Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 22.11.2022 – Au 8 K 20.2342
Titel:

jagdrechtliche Befriedung eines Grundstücks – Darlegungsanforderung des Grundeigentümers

Normenkette:
BJagdG § 6a
Leitsatz:
Zur Darlegung der ethischen Gründe iSv § 6a Abs. 1 S. 1 BJagdG genügt es nicht, lediglich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur ethischen Jagdgegnerschaft Bezug zu nehmen. Auch die bloße Behauptung ethischer Gründe reicht nicht aus. Es obliegt dem Grundeigentümer, seine Gründe für die Ablehnung der Jagdausübung darzulegen und entsprechende Beweismittel beizubringen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist der Nachweis objektiver Umstände, die das Vorliegen ethischer Gründe nachvollziehbar und im Ergebnis überwiegend wahrscheinlich machen (hier: verneint). (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
jagdrechtliche Befriedung, fehlendende Glaubhaftmachung von ethischen Gründen, Jagdrechtliche Befriedung, Ethische Gründe, Persönliche Überzeugung, Glaubhaftmachung, Zweckentfremdung, Objektive Umstände, Darlegungsanforderungen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 42122

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die jagdrechtliche Befriedung seines Grundstücks mit der Flurnummer, Gemarkung, Gemeinde ....
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Eine auf Feststellung gerichtete Klage, dass es sich bei diesem Grundstück um einen befriedeten Bezirk i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Nr. 2 BayJG handelt, wurde bereits mit Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. Juli 2018, rechtskräftig seit 4. September 2018, abgewiesen (Au 8 K 18.665).
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Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke mit den Flurnummern ... und, Gemarkung, Gemeinde .... Auf dem 6.000 m2 großen Grundstück mit der Flurnummer ... befindet sich im südlichen Bereich das Wohnhaus und im nördlichen Bereich der Garten des Klägers. An dieses Grundstück grenzt das verfahrensgegenständliche 4.000 m2 große, unbebaute Wiesengrundstück mit der Flurnummer ... an, welches im Gemeinschaftsjagdrevier ... der Beigeladenen belegen ist. Das in der Hegegemeinschaft (HG) ...-... befindliche Gemeinschaftsjagdrevier ... hat eine Jagdfläche von 298 ha (netto) sowie einen Waldanteil von 40%. Das Forstliche Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2018 bewertet die Verbissbelastung für die HG ...-... als „zu hoch“ und empfiehlt den Abschuss des vorkommenden Schalenwilds (Reh- und Schwarzwild) „zu erhöhen“. Die Ergänzende Revierweise Aussage zur Verjüngungssituation bewertet die Verbisssituation für das streitgegenständliche Jagdrevier ebenso als „zu hoch“ und als „nicht verändert“ gegenüber dem vorangegangenen Forstlichen Gutachten aus dem Jahre 2015. Zudem wird angemerkt, dass jagdliche Einrichtungen im Wald teilweise ohne Erfolgsaussichten seien. Rehwildfütterung werde h.E. übertrieben.
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Mit Schreiben vom 19. November 2018 beantragte der Kläger das Grundstück mit der Flurnummer, Gemarkung, unverzüglich, spätestens zum Ende des Jagdjahres, aus ethischen Gründen zu befrieden. Zur Begründung brachte der Kläger im Wesentlichen vor, dass er es nicht ertrage, wenn bei ihm Tiere getötet würden. Er lehne die Jagd aus ethischen Motiven ab. Trotz beharrlicher Propagandaarbeit der Jagdverbände sinke das Image der Jäger in der Öffentlichkeit immer mehr. Immer weniger Spaziergänger, Reiter und Mountainbiker ließen es sich gefallen, von Jägern „angepöbelt“ und „bedroht“ zu werden - sie würden gegen (die) „Ballerei“ in Wohngegenden, in Stadtparks, auf Friedhöfen und in Naherholungsgebieten protestieren. Immer wieder sei in der Zeitung zu lesen, dass Jäger aus Versehen Menschen oder Pferde auf der Weide mit Wildschweinen verwechseln würden - das könne einem beim Spaziergang schon Angst machen. Der Kläger verwies in diesem Zusammenhang auf einen Internetlink. Der Kläger gab weiter an, er habe keinen Jagdschein und keine ausländische Jagderlaubnis gelöst oder beantragt.
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Mit Schreiben vom 30. November 2018 forderte der Beklagte den Kläger auf, eine ausreichende Begründung vorzulegen. Nach § 6a Abs. 1 BJagdG sei der Antrag glaubhaft zu begründen. Allgemeine Aussagen zu Problemen bei Jagdausübungen würden nicht ausreichen. Es reiche nicht aus, das Vorliegen ethischer Gründe nur pauschal zu behaupten.
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Mit Schreiben vom 3. Dezember 2018 leitete der Beklagte das Anhörungsverfahren nach § 6a Abs. 1 Satz 5 BJagdG ein. Die Beigeladene lehnte eine Befriedung ab, da es zur Erhaltung eines artenreichen und gesunden Wildbestandes, dem Verhindern von übermäßigen Wildschäden auf land- und forstwirtschaftlichen Flächen und zum Schutz vor Tierseuchen zwingend notwendig sei, auf den gesamten bejagbaren Flächen der Gemarkung ... die Jagd ausüben zu können. Der Revierinhaber sprach sich ebenfalls gegen eine Befriedung aus und ergänzte, dass der berechtigte Verdacht bestehe, dass der Antrag als reine Reaktion auf eine gegen den Kläger erfolgte Anzeige wegen „vorsätzlicher Jagdstörung“ erfolgt sei. Eine Bejagung auf dem streitgegenständlichen Grundstück sei bisher nicht möglich gewesen, da es widerrechtlich durch ein doppeltes Pferdekoppelband eingefriedet gewesen sei, mit einer ortsunüblichen Randbepflanzung versehen sowie (neuerlich) unerlaubt beleuchtet sei. Selbst in den angrenzenden Grundstücken sei eine Bejagung wegen der Jagdstörung durch Scheinwerfer bis hin zum Wald nicht möglich. Eine Jagdausübung insbesondere gegenüber Schwarzwildbejagung zur Verhinderung von Wildschäden sei nun nur noch schwerlich möglich. Die Eigentümer/Jagdgenossenschaften bzw. Revierinhaber der benachbarten Jagdreviere lehnten eine Befriedung mehrheitlich ab, insbesondere im Hinblick darauf, dass andernfalls nicht ausreichend (Schwarz-)Wild bejagt werden könne, welches z.T. verheerende Wildschäden verursachen würde, und zur Verhütung von Tierseuchen (drohende „Afrikanische Schweinepest“). Der Jagdbeirat äußerte mehrheitlich Bedenken gegenüber einer Befriedung. Die Untere Forstbehörde erhob keine Bedenken, da es sich um eine landwirtschaftlich genutzte Fläche handele. Es seien keine möglichen Folgen für die Situation der Waldverjüngung im Jagdrevier zu erwarten, wenn diese Fläche nicht mehr bejagt würde. Auch die Untere Naturschutzbehörde äußerte keine Bedenken. Die Errichtung eines Zaunes sei auszuschließen. Die Fläche befinde sich in einem Landschaftsschutzgebiet. Soweit erforderlich sei die Fläche zu kennzeichnen (z.B. Hinweisschilder).
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Auf die Stellungnahmen wird im Einzelnen verwiesen.
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Mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 begründete der Kläger - samt beigefügten Lichtbildaufnahmen - seinen Antrag näher. Im Wesentlichen brachte er vor: Es gebe „objektive Umstände“. Der Mensch sei darauf ausgelegt, Gewalt auszuüben. Jagd abgewöhnen, sei eine kulturelle Errungenschaft. Das als Garten genutzte Grundstück „bewaffnet mit Jagdhund, Jagdauto und Schießtürmen zu terrorisieren“ sei dreist, er wohne daneben. Zu Recht beschwere sich die Bevölkerung über mondäne Jagd. „‘Gib Menschen die Macht zwangsweise auf fremden Grundstücken zu jagen und du wirst sehen wie sich ihr Verhalten ändert. Sag ihnen die Jagdideologie sei im öffentlichen Interesse.‘“ In der Jagdausbildung werde davon gesprochen, die Furcht habe das Revier zu regieren, um sie und das Wild vor Störungen zu bewahren. Es würden Regeln herrschen, die zum Teil schwer nachvollziehbar seien, absurd wirken könnten und mit einem Ehrbegriff verwoben würden. So könnten zum Beispiel „Gebietsansprüche“ erhoben werden. Es gebe „konkrete Anhaltspunkte“: Bei ... würden Schüsse Spaziergänger verängstigen. Bei ... würden Wildschweine panisch in den Verkehr fliehen. Jagdbetrieb werde immer und überall ausgelebt, auch wenn, oder gar weil, Fußgänger in der Nähe seien oder Wildunfall drohe. Seine Motivation schilderte er dahingehend, dass er andere Wesen wie sich selbst betrachte. Er entwickle die Bereitschaft, die Welt auch vom Standpunkt ihres Wohls aus zu betrachten. Jagd peinige Wild und Mensch. Einige Biologen würden behaupten, die Anzahl des jagdbaren Wildes steige proportional mit der Zahl der Jäger. Jedenfalls sei das Leid des Wildes und der Anwohner durch die Jagd bedrückend. Überall „Schießeinrichtungen und Schießtürme“ wohin man gehe, sogar der bewohnte Bereich sei wie ein „Gefängnishof“ umlagert. Sein Lehrer habe Schüler abgeraten beim Schlachten zuzusehen, es verrohe. Als neben seinem Grundstück ein Tier verblutet sei, seien Jugendliche gekommen, um den Blutfleck zu bewundern. Kinder würden durch Nachahmung lernen. Würden die Vorbilder fehlen, würden die Kleinen das ausleben, was ihre Biologie ihnen sage. Gewissensinhalte könnten im Laufe des Lebens erworben werden. Fehle die Ausbildung des Autoritätsgewissen - etwa als Folge jagender Vorbilder - würden im späteren Leben wichtige Hemmschwellen fehlen. Dies sei eine Ursache dafür, dass angeborene Triebe wie Aggressionsverhalten in maßloser Gewaltanwendung zum Tragen kämen.
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Mit Bescheid vom 29. Oktober 2020 versagte der Beklagte die beantragte Befriedung aus ethischen Gründen für das streitgegenständliche Grundstück (Ziffer 1). Kosten wurden nicht erhoben (Ziffer 2).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass private Grundflächen von der Unteren Jagdbehörde für befriedet zu erklären seien, wenn der Grundeigentümer glaubhaft mache, dass er die Jagdausübung aus ethischen Gründen ablehne, sofern keine öffentlichen Belange dagegensprächen (§ 6a BJagdG). Ethische Gründe im jagdrechtlichen Sinn, seien nicht glaubhaft dargelegt. Außerdem würden die öffentlichen Belange zur Bejagung des streitgegenständlichen Grundstückes höher wiegen.
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Der Kläger führe in seinem Antrag vom 19. November 2018 Zitate aus dem Internet an. Diese allgemeinen Gründe seien nicht geeignet, seine persönlichen ethischen Gründe darzulegen. Er sei deshalb um eine ausführliche Begründung gebeten worden. In seiner nachgereichten Begründung führe er viele allgemeine Aussagen, die gegen eine Jagd im Generellen sprächen, an. Zitate aus dem Internet und Presseberichte über Probleme in anderen Jagdrevieren würden keine persönlichen Gründe darstellen. Auch die von ihm geschilderten persönlichen Bedenken gegen eine Jagdausübung seien nicht als persönliche ethische Gründe zu sehen. Ethische Gründe für die Ablehnung der Jagdausübung mache nur glaubhaft, wer eine ernsthafte und echte Gewissensentscheidung nachvollziehbar darlege. Die Behauptung, ethische Gründe gegen die Jagd zu haben, reiche nicht, sie müsse durch Tatsachen belegt sein.
12
Die Anerkennung auf Befriedung erfordere ein umfangreiches Verfahren, in dem die privaten und öffentlichen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen seien. Die Beigeladene habe sich in der Sitzung vom 24. Januar 2020 ausführlich beraten und einstimmig einer Befriedung widersprochen. Die angehörten Stellen hätten mehrheitlich einer Befriedung widersprochen. Alle drei Jahre seien Forstliche Gutachten in den Revieren zu erstellen. Das Gutachten besage, dass in der Hegegemeinschaft der Verbiss und die Fegeschäden sehr hoch seien und die Abschusszahlen für Rehwild zu erhöhen seien. Für das streitgegenständliche Jagdrevier sei ein eigenes Verbissgutachten erstellt worden. Diese Revierweise Aussage komme zu dem Schluss, dass eine stärkere Bejagung auf Rehwild zum Erhalt der Wälder erforderlich sei. Im nördlichen Bereich des Reviers auf dem Geländerücken (anschließend an das streitgegenständliche Grundstück) komme ein größerer Buchenbestand vor. Eine Naturverjüngung sei nur teilweise möglich, eine Anpflanzung ohne Schutzmaßnahmen sei nicht möglich. Daher sei eine verstärkte Bejagung am Waldrand unerlässlich. Ferner sei das Wildschweinaufkommen in dieser Region gestiegen. Es seien allein im streitgegenständlichen Revier im vergangenen Jagdjahr zehn Wildschweine erlegt worden. Trotzdem seien die Flurschäden, die durch die Wildschweine verursacht würden, weiterhin sehr hoch. Auch hier sei eine verstärkte Bejagung notwendig. Eine erfolgreiche und sinnvolle Bejagung sei nur dann möglich, wenn im Außenbereich alle Flächen zur Jagd genutzt werden könnten. Zu beachten sei auch das öffentliche Interesse, v.a. im Hinblick auf die Wildschadensproblematik durch Schwarzwild und auf die aktuelle Gefahr der drohenden „Afrikanischen Schweinepest“. Zum Schutz vor Tierseuchen sei eine effektive revierumfassende Bejagung notwendig. Das öffentliche Interesse an geringeren Flur-, Frucht- und Waldschäden wiege höher als das Interesse eines Einzelnen, dass auf seiner Wiese nicht gejagt werde.
13
Die Kostenentscheidung beruhe auf Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 KG i.V.m. Art. 38 BayVwVfG.
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Auf die Begründung des Bescheids wird im Einzelnen Bezug genommen.
15
Am 16. November 2020 erhob der Kläger hiergegen Klage und beantragt (zuletzt),
16
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 29. Oktober 2020 zu verpflichten, sein Grundstück Fl.Nr., Gemarkung, unverzüglich, spätestens zum Ende Jagdpachtjahres zu einem jagdrechtlich befriedeten Bezirk zu erklären.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen, ergänzend mit weiteren Schreiben u.a. unter Wiedergabe einer Passage aus einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Mai 2020 (19 B 19.1713) bzw. diversen zitierten Zeitungsbeiträgen etc., sowie unter Beifügung weiterer Unterlagen als Anlage sowie Lichtbildaufnahmen, vorgebracht, dass er sich gegen die Jagd auf seinem Grundstück schon lange wehre. Mit den Jagdgenossen hätte er eine mündliche Vereinbarung gehabt. Den Revierinhaber habe er um Rücksicht gebeten. Abzuhauen, wenn ihm die Jagd nicht passe - Gesetze seien bundesweit ähnlich. Verkaufen - die Parzelle sei „Wohnhausgarten“. Das Landratsamt sollte sich an ein vermeintlich unmoralisches Gesetz halten. Eine Ausübung der „Eigentümerfreiheit“ verdiene grundsätzlich Respekt. Emotionen hochkochen „Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen während der Pest zum Erliegen bringen“ widerspreche § 6a BJagdG. Jagd sei nicht die einzig mögliche Maßnahme. Die zuständige Behörde könne auf dem für befriedet erklärten Grundstück eine beschränkte Jagdausübung anordnen. Zur Ablehnung der Befriedung vonseiten der Beigeladenen führt er insbesondere aus, dass Jagd keinen artenreichen Wildbestand erhalte. Arten wie Wolf, Bär und Luchs seien ausgerottet worden. Als er 2006 die Herausnahme seiner Parzelle aus der Jagd erbeten habe, sei das problemlos zugesagt worden. Zur Ablehnung der Befriedung vonseiten des Revierinhabers ergänzt er, sein Grundstück solle ein „freundlicher Garten“ sein. Auf den umliegenden Grundstücken werde Wild vergrämt (Gülle, Leuchten usw.), nur ihm als Nicht-Landwirt sei es verboten worden. Locker aufgehäufte Äste und Zweige seien keine unerlaubte Einzäunung. Das Grundstück sei mit einer Hecke bepflanzt, er versuche es bereits i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Nr. 2 BayJG (Hausgarten) zu befrieden. Die Solar-Außenstrahler mit Bewegungsmelder seien sehr lichtschwach gewesen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klage sei unbegründet. Zur Begründung wird im Wesentlichen, ergänzend mit Schreiben vom 7. Mai 2021, auf den Bescheid vom 29. Oktober 2020 verwiesen bzw. das Vorbringen im Bescheid wiederholt und vertieft.
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Mit Beschluss vom 29. April 2022 hat das Gericht die Jagdgenossenschaft, in deren Gemeinschaftsjagdrevier das in Streit stehende Grundstück belegen ist, beigeladen.
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In der Sache wurde am 22. November 2022 mündlich vor Gericht verhandelt. Auf das dabei gefertigte Protokoll wird Bezug genommen, ebenso wegen der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte. Ferner wurde die Gerichtsakte des Verfahrens Au 8 K 18.665 beigezogen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 29. Oktober 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte das streitgegenständliche Grundstück (mit Wirkung zum Ende des Jagdpachtjahres) zu einem jagdrechtlich befriedeten Bezirk erklärt (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger vermag - im maßgeblichen Zeitpunkt (vgl. dazu BVerwG, U.v. 11.11.2021 - 3 C 16.20 - juris Rn. 39) - nicht glaubhaft zu machen, dass er die Jagdausübung aus ethischen Gründen ablehnt (§ 6a Abs. 1 Satz 1 BJagdG).
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1. Anspruchsgrundlage eines Anspruchs auf jagdrechtliche Befriedung ist § 6a Abs. 1 BJagdG. Hiernach sind Grundflächen, die zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehören und im Eigentum einer natürlichen Person stehen, auf Antrag des Grundeigentümers zu befriedeten Bezirken zu erklären, wenn der Grundeigentümer glaubhaft macht, dass er die Jagdausübung aus ethischen Gründen ablehnt (Satz 1). Eine Befriedung ist nach Satz 2 der Vorschrift zu versagen, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ein Ruhen der Jagd auf der vom Antrag umfassten Fläche bezogen auf den gesamten jeweiligen Jagdbezirk die Belange der Erhaltung eines artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie der Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen (Nr. 1), des Schutzes der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft vor übermäßigen Wildschäden (Nr. 2), des Naturschutzes und Landschaftspflege (Nr. 3), des Schutzes vor Tierseuchen (Nr. 4) oder der Abwendung sonstiger Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nr. 5) gefährdet. Ethische Gründe nach Satz 1 liegen gemäß Satz 3 der Vorschrift insbesondere nicht vor, wenn der Antragsteller selbst die Jagd ausübt oder die Ausübung der Jagd durch Dritte auf einem ihm gehörenden Grundstück duldet (Nr. 1) oder zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung einen Jagdschein gelöst oder beantragt hat (Nr. 2).
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2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6a BJagdG sind vorliegend nicht gegeben. Der Kläger hat bereits nicht glaubhaft gemacht, dass er die Jagdausübung aus ethischen Gründen ablehnt, § 6a Abs. 1 Satz 1 BJagdG. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht auf die ausreichende und nachvollziehbare Begründung im angefochtenen Bescheid Bezug und sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO). Lediglich ergänzend wird ausgeführt:
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a) Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seinem Urteil vom 11. November 2021 (BVerwG, U.v. 11.11.2021 - 3 C 16.20 - juris) mit der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „ethischen Gründe“ bzw. deren „Glaubhaftmachung“ im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beschäftigt und hierbei der bisher (weiten) Auslegung durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (vgl. etwa BayVGH, U.v. 28.5.2020 - 19 B 19.1715 - juris; U.v. 28.5.2020 - 19 B 19.1713 - juris; U.v. 28.5.2020 - 19 B 19.1710 - juris; U.v. 28.5.2020 - 19 B 19.1708 - juris) gewisse Grenzen eingezogen.
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Ethische Gründe i.S.v. § 6a Abs. 1 Satz 1 BJagdG liegen demnach vor, wenn der Grundeigentümer die feste Überzeugung gewonnen hat, dass es aus grundsätzlichen Erwägungen nicht richtig ist, die Jagd auszuüben, also wildlebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen, zu erlegen oder zu fangen, und diese Überzeugung für ihn eine gewisse Wichtigkeit hat. Grundsätzliche Erwägungen in diesem Sinne können insbesondere an die ethische Fundierung des Tierschutzes anknüpfen, die auch dem Tierschutzgesetz zugrunde liegt (BVerwG, U.v. 11.11.2021 - 3 C 16.20 - juris Rn. 31). Lediglich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur ethischen Jagdgegnerschaft Bezug zu nehmen, genügt insoweit nicht. Erforderlich ist vielmehr eine Darlegung der persönlichen Gründe durch den Grundeigentümer (vgl. BVerwG, a.a.O. Rn. 15). Auch die bloße Behauptung ethischer Gründe reicht nicht aus (vgl. BT-Drs. 17/12046, S. 8). Ethische Gründe für die Ablehnung der Jagdausübung i.S.v. § 6a Abs. 1 Satz 1 BJagdG müssen gleichwohl nicht den Anforderungen an eine Gewissensentscheidung im Sinne der Rechtsprechung zur Kriegsdienstverweigerung entsprechen; einer Gewissensprüfung darf der Grundeigentümer nicht unterzogen werden (vgl. BVerwG, a.a.O. Rn. 17). Aus der gebotenen Glaubhaftmachung ergeben sich Anforderungen an die Beweisführung. Es obliegt dem Grundeigentümer, seine Gründe für die Ablehnung der Jagdausübung darzulegen und entsprechende Beweismittel beizubringen. Die Glaubhaftmachung soll Behörden und Gerichte in die Lage versetzen, die vorgebrachten Gründe nachzuvollziehen und ihr tatsächliches Vorliegen zu überprüfen. Es genügt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein ethischer Motive spricht. Erforderlich, aber auch ausreichend ist der Nachweis objektiver Umstände, die das Vorliegen ethischer Gründe nachvollziehbar und im Ergebnis überwiegend wahrscheinlich machen (vgl. BVerwG, a.a.O. Rn. 35).
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b) Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger das Vorliegen ethischer Gründe nicht glaubhaft gemacht. Auch in einer Zusammenschau von Befriedungsantrag und Klagebegründung unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens in der mündlichen Verhandlung ist es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger die Jagdausübung aus ethischen Gründen ablehnt und für ihn die Ablehnung der Jagdausübung ein gewisses Maß an Entschiedenheit, Kohärenz und Wichtigkeit aufweist.
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Gegen das Vorliegen ethischer Gründe für den Befriedungsantrag des Klägers spricht zuvörderst, dass der Verdacht überwiegend wahrscheinlich ist, die Befriedung diene einem ganz anderen Zweck. Der Kläger hat (noch) in dem vor dem Verwaltungsgericht Augsburg geführten Klageverfahren Au 8 K 18.665 im Jahre 2018 eine Nutzung des verfahrensgegenständlichen Grundstücks als „Hausgarten“ (vgl. VG Augsburg, U.v. 17.7.2018 - Au 8 K 18.665 - juris Rn. 6) vorgebracht. Dieses Anliegen verfolgt der Kläger - der Sache nach - auch weiterhin im vorliegenden Klageverfahren, wie es der Klagebegründung ausdrücklich zu entnehmen ist (vgl. Bl. 2 d.A.: „Wohnhausgarten“). Dieser Verdacht erhärtet sich dadurch, dass konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es „Auseinandersetzungen bzw. Spannungen“ um die Nutzung des Grundstücks als „Hausgarten“ zwischen dem Kläger und dem Revierinhaber bzw. der Beigeladenen gegeben hat (vgl. Bl. 37, 47 f. d. Behördenakte). Den Verdacht, die Befriedung diene (als überwiegend wahrscheinliches Motiv) einem ganz anderen Zweck, hat der Kläger jedenfalls nicht - auch nicht in der mündlichen Verhandlung - ausräumen können (vgl. zu diesem Ansatzpunkt auch VG Minden, U.v. 12.9.2022 - 8 K 698/20 - juris Rn. 26).
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Die mit der Antragstellung im November 2018 gegebene Begründung des Klägers, dass er es nicht ertrage, wenn bei ihm Tiere getötet würden - also der Sache nach, dass ihm die Tiere leidtäten - bzw., dass er die Jagd aus ethischen Motiven ablehne, ist nicht ausreichend (vgl. BVerwG, a.a.O. Rn. 39). Auch die pauschale Behauptung ethischer Gründe genügt nicht. Dies gilt ebenso für den Verweis auf eine aus Sicht des Klägers (vermeintlich) sinkende Akzeptanz der Jagd in der Bevölkerung. Es ist nicht schlüssig und nachvollziehbar dargetan, dass es aus grundsätzlichen Erwägungen im o.g. Sinne nicht richtig ist, die Jagd auszuüben. Auch nachvollziehbare persönliche Überlegungen hat der Kläger nicht dargelegt.
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Auch auf Aufforderung durch den Beklagten begrenzte sich der Kläger darauf, seine Jagdgegnerschaft v.a. mit Zitaten aus dem Internet und aus der Presse entnommenen Vorfällen in anderen Revieren zu begründen; grundsätzliche (tier-)ethische Gründe hat er damit nicht dargetan. Nachvollziehbare persönliche Erwägungen fehlen bei solchen bloßen Bezugnahmen. Auch kann das Gericht nicht erkennen, dass die Ablehnung der Jagdausübung eine feste Überzeugung von gewisser Wichtigkeit für ihn wäre. Soweit der Kläger seine Motivation dahingehend schilderte, dass er andere Wesen wie sich selbst betrachte und er die Bereitschaft entwickle, die Welt auch vom Standpunkt ihres Wohls aus zu betrachten, hat er nicht nachvollziehbar dargetan, wie er zu dieser Sicht gekommen ist bzw. nicht schlüssig dargelegt, wie die (nur) behauptete grundsätzliche tierethische Sichtweise fundiert ist - zum Beispiel aus der Betrachtung jagdbarer Tiere als Mitgeschöpfe von ihm wegen ihrer sozialen Bindungen untereinander sowie ihrer Leidensfähigkeit (vgl. BVerwG, a.a.O. Rn. 40). Unabhängig hiervon gilt einzustellen, dass der Kläger selbst ausführte, dass er (erst) die Bereitschaft „entwickele“, die Welt auch vom Standpunkt anderer Wesen aus zu betrachten, sodass eine bei ihm (unterstellte) grundsätzliche tierethische Haltung für ihn (noch) nicht der tragende Grund ist, die Jagdausübung abzulehnen bzw. es (noch) an einer festen Überzeugung fehlt, die für ihn auch eine gewisse Wichtigkeit hat. Daran ändert auch das übrige Vorbringen des Klägers nichts, u.a. dass sein Lehrer Schülern davon abgeraten habe, beim Schlachten zuzusehen, da es zur Verrohung führe bzw. Jugendliche gekommen seien, um einen Blutfleck zu bewundern, als auf seinem Grundstück ein Tier verblutet sei. Ethische Gründe bezogen auf die Ablehnung der Jagdausübung ergeben sich hieraus nicht. Objektive Umstände, welche das Vorliegen (tier-)ethischer Gründe kohärent und schlüssig erscheinen lassen, hat er (auch unter Berücksichtigung des Verdachts, dass sein Befriedungsantrag überwiegend wahrscheinlich anderen Zwecken diene) mithin nicht verständlich dargetan.
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Aus der Klagebegründung ergibt sich ebenfalls nicht, dass der Kläger das Vorliegen ethischer Gründe glaubhaft gemacht hat. Im Wesentlichen negiert er bloß die im nach § 6a Abs. 1 Satz 5 BJagdG durchgeführten Anhörungsverfahren vorgebrachten Einwände der Beteiligten. Die pauschale Aussage, dass er sich schon lange gegen die Jagd auf seinem Grundstück wehre, ist nicht ausreichend. Vor dem Hintergrund einer in der Vergangenheit erfolgten Jagdstörung u.a. durch „Flutlichter“ (vgl. Bl. 2-5 d.A. bzw. Bl. 47 f. d. Behördenakte zu den Aussagen des Revierinhabers) bestätigt ferner der prononcierte Verweis auf seine „Eigentümerfreiheit“ den dargestellten Verdacht, dass die Befriedung einem ganz anderen Zweck diene (vgl. oben Rn. 30). Soweit der Kläger u.a. eine „beschränkte Jagdausübung“ (Bl. 2 d.A.) anführte, wird die von ihm vorgebrachte vermeintlich grundsätzliche (tier-)ethische Haltung konterkariert. Im Übrigen sind der Klagebegründung keine neuen antragsrelevanten Gesichtspunkte zu entnehmen, sodass auf die obigen Ausführungen entsprechend Bezug genommen werden kann. Dies gilt ebenso für die ergänzenden Stellungnahmen des Klägers im Gerichtsverfahren (u.a. unter Wiedergabe der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und von Zitaten aus Zeitungsartikeln bzw. Interviews zur Jagd).
34
Schließlich ergibt sich (in einer Zusammenschau mit dem schriftsätzlichen Vorbringen) aus dem Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung nichts Anderes. Der Kläger verweist nur auf seine schriftsätzliche Darlegung, dass er die Jagdausübung aus ethischen Gründe ablehne. Soweit er angab, dass ihm auch Tierkadaver in die Einfahrt seines Grundstücks gelegt worden seien, verbleibt es dabei, dass der Kläger weder schlüssig und nachvollziehbar dargetan hat, wie er seine vermeintlich grundsätzliche (tier-)ethische Haltung gewonnen hat, noch, dass diese für ihn der tragende Grund ist, die Ausübung der Jagd abzulehnen bzw. es sich um eine feste Überzeugung handelt, die für ihn eine gewisse Wichtigkeit hat.
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3. Es kommt damit nicht auf die Frage an, ob die Versagungsgründe i.S.d. § 6a Abs. 1 Satz 2 BJagdG „anwendbar“ (vgl. dazu BayVGH, U.v. 28.5.2020 - 19 B 19.1715 - juris Rn. 163 ff.; U.v. 28.5.2020 - 19 B 19.1713 - juris Rn. 161 ff.; U.v. 28.5.2020 - 19 B 19.1710 - juris Rn. 150 ff.; U.v. 28.5.2020 - 19 B 19.1708 - juris Rn. 152 ff.; vgl. auch VG München, U.v. 13.12.2021 - M 7 K 16.3353 - juris Rn. 60) bzw. auch vorliegend einschlägig sind.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen Antrag gestellt hat und somit kein Kostenrisiko eingegangen ist bzw. die Beigeladene nicht das Verfahren durch ihren eigenen Tatsachen- oder Rechtsvortrag wesentlich gefördert hat (vgl. hierzu Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 162 Rn. 41 m.w.N.).
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5. Die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.