Titel:
Rücktritt aufgrund Erfüllungsgefährdung
Normenkette:
BGB § 323 Abs. 4
Leitsätze:
1. Voraussetzung für einen Rücktritt vom Vertrag vor Fälligkeit gemäß § 323 Abs. 4 BGB ist, dass der künftige Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen aus der ex ante-Perspektive eines objektiven Beurteilers offensichtlich ist. Dabei ist ein sehr hohes Maß an Wahrscheinlichkeit zu fordern. Es darf keinen vernünftigen Zweifel über den Eintritt der Pflichtverletzung geben.
2. Der Rechtsgedanke des Art. 72 Abs. 2 CISG ist auch im Anwendungsbereich des § 323 Abs. 4 BGB zu berücksichtigen.
3. Die Bitte des Schuldners um eine Verlängerung der Leistungsfrist unter Berufung auf eine mit innerbetrieblichen Umständen begründete Unmöglichkeit der rechtzeitigen Leistungserbringung rechtfertigt noch nicht die Annahme einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung.
Steht eine Leistungsverweigerung des Schuldners im Raum, ist eine Vertragsfortführung nur dann unzumutbar und der Gläubiger gem. § 323 Abs. 4 BGB zum Rücktritt berechtigt, wenn der Schuldner zuvor vergeblich unter Fristsetzung zur Erklärung seiner Leistungsbereitschaft aufgefordert wurde. (Rn. 32 – 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Tauschvertrag, Leistungsverweigerung, ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung, Vertragstreue, Erklärung der Leistungsbereitschaft, Fristsetzung, Rücktritt
Vorinstanz:
LG Aschaffenburg, Endurteil vom 15.11.2021 – 14 O 192/20
Fundstelle:
BeckRS 2022, 40186
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 15.11.2021, Az. 14 O 192/20, wie folgt abgeändert:
a) Die Klage wird abgewiesen.
b) Die Klägerin wird verurteilt, folgende Willenserklärung abzugeben:
Hiermit bewillige ich die Löschung der zu meinen Gunsten im Grundbuch von A unter Blatt 7777 BV, laufende Nummer 10 verzeichneten Grundbesitzes der Gemarkung A, Flurstück Nummer ..., Nähe M.-C.-StraBe, Betriebsfläche, mit ei-ner GröBe von 146.787 m2 eingetragenen Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Auflassung des vorbezeichneten Grundbesitzes.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 15.657 .550,88 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
1. Die klagende Stadt verlangt von der Beklagten die Rückabwicklung eines notariellen Grundstückstauschvertrags vom 28.07.2010 wegen eines von ihr mit Schreiben vom 02.04.2019 erklärten Rücktritts.
2
Die Beklagte betreibt auf einem zentral im Gemeindegebiet der Klägerin gelegenen Grundstück eine Papierfabrik. Mitte/Ende des vorletzten Jahrzehnts begannen zwischen den Parteien Verhandlungen Ober den Tausch von Grundstücken. Hintergrund der Verhandlungen war, dass die Klägerin auf dem Grundstück der Beklagten neuen Wohnraum schaffen und die Beklagte in einem neuen lndustriegebiet der Klägerin neue Firmengebäude errichten wollte.
3
Im Verlauf der Verhandlungen wollte sich die Klägerin für die Ausrichtung der Landesgartenschau bewerben. Mit notarieller Urkunde vom 31.03.2009 (Anlage AS6, BI. 106 ff. der Beiakte 5 U 260/19) räumte daher die Beklagte der Klägerin, beginnend ab 01.01.2011, unentgeltlich für die Dauer van 30 Jahren auf einem Teil ihres Betriebsgrundstücks (Flurnummer ...) eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit (Bepflanzungs-, Bebauungs - und Wegeerrichtungsrecht) für die Durchführung der Landesgartenschau ein und bewilligte deren Eintragung im Grundbuch. Am 01.04.2009 schlossen die Parteien privatschriftlich eine Vereinbarung (Anlage AS6, BI. 105 der Beiakte 5 U 260/19), wonach die Beklagte die Aufhebung der am 31.03.2009 eingeräumten persönlichen Dienstbarkeit verlangen könne, falls bis 31.12.2009 zwischen den Parteien kein Tauschverrt ag abgeschlossen werden sollte, der auch das mit der Dienstbarkeit belastete Grundstück umfasst, ader falls bis zu diesem Zeitpunkt zwischen den Parteien kein Pachtvertrag (zu bestimmten Bedingungen) über dieses Grundstück zustande kommen sollte. Eine Aufhebung der Dienstbarkeit verlangte die Beklagte in der Folgezeit jedoch nicht, obwohl bis 31.12.2009 weder ein Tauschvertrag noch ein Pachtvertrag abgeschlossen worden war. Vielmehr wurde der von der Dienstbarkeit betroffene Grundstücksteil an die Klägerin übe geben, die dort auch die Landesgartenschau 2015 ausrichtete. Die Eintra gung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit in das Grundbuch erfolgte erst am 27.06.2019 (Anlage K8, BI. 72 R der Akte).
4
Am 28.07.2010 schlossen die Parteien einen notariell beurkundeten Tauschvertrag (Anlage K1, BI. 21 ff. d.A., URNr. S 1317/2010). Hierbei tauschte die Klägerin die im Grundbuch van A auf BI. 7865 vorgetragenen Flurstücke (..., ..., ..., ..., ...) und die auf BI. 7053 vorgetragenen Flurstücke (6433 u. 6414/6) gegen die im Grundbuch von A auf BI. 7777 vorgetragenen Flurstücke (..., ..., ... und ...) und die Fischereirechte (Fischereirechtsgrundbuch d. AG AB -ZWSt A - Bd. 1, BI. 3) der Beklagten. Ferner verpflichtete sich die Klägerin, als Tauschaufgabe für die Grundstücke der Beklagten einen Betrag von 4 Mio. € und für die Fischereirechte einen Betrag von 51.000,- € zu bezahlen, wobei in der Folgezeit der letztgenannte Betrag von 51.000,- € auch bezahlt und die Fischereirechte an die Klägerin übertragen wurden. Hinsichtlich des Besitzübergangs und der Auflassung vereinbarten die Parteien, dass Besitz, Rechte und Nutzungen an den für die Landesgartenschau benötigten Flächen am 31.12.2010 auf die Klägerin übergehen sollten; im Übrigen am 31.12.2017, wobei die Auflassung sämtlicher Grundstücke ebenfalls am 31.12.2017 erfolgen sollte. Der Besitz an den Grundstücken der Klägerin sollte am 01.01.2013 auf die Beklagten übergehen, die Auflassung am 31.01.2013 erfolgen. Die Zahlung von Nutzungsentschädigungen wurden hinüber und herüber ausgeschlossen (Ziff. V. 4. Abs. 3 des Tauschvertrags). Ferner vereinbarten die Parteien (sowie die am Vertrag ebenfalls beteiligte Fa. GmbH & Co. KG) die Übernahme von mit der Klägerin bzw. der Fa. GmbH & Co. KG bestehenden Pachtverträgen durch die Klägerin (Ziff. V. 4. Abs. 1 des Tauschvertrags).
5
Am 29.01.2013 vereinbarten die Parteien mit natarieller Urkunde vam 29.01.2013 (URNr. B 258/2013, Anlage K2, BI. 47 ff. d.A.) einen Nachtrag zum Tauschvertrag v. 28.07.2010, wanach der Besitz an den Grundstücken der Klägerin auf die Beklagte nunmehr spätestens am 01.01.2015 statt am 01.01.2013 übergehen und die entsprechende Auflassung bei Übergabe, spätestens jedach bis zum 31.01.2015 zu erfalgen habe.
6
Mit natarieller Urkunde vam 06.03.2018 (Anlage K3, BI. 50 ff. d.A.) haben die Parteien den Nachtrag vam 29.01.2013 auf und vereinbarten die Räumung und Besitzübergabe durch die Beklagte an die Klägerin bezüglich des übrigen Vertragsgegenstands (die nicht van der Landesgartenschau belegten Flächen) bis spätestens 06.03.2021.
7
Im Anschluss an die diese Beurkundung erfalgte die Auflassung des Grundbesitzes der Klägerin auf die Beklagte, die am 19.11.2018 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen wurde (Grundbuch van A, BI. 7777, lfd. Nr. 10, Flurstück Nr. ..., 146.787 m2, Anlage K 8, BI. 70 ff. d. A.: irn Falgenden als „lndustriegrundstück“ bezeichnet). Hinsichtlich des van der Beklagten an die Klägerin getauschten Grundbesitzes wurde eine Auflassungsvarmerkung zugunsten der Klägerin in das Grundbuch eingetragen.
8
Am 27.02.2019 bat der Geschäftsführer der Beklagten, Dr. P. in einer Sitzung des Stadtrats der Klägerin (Protakall der Sitzung v. 23.05.2019, Anlage K9, BI. 76 d.A.) urn eine Verlängerung der in den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien zuletzt bestimrnten Frist (06.03.2021) für die Übergabe und Räurnung des Betriebsgrundstücks der Beklagten urn drei Jahre. Die Einzelheiten bezüglich der irn Rahrnen dieser Sitzung getätigten Äur1erungen sind zwischen den Parteien streitig.
9
Mit Schreiben varn 02.04.2019 (Anlage K10, BI. 79 f. d.A.) erklärte der damalige Erste Bürgermeister der Beklagten, Dr. L. gegenüber Dr. P. den Rücktritt vam Tauschvertrag und forderte die Beklagte auf, an der Rückauflassung des lndustriegrundstücks rnitzuwirken. Ferner teilte Dr. L in diesern Schreiben mit, dass für den Fall, dass er zeitnah dennach Möglichkeiten finden sallte, das Umsiedlungsprakjekt gleichwahl umzusetzen, Bereitschaft für eine Erörterung der hierfür bestehenden Möglichkeiten bestünde.
10
Am 24.05.2019 beantragte die Klägerin eine einstweilige Verfügung auf Bewilligung und Eintragung einer Auflassungsvarmerkung bezüglich des lndustriegrundstücks durch die Beklagte in das Grundbuch. Mit Endurteil des Landgerichts Aschaffenburg vam 17.06.2019 (BI. 173 ff. der Beiakte wurde die Beklagte antragsgemäB verurteilt. Die Auflassungsvormerkung wurde am 28.06.2019 in das Grundbuch eingetragen (Anlage K8, BI. 73 R d.A.). Die gegen das Endurteil des Landgerichts Aschaffenburg van der Beklagten eingelegte Berufung wurde nach entsprechendem Hinweis des OLG Bamberg vom 05.11.2019 (BI. 226 ff. d. Beiakte 5 U 260/19) mit Beschluss vom 08.01.2020 (BI. 252 ff. d Beiakte 5 U 260/19) nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
11
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass sie mit Schreiben vom 02.04.2019 wirksam vom Tauschvertrag gem. § 323 Abs. 4 BGB zurückgetreten sei, da der Geschäftsführer der Beklagten, Dr. P. sowohl in persönlichen Gesprächen mit dem Bürgermeister der Klägerin, Dr. L. als auch am 27.02.2019 gegenüber dem Stadtrat mitgeteilt habe, dass eine Übergabe und Räumung des Grundstücks bis zum vereinbarten Termin am 06.03.2021 nicht möglich sei, sondern eine Verlängerung der Frist bis zum 06.03.2024 benötigt werde; eine Verhandlungsbereitschaft habe Dr. P. insoweit nicht gezeigt. Dies stelle eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Vertrags durch die Beklagte dar, welche die Klägerin, nachdem die begehrte Fristverlängerung durch den Stadtrat abgelehnt worden war, zum Vertragsrücktritt berechtigt habe. Ferner begehrt die Klägerin van der Beklagten die Rückzahlung des Tauschaufgabe beantragt von 51.000,- € für die Fischereirechte, sowie Schadensersatz für bezahlte Grundererbsteuer und Notarkosten (insgesamt 457.880,88 € und dies Zug urn Zug gegen Abtretung eines etwaigen Rückerstattungsanspruchs gegen die Finanzkasse), sowie die Freistellung der Klägerin van aufgrund der Rückübertragung anfallenden Kosten.
12
Die Klägerin hat vorgetragen, dass zwischen der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit und dem Tauschvertrag keine untrennbare Verbindung bestehe, sa dass diese in eine Rückabwicklung nicht mit einzubeziehen sei. Ein Anspruch auf Löschung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit ader ein entsprechendes Zurückbehaltungsrecht gegen den klägerischen Anspruch auf Rückübertragung des lndustriegrundstücks bestünde daher nicht. Dies gelte auch für die von der Klägerin vereinbarten Pachtzinsen aufgrund der mit dem Tauschvertrag van der Beklagten übernommenen Pachtverträge ader für gezogene Nutzungen. Jedenfalls habe die Beklagte selbst den Vollzug des Tauschvertrags vereitelt, sa dass der Beklagten weder aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage noch aus Bereicherungsrecht wegen § 815 BGB Ansprüche zustünden.
13
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat ferner in der mündlichen Verhandlung var dem Landgericht Aschaffenburg am 07.06.2021 (BI. 277 d.A.) unter Hinweis auf den zu diesem Zeitpunkt verstrichenen Termin für die Räumung des Betriebsgeländes der Beklagten (06.03.2021) erneut den Rücktritt vom Tauschvertrag erklärt.
14
Die Beklagte hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass der Geschäftsführer der Beklagten, Dr. P. weder in der Sitzung des Stadtrats vom 27.02.2019, noch zuvor in Gesprächen mit dem Bürgermeister der Klägerin, Dr. L. die Erfüllung des Tauschvertrags ernsthaft und endgültig verweigert, sondern lediglich urn eine zeitliche Verschiebung gebeten habe. Zu berücksichtigen sei ferner, dass die Klägerin vorher selbst den ursprünglich vorgesehenen Termin (31.01.2013) für die Übergabe der städtischen Grundstücke bis zum 06.03.2018 verzögert habe.
15
Die Beklagte hat ferner vorgetragen, dass die Klägerin auf die beschränkt persönliche Dienstbarkeit im Falle eines wirksamen Rücktritts verzichten und das Landesgartenschaugelände an die Beklagte zurückgeben müsse. Da die Dienstbarkeit für ein vom Tauschvertrag betroffenes Grundstück bestellt wurde, habe es sich hierbei urn einen Teil des Gesamtpakets gehandelt, das insgesamt rückabzuwickeln sei, jedenfalls sei der mit der Gewährung der Dienstbarkeit bezweekte Erfolg, nämlich der endgültige Vollzug des Tauschvertrags nicht eingetreten. Für den Fall der Rückabwicklung habe die Klägerin auch die aus den übernommenen Pachtverträgen erzielten Pachtzinsen (452.103,26 €) zurückzubezahlen. Ferner stehe der Beklagten ein Bereicherungsanspruch für die der Klägerin aufgrund der Dienstbarkeit ermöglichten Nutzungen zu, dessen Höhe sich aus den in der Vereinbarung vom 01.04.2009 in Bezug genommenen Pachtverträgen ergebe (3.162.617,75 €); die im Tauschvertrag vorgesehene unentgeltliche Nutzung der Flächen durch die Klägerin sei dabei nur für den Fall des Vollzugs des Tauschvertrags vereinbart gewesen. Weiter hat die Beklagte Gegenansprüche in Höhe von 150.600,- € wegen Nutzungsausfalls und Wertersatz für von der Klägerin beseitigte Stellplätze (Abriss von Garagen und Carports) geitend gemacht. Die Beklagte ist der Auffassung, dass ihr wegen der vorgenannten Forderungen ein Zurückbehaltungsrecht gegen etwaige klägerische Ansprüche zustünde und hat erstinstanzlich hilfsweise die entsprechende Einrede und hilfsweise Widerklage erhoben.
16
Hinsichtlich des Wortlauts der gestellten Anträge und des weiteren Vorbringens der Parteien in erster lnstanz wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Endurteils vom 15.11.2021 (BI. 339 ff. d.A.) Bezug genommen.
17
Das Landgericht hat die Beklagte nach Beweisaufnahme (Einvernahme der früheren Bürgrmeister der Klägerin, Dr. L. und Sch. sowie des Angestellten der Beklagten, Herrn D.) sowie persönlicher Anhörung des derzeitigen Ersten Bürgerrneisters N. und des Geschäftsführers der Beklagten Dr. P. entsprechend den klägerischen Anträgen verurteilt, dies allerdings nur Zug urn Zug gegen die Abgabe der Löschungsbewilligung irn Hinblick auf die persönliche Dienstbarkeit und Räurnung sowie Herausgabe des entsprechenden Landesgartenschaugrundstücks. Die weiteren von der Beklagten geitend gernachten Gegenforderungen hat das Landgericht bis auf eine geringe Nutzungsentschädigung für die Fischereirechte (9.000,- €) für nicht begründet erachtet und insoweit auch die Widerklage abgewiesen.
18
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass der arn 02.04.2019 erklärte Rücktritt wirksarn sei, da nach seiner Überzeugung unter Berücksichtigung der Angaben des Zeugen Dr. L. den inforrnatorischen Angaben des Ersten Bürgerrneisters N. und des Protokolls der Stadtratssitzung vorn 27.02.2019 „nach § 323 Abs. 1 S. 1 BGB“ (S. 24 EU) festgestanden habe, dass die Beklagte die ihr obliegende Leistung nicht erfüllen werde. Es glaube dabei den Aussagen des Zeugen Dr. L. wonach Dr. P. klar erklärt habe, dass er „den Terrnin von 3 Jahren“ nicht einhalten werde und nicht den inforrnatorischen Angaben des Dr. P. wonach dieser in der Sitzung des Stadtrats eine Diskussion habe anregen wollen. Eine Fristsetzung durch die Klägerin sei entbehrlich gewesen, da die von der Beklagten verlangte zeitliche Verschiebung ihrer Leistungspflichten urn drei Jahre völlig unverhältnismäBig sei und die Beklagte eine frühere Erfüllung ausgeschlossen habe. Die Setzung einer angemessenen Nachfrist, hier 6 Monate, wäre daher eine reine Förmelei gewesen. Das Landgericht hat ferner dargelegt, dass die Rückgabe des Landesgartenschaugeländes an die Beklagte und die Löschung der entsprechenden Grunddienstbarkeit zur Rückabwicklung des Tauschverrt ags gehöre, da die Einräumung des Besitzes und die beschränkte persönliche Dienstbarkeit an diesern Grundstück irn Vorgriff auf den Tauschvertrag erfolgt sei und der Vollzug des Tauschvertrags insoweit vorweggenommen worden seien. Da die Beklagte den Rücktritt schuldhaft verursacht habe, sei sie auch zurn Schadensersatz in Höhe der der Klägerin entstandenen Notarkosten und der van ihr entrichteten Grundsteuer (Zug urn Zug gegen Abtretung eines etwaigen Rückerstattungsanspruchs gegenüber der Finanzkasse) verpflichtet; entsprechend bestehe auch ein Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für die Kosten der Rückabwicklung des Tauschvertrags. Verneint hat das Landgericht die van der Beklagten geitend gemachten Gegenansprüche auf Zahlung van Nutzungsersatz für die Nutzung des Landesgartenschaugeländes durch die Klägerin. Die Parteien seien sich darüber einig gewesen, was auch vertraglich vereinbart worden sei, dass für die „Schwebezeit“ bis zurn Vollzug des Tauschvertrags eine Nutzungsentschädigung nicht geschuldet sei. Nachdern der Vollzug des Tauschvertrags von der Beklagten schuldhaft verhindert worden sei, widerspreche es den Grund8 - sätzen von Treu und Glauben, der Beklagten eine Nutzungsentschädigung zuzusprechen. Auch der Klägerin stünden keine Ansprüche auf Erstattung von Aufwendungen zu, da die Umgestaltung der erhaltenen Brachfläche in einen Naturpark für die Landesgartenschau keine notwendige Verwendung darstelle und die Beklagte hierdurch auch nicht bereichert sei. Einen Anspruch der Beklagten hat das Landgericht lediglich in Bezug auf die Nutzung der Fischereirechte durch die Klägerin, die vertraglich nicht geregelt worden seien, in Höhe von 9.000,- € bejaht.
19
Gegen das den Beklagtenvertretern am 15.11.2021 zugestellte Endurteil hat die Beklagte am 09.12.2021 Berufung eingelegt und die Berufung mit Schriftsatz vom 17.02.2022 innerhalb der antragsgemä verlängerten Frist begründet.
20
Die Beklagte trägt vor, dass das Landgericht die mit Schriftsatz vom 11.03.2021 erhobene und mit Schriftsatz vom 27.05.2021 erweiterte Hilfawiderklage nicht hätte abweisen dürfen, da diese unter der innerprozessualen Bedingung gestellt worden sei, dass eine Zug-um-Zug Verurteilung der Beklagten gegen Abgabe der Löschungsbewilligung gem. Ziff. 4 lit. d. des landgerichtlichen Urteils nicht erfolgt und nicht etwa unter der Bedingung, dass die erfolgte Hilfsaufrechnung mit einem Anspruch auf Nutzungsentschädigung abgewiesen wird. Nunmehr erfolge in der Berufungsinstanz aber eine entsprechende Antragstellung bzgl. der Hilfswiderklagen, die für den Fall gestellt werden, dass eine Klageabweisung nicht erfolgt und (Antrag Ziff. 11.) eine Hilfsaufrechnung gegen den klägerseits unter Ziff. 5 der Klage geitend gemachten Anspruch auf Schadensersatz für zulässig erachtet wird, bzw. (Ziff. 111.) eine Aufrechnung für nicht zulässig erachtet wird, bzw. (Ziff. IV) der Beklagten bzgl. der von ihr auf § 812 Abs. 1 S. 2., 2. Alt. BGB gestützten Nutzungsentschädigung kein Zurückbehaltungsrecht zustehen sollte.
21
In der Sache trägt die Beklagte im Wesentlichen vor, dass die Rücktrittserklärung für die Beklagte, die eine Erfüllung des Vertrages zum vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt keineswegs ausgeschlossen habe, völlig überraschend erfolgt sei; eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung habe nie vorgelegen. So sei entgegen der Darlegungen des Landgerichts nicht die (allein) vertraglich geschuldete Übergabe des Betriebsgrundstücks verweigert bzw. als unmöglich einzuhalten dargestellt worden, sondern lediglich erklärt worden, dass der nicht als Leistungsverpflichtung vereinbarte Bau des neuen Werks auf dem lndustriegrundstück gefährdet sei. Hätte die Klägerin erklärt, dass kein Einverständnis mit einer Verschiebung der Leistungspflicht bestünde, hätte die Beklagte die vertraglich vereinbarte Frist eingehalten, was etwa durch eine Produktionsverlagerung in andere Werke der Beklagten möglich gewesen wäre. Ferner habe die Klägerin durch den für den Geschäftsführer der Beklagten (der zuvor nicht über die abschlägige Entscheidung über seine Bitte auf Verschiebung der Übergabe informiert worden sei) überraschenden Rücktritt gegen das ihr obliegende Kooperationsgebot verstoBen und die Beklagte treuwidrig vor vollendete Tatsachen gestellt. Auch der im Termin vom 06.07.2021 für den Fall der Unwirksamkeit des Rücktritts vom 02.04.2019 erklärte Rücktritt entfalte keine Wirksamkeit, da es an der notwendigen Fristsetzung fehle und die Rücktritterklärung bedingungsfeindlich sei; zudem fehle es an der eigenen Leistungsbereitschaft der Klägerin.
22
Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren:
1.1. Unter Aufhebung des Endurteils des LG Aschaffenburg vom 15.11.2019, Aktenzeichen: 14 O 192/20, wird die Klage abgewiesen.
2. Gleichzeitig erhebt sie Widerklage und beantragt, die Klägerin wird verurteilt, folgende Willenserklärung abzugeben:
Hiermit bewilligte ich die Löschung der zu meinen Gunsten im Grundbuch von A unter Blatt 7777 BV, laufende Nummer 1 O verzeichneten Grundbesitzes der Gemarkung A, Flurstück Nummer ..., Nähe M.-C.-StraBe, Betriebsfläche, mit ei-ner GröBe von 146.787 m2 eingetragenen Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Auflassung des vorbezeichneten Grundbesitzes.
ll. Hilfsweise beantragt die Beklagte:
Unter Abänderung des Endurteils des Landgerichts Aschaffenburg vom 15.11.2019, Al: 14 0192/20, wird die Beklagte verurteilt
1. die folgenden Willenserklärungen abzugeben:
a) Hiermit stimme ich dem Übergang des Eigentums am Grundstück der Gemarkung A, Flurstück Nummer ..., eingetragen im Grundbuch von A unter Blatt 7777, laufende Nummer 10, Nähe StraBe, Betriebsfläche, mit einer GröBe von 146.787 m2, auf die Klägerin zu.
b) hiermit bewilligte ich die Eintragung der Klägerin als Eigentümerin des vorstehend unter a) genauer bezeichneten Grundstücks in das Grundbuch.
2. Die Beklagte wird verurteilt, das im Urteilstenor zu 1. Buchstabe a genauer bezeich-nete Grundstück zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
3. Die Verurteilung gemäl1 Nummer 1 und Nummer 2 des Urteilstenors erfolgt Zug urn Zug gegen a. Abgabe der folgenden Löschungsbewilligung durch die Klägerin:
Hiermit bewilligte und beantrage ich die Löschung der zu meinen Gunsten gemäl1 IV 2 des notariellen Tauschvertrags vom 28.07.2010 / URNr. S 1317/2010 eingetragenen Auflassungsvormerkung an dem Grundstück bzw. den Grundstücken der Gemarkung A, eingetragen im Grundbuch von A unter Blatt 7777,
- Flurstück Nummer ..., In den M.-gärten, Verkehrsfläche zu 52 m2
- Flurstück Nummer ..., M.weg 14, Gebäude und Freifläche zu 2.284 m2
- Flurstück Nummer ..., Nähe M.weg, Gebäude und Freifläche zu 1.718 m2
- Flurstück Nummer ..., N.-Str. 2a, Gebäude und Freifläche zu 53.112 m2
b. Abgabe der folgenden Löschungsbewilligung durch die Klägerin:
Hiermit bewillige und beantrage ich die Löschung der zu meinen Gunsten gemäl1 IV 2 des notariellen Tauschvertrags vom 28.07.2010 / URNr. S 1317/2010 eingetragenen Auflassungsvormerkung an den Fischereirechten, eingetragen im Fischereirechtsgrundbuch des Amtsgerichts Aschaffenburg, Zweigstelle A, Bd. 1, Blatt 3 Fischereirecht in der Kahl Flurstück ... und Flurstück ... Gemarkung von A den talwärts gelegenen Brückenpfeilerkanten der Stral1enbrücke unter der KaiserRupprecht-Stral1e Flurstück ... in der Ortschaft A bis zur Gemarkungsgrenze A ferner in dem Seitenarm der Kahl Flurstück 113 Gemarkung A Fischereirecht in der Kahl Flurstück ..., ..., ... von der Gemarkungsgrenze A bis zur Einmündung in den Main und am Mühlbach Flurstück ....
c. Zug um Zug gegen Abgabe folgender Löschungsbewilligungen durch die Klägerin:
Hiermit bewilligte und beantrage ich die Löschung des zu meinen Gunsten im Grundbuch von A Bd. 210, Blatt 7777 Abteilung 2 Nummer 7 eingetragenen Bepflan-zungs-, Bebauungs- und Wegerrichtungsrechts sowie
d. Zug urn Zug gegen Räumung und Herausgabe des belasteten Grundstücks (Ziff. 3c) an die Beklagte sowie Rückbau/Entfernung der auf dem Grundstück von der Klägerin errichteten Aufbauten und zwar
- Aussichtssteg „Kahlaue„im Energiepark,
- Realschulpavillon mit Pausenhof, sowie Rückbau der auf dem Grundstück angelegten Wege
e. Zug urn Zug gegen Zahlung von 3.280.417,75 €, nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit von der Klägerin an die Beklagte.
111. Hilfsweise beantragt sie, für den Fall, dass das Endurteil des LG Aschaffenburg nicht zumindest gemäB obiger Nummer ll. abgeändert wird:
Unter Abänderung des Endurteils des Landgerichts Aschaffenburg vom 15.11.2019, AZ.: 14 0192/20, wird die Beklagte verurteilt
1. die folgenden Willenserklärungen abzugeben:
a) Hiermit stimme ich dem Übergang des Eigentums am Grundstück der Gemarkung A Flurstück Nummer ..., eingetragen im Grundbuch von A unter Blatt 7777, laufende Nummer 10, Nähe StraBe, Betriebsfläche, mit einer GröBe von 146.787 m2, auf die Klägerin zu.
b) hiermit bewilligte ich die Eintragung der Klägerin als Eigentümerin des vorstehend unter a) genauer bezeichneten Grundstücks in das Grundbuch.
2. Die Beklagte wird verurteilt, das im Urteilstenor zu 1. Buchstabe a genauer bezeich-nete Grundstück zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin den gemä 111. 1b) des notariellen Tauschvertrag vom 28.07.2010/Urkundennummer S 1317/2010 vereinbarten Tauschaufgabebetrag in Höhe von 51.000 € zzgl. 5% Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klage an die Klägerin zurück zu bezahlen.
4. Die Verurteilung gemä Nummer 1 und Nummer 2 des Urteilstenors erfolgt Zug urn Zug gegen a. Abgabe der folgenden Löschungsbewilligung durch die Klägerin:
Hiermit bewilligte und beantrage ich die Löschung der zu meinen Gunsten gemä IV 2 des notariellen Tauschvertrags vom 28.07.2010 / URNr. S 1317/2010 eingetragenen Auflassungsvormerkung an dem Grundstück bzw. den Grundstücken der Gemarkung A, eingetragen im Grundbuch von A unter Blatt 7777,
- Flurstück Nummer ..., In den M.gärten, Verkehrsfläche zu 52 m2
- Flurstück Nummer ..., M.weg 14, Gebäude und Freifläche zu 2.284 m2
- Flurstück Nummer ..., Nähe M.weg, Gebäude und Freifläche zu 1.718 m2
- Flurstück Nummer ..., N.-Str. 2a, Gebäude und Freifläche zu 53.112 m2
b. Abgabe der folgenden Löschungsbewilligung durch die Klägerin:
Hiermit bewillige und beantrage ich die Löschung der zu meinen Gunsten gemä IV 2 des notariellen Tauschvertrags vom 28.07.2010 / URNr. S 1317/2010 eingetragenen Auflassungsvormerkung an den Fischereirechten, eingetragen im Fischereirechtsgrundbuch des Amtsgerichts Aschaffenburg, Zweigstelle A Bd. 1, Blatt 3 Fischereirecht in der Kahl Flurstück ... und Flurstück ... Gemarkung von Al den talwärts gelegenen Brückenpfeilerkanten der Straenbrücke unter der Kaiser-Rupprecht-StraBe Flurstück 402 in der Ortschaft A bis zur Gemarkungsgrenze A-K ferner in dem Seitenarm der Kahl Flurstück 113 Gemarkung A Fischereirecht in der Kahl Flurstück ..., ..., ... von der Gemarkungsgrenze A bis zur Einmündung in den Main und am Mühlbach Flurstück ....
c. Zug urn Zug gegen Abgabe folgender Löschungsbewilligungen durch die Klägerin:
Hiermit bewilligte und beantrage ich die Löschung des zu meinen Gunsten im Grundbuch von A Bd. 210, Blatt 7777 Abteilung 2 Nummer 7 eingetragenen Bepflanzungs-, Bebauungs- und Wegerrichtungsrechts sowie
d. Zug urn Zug gegen Räumung und Herausgabe des belasteten Grundstücks (Zift. 4c) an die Beklagte sowie Rückbau/Entfernung der auf dem Grundstück von der Klägerin errichteten Aufbauten und zwar
- Aussichtssteg „Kahlaue„im Energiepark,
- Realschulpavillon mit Pausenhof, sowie Rückbau der auf dem Grundstück angelegten Wege
e. Zug urn Zug gegen Zahlung von 3.331.417,75 €, nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Hilfswiderklage der Klägerin an die Beklagte.
IV. ÄuBerst hilfsweise beantragt sie, für den Fall, dass das Endurteil des LG Aschaffenburg nicht zumindest gemäB obiger Nummer 111. abgeändert wird, Unter Abänderung des Endurteils des Landgerichts Aschaffenburg vom 15.11.2019, AZ: 14 0192/20, wird die Beklagte verurteilt
1. die folgenden Willenserklärungen abzugeben:
a) Hiermit stimme ich dem Übergang des Eigentums am Grundstück der Gemarkung A, Flurstück Nummer ..., eingetragen im Grundbuch von A unter Blatt 7777, laufende Nummer 10, Nähe, Betriebsfläche, mit einer Größe von 146.787 m2, auf die Klägerin zu.
b. hiermit bewilligte ich die Eintragung der Klägerin als Eigentümerin des vorstehend un-ter a) genauer bezeichneten Grundstücks in das Grundbuch.
2. Die Beklagte wird verurteilt, das im Urteilstenor zu 1. Buchstabe a genauer bezeichnete Grundstück zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin den gemäf5 111. 1 b) des notariellen Tauschvertrag vom 28.07.2010/Urkundennummer S1317/2010 vereinbarten Tauschaufgabebetrag in Höhe von 51.000 € zzgl. 5% Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klage an die Klägerin zurück zu bezahlen.
4. Die Verurteilung gemäf5 Nummer 1 und Nummer 2 des Urteilstenors erfolgt Zug urn Zug gegen a. Abgabe der folgenden Löschungsbewilligung durch die Klägerin:
Hiermit bewilligte und beantrage ich die Löschung der zu meinen Gunsten gemäf5 IV 2 des notariellen Tauschvertrags vom 28.07.2010 / URNr. S 1317/2010 eingetragenen Auflassungsvormerkung an dem Grundstück bzw. den Grundstücken der Gemarkung A, eingetragen im Grundbuch von A unter Blatt 7777,
- Flurstück Nummer ..., In den M.gärten, Verkehrsfläche zu 52 m2
- Flurstück Nummer ..., M. weg 14, Gebäude und Freifläche zu 2.284 m2
- Flurstück Nummer ..., Nähe M.weg, Gebäude und Freifläche zu 1.718 m2
- Flurstück Nummer ..., N.-Str. 2a, Gebäude und Freifläche zu 53.112 m2
b. Abgabe der folgenden Löschungsbewilligung durch die Klägerin:
Hiermit bewillige und beantrage ich die Löschung der zu meinen Gunsten gemäf5 IV 2 des natariellen Tauschvertrags vom 28.07.2010 / URNr. S 1317/2010 eingetragenen Auflassungsvormerkung an den Fischereirechten, eingetragen im Fischereirechtsgrundbuch des Amtsgerichts Aschaffenburg, Zweigstelle A, Bd. 1, Blatt 3 Fischereirecht in der Kahl Flurstück... und Flurstück ... Gemarkung van A den talwärts gelegenen Brückenpfeilerkanten der StraBenbrücke unter der Kaiser-Rupprecht-StraBe Flurstück ... in der Ortschaft A bis zur Gemarkungsgrenze A-K ferner in dem Seitenarm der Kahl Flurstück 113 Gemarkung A Fischereirecht in der Kahl Flurstück ..., ..., ... van der Gemarkungsgrenze A bis zur Einmündung in den Main und am Mühlbach Flurstück ... .
c. Zug um Zug gegen Abgabe folgender Löschungsbewilligungen durch die Klägerin:
Hiermit bewilligte und beantrage ich die Löschung des zu meinen Gunsten im Grundbuch van A Bd. 210, Blatt 7777 Abteilung 2 Nummer 7 eingetragenen Bepflanzungs-, Bebauungs- und Wegerrichtungsrechts
sowie d. Zug urn Zug gegen Räumung und Herausgabe des belasteten Grundstücks (Ziff. 4c) an die Beklagte sowie Rückbau/Entfernung der auf dem Grundstück van der Klägerin errichteten Aufbauten und zwar
- Aussichtssteg „Kahlaue„im Energiepark,
- Realschulpavillan mit Pausenhaf, sawie Rückbau der auf dem Grundstück angelegten Wege e. Zug urn Zug gegen Zahlung van 620.903,26 € nebst Zinsen in Höhe van 9 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klägerin an die Beklagte.
5. Die Klägerin wird auf die Hilfswiderklage hin verurteilt, an die Beklagte 2.710.514,49 €, nebst Zinsen in Höhe van 9 Prazentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Hilfswiderklage der Klägerin zu zahlen.
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Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 18.03.2022 und darnit innerhalb der zur Berufungserwiderung gesetzten Frist (29.03.2022):
1. Die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts Aschaftenburg, Az. 14 O 192/20 vorn 15.11.2021 wird zurückgewiesen.
2. lrn Wege der Anschlussberufung wird beantragt,
a) Das Urteil des Landgerichts Aschaftenburg vorn 15.11.2021, Az. 14 O 192/20 wird dahingehend abgeändert, dass die Zug urn Zug Verurteilung der Klägerin irn Hinblick auf Urteilszifter 4 d entfällt und diese nicht Zug urn Zug zur Abgabe der folgenden Löschungsbewilligung verpflichtet wird:
Hiermit bewillige und beantrage ich die Löschung des zu rneinen Gunsten im Grundbuch von A - Band 210, BI. 7777 Abteilung Il Nr. 7 eingetragenen Bepflanzungs-, Bebauungs- und Wegeerrichtungsrechts sowie nicht Zug urn Zug zur Räumung und Herausgabe des belasteten Grundstücks (Zifter 4 d) an die Beklagte verurteilt wird.
b) Hilfsweise für den Fall der Zurückweisung des vorstehenden Antrags unter Ziffer 2 a):
Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin alle Schäden zu ersetzen hat, die dieser durch die Löschung des zu ihren Gunsten irn Grundbuch von A - Band 210, BI. 7777 Abteilung Il Nr. 7 eingetragenen Bepflanzungs-, Bebauungs- und Wegeerrichtungsrechts sowie durch die Räurnung und Herausgabe des belasteten Grundstücks an die Beklagte entstehen.
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Sie ist der Auffassung, dass die unter Ziff. 1.2. und die in den nachfolgenden Ziffern jeweils unter lit. e) und d) gestellten Anträge bereits unzulässig seien, da die Beklagte insoweit einer Änderung der Widerklage nicht zustirnrne und diese auch nicht sachdienlich seien. In der Sache trägt die Beklagte im Wesentlichen vor, dass es bei der Beurteilung der Erfüllungsverweigerung nicht auf den tatsächlichen Willen des Erklärenden ankornme, sondern auf den objektiven Gehalt der erfolgten Erklärung des Geschäftsführers der Beklagten, wonach die Beklagte das Grundstück nicht zum 06.03.2021 an die Klägerin übergeben werde, was durch Dr. P. auch in der mündlichen Verhandlung rnit dern geplanten Neubau auf dern lndustriegrundstück verknüpft worden sei. Dies sei durch den Zeugen Dr. L. bestätigt und durch das Landgericht auch so festgestellt worden. Aufgrund der insoweit übereinstimrnenden Angaben des Zeugen Dr. L. und des Geschäftsführers der Beklagten, wonach dieser eine Verlängerung des Übergabezeitpunkts urn mindestens drei Jahre gewünscht habe bzw. haben wollte, habe die Klägerin die Schlussfolgerung ziehen dürfen, dass in absehbarer Zeit keine Übergabe des Betriebsgrundstücks erfolgen werde. Jedenfalls in der rnündlichen Verhandlung vor dern Landgericht sei der Rücktritt wirksam erklärt worden, bei dem es sich auch nicht urn einen Eventualrücktritt gehandelt habe. Einer Fristsetzung habe es nicht bedurft, da die Beklage bereits irn Zuge der vorangegangenen Auseinandersetzungen erklärt habe, dass sie die Übereignung des Werkgeländes nicht in absehbarer Zeit werde vornehmen können. Die Klägerin verteidigt zudern die Entscheidung des Landgerichts in Bezug auf eine nicht geschuldete Nutzungsentschädigung infolge des Rücktritts und trägt im Zusarnrnenhang rnit ihrer Anschlussberufung vor, dass die einzige Verknüpfung der der Klägerin eingeräumten beschränkten persönlichen Dienstbarkeit rnit dern Tauschvertrag in der Zusatzvereinbarung vom 01.04.2009 zu finden sei, wonach der Beklagten die Option zur Aufhebung der persönlichen Dienstbarkeit übertragen worden sei, die sie jedoch unstreitig nicht ausgeübt habe und die nunmehr auch verwirkt sei.
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Die Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Anschlussberufung.
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Unter erstmaliger Vorlage von E-Mails, wonach der Erste Bürgermeister der Klägerin den Geschäftsführer der Beklagten auffordert, dessen,Antrag auf Fristverlängerung bis zum 06.03.2024“ nochrnals schriftlich zu stellen (E-Mail vorn 04.03.2019, Anlage BB1), und Letzterer entsprechend antwortet (E-Mail vorn 09.03.2019, Anlage BB2), trägt die Beklagte vor, dass hieraus hervorgehe, dass auch die Klägerin nicht von einer Unmöglichkeit ader Verweigerung der Übergabe des Grundstücks durch die Beklagte ausgegangen sei.
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Die Klägerin hat den Vortrag der Beklagten insoweit als verspätet gerügt und vorgetragen, dass sich auch aus der E-Mail vom 04.03.2019 nicht ergebe, dass sich die Klägerin für Verhandlungen offen gezeigt habe, vielmehr sei es lediglich urn eine schriftliche Dokumentation der Aussage des Geschäftsführers der Beklagten gegangen, der auch der in dieser E-Mail wiedergegebenen Angabe bzgl. der Unrnöglichkeit der Einhaltung des vereinbarten Termins nicht widersprochen habe; Kornprornissbereitschaft sei vielrnehr von keiner Seite gezeigt worden.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die in erster lnstanz und irn Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
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Der Senat hat am 18.07.2022 mündlich verhandelt (Protokoll BI. 638 ff. d.A.) und - nachdem beide Parteien grundsätzlich Einigungsbereitschaft und die Aufnahme von Vergleichsgesprächen angezeigt hatten - einen neuen Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung bestimmt. Nachdem die Einigungsbemühungen der Parteien gescheitert waren, hat der Senat am 28.11.2022 erneut verhandelt (BI. 679 ff. d.A.).
30
ll. Die zulässige Berufung der Beklagten und die in der Berufungsinstanz erhobene Widerklage haben Erfolg. Sie führen zur Klageabweisung und Stattgabe der Widerklage. Die Anschlussberufung der Klägerin ist - als Eventual-Anschlussberufung - zulässig; eine Entscheidung hierüber war jedoch nicht zu treffen, da die entsprechende Bedingung, die Verurteilung der Beklagten zur Rückgewährung des lndustriegrundstücks, nicht eintritt.
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1. Weder der vom (vormaligen) Ersten Bürgermeister der Klägerin mit Schreiben vom 02.04.2019 noch der von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Aschaffenburg am 07.06.2021 erklärte Rücktritt vom Tauschvertrag vom 28.07.2010 führte zu dessen Umgestaltung in ein Abwicklungsschuldverhältnis (vgl. hierzu Grüneberg in Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 346, Rn. 4) und den von der Klägerin mit ihrer Klage geitend gemachten Rückgewährpflichten des§ 346 Abs. 1 BGB.
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a) lm Zeitpunkt der Rücktrittserklärung vom 02.04.2019 lagen die Voraussetzungen des § 323 Abs. 4 BGB nicht vor, da es zu diesem Zeitpunkt - im Sinne dieser Vorschrift - noch nicht offensichtlich war, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.
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aa) Ein Rücktritt setzt grundsätzlich eine bereits eingetretene Pflichtverletzung voraus. § 323 Abs. 4 BGB soli nach seinem Sinn und Zweck Fälle erfassen, bei denen aufgrund bestimmter Umstände schon die Gefahr einer bevorstehenden Pflichtverletzung dem Gläubiger die weitere Bindung an das Schuldverhältnis unzumutbar macht (BGH, Urt. v. 14.6.2012, VII ZR 148/10, NJW 2010, - Seite 3714, Rn. 17 ff; Staudinger/Schwarze, BGB, Stand 2020, § 323, Rn. 8159). Voraussetzung hierfür ist, dass der künfit ge Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen vor Fälligkeit aus der ex ante-Perspektive eines objektiven Beurteilers offensichtlich sei muss, wobei bezüglich des Merkmals der Offensichtlichkeit ein sehr hohes MaB an Wahrscheinlichkeit zu fordern ist; d.h. es darf keinen vernünftigen Zweifel über den Eintritt der Pflichtverletzung geben (BeckOGK/Looschelders, 8GB, Stand 1.11.2022, 8GB § 323 Rn. 240; MüKoBGB/Ernst, BGB, 9. Aufl. 2022, BGB § 323 Rn. 140; Staudinger/Schwarze, a.a.O., § 323, Rn. B 162). Eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung kann hierbei einen Fall des offensichtlichen Eintritts der Voraussetzungen der Nichtleistung darstellen, die auch dann anzunehmen sein kann, wenn die Leistung für einen Zeitpunkt angekündigt wird, der nach Ablauf einer angemessenen Frist für den Fälligkeitszeitpunkt liegt (BGH, Urteil vom 19.09.1983, Az. VIII ZR 84/82, Rn. 16, juris).
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bb) In diesem Zusammenhang ist die Feststellung des Landgerichts, wonach die Erklärungen des Geschäftsführers der Beklagten, Dr. P. in der Stadtratssitzung vom 27.02.2019 sowohl aus Sicht der Klägerin, als auch aus der - maBgeblichen - Perspektive eines objektiven Beurteilers dahingehend zu verstehen waren, dass der vereinbaret Termin für die Übergabe des Betriebsgrundstücks an die Klägerin nicht eingehalten werden könne, nicht zu beanstanden. Soweit die Beklagte hiergegen einwendet, dass Vertragsgegenstand des Tauschvertrags nicht die aus wirtschaftlichen und strukturellen Gründen bis zum vereinbarten Termin nicht mögliche Umsiedlung der Fabrikationsanlage auf das lndustriegrundstück gewesen sei, sondern lediglich die Räumung und Übergabe des ursprünglichen Betriebsgrundstücks, was auch in anderer Weise, etwa durch Produktionsverlagerung an einen anderen Standort, hätte bewerkstelligt werden können, werden von der Beklagtenseite keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, aufgrund welcher Umstände die Klägerin diese Möglichkeit erkannt hat oder hätte erkennen können. Auch kommt es nicht darauf an, ob der Geschäftsführer der Beklagten in der Gemeinderatssitzung tatsächlich bereit gewesen wäre, über den von ihm geforderten Termin vom 06.03.2024 zu verhandeln. So geht aus dem Vortrag der Beklagten nicht hervor, weshalb die Klägerin im Rahmen der Gemeinderatssitzung davon ausgehen konnte, dass zu diesem Zeitpunkt eine Verhandlungsbereitschaft des Geschäftsführers über die von ihm erbetene Verschiebung des Fälligkeitstermins bestand.
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cc) Eine zum Rücktritt berechtigende unzumutbare Leistungsgefährdung in Form einer ernsthaften und endgültigen Verweigerung die Leistung zum vereinbarten Zeitpunkt zu erbringen, lag im Zeitpunkt der Stadtratssitzung vom 27.02.2019 jedoch deswegen noch nicht vor, weil sich die Klägerin auf das Begehren der Beklagten auf Verschiebung des Fälligkeitstermins eingelassen und eine Entscheidung hierüber noch nicht gefällt hatte, weshalb im Ergebnis auch von der Beklagten das .letzte Wort“ zur Leistungsbereitschaft zum vereinbarten Zeitpunkt (BGH, Urt. v. - Seite 14.6. 2012, Az. VII ZR 148/10, NJW 2012, 3714, Rn. 21) noch nicht gesprochen war.
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Es kann nämlich nach Auffassung des Senats die vom Geschäftsführer der Beklagten in der Stadtratssitzung vom 27.02.2019 tatsächlich aus objektiver Sicht unmissverständlich erklärte Unmöglichkeit, den vereinbarten Fälligkeitstermin einzuhalten, nicht unabhängig von dem zu diesem Zeitpunkt noch im Raum stehenden und von der Klägerin auch noch nicht abgelehnten Begehren der Beklagten auf Vertragsanpassung im Hinblick auf den Fälligkeitstermin betrachtet werden. Aus der Sicht eines objektiven Beurteilers konnte zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte ihre eigene Verhandlungspostion zu diesem Zeitpunkt nicht durch die Preisgabe von ggf. vorhandenen alternativen Handlungsmöglichkeiten schwächen wollte, sondern vielmehr durch eine - wie vom Landgericht festgestellt - unnachgiebig erscheinende Positionierung ihrer eigenen Vorstellungen versuchen würde, auf die Entscheidungsbildung der Klägerin in ihrem Sinne Einfluss zu nehmen. Dass „das letzte Wort“ der Beklagten in der Stadtratssitzung vom 27.02.2019 noch nicht gesprochen war, folgt - auch aus objektiver Sicht - zudem daraus, dass nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts das Verlängerungsbegehren durch den Geschäftsführer der Beklagten damit begründet wurde, dass diese nicht in der Lage sei, gleichzeitig sowohl die von der Beklagten favorisierten Umbaumanahmen im Stammwerk der Beklagten in Aaien als auch die Umsiedlung der Produktionsanlagen in A durchzuführen. Dies kommunizierte „Unmöglichkeit“ der rechtzeitigen Leistungserbringung beruhte damit erkennbar auf einer innerbetrieblichen Entscheidung der Beklagten und nicht etwa auf von der Beklagten nicht beeinflussbaren externen Umständen. Ob diese innerbetriebliche Entscheidung auch im Falie einer Ablehnung des Verlängerungsantrags aufrechterhalten worden wäre, war für einen auenstehenden Dritten wie die Klägerin nicht sicher zu beurteilen. Damit war eine Offensichtlichkeit einer nicht fristgerechten Leistung noch nicht gegeben.
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Schlielich geht - ohne dass es für die Entscheidung noch darauf ankäme - auch aus dem Rücktrittsschreiben vom 02.04.2019 selbst hervor, dass auch der damalige Erste Bürgermeister der Klägerin es offensichtlich nicht für ausgeschlossen hielt, dass die Beklagte zeitnah Möglichkeiten finden könnte,,,das Umsiedlungsprojekt gleichwohl umzusetzen“ (Anlage K 9, BI. 80, letzter Absatz), da er sich für diesen Fall „für die Erörterung der hierfür bestehenden Möglichkeiten“ offen zeigte.
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dd) Mit Ablehnung der von der Beklagten gewünschten Vertragsanpassung in der nachfolgenden Sitzung des Stadtrats lag vielmehr lediglich ein Zustand der Erfüllungsgefährdung vor, der jedoch die Klägerin nicht zum Rücktritt berechtigte, sondern - zur Wahrung ihres schützenswertes Interesses Klarheit über den Vertrag zu erlangen - entsprechend Art. 72 Abs. 1 und 2 CISG Anlass ge- Seite geben hätte, die Beklagte nach der Ablehnung einer Fristverlängerung zur Mitteilung aufzufordern ob, und wenn ja auf welche Weise, sie die fristgerechte Erfüllung ihrer Vertragspflicht gewährleisten werde. Die entsprechende Anwendung der Regelungen des Art. 72 CISG im Anwendungsbereich des§ 323 Abs. 4 BGB ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht ausgeschlossen (BGH, Urt. v. 14. 6. 2012, Az. VII ZR 148/10, NJW 2012, 3714, Rn. 17, 18). Vielmehr wird in der Gesetzesbegründung zu§ 323 Abs. 4 BGB (BT-Drucksache 14/6040, S. 186) ausdrücklich auf
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Art. 72 CISG und auf die zur Frage des Rücktritts vor Fälligkeit ergangene Rechtsprechung und Literatur Bezug genommen. Die Regelung des§ 323 Abs. 4 BGB ist nicht als abschlieende Regelung der Problematik der unzumutbaren Leistungsgefährdung zu sehen; vielmehr hat der Gesetzgeber den ihm leicht regelbar erscheinenden Ausschnitt der Thematik behandelt, ohne die bis dahin entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung für gegenstandslos erklären zu wollen (Staudinger/Schwarze, a.a.O., 323, Rn. B 160). Resultiert die Gefährdung aus einer im Raum stehenden Leistungsverweigerung des Schuldners, ist der Schuldner unter Fristsetzung zur Erklärung der Leistungsbereitschaft aufzufordern. Die Unzumutbarkeit der Vertragsfortführung als materieller Auflösungsgrund lässt sich vorher nicht bejahen (Staudinger/Schwarze, Rn. B 169 m.w.N., MüKoBGB/Ernst, a.a.O., Rn. 141) . Letztlich hat die Klägerin auch gerade mit dem bereits zuvor unter cc) erwähnten letzten Absatz ihrer Rücktrittserklärung vom 02.04.2019 eine Aufforderung zur Erklärung der Leistungsbereitschaft gesetzt; die gleichzeitige Erklärung des Rücktritts war - zu diesem Zeitpunkt - jedoch nicht gerechtfertigt. Letzteres auch unter Berücksichtung der wirtschaftlichen Bedeutung des Tauschvertrags für beide Vertragsbestandteile und des Umstands, dass bereits in der Vergangenheit eine vertragliche Anpassung des Tauschvertrags im Hinblick auf Übergabetermine erfolgt ist und der von der Beklagten einzuhaltende Termin zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung noch zwei Jahre in der Zukunft lag.
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b) Auch der von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Aschaffenburg am 07.06.2021 erklärte Rücktritt war nicht wirksam.
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Ein Rücktrittsrecht nach§ 323 Abs. 1 8GB kann grundsätzlich nur derjenige geitend machen, der selbst vertragstreu ist (BeckOK BGB/H. Schmidt, Stand 1.8.2022, § 323, Rn. 49, m.w.N.), was die Klägerin aufgrund des am 02.04.2019 erklärten Rücktritts nicht mehr war. Die Klägerin hat den am 07.06.2021 ohne Fristsetzung erklärten Rücktritt damit gerechtfertigt, dass zu diesem Zeitpunkt die Verpflichtung der Beklagten zur Übergabe ihres Betriebsgrundstücks bereits fällig, jedoch nicht erbracht worden sei; eine Nachfristsetzung sei entbehrlich gewesen, weil die Beklagte ihre Leistung auch nicht innerhalb einer solchen Nachfrist erbracht hätte. Diese Argumentation verfängt nach Auffassung des Senats jedach nicht. Jedenfalls aufgrund der im varläufigen Rechtsschutz erwirkten Auflassungsvarmerkung für das der Beklagten bereits übereignete lndustriegrundstück war es für die Beklagte nicht mehr zumutbar, die ihr vertraglich abliegenden Pflichten zu erfüllen. Ferner hatte die - insaweit nach dem Vertrag auch varleistungspflichtige - Klägerin die geschuldete Eigentumsübertragung des lndustriegrundstücks aufgrund der zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung zu ihren Gunsten erwirkten Auflassungsvarmerkung nicht (vallständig) erfüllt, sa dass dem Anspruch der Klägerin die Einrede des § 320 BGB entgegenstand und ein Rücktritt der Klägerin ausgeschlassen war; die Erhebung der Einrede ist grundsätzlich nicht erforderlich (BGH, Urteil vam 14.2.2020, Az. V ZR 11/18, NJW 2020, 2104, Rn. 38).
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c) Erfalg hat auch die in der Berufungsinstanz erhabene Widerklage der Beklagten, mit der sie dieLöschung der van der Klägerin im varläufigen Rechtsschutz erwirkten Auflassungsvarmerkung anstrebt.
43
Die Widerklage ist auch nach § 533 ZPO zulässig, da sachdienlich. Sie ist auch begründet, da klägerische Ansprüche auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und damit auf Herausgabe des lndustriegrundstücks nicht bestehen und die zur Sicherung dieses Anspruchs eingetragene, streng akzessarische Varmerkung daher wirkungslas ist. Die Beklagte hat damit gem. § 894 BGB gegen die Klägerin einen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch eingetragenen Auflassungsvarmerkung (BGH, Urteil vam 7.3.2002, Az. IX ZR 457/99, NJW 2002, 2313).
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2. Mangels Eintritt der Bedingung war über die van der Beklagten in der Berufungsinstanz gestellten Hilfswiderklageanträge nicht zu befinden.
45
Gleiches gilt für die Anschlussberufung der Klägerin, die als bedingte Anschlussberufung zulässig ist (Musielak/Vait/Ball, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 524 Rn. 12). Zwar wurde die Anschlussberufung nicht ausdrücklich unter eine Bedingung gestellt. Allerdings wendet sich die Klägerin hiermit gegen die nur Zug-um-Zug gegen Abgabe der Löschungsbewilligung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit sawie Räumung und Herausgabe des Landesgartenschaugeländes erfalgte Verurteilung der Beklagten zur Rückübertragung des lndustriegrundstücks durch das Landgericht, was als notwendige Bedingung des mit der Anschlussberufung geitend gemachten Antrags einen wirksamen Rücktritt varaussetzt, der jedach nicht festgestellt werden kannte.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
47
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beschränkt sich auf den Kostenausspruch. Der Anspruch aus Ziff. 1b) des Urteilstenors ist gemäB §§ 894, 895 ZPO vollstreckbar.
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Die Höhe des Streitwerts im Berufungsverfahren war bemisst sich nach dem Interesse des Beklagten an der Abweisung der Klage und entspricht damit dem Streitwert der in erster lnstanz zugesprochenen Anträge in Höhe von 15.657.550,88 € (Ziff. 1, 2, 3, 5, 6 des Urteilstenors, S. 33 EU).
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Die Eventualanschlussberufung erhöht den Streitwert entsprechend § 45 Abs. 1 S. 2 GKG nicht, da über sie mangels Bedingungseintritt nicht zu entscheiden war (OLG Köln Urt. v. 21.11.2014, Az. 6 U 187/11, BeckRS 2015, 418 Rn. 20). Dies gilt auch für die hilfsweise gestellten Widerklageanträge (Toussaint/Marquardt, 52. Aufl. 2022, GKG § 6 Rn. 43).
50
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäB § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.