Titel:
Anforderungen an Verfahrensrügen und Voraussetzungen für ein Glaubwürdigkeitsgutachten
Normenketten:
ZPO § 279 Abs. 3, § 285, § 286, § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsätze:
1. Soll ein Verstoß gegen §§ 279 Abs. 3, 285 ZPO mit der Berufung gerügt werden, ist der Verstoß bereits in der Berufungsbegründung zu rügen. Soweit eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gerügt werden soll, ist gem. § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO zur Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensfehlers darzulegen, was bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre und dass nicht auszuschließen ist, dass dieser Vortrag zu einer anderen Entscheidung des Erstgerichts geführt hätte. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Über die Glaubwürdigkeit eines Zeugen hat sich ein Gericht ein eigenes Bild zu machen. Die (begleitende) Inanspruchnahme eines Sachverständigen hierzu kommt nur in besonders gelagerten Fällen in Betracht und setzt besondere Beurteilungsschwierigkeiten voraus, etwa weil im Rahmen der Würdigung der Aussage medizinische oder entwicklungspsychologische Bewertungen vorzunehmen sind. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beweiswürdigung, Berufungsbegründung, Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, Verfahrensfehler, Entscheidungserheblichkeit, Glaubwürdigkeitsgutachten
Vorinstanzen:
OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 21.02.2022 – 8 U 248/21
LG Bamberg, Endurteil vom 17.11.2021 – 12 O 412/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 24.11.2022 – V ZR 79/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 41642
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 17.11.2021, Az. 12 O 412/20, wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts Bamberg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert für die erste Instanz wird in Anwendung des § 63 Abs. 3 Ziffer 2 GKG unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Bamberg vom 17.11.2021 (vgl. Urteil, Seite 2) auf 20.000,00 € festgesetzt.
V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 20.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 17.11.2021, Az. 12 O 412/20, war gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss des Senats vom 21.02.2022 Bezug genommen.
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Der Senat hält auch angesichts der im Schriftsatz vom 18.03.2022 hiergegen erhobenen Einwendungen an seiner dargelegten Auffassung fest.
4
Der Kläger betont zwar nochmals, dass seines Erachtens der Zeugin S. nicht geglaubt hätte werden dürfen und warum dies nicht. Außerdem hätte das Landgericht nach der Vernehmung im Rahmen einer sogenannten Schlussverhandlung aufdecken müssen, dass es die Angaben und Aussagen der Zeugin für eindeutig hält und von Glaubwürdigkeit sowie Glaubhaftigkeit ausgeht. Dies sei unterblieben. Rechtsfehlerhaft sei auch unterlassen worden, ein Glaubwürdigkeitsgutachten zur Persönlichkeit der Zeugin zu erstellen.
5
Soweit ein Verstoß gegen §§ 279 Abs. 3, 285 ZPO gerügt wird, ist dieser (vermeintliche) Verstoß nicht Gegenstand der Berufungsbegründung gewesen. Die Berufungsbegründung hätte zudem, wenn sie die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) rügt, gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO zur Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensfehlers darzulegen müssen, was bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre und dass nicht auszuschließen ist, dass dieser Vortrag zu einer anderen Entscheidung des Erstgerichts geführt hätte. Dieser Darlegung bedarf es nur dann nicht, wenn die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör unmittelbar und zweifelsfrei aus dem bisherigen Prozessstoff ersichtlich ist (BGH, Beschluss vom 28.07.2016, Az. III ZB 127/15, Rn. 11 u. 15, juris). Die Rüge erfüllt diese Anforderungen nicht. Tatsächlich stellte der Prozessbevollmächtigte des Klägers nach der Beweisaufnahme die Sachanträge und nahm durch die Hauptbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 20.10.2021 umfangreich Stellung zum Beweisergebnis, und zwar explizit zur „Beweisaufnahme am 22.09.2021 durch Einvernahme der Zeugin S.“ (Schriftsatz, Seite 1 bis 3). Das Landgericht hat diese Stellungnahme in seiner Bewertung berücksichtigt.
6
Für ein Glaubwürdigkeitsgutachten bestand weder Anlass noch Raum. Über die Glaubwürdigkeit eines Zeugen hat sich ein Gericht ein eigenes Bild zu machen. Die (begleitende) Inanspruchnahme eines Sachverständigen hierzu kommt nur in besonders gelagerten Fällen in Betracht und setzt besondere Beurteilungsschwierigkeiten voraus, etwa weil im Rahmen der Würdigung der Aussage medizinische oder entwicklungspsychologische Bewertungen vorzunehmen sind. Diese Schwierigkeiten können in der Persönlichkeit oder in dem (z.B. traumatisierenden) Erleben, von dem zu berichten ist, ihren Grund haben. Bei S. handelt es sich jedoch um eine (z.Z. ihrer Vernehmung) 34-jährige Bürokauffrau, die zudem über eine alltägliche Wahrnehmung, nämlich den Inhalt eines geschäftlichen Gesprächs, vernommen wurde. Zu ihrer Persönlichkeit ist nichts Besonderes dargetan bzw. bekannt. Dass es sich um die ehemalige Freundin des Beklagten handelt, hat das Landgericht gesehen und im Rahmen der Beweiswürdigung auch berücksichtigt (vgl. Urteil, Seite 9 oben).
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Der Senat hat sich zum Grundsatz der freien Beweiswürdigung bereits geäußert (§ 286 ZPO). Mit dem wiederholten Versuch, eigene Beweiswürdigung an die Stelle derer des Landgerichts zu stellen, vermag der Kläger nicht durchzudringen. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass der Kläger nun zusätzlich versucht, aus dem Beweisergebnis und aus der eigenen Wahrnehmung des Ablaufs der Zeugenvernehmung heraus auf eine Befangenheit des Erstrichters zu schließen.
8
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
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Die Abänderung des erstinstanzlichen Streitwerts und die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 48, 63 Abs. 3 Ziffer 2 GKG bzw. §§ 47, 48 GKG bestimmt; in der Höhe jeweils wie angekündigt. Maßgeblich für die Rückabwicklung ist der zwischen den Parteien vereinbarte Kaufpreis.