Gesamtschau sei festzustellen, dass keine zutreffenden Gründe für eine verbesserte Funktionsfähigkeit der Gremien durch eine Änderung des Berechnungsverfahrens vorgetragen worden und solche auch nicht ersichtlich seien. Daher liege ein rechtswidriger, weil willkürlicher Eingriff in die bewährte bestehende Verfahrensweise vor. Es erscheine fraglich, ob Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO auch auf die in Art. 93 Abs. 2 Satz 1 GO vorgesehene Entsendung von ehrenamtlichen Stadtratsmitgliedern in Aufsichtsräte oder entsprechende Gremien anzuwenden sei, was im Folgenden vertieft wurde. Jedenfalls sei zumindest eine analoge Anwendung von Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO geboten, sobald ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder entsprechend dem Stärkeverhältnis der Fraktionen in die Aufsichtsräte entsandt würden. Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit müsse auch bei nach Proporz mit ehrenamtlichen Stadtratsmitgliedern besetzten sonstigen Gremien gelten, die keine Ausschüsse seien. Daher müsse im Sinne der Konsistenz der Rechtsordnung auch die zugehörige Verfahrensregelung des Art. 33 Abs. 1 Satz 3 bis 5 GO bei der Besetzung analog angewendet werden. Somit sei der Zusammenschluss von Gemeinderatsmitgliedern zur Entsendung gemeinsamer Vertreter in Aufsichtsräte gemäß Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO analog zuzulassen. Es widerspreche dem mit dem Minderheitenschutz verfolgten Ziel, durch Minderheitenrechte und Gewaltenteilung die Macht der Mehrheit einzuhegen, wenn bedeutende Minderheitsfraktionen von der Mitarbeit in allen 27 Aufsichtsräten der von der Stadt zu kontrollierenden Gesellschaften ausgeschlossen würden und eine Machtkonzentration auf nur drei Fraktionen erfolge, die zugleich über die fast vollständig mit ihren Parteigängern besetzten berufsmäßigen Referenten in den Betreuungsreferaten Einfluss auf die Gesellschaften ausüben könnten. Es würden 17 von 80 Stadtratsmitgliedern von jeder Mitwirkung in den Aufsichtsräten ausgeschlossen. Zur Wahrung des Minderheitenschutzes sei es geboten, für die Entsendung von 130 Aufsichtsratsmitgliedern Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaften auch für Aufsichtsräte (wieder) zuzulassen und das Berechnungsverfahren von d´Hondt auf Sainte-Laguë/Schepers oder hilfsweise Hare/Niemeyer abzuändern. Der Bayerische Landtag habe sich in einem evolutionären Prozess, bei dem es im Oktober 2017 auch eine Expertenanhörung gegeben habe, auf der Suche nach dem gerechtesten Sitzzuteilungsverfahren bei Kommunalwahlen im Freistaat schließlich für das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers entschieden, da dieses nach aktueller wissenschaftlicher Erkenntnis das Wahlergebnis bei der Sitzverteilung am gerechtesten abbilde, was näher ausgeführt wurde. Wenn die Beklagte eine Umstellung des Sitzzuteilungsverfahrens mit dem Ziel einer Verbesserung vornehmen wolle, müsse sie ebenfalls auf das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers umstellen und dürfe keinen Rückschritt zu d´Hondt vornehmen. Nach Art. 35 Abs. 2 GLKrWG sei bei der Sitzzuteilung bei Kommunalwahlen nunmehr verbindlich das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers anzuwenden. Hiervon bei der Zuerkennung von Sitzen in Ausschüssen und anderen Gremien sachgrundlos abzuweichen, sei fragwürdig. Die herrschende Meinung gehe jedoch davon aus, dass die gemeindliche Geschäftsordnungsautonomie eine Verpflichtung zur analogen Anwendung einer Regel des Gemeindewahlrechts auf die Innenverfassung der Gemeinde nach dem Gemeinderecht nicht zulasse. Die Rechtsordnung sei zwar einerseits statisch, andererseits gerade in Fragen der Auslegung dynamisch. Eine dynamische Rechtsordnung impliziere eine Offenheit für die Integration neuer oder verbesserter Erkenntnisse aus der Wissenschaft in die Verfassungswirklichkeit. Daher sei das nach aktuellem wissenschaftlichen Stand für die Sitzverteilung nach Proporz mit den geringsten Mängeln behaftete Verfahren von Sainte-Laguë/Schepers sowohl bei der Ermittlung der Wahlergebnisse als auch bei der Ermittlung der Sitzzuteilung in Gremien anzuwenden. Folglich seien die angegriffenen Stadtratsbeschlüsse und die Versagungsentscheidung zur Bildung von Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaften zu Aufsichtsräten wegen willkürlichen Eingriffs in den für die Funktion einer freiheitlichen pluralistischen Demokratie notwendigen Minderheitenschutz rechtswidrig.
9
Die Klägerinnen beantragen,
Die Beschlüsse der Vollversammlungen des Stadtrats der Beklagten werden hinsichtlich des Berechnungsverfahrens und dessen Ergebnis bei der Besetzung der Ausschüsse des Stadtrats (Vorlagen-Nr.: 2026/V ...) und der Aufsichtsräte der städtischen Beteiligungsunternehmen (Vorlagen-Nr.: 20-26/V ...) aufgehoben, oder hilfsweise deren Rechtswidrigkeit festgestellt, und die Beklagte wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, wobei sie zu verpflichten ist, die Berechnung nach dem Verfahren von Sainte-Laguë/Schepers, oder hilfsweise (wieder) nach Hare/Niemeyer, durchzuführen und Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaften für das Verfahren der Benennung und Entsendung von Aufsichtsräten (wieder) zuzulassen. § 5 Abs. 2-3 der Geschäftsordnung des Stadtrats sind aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage wird abgewiesen.
11
Zur Begründung wird unter ausführlicher Darstellung des Sachverhalts im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei teilweise unzulässig und insgesamt unbegründet. Der Beschluss des Stadtrats hinsichtlich des Berechnungsverfahrens und dessen Ergebnisses bei der Besetzung der Ausschüsse sei rechtmäßig. Die Wahl des Berechnungsverfahrens nach d´Hondt verstoße nicht gegen Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO. Der Landesgesetzgeber habe zu dieser Frage keine näheren Vorgaben gemacht und insbesondere nicht das für die Kommunalwahlen neuerdings geltende Divisorverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers verbindlich vorgeschrieben. Die kommunalen Gremien hätten daher grundsätzlich die Auswahl unter den verschiedenen Berechnungsverfahren. Das Höchstzahlverfahren nach d´Hondt gehöre nach ständiger Rechtsprechung zu den verfassungsrechtlich zulässigen Verfahren, wozu unter Verweis insbesondere auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs näher ausgeführt wurde. Der Kommunalgesetzgeber habe darauf verzichtet, die örtlichen Volksvertretungen auf die Wahl des jeweils mathematisch bestmöglichen Verfahrens festzulegen. Es bestehe weder eine Verpflichtung, den kleineren Gruppen durch die Wahl eines sie besonders begünstigenden Auswahlverfahrens eine Entsendung von Vertretern in die Ausschüsse zu ermöglichen noch eine Bindung an das in den vorherigen Wahlperioden gewählte Verfahren. Die Behauptung der Klägerinnen, die Wahl des Verfahrens nach d´Hondt sei willkürlich, da keine zutreffenden Gründe benannt worden seien, sei nicht nachvollziehbar. Nach der Rechtsprechung seien die Beweggründe der Gemeinde- oder Stadtratsmitglieder grundsätzlich unerheblich. Maßgebend könnten grundsätzliche Erwägungen sein, wie der Wunsch, die Mehrheit im Gemeinde- oder Stadtrat auch in den Ausschüssen abzubilden, legitim könnten aber auch eigennützige Gründe sein. Ausweislich der Sitzungsvorlage (Nr. 20-26 / V ...) werde für die Wahl des d´Hondtschen Verfahrens die sachliche Erwägung der Gewährleistung des Mehrheitsprinzips als zentrales Funktionsprinzip der repräsentativen Demokratie angeführt. Es werde ausgeführt, dass die zunehmende Zersplitterung des politischen Spektrums es für die in Regierungsverantwortung stehenden Parteien bzw. Gruppierungen zunehmend schwerer mache, die in der Vollversammlung bestehenden Mehrheiten auch in den Ausschüssen zu wahren. Das zuvor angewendete Berechnungsverfahren nach Hare/Niemeyer neige dazu, kleinere Parteien und Gruppierungen deutlich stärker zu berücksichtigen und dadurch in der Vollversammlung bestehende Mehrheiten nicht zuverlässig abzubilden. Dies stelle einen anzuerkennen sachlichen Grund dar. Zudem seien aufgrund der Coronapandemie besondere Anforderungen an die Effizienz der Gremienarbeit zu stellen. Es sei denkbar, dass einzelne Stadtratsmitglieder der in Regierungsverantwortung stehenden Fraktion erkrankten und dann die Mehrheit in den Ausschüssen gefährdet wäre. Ferner würde bei einer Berechnung nach Hare/Niemeyer oder Sainte-Laguë/Schepers im Kinder- und Jugendhilfeausschuss die Mehrheit der Fraktion Die Grünen/Rosa Liste und SPD/Volt nicht abgebildet, da diese zusammen – ebenso wie die anderen Fraktionen zusammen – nur 7 Sitze hätten. Es käme daher zu einer Pattsituation. Die Person des Vorsitzenden könne nicht berücksichtigt werden. Der Ausschussvorsitz könne auch Personen zufallen, die gerade nicht diesen Fraktionen angehörten. Dem Minderheitenschutz werde durch die Wahl eines dem Spiegelbildlichkeitsgebot entsprechenden zulässigen Berechnungsverfahrens Rechnung getragen. Dies sei mit der Wahl des Verfahrens nach d´Hondt erfolgt. § 5 Abs. 3 der Geschäftsordnung beachte auch das Verbot der Überaufrundung. Hinsichtlich der Anträge betreffend die Benennung und Entsendung der Aufsichtsratsmitglieder sei die Klage bereits unzulässig. Die Klägerinnen seien nicht nach § 42 Abs. 2 VwGO analog klagebefugt. Ein eigenes Recht der Klägerinnen, das möglicherweise verletzt sein könnte, existiere nicht. Es gehe nicht um die Besetzung gemeindlicher Ausschüsse, sondern um die Zusammensetzung von Aufsichtsräten städtischer Beteiligungsunternehmen. Die Gemeindeordnung beschränke sich darauf, die Vertretung des ersten Bürgermeisters in der Gesellschafterversammlung oder in einem entsprechenden Organ und die Sicherung eines angemessenen Einflusses der Gemeinde im Aufsichtsrat oder in einem entsprechenden Gremium vorzuschreiben (vgl. Art. 93 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Art. 92 Abs. 1 Nr. 2 GO). Gesetzliche Bestimmungen über die Auswahl der in einen Aufsichtsrat eines (gemeindlichen) Unternehmens zu entsendenden Mitglieder fehlten. Die Proporzregelung des Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO gelte nur für die Besetzung der Ausschüsse des Gemeinderats selbst. Für die gesetzliche Anforderung, dass die Ausschüsse ein verkleinertes Abbild des Gemeinderats sein müssten, bestehe außerhalb der eigentlichen Verwaltungstätigkeit der Gemeinde kein Anlass. Auch die Bestellung der Mitglieder des Verwaltungsrats von Kommunalunternehmen könne ohne Bindung an einen Fraktionenproporz stattfinden (vgl. Art. 89, 90 GO). Reiche sonach der Fraktionsproporz des Art. 33 Abs. 1 GO nicht bis in die kommunalrechtlich organisierte Mitwirkung des Gemeinderats in anderen Gremien hinein, könne für die sich primär nach Gesellschaftsrecht richtende Ausgestaltung der Organe einer Beteiligungsgesellschaft nichts anderes gelten. Insoweit gehe es nicht um die innergemeindliche Mitwirkung des Stadtrats, sondern um die Wahrnehmung der Kontrollbefugnisse der Stadt gegenüber einer anderen juristischen Person. Da die Klägerinnen kein Recht hätten, unmittelbaren Einfluss auf die Zusammensetzung der vom Stadtrat zu bestellenden Aufsichtsratsmitglieder zu nehmen, könnten sie mit Erfolg weder das Bestellungsverfahren als solches rügen noch die Zulassung von Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaften geltend machen. Es entspreche der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass die Gesetzmäßigkeit der Stadtratsarbeit von einzelnen organschaftlichen Rechtsträgern nicht allgemeingerichtlicher Überprüfung zugeführt werden könne, sondern nur, soweit gesetzlich verankerte Rechte des jeweiligen Rechtsträgers betroffen seien. Die Klage sei ferner unbegründet. Der Beschluss der Vollversammlung hinsichtlich des Berechnungsverfahrens bezüglich der Benennung und Entsendung der Aufsichtsräte der städtischen Beteiligungsunternehmen sei rechtmäßig. Es existierten weder gesetzliche Bestimmungen über die Auswahl der zu entsendenden Mitglieder noch gelte die Proporzregelung des Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO. Vielmehr habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass den Fraktionen bei anderen, nicht als Kreistags- oder Gemeinderatsausschüsse gestalteten kollegialen Verwaltungsstellen kein (bindendes) Vorschlagsrecht zustehe, es sei denn, ihnen sei ein solches Recht ausdrücklich (etwa durch Satzung) eingeräumt. Dies sei hier nicht der Fall. Eine entsprechende Anwendung des Art. 33 GO sei nicht geboten. Die Art und Weise der Bestellung und Entsendung der Aufsichtsräte stehe in der Entscheidungsautonomie der Beklagten. Hieran vermöge auch die langjährige Besetzungspraxis nichts zu ändern. Der Vollversammlung des Stadtrats stehe es jederzeit frei, die Besetzungspraxis zu ändern. Was in Bezug auf die Ausschussbesetzung gelte, müsse erst recht in Bezug auf die Besetzung der Aufsichtsräte kommunaler Beteiligungsunternehmen gelten. Auch hier sei kein Verstoß gegen den Minderheitenschutz gegeben. Dieser werde vor allem durch die Grundrechte gewährleistet. Dem stehe das demokratische Herrschaftsprinzip gegenüber, das durch den Grundsatz „Mehrheit entscheidet“ (Art. 2 Abs. 2 BV) geprägt sei. Die Minderheit müsse demnach grundsätzlich die Entscheidung der Mehrheit akzeptieren, soweit der Gesetzgeber – wie vorliegend – keine Vorschriften zum Schutz von Minderheiten ausdrücklich erlassen habe. Weiter sei die Besetzung und Entsendung nicht willkürlich erfolgt, sie sei vielmehr, wie sich aus den Ausführungen auf Seite 8 der Sitzungsvorlage (Nr. 20-26 / V ....) ergebe, von dem sachlichen Grund getragen, die Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat abzubilden.
12
Mit Schriftsatz vom 9. August 2021 teilte die Beklagte mit, dass sich die Fraktion ÖDP/Freie Wähler (ursprüngliche Klägerin zu 1) aufgelöst habe, sodass erhebliche Zweifel an ihrer Aktivlegitimation bestünden. Die (ursprüngliche) Klägerin zu 1) teilte sodann auf richterliche Nachfrage mit Schreiben vom 12. August 2021 mit, dass seit dem 26. Juli 2021 die Fraktion ÖDP/M.-Liste, und die Stadtratsgruppe FREIE WÄHLER (FW) existierten. Die Fraktion ÖDP/M.-Liste wolle bei der anhängigen Klage als Klägerin beteiligt bleiben, die Stadtratsgruppe FW hingegen nicht. Dem beabsichtigten Wechsel der Klägerin zu 1) stimmten alle zu diesem Zeitpunkt am Verfahren Beteiligten zu.
13
Mit Beschluss vom 30. November 2021 wurden die Fraktionen bzw. Gruppierungen Die Grünen/Rosa Liste, CSU, SPD/Volt, DIE LINKE./Die PARTEI, AfD sowie die beiden Mitglieder der Gruppierung FW zum Verfahren beigeladen.
14
Die Beigeladene zu 2) führte mit Schriftsatz vom 14. Januar 2022 im Wesentlichen aus, angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, nach der die Gemeinderatsmitglieder bezüglich der Auswahl des zulässigen Berechnungsverfahrens für die Ausschussbesetzung im Rahmen des pflichtgemäß ausgeübten Organisationsermessens frei seien, habe die Klage keine Aussicht auf Erfolg. Die Klage sei schon mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Die Klageerhebung stelle ein widersprüchliches Verhalten dar. Die Klägerinnen hätten fast ein Jahr mit der Klageerhebung gewartet und diese „Verspätung“ auf unzutreffende Gründe gestützt. Sowohl die Stadtratsausschüsse als auch die Aufsichtsratssitzungen hätten im Zeitfenster von Mai 2020 bis April 2021 in gewohntem Umfang stattgefunden. Zudem sei die Klage im Hinblick auf die Aufhebung bzw. Feststellung der Nichtigkeit der Stadtratsbeschlüsse bezüglich der Bestellung der Aufsichtsräte mangels Klagebefugnis unzulässig. Nach der grundlegenden Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Februar 2000 (4 B 99.1377) gelte die Proporzregelung des Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO nur für die Besetzung der Ausschüsse des Gemeinderats selbst. Hinsichtlich der Geltendmachung der Rechtswidrigkeit der Ausschussbesetzung sei die Klage unbegründet, was unter Verweis auf die gefestigte Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs weiter ausgeführt wurde. Die Klägerinnen seien in den Ausschüssen beteiligt und begehrten lediglich jeweils einen Ausschusssitz mehr. Anhaltspunkte für eine Überaufrundung seien weder gegeben noch geltend gemacht. Das Organisationsermessen zur Besetzung der Ausschüsse sei pflichtgemäß im Rahmen der zulässigen Auswahl nach dem d´Hondtschen Verfahren getroffen worden. Aufgrund der turnusmäßigen Wahlen verändere sich nicht nur alle sechs Jahre die Zusammensetzung des Stadtrats, sondern auch die Geschäftsordnung, die sich der neu zusammentretende Stadtrat jeweils gebe.
15
Die Beigeladene zu 2) beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
16
Die übrigen Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
17
Mit Schriftsatz vom 15. März 2022 teilte die Beigeladene zu 2) weiter mit, dass sich die Beigeladenen zu 2), zu 6) und zu 7) mit Wirkung ab dem 21. Februar 2022 zu der Fraktion „CSU mit Freien Wählern Stadtratsfraktion“ zusammengeschlossen hätten.
18
Soweit sich durch den Zusammenschluss Änderungen in der Ausschusszusammensetzung ergaben, wurden dies entsprechend angepasst. Eine Neuberechnung für die Beteiligungsunternehmen erfolgte nicht (zu den Einzelheiten vgl. Sitzungsvorlage Nr. 20-26 / V 05742).
19
Mit Beschluss vom 23. März 2022 wurde die Beiladung der Beigeladenen zu 6) und zu 7) aufgehoben und die Bezeichnung der Beigeladenen zu 2) geändert.
20
Mit Schriftsatz vom 21. März 2022 vertieften die Klägerinnen ihr bisheriges Vorbringen und führten über das bisher Vorgetragene aus, aufgrund von Fraktionsumbildungen sei es zu Änderungen der Sitzverteilung gekommen. Zur Vermeidung einer hierdurch eintretenden Überaufrundung sei im Kinder- und Jugendhilfeausschuss das Verfahren Hare/Niemeyer zur Anwendung gekommen, sodass die Klägerinnen sowie die Fraktion DIE LINKE./Die PARTEI dort jeweils einen Sitz mehr und die Fraktionen Die Grünen-Rosa Liste, CSU mit FREIE WÄHLER und SPD/Volt jeweils einen Sitz weniger erhalten hätten. Das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers hätte zu dem gleichen Ergebnis geführt. Bei einer aufgrund der Änderungen erfolgten Neuberechnung bei der Besetzung der Aufsichtsräte hätten die Klägerinnen bei einer Sitzverteilung nach Sainte-Laguë/Schepers im Aufsichtsrat mit 10 Mitgliedern jeweils einen statt keinen Sitz erhalten. Bei einer Sitzverteilung nach Hare/Niemeyer hätten die Klägerinnen im Aufsichtsrat mit 10 Mitgliedern jeweils einen Sitz statt keinen und in den Aufsichtsräten mit 8 und 7 Mitgliedern hätte die Klägerin zu 1) jeweils einen Sitz statt keinen erhalten. Insgesamt hätte die Klägerin zu 1) 3, die Klägerin zu 2) ein Aufsichtsratsmitglied entsenden dürfen. Bei Zulassung der von den Klägerinnen angestrebten Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaft hätte diese bei Anwendung des d`Hondtschen Verfahrens 2 Aufsichtsratsmitglieder entsenden dürfen, bei einer Sitzverteilung nach Sainte-Laguë/Schepers hätte die Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaft zusätzlich 17 Sitze zu dem ihr ohnehin nach diesem Verfahren zustehenden Sitz erhalten. Bei Anwendung des Verfahrens nach Hare/Niemeyer wären es 16 Sitze zusätzlich zu den ihr ohnehin nach diesem Verfahren zustehenden 4 Sitzen gewesen. Die Klägerinnen seien auch hinsichtlich der Benennung und Entsendung der Aufsichtsratsmitglieder klagebefugt, da aufgrund der jahrelangen Praxis eine Rechtsverletzung jedenfalls möglich erscheine, was im Folgenden vertieft wurde. Weiter sei die Klage auch nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, was ebenfalls dargestellt wurde. Hilfsweise werde eine Verletzung der Rechte der Klägerinnen aus dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip geltend gemacht. Durch die zwischenzeitliche Einführung von Hybrid-Sitzungen für die Stadtratsausschüsse und die Omikron-Variante sei ein krankheitsbedingter Ausfall von Stadtratsmitgliedern unwahrscheinlich geworden. Im Kinder- und Jugendhilfeausschuss sei nach den erfolgten Fraktionsänderungen das Verfahren nach Hare/Niemeyer angewendet worden, sodass genau der Fall eingetreten sei, zu dessen Vermeidung das Verfahren nach d`Hondt eingeführt worden sei. Dies sei weder von der Beklagten oder anderen Fraktionen kritisiert worden noch habe es Probleme gegeben. Die insofern irrige Prognose sei daher aufgrund der praktischen Erfahrung zumindest ab sofort zu korrigieren. Dass sich mit keinem Verfahren eine exakte Spiegelbildlichkeit erreichen lasse, überzeuge angesichts der hohen verfassungsrechtlichen Bedeutung der Erfolgswertgleichheit nicht. Wissenschaftliche Erkenntnisse aus anderen Disziplinen seien durch die Rechtswissenschaft bei Rechtsetzung und Rechtsanwendung zu integrieren, wie das „Klimaurteil“ des Bundesverfassungsgerichts zeige. Die Exekutive müsse im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens das mathematisch beste Verfahren – das Verfahren Sainte-Laguë/Schepers – anwenden. Falls das zu pauschal sei, sei in jedem Einzelfall eine konkrete Vergleichsberechnung durchzuführen. Auch die Verwaltungsgerichte hätten dokumentiert, dass sie eine möglichst große Annäherung an die Erfolgswertgleichheit für erstrebenswert hielten. Die Ausführungen würden auch für die Aufsichtsratsbesetzung gelten. Die Annahme, das Spiegelbildlichkeitsgebot gelte mangels einfachgesetzlicher Ausgestaltung nicht für die Besetzung von Aufsichtsratsmitgliedern, sei falsch. Vielmehr sei auf die Verhältnisse im konkreten Einzelfall abzustellen, u.a. auf den Umfang der im gemeindlichen Eigentum stehenden Geschäftsanteile, die Unternehmensstatuten sowie den Ablauf des Besetzungsverfahrens im Gemeinderat. Beispielhaft werde auf § 7 Abs. 2 der Satzung der … … GmbH verwiesen, wonach die Bestellung und Mitgliedschaftsdauer aller Aufsichtsratsmitglieder streng an das Vorhandensein des Amts oder Mandats gebunden sei, was für ihre Ernennung maßgebend gewesen sei. Vor diesem Hintergrund sei das Besetzungsverfahren zu betrachten. Die Besetzung erfolge (fast) durchgängig in einem Dreischritt. Als erster Schritt werde aufgrund der Zahl der nach den Unternehmensstatuten zu besetzenden Aufsichtsratssitze unter Anwendung des jeweiligen Berechnungsverfahrens von der Verwaltung ermittelt, wie viele Sitze auf jede Stadtratsfraktion entfielen. In einem zweiten Schritt würden die entsprechenden Fraktionsmitglieder von den Fraktionen benannt und diese Benennung in einem dritten Schritt durch Sammelbeschluss der Vollversammlung des Stadtrats bestätigt. Die Qualifikationen der zu benennenden Personen würden allenfalls in der fraktionsinternen Auswahl berücksichtigt und weder durch die Verwaltung noch die Vollversammlung überprüft. Es handele sich somit um politische Besetzungen. Die von der Rechtsprechung für den Fall von Wahlen oder Benennungen von Aufsichtsratsmitgliedern unter Berücksichtigung fachlicher Qualifikationen entwickelten Grundsätze seien daher auf die M. Situation nicht anwendbar. Da die Besetzung auf der Basis von Parteiproporz erfolge, finde die Anwendung des Spiegelbildlichkeitsprinzips grundsätzlich bereits statt. Allerdings werde kleineren Parteien oder Wählergruppen im Unterschied zu Ausschussgemeinschaften (Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO) die Möglichkeit zum Zusammenschluss zu Entsendegemeinschaften verweigert. Durch die Verlagerung gemeindlicher Aufgaben auf vom Verwaltungsträger abgespaltene Gesellschaften werde somit deren in der Gemeindeordnung vorgesehene Mitwirkungsmöglichkeit ausgebremst. Damit werde die vom Gesetzgeber vorgenommene Konkretisierung des Demokratieprinzips durch die Hintertür ausgehebelt und konterkariert. Eine Gemeinde dürfe sich an Unternehmen grundsätzlich nur zur Erledigung gemeindlicher Aufgaben beteiligen. Eine zu der Aushöhlung der demokratischen Legitimationskette bei der gemeindlichen Aufgabenerledigung führende Flucht ins Privatrecht sei nicht zulässig. Daher sei die Einflussnahme der Gemeinde in den Unternehmen sicherzustellen. Unternehmen in öffentlichem Eigentum seien genauso demokratieverpflichtet wie staatliche Hoheitsträger. Ein sachlicher Grund dafür, bei der Aufsichtsratsbesetzung zwar den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit durch Anwendung eines Proporzverfahrens im Prinzip zu berücksichtigen, die Möglichkeit zur Bildung von Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaften aber auszuhebeln, sei nicht erkennbar. Daher müsse die Bildung von Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaften entweder direkt über Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO – wenn man Aufsichtsräte als Ausschüsse im materiellen Sinne betrachte – oder über Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO analog – wenn man Aufsichtsräte als wesensähnlich zu Ausschüssen betrachte – oder über das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1, 2 Satz 1 GG, Art. 2 BV – wenn man die Aufsichtsräte als anders geartete Gremien ansehe, für die zur Vermeidung einer entsprechenden Aushebelung die Regeln demokratischer Partizipation gleichermaßen gelten müssten – zulässig sein.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22
Nach der gem. § 88 VwGO gebotenen Auslegung des Klageantrags begehren die Klägerinnen im Hauptantrag die Aufhebung der Stadtratsbeschlüsse hinsichtlich des Berechnungsverfahrens und dessen Ergebnis bei der Besetzung der Stadtratsausschüsse (Sitzungsvorlage Nr. 20-26 / V ...) und der Aufsichtsräte der städtischen Beteiligungsunternehmen (Sitzungsvorlage Nr. 20-26 / V...) sowie die Verpflichtung der Beklagten, die Verteilung nach dem Verfahren Sainte-Laguë/Schepers vorzunehmen und bei der Verteilung von Aufsichtsratssitzen die Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaften zuzulassen. Hilfsweise begehren die Klägerinnen zum einen die Feststellung der Rechtswidrigkeit der vorgenannten Beschlüsse sowie zum anderen die Verurteilung der Beklagten zur Anwendung des Verfahrens nach Hare/Niemeyer. Der des Weiteren beantragten Aufhebung des § 5 Abs. 2 und Abs. 3 der Geschäftsordnung kommt hingegen keine eigenständige Bedeutung zu, da es sich hierbei um die notwendige Folge eines im Falle des Obsiegens erfolgenden Verpflichtungsausspruchs handelt.
23
Die so verstandene Klage hat keinen Erfolg.
24
Die Klage ist im Hauptantrag zulässig.
25
Bei Streitigkeiten über die Besetzung der Stadtratsausschüsse sowie die Besetzung der Aufsichtsräte mit Stadtratsmitgliedern handelt es sich um einen kommunalverfassungsrechtlichen Innenrechtsstreit, für den der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
26
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage mit kassatorischer Wirkung statthaft. Bei den streitgegenständlichen Beschlüssen des Stadtrats der Beklagten über die Verteilung der zu vergebenen Ausschusssitze und die Benennung und Entsendung von Stadtratsmitgliedern in Aufsichtsräte städtischer Beteiligungsunternehmen handelt es sich um organisationsrechtliche Entscheidungen, die im Wege der allgemeinen Leistungsklage – oder subsidiär – der Feststellungsklage angreifbar sind (vgl. Bauer/Böhle/Ecker/Kuhne, Bayerische Kommunalgesetze, Stand: November 2021, Art. 33 GO Rn. 35, mit Verweis auf BayVGH, U.v. 8.5.1968 – Nr. 145 IV 67 – BayVBl. 1968, 324/325).
27
Die Klagebefugnis der Klägerinnen ergibt sich aus § 42 Abs. 2 VwGO analog. Im Hinblick auf die gerügte Verteilung der Ausschusssitze erscheint eine Verletzung ihres Rechts aus Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO auf eine dem Gebot der Spiegelbildlichkeit entsprechende Zahl von Ausschusssitzen zumindest möglich. Die Klagebefugnis besteht entgegen der Auffassung der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) auch hinsichtlich der gerügten Verteilung der Aufsichtsratssitze. Denn da die Beklagte vorliegend bei der Verteilung der Aufsichtsratssitze jedenfalls das Sitzverteilungsverfahren nach d´Hondt angewendet und Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaften nicht zugelassen hat, ist es vorliegend nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass die von den Klägerinnen behaupteten Rechte aus Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO (analog) und dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip bestehen oder ihnen (als subjektives Recht) zustehen können und möglicherweise verletzt werden (vgl. Schmidt-Kötters in BeckOK, VwGO, Stand: 1.10.2019, § 42 Rn. 175; vgl. auch VG Regensburg, B.v. 14.1.2015 – RN 3 K 14.1045 – juris Rn. 38; VG Bremen, B.v. 11.2.2021 – 1 V 369/20 – juris Rn. 19 f.; a.A. BayVGH, U.v. 2.2.2000 – 4 B 99.1377 – juris Rn. 21 ff.).
28
Den Klägerinnen fehlt auch nicht, wie die Beigeladene zu 2) meint, das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, weil sie erst nahezu ein Jahr nach Fassung der streitgegenständlichen Beschlüsse Klage erhoben haben. Die allgemeine Leistungsklage ist nicht fristgebunden. Eine aufgrund einer treuwidrig verzögerten Geltendmachung des Klagerechts begründete prozessuale Verwirkung kann vorliegend nicht angenommen werden. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Klageberechtigte sein Klagerecht lange Zeit nicht ausgeübt hat, sodass der Prozessgegner oder ein Dritter darauf vertrauen durfte, eine Klage werde nicht mehr erhoben und dass der Prozessgegner oder Dritte dieses Vertrauen auch tatsächlich gefasst und sich entsprechend eingerichtet hat, sodass ihm durch die nunmehrige Ausübung des Klagerechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (vgl. Rennert in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, Vor §§ 40-53 Rn. 23 m.w.N). Dies ist hier nicht der Fall. Die Beigeladene zu 2) hat weder substantiiert vorgetragen, dass sie tatsächlich auf die Nichtausübung des Klagerechts vertraut hat noch dargelegt, welcher unzumutbare Nachteil ihr nunmehr entstehen würde; letzteres ist im Übrigen auch nicht im Hinblick auf die weiteren Beteiligten ersichtlich.
29
Die Klage ist im Hauptantrag jedoch unbegründet, da die angegriffenen Beschlüsse rechtmäßig sind und die Klägerinnen nicht in ihren Rechten verletzen.
30
Die angegriffene Verteilung der Ausschusssitze durch die Anwendung des Berechnungsverfahrens nach d´Hondt ist rechtmäßig und widerspricht nicht dem in Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO einfachgesetzlich normierten Gebot der Spiegelbildlichkeit. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Aufhebung des streitgegenständlichen Stadtratsbeschlusses (vgl. Sitzungsvorlage Nr. 20-26 / V ...) und Verpflichtung der Beklagten, bei der Besetzung der Ausschüsse das Berechnungsverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers anzuwenden. Eine Verletzung ihres organschaftlichen Rechts aus Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO liegt nicht vor.
31
Nach Art. 33 Abs. 1 Satz 1 GO regelt der Gemeinderat die Zusammensetzung der Ausschüsse in der Geschäftsordnung (Art. 45 GO); die Mitglieder werden vom Gemeinderat für die Dauer der Wahlzeit aus seiner Mitte bestellt. Nach Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO hat der Gemeinderat hierbei dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen Rechnung zu tragen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung des Stadtrats der Beklagten ist bei der Verteilung der Ausschusssitze das Verfahren nach d‘Hondt anzuwenden. Haben Parteien, Wählergruppen, Fraktionen, Ausschussgemeinschaften, Gruppierungen oder Einzelstadtratsmitglieder den gleichen Anspruch auf einen Ausschusssitz, so entscheidet das Los. Nach § 5 Abs. 3 der Geschäftsordnung sind, soweit die Anwendung des Verfahrens nach d´Hondt bei einer bestimmten Ausschussgröße zu einer überproportionalen Überaufrundung führt oder in Kombination mit dem Losentscheid führen könnte, die Sitze dieser Ausschüsse nach dem Verfahren Hare/Niemeyer zu verteilen. Bei einer durch Austritt oder Übertritt von Stadtratsmitgliedern eintretenden Änderung des ursprünglichen Stärkeverhältnisses sind diese Änderungen nach Abs. 2 und Abs. 3 neu zu berechnen (§ 3a der Geschäftsordnung).
32
Die Entscheidung über die Bildung von Ausschüssen, deren Größe sowie das bei der Besetzung anzuwendende Verfahren sind Ausfluss der Organisationskompetenz des Gemeinderats. Dessen Regelungsermessen ist in Bezug auf die Kopfstärke sowie auf die Wahl des Besetzungsverfahrens nur insoweit gebunden, als nach Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO dem Stärkeverhältnis der im Gemeinderat vertretenen Fraktionen und Gruppen Rechnung zu tragen ist. Dabei muss jeder Ausschuss in seiner Zusammensetzung ein verkleinertes Abbild des Gemeinderats darstellen (vgl. BayVGH, U. v. 17.3.2004 – 4 BV 03.1159 – juris Rn. 13 m.w.N; B.v. 7.8.2020 – 4 CE 20.1442 – juris Rn. 16). Das Gebot der Spiegelbildlichkeit soll als Ausfluss des Prinzips der repräsentativen Demokratie die dem Gemeinderat als Plenum aufgetragene Repräsentation aller Gemeindebürger auf der Ebene seiner fachlichen Untergliederungen sichern. Die Willensbildung in den Ausschüssen – und in gesteigertem Maße die abschließende Entscheidung bei beschließenden Ausschüssen (Art. 32 Abs. 2 Satz 1 GO) – verlangt nach demokratischer Legitimation, die über den Gemeinderat nur vermittelt wird, wenn der Ausschuss mit Blick auf das Plenum hinreichend repräsentativ besetzt ist. Die Repräsentation setzt deshalb voraus, dass jeder Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums ist und dessen Zusammensetzung widerspiegelt (vgl. BayVGH, U.v. 17.03.2004 – 4 BV 03.1159 – juris Rn. 22 f. m.w.N.).
33
Diesem einfachgesetzlich normierten Gebot der Spiegelbildlichkeit hat die Beklagte durch die Wahl des Berechnungsverfahrens nach d´Hondt mit hilfsweiser Anwendung des Verfahrens nach Hare/Niemeyer im Falle einer Überaufrundung Rechnung getragen. Ein Anspruch der Klägerinnen auf Anwendung des aus ihrer Sicht vorzugswürdigen Berechnungsverfahrens nach Sainte-Laguë/Schepers besteht nicht.
34
Der Landesgesetzgeber hat zu der Wahl des Berechnungsverfahren keine näheren Vorgaben gemacht und insbesondere nicht das für die Kommunalwahlen geltende Divisorverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers (vgl. Art. 35 Abs. 2 GLKrWG) verbindlich vorgeschrieben. Die kommunalen Gremien haben daher grundsätzlich die Auswahl unter den verschiedenen Berechnungsverfahren, die den aus dem Prinzip der repräsentativen Demokratie und aus dem Gebot der Wahlgleichheit folgenden ungeschriebenen Anforderungen gerecht werden (vgl. BayVGH, U. v. 17.3.2004 – 4 BV 03.1159 – juris Rn. 16; B.v. 7.8.2020 – 4 CE 20.1442 – juris Rn. 20; B.v. 7.12.2020 – 4 CE 20.2032 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 15.12.2020 – 4 CE 20.2166 – juris Rn. 21; B.v. 21.10.2021 – 4 ZB 21.1776 – juris Rn. 16, jeweils m.w.N). Zu diesen verfassungsrechtlich zulässigen Verfahren gehört nach ständiger Rechtsprechung das Höchstzahlverfahren nach d'Hondt ebenso wie das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers (vgl. VG Regensburg, U.v. 14.1.2015 – RN 3 K 14.1045 – juris Rn. 44) und das Verfahren nach Hare/Niemeyer (vgl. BayVGH, U.v. 17.3.2004 – 4 BV 03.1159 – juris Rn. 16 m.w.N.), das im Vergleich zum Verfahren nach d`Hondt kleinere Parteien und Wählergruppen begünstigt, auch wenn es die Erfolgswertgleichheit nicht in exakt gleichem Maße erfüllt wie etwa das in neuerer Zeit vielfach verwendete Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2021 – 4 ZB 21.1776 – juris Rn. 16 unter Bezugnahme auf B.v. 15.12.2020 – 4 CE 20.2166 – juris Rn. 21). Gewisse Abweichungen vom mathematischen Proporz treten bei jedem dieser Verteilungsverfahren auf. Rundungsbedingt werden die Fraktionen bei jedem Berechnungsverfahren zwangsläufig teils überteils unterrepräsentiert (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2003 – 8 C 18.03 – juris Rn. 21).
35
Der Kommunalgesetzgeber hat, nachdem sich mit keinem der Verfahren eine exakte Spiegelbildlichkeit der Sitzverteilung erreichen lässt, ebenso wie der Verfassungsgeber darauf verzichtet, die örtlichen Volksvertretungen auf die Wahl des jeweils „bestmöglichen“ Verfahrens festzulegen (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2021 – 4 ZB 21.1776 – juris Rn. 17; B.v. 7.8.2020 – 4 CE 20.1442 – juris Rn. 21; B.v. 7.12.2020 – 4 CE 20.2032 – juris Rn. 18 m.w.N; B.v. 15.12.2020 – 4 CE 20.2166 – juris Rn. 21, jeweils m.w.N.). Die Organisationshoheit des Gemeinderats findet nur dort ihre Grenze, wo es (bei dem Verfahren nach d`Hondt) zu einer Überaufrundung kommt, d.h. zu einem Sprung auf die übernächste statt auf die nächsthöhere ganze Zahl. Eine derart massive Verzerrung der Größenverhältnisse lässt sich vor dem verfassungsrechtlich fundierten Grundsatz der Spiegelbildlichkeit nicht rechtfertigen (vgl. BayVGH, U.v. 17.3.2004 – 4 BV 03.1159 – juris Rn. 22; U.v. 8.5.2005 – 4 BV 15.201 – juris Rn. 30).
36
Nach diesen Maßstäben ist die Vergabe der Ausschusssitze nach dem Berechnungsverfahren nach d´Hondt grundsätzlich nicht zu beanstanden. Wie bereits dargelegt, ist die Wahl dieses Berechnungsverfahrens grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig. Soweit die Anwendung des d´Hondtschen Verfahrens bei der Vergabe der Sitze des Kinder- und Jugendhilfeausschusses zu einer unzulässigen Überaufrundung geführt hätte, hat die Beklagte gemäß § 5 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Verteilung der Sitze dieses Ausschusses nach dem Verfahren Hare/Niemeyer vorgenommen, sodass kein Verstoß gegen das Verbot der Überaufrundung gegeben ist. Auch die aufgrund der Fraktionsumbildungen zum Teil erforderliche Neuverteilung der Ausschusssitze wurde von der Beklagten vorgenommen.
37
Die Beklagte war auch nicht gehalten, bei der Vergabe der Ausschusssitze auf das für die Klägerinnen vorteilhafte Divisorverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers zurückzugreifen. Die einzelnen Fraktionen haben grundsätzlich keinen Anspruch auf die Wahl eines für sie mathematisch vorzugswürdigen Verfahrens. Der Gemeinderat ist nach der Rechtsprechung schon nicht verpflichtet, kleineren Gruppen durch die Wahl eines sie besonders begünstigenden Auswahlverfahrens überhaupt die Entsendung von Vertretern in Ausschüsse zu ermöglichen (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 4 CE 20.1442 – juris Rn. 21 m.w.N.; B.v. 15.12.2020 – 4 CE 20.2166 – juris Rn. 21). Erst recht bestand daher für die Beklagte keine Verpflichtung, das Verfahrens so zu wählen, dass den Klägerinnen in einzelnen Ausschüssen noch ein weiterer Ausschusssitz zugeteilt wird. Auch eine Korrektur aufgrund von Billigkeitserwägungen findet grundsätzlich nicht statt (vgl. BayVGH, U.v. 7.10.1992 – 4 B 19.2372 – juris Rn. 16). Aus diesem Grund vermag auch der Vortrag der Klägerinnen, dass es sich bei diesem Verfahren um das mathematisch beste Verfahren der Sitzverteilung handele und wissenschaftliche Erkenntnisse in die Rechtanwendung einfließen müssten, nicht zu einem entsprechenden Anspruch zu führen. Ebenso wenig ist das klägerische Vorbringen, dass die überaufrundungsbedingte Anwendung des Hare/Niemeyer-Verfahrens im Kinder- und Jugendhilfeausschuss weder kritisiert worden sei noch zu Problemen geführt habe, geeignet, die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Wahl des Verfahrens in Zweifel zu ziehen. Denn die Verteilung der Sitze im Kinder- und Jugendhilfeausschuss nach dem Verfahren Hare/Niemeyer war ausschließliche Folge der bei Anwendung des d´Hondtschen Verfahrens eintretenden Überaufrundung. Der Umstand, dass dies in der Praxis zu keinen Problemen geführt hat, lässt die grundsätzliche Wahlmöglichkeit der Beklagten nicht entfallen.
38
Einen Anspruch auf Anwendung des Verfahrens nach Sainte-Laguë/Schepers lässt sich entgegen der Auffassung der Klägerinnen schließlich auch nicht daraus herleiten, dass der Gesetzgeber die Anwendung dieses Verfahrens inzwischen für die Kommunalwahlen (vgl. Art. 35 Abs. 2 GLKrWG) vorgeschrieben hat. Eine entsprechende Änderung des Art. 33 Abs. 1 GO ist gerade nicht erfolgt. Die grundsätzliche Wahlmöglichkeit zwischen den Berechnungsverfahren besteht daher weiterhin (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 4 CE 20.1442 – juris Rn. 20; B.v. 7.12.2020 – 4 CE 20.2032 – juris Rn. 17; B.v. 15.12.2020 – 4 CE 20.2166 – juris Rn. 21; vgl. auch Wolff in Dietlein/Suerbaum, BeckOK Kommunalrecht Bayern, Stand: 1.2.2021, Art. 33 GO Rn. 5a).
39
Rechtliche Bedenken an der Wahl des Verteilungsverfahrens nach d´Hondt bestehen auch nicht im Hinblick darauf, dass in den vergangenen Wahlperioden die Besetzung der Ausschüsse nach dem Verfahren Hare/Niemeyer erfolgt ist.
40
Eine Bindung des Gemeinderats an die Praxis vorheriger Wahlperioden besteht nicht. Der neugewählte Gemeinderat hat nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, sich eine neue Geschäftsordnung zu geben. Die Geschäftsordnung des Gemeinderats gilt nicht über das Ende seiner Wahlzeit hinaus. Der Gemeinderat der vergangenen Wahlperiode kann keine Geschäftsordnungsregelungen für die neue Wahlperiode treffen. Der neugewählte Gemeinderat ist daher auch nicht an die vom Gemeinderat der vergangenen Wahlperiode erlassenen Regelungen gebunden (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2021 – 4 ZB 21.1776 – juris Rn. 13; B.v. 7.12.2020 – 4 CE 20.2032 – juris Rn. 20; B.v. 15.12.2020 – 4 CE 20.2166 – juris Rn. 23, B.v. 26.10.2020 – 4 CE 20.2238 – juris Rn. 23, jeweils m.w.N.).
41
Schließlich liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Wahl des Berechnungsverfahrens nach d´Hondt willkürlich erfolgt ist, mithin eine diskriminierende Wirkung hat.
42
In der Geschäftsordnung des Gemeinderats getroffene Organisations- oder Verfahrensregelungen sind willkürlich und daher unzulässig, wenn sie sich gegen eine bestimmte politische Gruppierung richten und das alleinige oder vorrangige Ziel verfolgen, deren Tätigkeit zu beeinträchtigen oder sie als unerwünschte politische Kraft auszuschalten. Ob eine solche vom Zweck der Geschäftsordnungsautonomie nicht mehr gedeckte diskriminierende Gestaltung des ratsinternen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesses vorliegt, beurteilt sich nicht allein anhand der offiziellen Erklärungen jener Fraktionen und Wählergruppen, die sich mehrheitlich für die betreffenden Bestimmungen ausgesprochen haben. Von Bedeutung sind darüber hinaus die äußeren Umstände, die dem Erlass der Vorschriften zugrunde liegen, sowie die möglichen Sachgründe, die sich für das gewählte Regelungskonzept anführen lassen. Je stärker von einer bisher überwiegend akzeptierten Handhabung abgewichen wird und je gezielter die gewählte Verfahrensgestaltung auf einen bestimmten (Ausgrenzungs-)Effekt hin zugeschnitten erscheint, desto gewichtiger müssen die sachbezogenen Argumente sein, die das Vorgehen der Ratsmehrheit rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2021 – 4 ZB 21.1776 – juris Rn. 23 m.w.N.).
43
Für die Annahme einer bewussten Diskriminierung der Klägerinnen gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte. Die Beklagte hat die Wahl des Berechnungsverfahrens nach d´Hondt nachvollziehbar mit der zunehmenden Zersplitterung des politischen Spektrums und der hierdurch entstehenden Schwierigkeit der in Regierungsverantwortung stehenden Parteien bzw. Gruppierungen bei der Abbildung der in der Vollversammlung bestehenden Mehrheiten auch in den Ausschüssen begründet (vgl. Sitzungsvorlage Nr. 20-26 / V ...). Rechtliche Bedenken an der Sachdienlichkeit des Ziels der Abbildung der im Stadtrat bestehenden Mehrheiten auch in den Ausschüssen bestehen nicht. Die im neugewählten Gemeinderat vertretenen Parteien und Wählergruppen dürfen im rechtlich vorgegebenen Rahmen die Konstellation wählen, die ihnen oder ggf. ihnen (kommunalpolitisch) nahestehenden Parteien und Wählergruppen die größtmöglichen Vorteile bringen (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2021 – 4 ZB 21.1776 – juris Rn. 24). Sie können insoweit auch von ihren eigenen früheren Präferenzen abweichen (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2020 – 4 CE 20.2166 – juris Rn. 23 zum Wechsel vom Verfahren Hare/Niemeyer zu dem Verfahren nach d´Hondt).
44
Die angegriffene Verteilung der durch Stadtratsmitglieder zu besetzenden Aufsichtsratssitze städtischer Beteiligungsunternehmen ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf die Verteilung der Aufsichtsratssitze nach dem Verfahren Sainte-Laguë/Schepers sowie die Zulassung von Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaften. Ein Verstoß gegen das Spiegelbildlichkeitsgebot oder das Demokratie- oder Rechtsstaatsprinzip ist entgegen der Auffassung der Klägerinnen nicht gegeben.
45
Die Beklagte war schon nicht verpflichtet, bei der Benennung und Entsendung von Stadtratsmitgliedern in die Aufsichtsräte städtischer Beteiligungsunternehmen entsprechend Art. 33 Abs. 1 Satz 3 GO zu verfahren und dabei gem. Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO auch Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaften zu berücksichtigen. Das in Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO normierte Gebot der Spiegelbildlichkeit gilt nicht für die Benennung und Entsendung von Stadtratsmitgliedern für bzw. in Aufsichtsräte städtischer Beteiligungsunternehmen (vgl. BayVGH, U.v. 2.2.2000 – 4 B 99.1377 – juris Rn. 22; VG München, U.v. 12.2.2014 – M 7 K 13/282 – juris Rn. 19 zu Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO; VG Regensburg, U.v. 11.1.2006 – RN 3 K 05.01162 – juris Rn. 30; ähnlich VG Köln, U.v. 2.2.2011 – 4 K 915/10 – juris Rn. 65 ff.; VG Schleswig-Holstein, U.v. 21.12.2016 – 6 A 159/16 – juris Rn. 32; VG Bremen, B.v. 11.2.2021 – 1 V 369/29 – juris Rn. 32 ff.; OVG Bremen, B.v. 13.4.2021 – 1 B 86/21 – juris Rn. 11 ff.; offenlassend BVerwG, B.v. 26.7.2017 – 10 B 17/16 – juris Rn. 5). Die Gemeindeordnung enthält keine Bestimmungen über die Auswahl der in einen Aufsichtsrat eines (gemeindlichen) Unternehmens zu entsendenden Mitglieder. Vielmehr beschränkt sie sich darauf, die Vertretung des ersten Bürgermeisters in der Gesellschafterversammlung oder in einem entsprechenden Organ und die Sicherung eines angemessenen Einflusses der Gemeinde im Aufsichtsrat oder in einem entsprechenden Gremium vorzuschreiben (vgl. Art. 93 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Art. 92 Abs. 1 Nr. 2 GO). Die Proporzregelung des Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO gilt von Gesetzes wegen nur für die Besetzung der Ausschüsse des Gemeinderats selbst, nicht jedoch für die Besetzung des Aufsichtsrats einer kommunalen GmbH (vgl. BayVGH, U.v. 2.2.2000 – 4 B 99.1377 – juris Rn. 22; U.v. 16.2.2000 – 4 N 98.1341 – juris Rn. 30; VG Regensburg, U.v. 11.1.2006 – RN 3 K 05.01162 – juris Rn. 30). Der Stadtrat genießt gerade in Geschäftsordnungsdingen oder, wie hier, in sonstigen Bereichen, die der gemeindlichen Selbstverwaltung zuzuordnen sind, Gestaltungsfreiheit und ist dabei auch nicht – wie ausgeführt – an die gesetzliche Wertung des Art. 33 Abs. 1 GO gebunden. Es ist nicht Sache des Gerichts zu prüfen, ob der Stadtrat die beste oder gerechteste Lösung gewählt hat (vgl. BayVGH, U.v. 16.2.2000 – 4 N 98.1341 – juris Rn. 30).
46
Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO ist auch nicht analog auf die Bestellung bzw. Auswahl von Aufsichtsratsmitgliedern anzuwenden. In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist geklärt, dass eine entsprechende Anwendung der Spiegelbildlichkeitsvorschrift auf die Bestellung von Vertretern in sonstige Gremien der Gebietskörperschaft nicht zwingend geboten ist, da die Voraussetzungen für eine Analogie im Hinblick auf die strukturellen Unterschiede zwischen diesen und den Ausschüssen nicht vorliegen (vgl. BayVGH, U.v. 8.3.2001 – 4 B 98.2073 – juris Rn. 27 ff. zu Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO; U.v. 2.2.2000 – 4 B 99.1377 – juris Rn. 23 ff.) und dass dies weder gegen demokratische Grundsätze noch den Minderheitenschutz verstößt oder willkürlich ist (vgl. BayVGH, U.v. 8.3.2001 – 4 B 98.2073 – juris Rn. 39 ff.). Die zu der Entsendung von Verbandsräten in eine Zweckverbandsversammlung (vgl. BayVGH, U.v. 8.3.2001 – 4 B 98.2073 – juris) und von Aufsichtsräten in den Aufsichtsrat eines als Gesellschaft mit beschränkter Haftung geführten kommunalen Eigenbetriebes (vgl. BayVGH, U.v. 2.2.2000 – 4 B 99.1377 – juris) ergangenen Gerichtsentscheidungen gelten auch für alle anderen, von den Klägerinnen zum Gegenstand ihrer Klage erhobenen Gremien der Beklagten (vgl. BayVGH, U.v. 2.2.2000 – 4 B 99.1377 – juris Rn. 22 a.E. m.w.N.; VG München, U.v. 12.2.2014 – M 7 K 13.282 – juris Rn. 19 zu Art. 27 LKrO).
47
Ebenso wenig war die Beklagte verpflichtet, die Bildung von Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaften bei der Entsendung von Vertretern in externe Gremien zuzulassen. Nach den vorgenannten Grundsätzen ist auch Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO, der sich nach seinem Wortlaut ebenfalls ausschließlich auf die Zulässigkeit der Bildung von Ausschussgemeinschaften zur Entsendung gemeinsamer Vertreter in die Ausschüsse bezieht, nicht, auch nicht analog, auf die Entsendung von Stadtratsmitgliedern in Aufsichtsräte kommunaler Beteiligungsunternehmen anwendbar (vgl. VG München, U.v. 12.2.2014 – M 7 K 13.282 – juris Rn. 19 zu Art. 27 LKrO).
48
Eine Verpflichtung der Beklagten zur Beachtung des Spiegelbildlichkeitsprinzips oder zur Zulassung von Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaften ergibt sich auch nicht aus anderen Rechtsvorschriften. Eine Bestimmung zum Verfahren bei der Benennung und Entsendung von Stadtratsmitgliedern für bzw. in Aufsichtsräte städtischer Beteiligungsunternehmen ist in der Geschäftsordnung des Stadtrats nicht enthalten. § 18 Abs. 1 der Geschäftsordnung regelt nach seinem eindeutigen Wortlaut lediglich die Zulässigkeit von Ausschussgemeinschaften zum Zweck der Erlangung von Ausschusssitzen, nicht jedoch in Bezug auf die Entsendung von Stadtratsmitgliedern in andere Gremien. Weitere in Frage kommende Rechtsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Soweit die Klägerinnen in diesem Zusammenhang auf § 7 Abs. 2 der Satzung der … … GmbH verweisen, ergibt sich aus dieser Vorschrift lediglich, dass die Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder grundsätzlich der Wahlperiode der ehrenamtlichen Stadtratsmitglieder bzw. berufsmäßigen Stadträte entspricht. Die Art und Weise der Bestellung sowie des Verfahrens regelt diese Vorschrift gerade nicht. Vielmehr bestimmt § 7 Abs. 1 der Satzung allgemein, dass die 14 Aufsichtsratsmitglieder von der Beklagten bestellt und abberufen werden.
49
Die in den vorherigen Wahlperioden geübte Verwaltungspraxis der Anwendung des Hare/Niemeyer-Verfahrens und die Zulassung von Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaften vermag entgegen der Auffassung der Klägerinnen kein die Beklagte bindendes Gewohnheitsrecht zu schaffen. Ebenso wenig wie der Stadtrat an die Geschäftsordnungen früherer Wahlperioden gebunden ist, ist er daran gehindert, durch eine erneute Beschlussfassung eine in der vorangegangenen Wahlperiode geübte Besetzungs- und Entsendungspraxis wieder zu ändern (vgl. auch VG München, U.v. 12.2.2014 – M 7 K 13.282 – juris Rn. 21 m.w.N.).
50
Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass die Beklagte mit der Anwendung des Berechnungsverfahrens nach d´Hondt ohnehin ein verfassungsrechtlich zulässiges, das Spiegelbildlichkeitsgebot grundsätzlich wahrendes Verteilverfahren gewählt hat, sodass, wie zuvor bereits dargelegt, selbst bei einer unterstellten Pflicht zur Beachtung des Spiegelbildlichkeitsgebots kein Anspruch der Klägerinnen auf die Wahl des aus ihrer Sicht vorteilhaften Berechnungsverfahrens nach Sainte-Laguë/Schepers bestünde.
51
Anhaltspunkte dafür, dass die Wahl des Berechnungsverfahrens nach d´Hondt oder die Nichtzulassung von Entsende- bzw. Ausschussgemeinschaften willkürlich getroffen worden wäre oder eine diskriminierende Wirkung hätte, sind nach den oben genannten Maßstäben ebenfalls nicht ersichtlich. Die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass auch für die Sitzverteilung in den Aufsichtsräten unter Abstellung auf die Fraktionen die Anwendung des Berechnungsverfahrens nach d´Hondt zur Abbildung der Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat zweckmäßig ist (vgl. Sitzungsvorlage Nr. 20-26 / V ...).
52
Die Klage ist auch in ihren Hilfsanträgen unbegründet.
53
Da die streitgegenständlichen Stadtratsbeschlüsse, wie bereits ausgeführt, rechtmäßig sind, kommt die begehrte Feststellung deren Rechtswidrigkeit nicht in Betracht.
54
Soweit die Klägerinnen hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zur Anwendung des Verfahrens nach Hare/Niemeyer bei der Verteilung der Ausschusssitze und der Aufsichtsratssitze begehren, ist die Klage in Ermangelung eines bestehenden Anspruchs auf Wahl eines bestimmten Berechnungsverfahrens unbegründet. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.
55
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO abzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) waren für erstattungsfähig zu erklären, da diese einen Sachantrag gestellt und sich somit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Die außergerichtlichen Kosten der übrigen Beigeladenen waren nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht für erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen Antrag gestellt haben.
56
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).