Inhalt

OLG München, Hinweisbeschluss v. 12.12.2022 – 7 U 4810/21
Titel:

Ansprüche aus Automobilkäufen

Normenketten:
ZPO § 522
CISG Art. 1, Art. 25, Art. 64
Rom-I-VO Art. 4
BGB § 133, § 320, § 323, § 346, § 433
Leitsätze:
1. Die Anwendbarkeit des CISG kann nicht nur bei Vertragsschluss, sondern auch nachträglich - beispielsweise während eines Rechtsstreits - ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten wirksam ausgeschlossen werden, soweit ein übereinstimmender Parteiwille hinreichend deutlich ist. Eine solche Vereinbarung über den Ausschluss des CISG kann auch noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung geschlossen werden. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Anwendung des § 323 Abs. 1 BGB setzt die Prognose voraus, dass die Beklagte als Schuldnerin eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringen werde. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Hinweisbeschluss, Schadensersatz, Kaufvertrag, Berufung, Kaufpreis, Marke, Frist, Vertragsschluss, Annahmeverzug, Erfüllungsverweigerung, Automobilkauf, Niederlande, deutsches Recht, Rückzahlung, Rücktritt, Auslegung, wesentliche Vertragsverletzung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 17.06.2021 – 12 HK O 4837/20
Fundstellen:
LSK 2022, 41438
ZVertriebsR 2023, 246
BeckRS 2022, 41438

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 17.06.2021, Az. 12 HK O 4837/20, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 11.01.2023

Entscheidungsgründe

1
Die Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung auf noch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
A.
2
Die Parteien streiten um Ansprüche aus Automobilkäufen.
3
Die Klägerin ist eine Autohändlerin mit Sitz in den Niederlanden.
4
Die Beklagte handelt mit Fahrzeugen der Marke Tesla. Sie hat ihren Sitz in M..
5
Am 27.12.2019 bestellte die Klägerin bei der Beklagten vier Fahrzeuge der Marke Tesla des Typs „Model 3 Standard Range Plus RWD“ (Best.-Nrn ZUR-…50: Nettopreis 40.800,00 €, ZUR-…53: Nettopreis 43.000,00 €, ZUR-855: 39.800,00 € und ZUR-…56: Nettopreis 47.000,00 €) sowie drei weitere Fahrzeuge der Marke Tesla des Typs „Model 3 Long Range AWD“ (Best.-Nrn ZUR-…91: Nettopreis 50.000,00 €, ZUR-…92: Nettopreis 50.000,00 € und ZUR-…97: Nettopreis 41.500,00 €) zum Gesamtpreis von 312.100,00 € netto (vgl. Anl. K 2).
6
Auf den Bestellschreiben laut Anl. K 2 war vor der Beschreibung des Fahrzeugs jeweils vermerkt:
„Der Verkauf erfolgt laut unseren Allgemeinen Geschäftsbedingungen Netto innergemeinschaftlicher Erwerb ohne Umsatzsteuer gemäß § 4 Nr. 1b § 6 UStG Verkauf mit Gelangensbestätigung
(…)
(…)
Der Käufer übermittelt dem Verkäufer einen Nachweis über die Zulassung in den Niederlanden bevor das Fahrzeug an den Spediteur übergeben wird. Der Käufer benötigt lediglich ein COC / EWG Papier und ZLB II. ZLB I und die KFZ-Schilder verbleiben mindestens 6 Monate ab Erstzulassung beim Verkäufer.
Die Auftragsbestätigung erfolgt nach Erhalt von 4.000,00 €, Restzahlung (…)“
7
Das Bestellschreiben sah zwei auf gleicher Höhe nebeneinanderliegende Unterschriftszeilen für den Käufer vor. Unmittelbar oberhalb der linken Unterschriftszeile befand sich der Vermerk „Der Käufer bestätigt unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen erhalten zu haben“.
8
Alle Bestellschreiben laut Anl. K 2 waren jeweils an beiden vorgesehenen Unterschriftszeilen vom Geschäftsführer der Klägerin unterschrieben.
9
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten laut Anl. B 2 lauteten wie folgt:
„(…)
III. Zahlung
1. Der Kaufpreis und Preise für Nebenleistungen sind bei Übergabe des Kaufgegenstands und Aushändigung oder Übersendung der Rechnung zur Zahlung fällig.
(…)
V. Abnahme
1. Der Käufer ist verpflichtet, den Kaufgegenstand innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der Bereitstellungsanzeige abzunehmen. Im Falle der Nichtabnahme kann der Verkäufer von seinen gesetzlichen Rechten Gebrauch machen.
2. Verlangt der Verkäufer Schadensersatz, so beträgt dieser 15% des Kaufpreises. (…).“
10
Am 09.01.2020 entrichtete die Klägerin an die Beklagte auf den Kaufpreis für die streitgegenständlichen sieben Fahrzeuge die vereinbarte Anzahlung von 4.000,00 € für jedes der Fahrzeuge.
11
Darüber hinaus zahlte die Klägerin an die Beklagte 4.000,00 € als Anzahlung auf den Kaufpreis für ein von der Klägerin bei der Firma O. am 27.12.2019 bestelltes weiteres Teslafahrzeug. Der mit der Firma O. geschlossene Kaufvertrag wurde zu einem späteren Zeitpunkt zwischen den Parteien einvernehmlich aufgelöst. Die insoweit erbrachte Anzahlung der Klägerin in Höhe von 4.000,00 € wurde im Rahmen der sieben streitgegenständlichen Kaufverträge angerechnet.
12
Am 26.02.2020 zeigte die Beklagte der Klägerin die Bereitstellung des Fahrzeugs aus der Bestellung Nr. ZUR-…50 zur Abholung durch die Klägerin innerhalb von 14 Tagen in M. … an und setzte Frist zur Überweisung des noch offenen Restkaufpreises von 36.800,00 € bis 11.03.2020 (vgl. Bereitstellungsanzeige laut Anl. B 3).
13
Am 03.03.2020 übersandte die Beklagte der Klägerin für die Fahrzeuge aus den Bestellungen Nrn ZUR-…53, ZUR-…56, ZUR-…91 und ZUR-…92 jeweils Bereitstellungsanzeigen verbunden mit der Aufforderung, die Fahrzeuge binnen 14 Tagen abzuholen (drei davon bei E. K. / Tesla Warehouse) und den Restkaufpreis bis zum 17.03.2020 an die Beklagte zu überweisen (Anl. B 4 - 7).
14
Schließlich übermittelte die Beklagte der Klägerin am 17.03.2020 zur Bestellung Nr. ZUR-…97 (Anl. B 9) und am 18.03.2020 zur Bestellung Nr. ZUR-…55 (Anl. B 8) Bereitstellungsanzeigen, die wiederum jeweils die Aufforderung zur Abholung des jeweiligen Fahrzeugs binnen 14 Tagen bei E. in K. / Tesla Warehouse enthielten. Außerdem wurde die Klägerin darin aufgefordert, den Restkaufpreis bis zum 31.03.2020 (ZUR-897) bzw. bis zum 01.04.2020 (ZUR-855) an die Beklagte zu bezahlen.
15
Mit Emails vom 19.03.2020, 15:07 zur Bestellung Nr. ZUR-…56, 15:07 Uhr zur Bestellung Nr. ZUR-…91, 15:07 Uhr zur Bestellung Nr. ZUR-…92, 15:09 zur Bestellung Nr. ZUR-…50 und 15:10 Uhr zur Bestellung Nr. ZUR-…53 (alle laut Anl. K 3) schrieb die Beklagte an die Klägerin: „Wir möchten Ihnen nunmehr Gelegenheit geben, die Abholung/Transport durch Bezahlung des Fahrzeugs bis spätestens 01.04.2020 zu ermöglichen. Nach Ablauf der genannten Frist werden wir vom Kaufvertrag zurücktreten und Schadensersatz verlangen. (…) Wir hoffen eine solche Maßnahme vermeiden zu können und bitten Sie nochmals um baldige, fristgerechte vollständige Bezahlung, damit die Abholung/Transport des Fahrzeugs stattfinden kann. Der offene Betrag in Höhe von (…) ist bis zum 26.03.2020 auf unser Konto zu überweisen.“
16
Am 24.03.2020 übermittelte die Beklagte der Klägerin per WhatsApp Videos hinsichtlich der Zulassungsbescheinigung II und COC bezüglich eines Teils der Fahrzeuge.
17
Mit Email vom 31.03.2020, 13.12 Uhr laut Anl. K 5 trat die Beklagte von den Kaufverträgen zurück, da eine Abholung der Fahrzeuge aufgrund fehlender vollständiger Zahlung bis heute nicht habe erfolgen können. Zugleich forderte die Beklagte die Klägerin auf, pauschalierten Schadensersatz in Höhe von 15% des jeweiligen Fahrzeugkaufpreises an sie zu zahlen.
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Per 31.03.2020 überwies die Klägerin der Beklagten weitere 280.100,00 €. Die diesbezüglichen Überweisungsbelege erhielt die Beklagte am 31.03.2020 um 13:26 Uhr.
19
Am 01.04.2020 wollte eine von der Klägerin beauftragte Person die gekauften sieben Fahrzeuge bei der Beklagten in der …-Str. 16 in M. abholen. Die Beklagte verweigerte die Herausgabe der Fahrzeuge an die von der Klägerin beauftragte Person.
20
Die Klägerin übermittelte der Beklagte bezüglich keines der Fahrzeuge einen Zulassungsnachweis.
21
Mit Email des Klägervertreters vom 03.04.2020, 19:12 Uhr (Anl. K 6) forderte die Klägerin die Beklagte auf, die Bestellungen vom 27.12.2019 rückabzuwickeln und die von der Klägerin an die Beklagte gezahlten 312.100,00 € umgehend, spätestens jedoch bis zum 06.04.2020 an die Klägerin zurückzuzahlen. Diese Aufforderung sowie die Fristsetzung bis zum 06.04.2020 wiederholte die Klägerin nochmals mit Emails ihres Prozessbevollmächtigten vom 05.04.2020, 15:17 Uhr laut Anl. K 9.
22
Nach weiteren Rückzahlungsaufforderungen der Klägerin und Klageandrohung (vgl. Emails des Klägervertreters vom 07.04.2020, 14:20 Uhr, Anl. K 11, und vom 08.04.2020, 12:55 Uhr, Anl. K 12) überwies die Beklagte der Klägerin am 08.04.2020 265.285 € zurück.
23
In der Klageschrift vom 19.04.2022 erklärte die Klägerin nochmals den Rücktritt von den sieben Kaufverträgen.
24
Die Klägerin trug vor, dass der von der Beklagte am 31.03.2020 um 13:12 Uhr erklärte Rücktritt unwirksam gewesen sei und die Klägerin aufgrund dieses unwirksamen Rücktritts selbst zum Rücktritt berechtigt gewesen sei.
25
Die Klägerin behauptete, dass die Beklagte gar nicht lieferfähig gewesen sei. Der Alleingeselschafter der Beklagten habe gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin telefonisch geäußert, dass die Beklagte keinen Zugriff auf die auf dem Gelände der Firma Tesla abgestellten fünf Fahrzeuge (Bestellnrn ZUR-…53, ZUR-…55, ZUR-…91, ZUR-…92 und ZUR-…97) habe.
26
Die Umsatzsteuerfreiheit der streitgegenständlichen Käufe sei auch ohne Übergabe eines Zulassungsnachweises durch die Klägerin an die Beklagte gegeben. Im Übrigen sei die Übergabe eines Zulassungsnachweises auch nicht wirksam vereinbart, da es im Vertrag heiße, dass die Klägerin von der Beklagten unter anderem die „ZLB II“ erhalten würde, woraus sich ergebe, dass die Zulassung Sache der Beklagten gewesen sei.
27
Die Klägerin beantragte,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 46.815 (netto) zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.04.220 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 3.260,90 (netto) zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
28
Die Beklagte beantragte
Klageabweisung.
29
Die Beklagte erwiderte, dass die Klägerin die Fahrzeuge trotz der Bereitstellungsanzeigen der Beklagten nicht abgeholt habe, was nach Ziffer V der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, die den Bestellungen beigefügt gewesen seien, einen Schadensersatzanspruch der Beklagten in Höhe von 15% des Gesamtkaufpreises und damit in Höhe von 46.815 € begründe. In dieser Höhe habe die Beklagte mit dem Rückzahlungsanspruch der Klägerin aufgerechnet, wodurch der streitgegenständliche Rückzahlungsanspruch der Klägerin erloschen sei.
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Die Fahrzeuge seien am 01.04.2020 nicht an die Klägerin herausgegeben worden, weil diese eine vorherige Zulassung der Fahrzeuge in den Niederlanden nicht habe nachweisen können.
31
Aus dem Chat zwischen der Klägerin und Herrn T. van den B. vom 10.02.2020 laut Anl. B 16 ergebe sich, dass die Klägerin die streitgegenständlichen Verträge selbst nicht habe erfüllen wollen.
32
Mit Endurteil vom 17.06.2021, Az. 12 HK O 4837/20, verurteilte das Landgericht München I die Beklagte antragsgemäß. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Landgericht u.a. aus, dass die Beklagte aufgrund des wirksamen Rücktritts der Klägerin zur Zurückzahlung des von ihr noch einbehaltenen Rests der Kaufpreiszahlung verpflichtet sei. Die Klägerin habe von den Kaufverträgen zurücktreten können, da die Beklagte ihrerseits zu Unrecht den Rücktritt erklärt habe. Denn die Klägerin habe bezüglich aller Fahrzeuge den Kaufpreis noch rechtzeitig vor Fristablauf bezahlt. Für die in den Bereitstellungsanzeigen vom 17.03.2020 (Anl. B 8 und B 9) bezeichneten Fahrzeuge, habe die Zahlungsfrist erst mit Ablauf des 31.03.2020 geendet. Für die in den Bereitstellungsanzeigen vom 19.03.2020 bezeichneten übrigen Fahrzeuge sei die Zahlungsfrist erst am 02.04.2020 24:00 Uhr abgelaufen (LGU S. 5).
33
Ob die Klägerin die Zulassung der Fahrzeuge in den Niederlanden nachgewiesen habe, sei unerheblich, da die Klägerin nach dem wirksam von ihr erklärten Rücktritt nicht mehr zur Annahme der Fahrzeuge verpflichtet gewesen sei (LGU S. 6).
34
Die Beklagte könne auch nicht mit Schadensersatzansprüchen aus Ziffer V der AGB der Beklagten aufrechnen, da die Klägerin nach dem von ihr wirksam erklärten Rücktritt nicht mehr zur Abnahme der Fahrzeuge verpflichtet gewesen sei, sodass sie auch die Verpflichtung zur Abnahme nicht habe verletzten können (LGU S. 6).
35
Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
36
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung ihr erstinstanzliches Klageabweisungsziel vollumfänglich weiter. Sie rügt, dass das Landgericht bezüglich fünf der streitgegenständlichen Fahrzeuge nur auf die zweiten Bereitstellungsanzeigen abgestellt habe. Die Beklagte sei aber bereits dadurch in Gläubigerverzug gekommen, dass sie diese Fahrzeuge nicht schon auf die erste Bereitstellungsanzeige hin abgenommen habe. Mit den zweiten Bereitstellungsanzeigen habe die Beklagte auch keine Fristverlängerung gewährt. Das infolge des Ablaufs der mit den ersten Bereitstellungsanzeigen gesetzten Fristen entstandene Rücktrittsrecht der Beklagten sei durch die zweiten Bereitstellungsanzeigen nicht entfallen. Schließlich habe die Klägerin auch nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte von ihrem Rücktrittsrecht keinen Gebrauch machen werde.
37
Bezüglich der zwei weiteren Fahrzeuge sei die Beklagte schon deshalb zum Rücktritt berechtigt gewesen, da die Klägerin diese Fahrzeuge nicht innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der Bereitstellungsanzeigen abgeholt habe.
38
Die Beklagte habe auch die Leistung nicht verweigert. Die Fahrzeuge hätten dort gestanden, wo sie vereinbarungsgemäß durch die Klägerin hätten abgeholt werden sollen. Die Beklagte sei zur Leistung bereit und imstande gewesen. Die Klägerin habe der Beklage auch keine angemessene Frist zur Lieferung gesetzt.
39
Das Landgericht habe den Sachvortrag und die Beweisangebote der Beklagten teilweise übergangen. So hätte es nicht einfach annehmen dürfen, dass es ausgeschlossen erscheine, dass die Behörden in den Niederlanden Fahrzeuge auf Basis abgefilmter und per WhatsApp übermittelter Dokumente zuließen. Dies sei eine unzulässige Beweisantizipation.
40
Darüber hinaus habe das Landgericht den Vortrag der Beklagten, wonach der Geschäftspartner der Klägerin bereits am 10.02.2020 mit geteilt habe, dass die Klägerin den Vertrag nicht erfüllen werde (vgl. Anl. B 16), außer Acht gelassen.
41
Die Beklagte beantragt daher,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
42
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
43
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.
B.
44
Die zulässige Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg, da das Landgericht die Beklagte jedenfalls im Ergebnis zutreffend zur Rückzahlung der Klagesumme verurteilt hat.
I.
45
Auf die streitgegenständlichen Kaufverträge kommen grundsätzlich nach Art. 1 Abs. 1 lit a CISG die Regelungen des CISG zur Anwendung, da es sich bei den Verträgen um Kaufverträge über Waren, nämlich Automobile, handelt, die Parteien ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten, nämlich in den Niederlanden (die Klägerin) und in der Bundesrepublik Deutschland (die Beklagte) haben und diese beiden Staaten Vertragsstaaten sind (vgl. die Liste der Vertragsstaaten bei Thorn in Grüneberg, BGB, 81. Auflage, München 2022, Rdnr. 5 zu Art. 4 Rom-I-VO). Die Anwendbarkeit des CISG ergibt sich im Übrigen auch aus Art. 1 Abs. 1 lit b CISG, da nach Art. 4 Abs. 1 lit a Rom-I-VO auf die streitgegenständlichen Kaufverträge deutsches Recht zur Anwendung kommt, nachdem die Beklagte als Verkäuferin ihren gewöhnlichen Aufenthalt iSd. Art. 4 Abs. 1 lit a Rom-I-VO in der Bundesrepublik Deutschland hat.
46
Eine ausdrückliche Vereinbarung über den Ausschluss der Anwendung des CISG iSd. Art. 6 CISG haben die Parteien nicht geschlossen. Weder die Verträge laut Anl. K 2 noch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten laut Anl. B 2 (deren Einbeziehung in den Vertrag insoweit unterstellt) enthalten eine diesbezügliche Übereinkunft der Parteien.
47
Die Anwendbarkeit des CISG kann nicht jedoch nur bei Vertragsschluss, sondern auch nachträglich - beispielsweise während eines Rechtsstreits - ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten wirksam ausgeschlossen werden, soweit ein übereinstimmender Parteiwille hinreichend deutlich ist. Ein derartiger Ausschluss kommt etwa dann in Betracht, wenn die Parteien übereinstimmend, in Kenntnis der Existenz und etwaigen Anwendbarkeit des CISG, ausdrücklich auf das im BGB und HGB enthaltene Kaufrecht bzw. dessen Gewährleistungsrecht Bezug nehmen und im Gerichtsverfahren darauf basierend argumentieren (vgl. Wagner in BeckOGK, Stand 01.11.2022, Rdnr. 14 zu Art. 6 CISG und OLG Koblenz, Urteil vom 20.01.2016 - 5 U 781/15, Rdnr. 22). Eine solche Vereinbarung über den Ausschluss des CISG kann auch noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung geschlossen werden (vgl. Wagner in BeckOGK, Stand 01.11.2022, Rdnr. 9 zu Art. 6 CISG).
48
Da die Parteien in erster Instanz und auch bislang im Berufungsverfahren ausschließlich auf der Grundlage des BGB argumentiert haben, geht der Senat, falls die Parteien dem nicht widersprechen, davon aus, dass die Anwendung des CISG ausgeschlossen sein soll.
49
Die Parteien mögen sich hierzu innerhalb der gesetzten Frist äußern.
II.
50
Die Klägerin hat gemäß § 346 Abs. 1 BGB Anspruch auf die Rückzahlung der von ihr an die Beklagte gezahlten 46.815 €, da der von ihr (erstmals) im Email des Klägervertreters vom 03.04.2020, 19:12 Uhr (Anl. K 6) und später nochmals in der Klageschrift vom 19.04.2020 (dort S. 13 erster Absatz) erklärte Rücktritt von den streitgegenständlichen sieben Kaufverträgen wirksam war.
51
1. Es kann dahinstehen, ob im Hinblick auf die zwischen den Parteien streitige Verpflichtung der Klägerin, vor Übergabe der Fahrzeuge an sie der Beklagten als Verkäuferin einen Nachweis über die erfolgte Zulassung der Fahrzeuge in den Niederlanden zu übermitteln, die Verpflichtung der Beklagten aus § 433 Abs. 1 S. 2 BGB, die sieben streitgegenständlichen Fahrzeuge an die Klägerin zu übergeben und zu übereignen, zum Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts durch die Klägerin am 19.04.2020 bereits fällig war oder ob insoweit der Beklagten die Einrede des nichterfüllten Vertrages nach § 320 Abs. 1 S. 1 BGB zustand und deshalb die Klägerin nicht gemäß § 323 Abs. 1 BGB zum Rücktritt berechtigt war.
52
2. Denn selbst wenn der Übergabe- und Übereignungsanspruch der Klägerin am 19.04.2020 noch nicht fällig gewesen sein sollte, wäre die Klägerin jedenfalls nach § 323 Abs. 4 BGB zum Rücktritt von den sieben streitgegenständlichen Kaufverträgen berechtigt gewesen, da zum Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts am 03.04.2020 offensichtlich war, dass die Voraussetzungen des § 323 Abs. 1 BGB eintreten würden. Erforderlich ist dabei die Prognose, dass die Beklagte als Schuldnerin eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringen werde (vgl. Looschelders in BeckOGK BGB, Stand 01.11.2022, Rdnr. 235 zu § 323 BGB). Dies ist anzunehmen, falls die Beklagte als Schuldnerin die Erfüllung der Übergabe- und Übereignungsansprüche der Klägerin bereits vor deren Fälligkeit ernsthaft und endgültig verweigerte (vgl. Grüneberg in ders. BGB, 81. Auflage, München 2022, Rdnr. 23 zu § 323 BGB, Looschelders, aaO). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine Erfüllungsverweigerung in diesem Sinne (nur) vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen (BGH, Urteil vom 01.07.2015 - VIII ZR 226/14, Rdnr. 33). Da die Beklagte durch ihren mit Email vom 31.03.2020, 13:12 Uhr laut Anl. K 5 ausdrücklich erklärten Rücktritt von allen sieben Kaufverträgen kundgetan hat, dass sie ihre Übergabe- und Übereignungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen werde, sondern nunmehr Schadensersatz von der Klägerin verlange, ist eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung anzunehmen. Dass es sich dabei um das letzte Wort der Beklagten handelte, ergibt sich zum einen aus der Email der Beklagten an die Klägerin vom 04.04.2020, 15:15 Uhr laut Anl. K 7, in dem es nicht mehr um die Durchführung der Kaufverträge ging, sondern die Beklagte ausschließlich zur Höhe des von der Klägerin an sie zu zahlenden Schadensersatzes ausführte. Zum anderen lässt sich dies auch daraus entnehmen, dass die Beklagte auf eine Anfrage des Partners der Klägerin (Herrn T. van den Bussche) vom 04.04.2020, 16.01 Uhr laut Anl. K 8, ob die sieben Fahrzeuge am Dienstag von der Klägerin abgeholt werden könnten, antwortete, dass die Verträge storniert seien und Schadensersatz in Höhe von mindestens 52.785 € fällig sei (vgl. den WhatsApp-Verlauf vom 04.04.2020 laut Anl. K 8).
53
Die Rücktrittserklärungen der Beklagten vom 31.03.2020, 13:12 Uhr (Anl. K 5) hinsichtlich aller sieben Kaufverträge wären nur dann nicht als die Klägerin zum Rücktritt ihrerseits berechtigende Erfüllungsverweigerungen anzusehen, wenn die Rücktrittserklärungen der Beklagten vom 31.03.2020, 13:12 Uhr wirksam gewesen wären. Dies ist jedoch nicht der Fall, da der Beklagten zu diesem Zeitpunkt weder ein Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 BGB (a.) noch nach § 323 Abs. 4 BGB (b.) zustand.
54
a. Denn ein Rücktrittsrecht der Beklagten nach § 323 Abs. 1 BGB würde erfordern, dass die Klägerin eine ihr obliegende und am 31.03.2020 13:12 Uhr bereits fällige vertragliche Verpflichtung nicht erfüllt und die Beklagte der Klägerin erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt hätte. Dabei kommen nach den Verträgen jeweils drei Verpflichtungen der Klägerin in Betracht: die Zahlung des jeweiligen Restkaufpreises (aa.), die Abholung des jeweiligen Fahrzeugs (bb.) sowie (im Hinblick auf die Unklarheit der diesbezüglichen vertraglichen Vereinbarung unterstellt, vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 10.08.2020, S. 11, Bl. 44 d.A.) die Übermittlung eines Nachweises über die Zulassung des jeweiligen Fahrzeugs in den Niederlanden (cc.).
55
aa. Die Verpflichtungen der Klägerin zur Zahlung der Restkaufpreise waren noch nicht fällig, da eine Vorleistungspflicht der Klägerin hinsichtlich dieser Verpflichtungen nach den Verträgen nicht besteht. Die in den Verträgen jeweils vorgesehenen Anzahlungen auf den Kaufpreis, hinsichtlich derer eine Vorleistungspflicht der Klägerin bestand, hat die Klägerin unstreitig vollständig erbracht. Der Restkaufpreis war ausweislich Ziffer III 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten laut Anl. B 2 (deren Einbeziehung in den Vertrag unterstellt) dagegen erst bei Übergabe des jeweiligen Fahrzeugs fällig. Eine Übergabe der Fahrzeuge war jedoch am 31.03.2020 noch nicht erfolgt.
56
bb. (1) Jedenfalls die Verpflichtung der Klägerin, die Fahrzeuge aus den Bestellungen Nrn ZUR-…97 und ZUR-…55 bei der Beklagten abzuholen, war am 31.03.2020 um 13:12 Uhr auch noch nicht fällig. Denn die Verpflichtung zur Abholung des jeweiligen Fahrzeugs durch die Klägerin wurde nach Ziffer V 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten laut Anl. B 2 (deren Einbeziehung in die Verträge wiederum jeweils unterstellt) erst 14 Tage ab Zugang der jeweiligen Bereitstellungsanzeigen fällig. Hinsichtlich der Fahrzeuge aus den Bestellungen Nrn ZUR-…97 und ZUR-…55 hat die Beklagte die Bereitstellung aber erstmals erst mit Schreiben vom 17.03.2020 (ZUR-…55) und vom 18.03.2020 (ZUR-…97) angezeigt. Bei Zugang der beiden Schreiben noch am 17.03.2020 bzw. am 18.03.2020 endete die vierzehntägige Abholungsfrist damit mit Ablauf des 31.03.2020 (ZUR-…97) bzw. mit Ablauf des 01.04.2020 (ZUR-855) und deshalb erst nach der Erklärung des Rücktritts am 31.03.2020 um 13:12 Uhr.
57
Im Übrigen würde es selbst bei eingetretener Fälligkeit der Abholungsverpflichtung bezüglich der Bestellungen Nrn ZUR-…97 und ZUR-…55 an der nach § 323 Abs. 1 BGB erforderlichen Nachfristsetzung durch die Beklagte fehlen.
58
Die Nachfristsetzung wäre auch nicht nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich, da die Klägerin die Abholung der Fahrzeuge nicht ernsthaft und endgültig verweigert hat. Die Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang erfolglos auf einen zwischen den Parteien unstreitigen (vgl. dazu den Schriftsatz des Klägervertreters vom 12.05.2021, S. 4 letzter Absatz, Bl. 100 d.A.) Chatverlauf zwischen der Klägerin und ihrem Partner (Herrn T. B.) laut Anl. B 16 vom 10.02.2020. Denn zum einen datiert der Chatverlauf bereits vom 10.02.2020 und damit mehr als eineinhalb Monate vor dem Rücktritt der Beklagten am 31.03.2020, sodass sich daraus schon nicht erkennen lässt, ob der aus der Äußerung der Klägerin „No more new Tesla´s [sic] for the moment“ abgeleitete Wille der Klägerin, die streitgegenständlichen Verträge nicht mehr vollziehen zu wollen, auch noch am 31.03.2020 bestand. Gegen eine von der Beklagten behauptete Erfüllungsverweigerung spricht schließlich entscheidend, dass die Klägerin noch am 31.03.2020 und damit vor Fälligkeit der Restkaufpreisforderungen der Beklagten den Restkaufpreis in voller Höhe überwies.
59
(2) Hinsichtlich der restlichen fünf Fahrzeuge war die Abholungspflicht der Beklagten dagegen erstmals bereits vor dem 31.03.2020 13:12 Uhr fällig geworden. Denn die Bereitstellung des Fahrzeugs aus der Bestellung Nr. ZUR-…50 hatte die Beklagte bereits mit Schreiben vom 26.02.2020 angezeigt, sodass die Vierzehntagefrist gemäß Ziffer V 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten mit Ablauf des 11.03.2020 endete. Bezüglich der Fahrzeuge aus den Bestellungen Nrn ZUR-…53, ZUR-…56, ZUR-…91 und ZUR-…92 endete die Abholungsfrist aufgrund der Bereitstellungsanzeige vom 03.03.2020 mit Ablauf des 17.03.2020.
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Zwar stundete die Beklagten mit den „erneuten Bereitstellungsanzeigen“ vom 19.03.2020, 15:07 zur Bestellung Nr. ZUR-…56, 15:07 Uhr zur Bestellung Nr. ZUR-…91, 15:07 Uhr zur Bestellung Nr. ZUR-…92, 15:09 zur Bestellung Nr. ZUR-…50 und 15:10 Uhr zur Bestellung Nr. ZUR-…53 (alle laut Anl. K 3) der Klägerin die Abholung der jeweiligen Fahrzeuge bis 01.04.2020 24:00 Uhr. Dies ändert an der bereits eingetretenen Fälligkeit der Abholungsverpflichtung jedoch nichts, da der Senat den „erneuten Bereitstellungsanzeigen“ nicht entnehmen kann, dass damit auch die Fälligkeit der Abholungsverpflichtung wieder aufgehoben werden sollte.
61
Hinsichtlich dieser fünf Fahrzeuge scheitert ein Rücktrittsrecht der Beklagten aber an der von ihr der Klägerin mit den Emails vom 19.03.2020 laut Anl. K 3 eingeräumten Frist zur Abholung der Fahrzeuge bis 01.04.2020, die zum Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts am 31.12.2020 13:12 Uhr noch nicht abgelaufen war.
62
Die Schreiben der Beklagten vom 19.03.2020 sind hinsichtlich des Zeitpunkts, bis zu dem die Abholung der Fahrzeuge gestundet wurde, auslegungsbedürftig. Denn zum einen räumt die Beklagte der Klägerin darin eine Frist zur „Abholung/Transport durch Bezahlung der Fahrzeuge bis spätestens 01.04.2020“ ein und bezieht damit die Frist bis zum 01.04.2020 sowohl auf die Abholung der Fahrzeuge als auch die Bezahlung des Restkaufpreises durch die Klägerin. Darüber hinaus kündigt sie im nächsten Satz auch einen Rücktritt von den Verträgen ihrerseits erst nach Ablauf des 01.04.2020 an. Zum anderen verlangt die Beklagte jedoch eine Zahlung des jeweiligen Restkaufpreises bis zum 26.03.2020.
63
Der Senat legt die „erneuten Bereitstellungsanzeigen“ vom 19.03.2020 nach § 133 BGB dahingehend aus, dass damit die Beklagte der Klägerin für die Abholung der Fahrzeuge eine Nachfrist bis zum Ablauf des 01.04.2020 und nicht nur bis zum 26.03.2020 gewährte, da die Klägerin als Erklärungsempfängerin diese Erklärungen nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte dahingehend verstehen musste. Denn die vertraglichen Regelungen zur Fälligkeit der klägerischen Verpflichtungen unterscheiden zwischen der Abholung der Fahrzeuge einerseits (geregelt in Ziffer V 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten) und der Zahlung des Restkaufpreises andererseits (Ziffer III 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten) und sehen für diese Verpflichtungen auch unterschiedliche Fälligkeitszeitpunkte vor (Abholung: 14 Tage nach Bereitstellungsanzeige, Restkaufpreiszahlung: bei Übergabe der Fahrzeuge). Damit konnte ein objektiver Erklärungsempfänger davon ausgehen, dass auch in den Schreiben vom 19.03.2020, mit denen eine Fristverlängerung eingeräumt wurde, zwischen diesen beiden Verpflichtungen differenziert wird. Da die Fristsetzung hinsichtlich der Abholung bis zum 01.04.2020 eindeutig ist, weil sich die Fristsetzung bis zum 26.03.2020 im letzten Satz der Schreiben vom 19.03.2020 ausdrücklich nur auf die Zahlung des Restkaufpreises und damit nicht auch auf die Abholung bezog, durfte die Klägerin bezüglich ihrer Abholverpflichtung von einer Nachfristgewährung bis zum Ablauf des 01.04.2020 ausgehen. Dass die Beklagte durch die Schreiben vom 19.03.2020 die Fälligkeit der jeweiligen Restkaufpreisforderung für den Fall, dass die Fahrzeuge noch nicht bis zum Ablauf des 26.03.2020 von der Klägerin abgeholt sein würden, nicht einfach auf einen Zeitpunkt vor der Übergabe der Fahrzeuge vorverlegen kann, spielt deshalb keine Rolle mehr.
64
Nach alledem wurden die Verpflichtungen der Klägerin zur Abholung der Fahrzeuge aus den Bestellungen ZUR-…97 und ZUR-…55 erst mit Ablauf des 31.03.2020 bzw. des 01.04.2020 fällig und waren damit zum Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts durch die Beklagte am 31.03.2020 um 13:12 Uhr noch nicht fällig (abgesehen davon, dass die erforderliche Nachfrist nicht gesetzt war), was zur Unwirksamkeit des Rücktritts insoweit führt. Hinsichtlich der weiteren fünf Fahrzeuge waren die Abholverpflichtungen der Klägerin zwar bereits fällig, jedoch war die nach § 323 Abs. 1 S. 1 BGB gesetzte Nachfrist bis 01.04.2020 noch nicht abgelaufen und der Rücktritt deshalb unwirksam.
65
cc. Auch die (unterstellten) Verpflichtungen der Klägerin, der Beklagten einen Nachweis über die Zulassung des jeweiligen Fahrzeugs in den Niederlanden zu übermitteln, waren zum Zeitpunkt des Rücktritts der Beklagten am 31.03.2020 13:12 Uhr noch nicht fällig. Denn nach den Kaufverträgen musste diese Übermittlung erfolgen, „bevor das Fahrzeug an den Spediteur übergeben wird“, sodass die Klägerin damit bei der streitgegenständlich vereinbarten Abholung der Fahrzeuge durch sie mit der Übermittlung des Zulassungsnachweises bis zum Beginn der Verladung der Fahrzeuge auf das Transportmittel zuwarten konnte. Da die Abholungsverpflichtungen der Klägerin entweder überhaupt noch nicht fällig waren (Bestellungen Nrn ZUR-…97 und ZUR-…55, vgl. oben b aa) oder aber die Abholung - wie oben unter b bb (2) dargelegt - erst bis zum Ablauf der Nachfrist am 01.04.2020 24:00 Uhr erfolgen musste, mussten folglich auch die Zulassungsnachweise nicht schon am 31.03.2020 13:12 Uhr von der Klägerin der Beklagten übergeben werden. Auf die Frage der Möglichkeit der Klägerin, die Fahrzeuge in den Niederlanden zuzulassen, kommt es daher nicht an.
66
Somit fehlt es zum Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts durch die Beklagte am 31.03.2020 13:12 Uhr teils an der von § 323 Abs. 1 BGB geforderten Nichterbringung einer von der Klägerin geschuldeten und bereits fälligen Leistung (Bestellungen Nrn ZUR-…97 und ZUR-…55) teils am Ablauf der gesetzten Nachfrist bis 01.04.2020 (Bestellungen Nrn ZUR-…50, ZUR-…53, ZUR-…56, ZUR-…91 und ZUR-…92).
67
b. Ein Rücktrittsrecht der Beklagten am 31.03.2020, 13:12 Uhr ergibt sich auch nicht aus § 323 Abs. 4 BGB. Denn dafür hätte die Klägerin nach den oben unter dargelegten Grundsätzen die Erfüllung ihrer Verpflichtungen zur Zahlung der Restkaufpreise, zur Abholung der Fahrzeuge und/oder zur Übermittlung der Zulassungsnachweise bereits vor deren Fälligkeit ernsthaft und endgültig verweigern müssen. Dies ist jedoch wie bereits oben unter a bb dargelegt nicht der Fall.
68
Damit war der am 31.03.2020 13:12 Uhr von der Beklagten erklärte Rücktritt von allen streitgegenständliche Verträgen unberechtigt und stellte seinerseits eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung der Beklagten dar, die die Klägerin ihrerseits zum Rücktritt nach § 323 Abs. 4 BGB berechtigte.
69
c. Aufgrund dieser ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerungen durch die Beklagte entfällt auch gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB die Notwendigkeit für die Klägerin, der Beklagten eine angemessene Frist zur Leistung zu setzen, sodass es nicht mehr darauf ankommt, ob die Klägerin der Beklagten vor Erklärung des Rücktritts eine Nachfrist zur Übergabe und Übereignung setzte.
70
d. Entgegen der Ansicht der Berufung war der Rücktritt der Klägerin auch weder nach der ersten noch nach der zweiten Variante des § 323 Abs. 6 BGB ausgeschlossen.
71
aa. Denn die Klägerin als Gläubigerin war für den unberechtigten Rücktritt der Beklagten als Schuldnerin, der der Umstand iSd. § 323 Abs. 6 BGB ist, aus dem sich das Rücktrittsrecht der Klägerin ergibt, nicht allein oder überwiegend verantwortlich. Es war nämlich allein Sache der Beklagten, mit ihrem Rücktritt abzuwarten, bis die Voraussetzungen dafür nach § 323 Abs. 1 BGB vorlagen, das heißt im streitgegenständlichen Fall bis die Abholungsverpflichtungen der Klägerin fällig waren und die von der Beklagten noch zu setzenden (Bestellungen Nrn ZUR-…87 und ZUR-…55) bzw. bereits gesetzten Nachfristen (Bestellungen Nrn ZUR-…50, ZUR-…53, ZUR-…56, ZUR-…91 und ZUR-…92) erfolglos abgelaufen waren. Dass die Beklagte dies nicht abgewartet, sondern den Rücktritt zu früh erklärt hat, hat allein sie zu vertreten.
72
bb. Aufgrund dieses Vertretenmüssens der Beklagten als Schuldnerin greift auch die Ausschlussregelung des § 323 Abs. 6 2. Alt BGB nicht, selbst wenn sich die Klägerin - wie von der Beklagten behauptet und was der Senat ausdrücklich offenlässt - mit der Abholung der Fahrzeuge im Annahmeverzug befunden haben sollte. Es kann deshalb auch offenbleiben, ob - was zwischen den Parteien streitig ist - die Beklagte überhaupt lieferfähig iSd. § 297 BGB war.
73
Nach alledem wurden durch den wirksamen Rücktritt der Klägerin vom 03.04.2022 die sieben Kaufverträge in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt und hat die Klägerin gemäß § 346 Abs. 1 BGB grundsätzlich Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung der von der Beklagten einbehaltenen 46.815,00 €.
74
3. Dieser Rückzahlungsanspruch der Klägerin ist auch nicht durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch aus Ziffer V 2 S. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (deren Einbeziehung in den Vertrag unterstellt) gemäß § 389 BGB erloschen. Denn infolge des wirksam erklärten Rücktritts der Klägerin von den sieben Kaufverträgen (vgl. dazu oben 2) war diese zur Abholung der Fahrzeuge nicht mehr verpflichtet und hat deshalb durch die Nichtabholung auch keine vertragliche Pflicht verletzt, was allerdings Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch der Beklagten wäre.
III.
75
Vorbehaltlich etwaig noch erforderlichen Sachvortrags der Parteien würde sich auch bei Anwendnung des CISG keine andere Lösung ergeben.
76
1. Denn die Klägerin hätte in diesem Fall gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des bereits geleisteten Kaufpreises nach Art. 81 Abs. 2 S. 1 CISG, da die sieben streitgegenständlichen Kaufverträge aufgehoben sind.
77
Die Klägerin war nämlich als Käuferin zu der mit Email des Klägervertreters vom 03.04.2020, 19:12 Uhr laut Anl. K 6 erfolgten Erklärung der Vertragsaufhebung berechtigt. Sollte die Übergabe- und Übereignungsverpflichtungen der Beklagten zum Zeitpunkt der Vertragsaufhebungserklärung bereits fällig iSd. Art. 33 CISG gewesen sein (zur Frage der Fälligkeit der Übergabe- und Übereignungsverpflichtungen siehe oben unter II 1), so ergäbe sich das Vertragsaufhebungsrecht der Klägerin aus Art. 45 Abs. 1 lit a, 49 Abs. 1 CISG. Sollte diesbezüglich noch keine Fälligkeit eingetreten sein, so folgt das Vertragsaufhebungsrecht der Klägerin jedenfalls aus Art. 72 Abs. 1 CISG. Denn bei der streitgegenständlich erfolgten ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung durch die Beklagte als Verkäuferin durch die Email vom 31.03.2020, 13.12 Uhr laut Anl. K 5 (dazu vgl. oben unter II 2) handelt es sich um eine von der Beklagten begangenen wesentlichen Vertragsverletzung iSd. Art. 25 CISG (vgl. Schroeter in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Kommentar zum UN-Kaufrecht, 7. Auflage, München 2019, Rdnr. 142 zu Art. 25 CISG), da die Beklagte nicht ihrerseits gemäß Art. 61 Abs. 1, 64 Abs. 1 lit a oder b CISG zur Vertragsaufhebung berechtigt war.
78
Eine wesentliche Vertragsverletzung der Klägerin iSd. Art. 25 CISG ist nicht ersichtlich (Art. 64 Abs. 1 lit a CISG). Insbesondere hat die Klägerin nicht ihrerseits die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Eine solche ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung lässt sich entgegen der Ansicht der Beklagten - wie oben unter II 2a bb (1) dargelegt - auch nicht aus dem Chatverlauf laut Anl. B 16 herleiten.
79
Auf die Verletzung der Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung des Kaufpreises und/oder zur Abholung der Fahrzeuge kann die Beklagte eine Vertragsaufhebung nach Art. 64 Abs. 1 lit b CISG nicht stützen, da es - wie oben unter II 2 dargelegt - entweder bereits an der Fälligkeit der klägerischen Leistungsverpflichtungen und an Nachfristsetzungen fehlt oder aber die in Form der „erneuten Bereitstellungsanzeigen“ gesetzten Nachfristen noch nicht abgelaufen waren. Damit scheidet nach Art. 63 Abs. 2 S. 1 CISG jedweder „Rechtsbehelf“ und damit auch die Erklärung der Vertragsaufhebung aus. Art. 63 Abs. 2 CISG präkludiert insoweit sämtliche „Rechtsbehelfe“ (vgl. Mohs in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Kommentar zum UN-Kaufrecht, 7. Auflage, München 2019, Rdnr. 12 zu Art. 63 CISG). Eine die Nachfristsetzung nach Art. 63 Abs. 2 S. 1 CISG entbehrlich machende ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung der Klägerin liegt - wie oben dargelegt - nicht vor.
80
2. Die Beklagte kann gegen den Rückzahlungsanspruch der Beklagten aus Art. 81 Abs. 2 S. 1 CISG auch nicht mit einem Schadensersatzanspruch aus Art. 74 S. 1 CISG iVm. Ziffer V S. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (deren Einbeziehung in die streitgegenständlichen Kaufverträge unterstellt) aufrechnen, da ein solcher mangels Vertragspflichtverletzung der Klägerin nicht besteht. Denn infolge der wirksam erklärten Vertragsaufhebung durch die Klägerin war diese nach Art. 81 Abs. 1 S. 1 CISG zur Abholung der Fahrzeuge nicht mehr verpflichtet.
81
Nach alledem hat die Berufung keine Aussicht auf Erfolg.
82
Da weitere Berufungsrügen nicht erhoben wurden und Fehler des landgerichtlichen Urteils auch nicht erkennbar sind, regt der Senat an, die Berufung zur Meidung weiterer Kosten zurückzunehmen. Im Falle der Rechtsmittelrücknahme ermäßigen sich die zweitinstanzlichen Gerichtsgebühren um die Hälfte.