Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 02.11.2022 – AN 14 K 21.01431
Titel:

Datenschutzrechtliche Verwarnung wegen Fotografierens und Anzeige von Falschparkern – Anfechtungsklage

Normenketten:
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
VwGO § 42, § 113 Abs. 1 S. 1
BDSG § 20 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, Abs. 3
DS-GVO Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 lit. c, Art. 4 Nr. 1, Nr. 2, Art. 5 Abs. 1 S. 1 lit. a, Abs. 2, Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f, Art. 58 Abs. 2 lit. b, Art. 78 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3
StPO § 158 Abs. 1
OwiG § 46 Abs. 1, § 47 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Bei einer datenschutzrechtlichen Verwarnung handelt es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt, mit dem ein näher bezeichneter datenschutzrechtlicher Verstoß eines Verantwortlichen festgestellt wird, gegen den er sich mit einer Anfechtungsklage iSd § 20 Abs. 2 BDSG iVm § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO vor dem zuständigen Verwaltungsgericht wehren kann. (Rn. 36 – 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Anfertigung von Aufnahmen verbotswidrig parkender Fahrzeuge und deren Übersendung an Polizeibehörden stellt die Verarbeitung personenbezogener Daten der Halter als betroffener Personen dar, denn bei Kfz-Kennzeichen handelt es sich um Informationen, die sich auf eine identifizierbare natürliche Person beziehen. (Rn. 52 – 56) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine solche Verarbeitung personenbezogener Daten ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen auch dann rechtmäßig, wenn sein Hinweis auf mögliche Straftaten, zu denen unionsrechtlich auch Ordnungswidrigkeiten gehören, unter Verwendung eines Lichtbildes an die Polizei übermittelt wird. Dabei ist eine persönliche Betroffenheit des Anzeigenerstatters für das Vorliegen eines berechtigten Interesses nicht erforderlich. (Rn. 66 – 75) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Datenverarbeitung durch Übersendung von Lichtbildern ist für den konkreten Verarbeitungszweck erforderlich. Eine Anzeige ordnungswidrig geparkter Fahrzeuge nur durch eine mündliche oder schriftliche Beschreibung ist zur Herbeiführung einer Ahndung des Verstoßes nicht in gleichem Maße wie ein Bild geeignet, das alle für die Ermittlungsbehörde relevanten Informationen dokumentiert und übermittelt. Entgegenstehende Interessen der Fahrzeughalter als betroffene Personen überwiegen das berechtigte Interesse des Anzeigenerstatters nicht. (Rn. 80 – 82 und 89 – 99) (redaktioneller Leitsatz)
5. Wird der Verantwortliche datenschutzrechtlich verwarnt, wenn er von der eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht, eine Ordnungswidrigkeit anzuzeigen, stellt dies eine unzulässige Beschränkung seines aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht fließenden Anzeigerechts und seiner allgemeinen Handlungsfreiheit dar, denn dadurch soll er zukünftig mittelbar daran gehindert werden, weitere Aufnahmen verbotswidrig parkender Fahrzeuge anzufertigen und an die Polizei zu übermitteln. (Rn. 104 – 106) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fotografieren von Falschparkern, Datenschutz, Anzeigenerstattung mit Lichtbild, Erforderlichkeit, Datenschutzrechtliche Verwarnung, feststellender Verwaltungsakt, Verarbeitung personenbezogener Daten, berechtigtes Interesse, Hinweis auf mögliche Ordnungswidrigkeiten, Verwendung eines Lichtbildes, persönliche Betroffenheit, bessere Eignung eines Bildes, unzulässige Beschränkung, VO (EU) 2016/679
Fundstellen:
BayVBl 2023, 241
DVBl 2023, 751
LSK 2022, 38301
BeckRS 2022, 38301

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 2021 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen eine von dem beklagten Landesamt für Datenschutzaufsicht ausgesprochene datenschutzrechtliche Verwarnung.
2
Der Kläger übersandte an mehrere Polizeiinspektionen in … wiederholt von ihm gefertigte Lichtbilder von parkenden Pkw oder Lkw zum Zwecke der Verfolgung als Ordnungswidrigkeit. Die Übersendung der Lichtbilder erfolgte über das Portal … Ausweislich der Beschreibung auf der Plattform … können dort Aufnahmen von „Falschparkern“ hochgeladen und nach Beschreibung des Verstoßes per E-Mail an das Ordnungsamt weiterversandt werden. Die Betreiber der Plattform erhoffen sich dadurch die Schaffung sichererer Fuß- und Fahrradwege.
3
Am 17. Juni 2020 übermittelte der Kläger über die Plattform … Aufnahmen verschiedener Fahrzeuge zusammen mit acht schriftlichen Anzeigen festgestellter Verkehrsordnungswidrigkeiten an die Polizeiinspektion A in … Auf den Lichtbildern waren die Kfz (sieben Pkw und ein Lkw), die Parksituation sowie die Kennzeichen erkennbar. Die Lichtbilder wurden am 12. Mai 2020, 15. Juni 2020 und 16. Juni 2020 aufgenommen. In den Anzeigen benannte der Kläger die Örtlichkeit des durch ihn festgestellten Verstoßes, sowie die Art des Verstoßes, die Uhrzeit, das Kennzeichen sowie die Farbe und Marke der Fahrzeuge.
4
Bereits zuvor hatte der Kläger an die Polizeiinspektionen B, C und A Anzeigen per E-Mail übermittelt. Auf den meisten der übersandten Lichtbilder ist das amtliche Kennzeichen des jeweiligen durch den Kläger angezeigten Fahrzeugs deutlich erkennbar.
5
Von den acht schriftlichen Anzeigen wurden zwei durch die Polizeiinspektion A. weiterverfolgt. Hierbei handelte es sich um Anzeigen zu zwei Kfz nach Aufnahmen vom 15. Juni 2020 und vom 12. Mai 2020.
6
Das Kriminalfachdezernat … übersandte am 23. Juni 2020 acht Ereignismeldungen der Polizeiinspektion A. an den Beklagten mit der Bitte um Prüfung in Bezug auf § 43 BDSG. Es dürfe bezweifelt werden, dass ein berechtigtes Interesse im Sinne des Art. 6 DS-GVO vorliege.
7
Am 20. Juli 2020 übersandte das Kriminalfachdezernat … eine Ereignismeldung der Polizeiinspektion C. an den Beklagten mit der Bitte um Prüfung, ob ein Datenschutzverstoß vorliege. Der Kläger habe im Zeitraum vom 6. Juli 2020 bis 15. Juli 2020 zwei Fahrzeuge in der B.-Straße und einen weiteren Pkw an zwei verschiedenen Tagen bei der Anschrift „Am S.-Weg“ fotografiert, um sie wegen falschen Parkens anzuzeigen. Der Kläger wohne nicht in unmittelbarer Nähe zu diesen Orten, eine persönliche Betroffenheit werde nicht geltend gemacht.
8
Das Kriminalfachdezernat … übersandte am 3. November 2020 eine erneute Ereignismeldung der Polizeiinspektion C. an den Beklagten mit der Bitte um Überprüfung des Sachverhalts, insbesondere eines berechtigten Interesses des Klägers. Dieser habe im Zeitraum vom 26. bis 27. Oktober 2020 in mehreren E-Mails insgesamt fünf Anzeigen wegen falschen Parkens bei der Polizeiinspektion C. erstattet. Jeder Vorgang habe sich auf Parken im Fünf-MeterBereich an Kreuzungen und Einmündungen im … Norden bezogen und jeder E-Mail sei ein Lichtbild mit einem deutlich erkennbaren Kennzeichen beigefügt gewesen. Der Kläger begründe sein berechtigtes Interesse an einer Verfolgung unter anderem dadurch, dass er als … Bürger mit dem Fahrrad unterwegs sei. Auch könne seine fünfjährige Tochter dann nicht auf dem Gehweg fahren.
9
Bereits am 22. Oktober 2020 seien elf Anzeigen an die Polizeiinspektion C. verschickt worden, ohne dass eine separate Ereignismeldung an das Kriminalfachdezernat … erstellt worden sei.
10
Der Beklagte sah jeweils von der Einleitung eines Bußgeldverfahrens ab. Mit Schreiben vom 24. Februar 2021 hörte der Beklagte in der Funktion als Datenschutzaufsichtsbehörde den Kläger vor Erlass einer Verwarnung an. Das Abfotografieren von Kfz-Kennzeichen stelle eine Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art. 6 DS-GVO dar, es könne hieran allenfalls dann ein berechtigtes Interesse im Sine des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO bestehen, wenn der Kläger durch diese falsch parkenden Fahrzeuge derart behindert werde, dass sein berechtigtes Interesse an der Datenerhebung das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person überwiege.
11
Der damalige Bevollmächtigte des Klägers nahm hierzu mit Schreiben vom 30. April 2021 Stellung. Die persönliche Betroffenheit werde von den Vorschriften der DS-GVO nicht vorausgesetzt. Zudem sei ein Kfz-Kennzeichen keine Information, die sich für den Kläger mit einer bestimmten Person verknüpfen lasse. Auf den übrigen Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen.
12
Mit Schreiben des Beklagten vom 30. Juni 2021, dem vormals Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 6. Juli 2021, wurde der Kläger gemäß Art. 58 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO aufgrund des in dem Schreiben des Beklagten näher bezeichneten Datenschutzverstoßes verwarnt (Ziffer I.). Die Kosten des Verfahrens wurden dem Kläger auferlegt (Ziffer II.) und die Gebühr für die Verwarnung auf 100,00 EUR festgesetzt (Ziffer III.). Die Auslagen würden sich aus der Kostenrechnung ergeben (Ziffer IV.).
13
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe bis zum 28. Oktober 2020 insgesamt 17 Aufnahmen von verbotswidrig parkenden Fahrzeugen an die Polizeiinspektionen C. bzw. A. übersandt. Hierbei habe weder eine Einwilligung der Fahrzeughalter zur Verarbeitung der Daten vorgelegen, noch ein berechtigtes Interesse an der Verarbeitung bestanden, der Kläger sei bei der Mehrzahl der dem Beklagten vorliegenden OWi-Anzeigen nicht selbst betroffen gewesen (Art. 6 Abs. 1 Buchst. a und f DS-GVO). Auf den meisten Aufnahmen sei ein Verstoß zwar erkennbar, ein berechtigtes Verfolgungsinteresse des Klägers habe aber nicht bestanden, da die Fahrzeuge meist im Straßenraum geparkt gewesen seien und für Fußgänger keine Gefährdung dargestellt hätten, oder aber so abgestellt gewesen wären, dass ein Vorbeikommen ohne Gefährdung möglich gewesen sei. Ein Drittinteresse sei ebenfalls zu verneinen.
14
Hiergegen erhob der Kläger per Fax vom 6. August 2021, bei Gericht am selben Tag eingegangen, Klage.
15
In der Klagebegründung vom 7. Dezember 2021 führt der nunmehr Bevollmächtigte des Klägers unter anderem aus, das Fahrzeug, welches auf einer Aufnahme vom 15. Mai 2020 zu sehen sei, habe halbseitig auf dem Radweg in der H.-Straße geparkt. Der Kläger sei hiervon betroffen gewesen, da er dort regelmäßig einkaufe und er den Radweg nicht ungehindert habe nutzen können. Das Fahrzeug auf der Aufnahme vom 15. Juni 2020 habe halbseitig auf dem Gehweg in der D.-Straße geparkt, dort befinde sich der Kindergarten der Tochter des Klägers. Die Fahrzeuge der Aufnahmen vom 6. Juli 2020 hätten den Kläger am Knotenpunkt B.-Straße und A.-Straße seine Durchfahrt mit dem Fahrrad erschwert, ebenso hätten an dieser Stelle die Fahrzeuge auf den Aufnahmen vom 26. und 27. Oktober 2020 den Kläger auf seinem Arbeitsweg behindert. Das am 13. und 17. Juli 2020 abgelichtete Fahrzeug habe vollständig auf dem Gehweg in der Siedlung „Am S.-Weg“ gestanden, dieser Ort befinde sich auf dem Weg des Klägers zum Kindergarten bzw. zur Schule seiner Tochter. Die Fahrzeuge mit den Kennzeichen … und … hätten den Kläger als „Eckparker“ auf seinem Weg von der Arbeit zur Physiotherapie behindert. Diese ordnungswidrig abgestellten Fahrzeuge ließen eine abstrakte Gefahr entstehen. Schließlich habe das Fahrzeug auf der Aufnahme vom 24. April 2021 auf einem Gehweg in der Nachbarschaft des Klägers geparkt, den dieser auf einer Fahrradfahrt mit seiner Tochter genutzt habe.
16
Die falsch geparkten Fahrzeuge verursachten Behinderungen (unter Verweis auf OVG NRW, B.v. 20.12.2012 - 5 A 2802/11), welche zu einer Gefährdung führen würden. Der Kläger habe überdies ein schützenswertes Eigeninteresse an den Aufnahmen (unter Verweis auf OVG Lüneburg, B.v. 23.9.2013 - 13 LA 114/12), er handele gerade nicht als „selbsternannter Hilfsermittler“. Daneben liege ein Drittinteresse vor, da die Kinder des Klägers die betreffenden Straßen täglich passierten. Ferner dienten die durch den Kläger gefertigten Aufnahmen der Beweissicherung und der nachträglichen Benachrichtigung der Polizei, mithin bestehe hieran ein öffentliches Interesse. Der Kläger habe ein „Recht auf eine effektive Anzeige“, da er gemäß dem Rechtsstaatsprinzip seine Rechte nicht selbst durchsetzen dürfe, zur Wahrung derselben aber die Möglichkeit haben müsse, Anzeige zu erstatten (unter Verweis auf BVerfG, B.v. 25.2.1987 - 1 BvR 1086/85). Zwar habe ein Bürger keine subjektiven eigenen Rechte im Hinblick auf die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, den Bürgern dürfe aber nicht das Recht genommen werden, von ihnen wahrgenommene Ordnungswidrigkeiten anzuzeigen. Die Aufnahmen dienten ausschließlich zu dieser Verfolgung der Ordnungswidrigkeit durch die zuständige Behörde.
17
Überwiegende und schützenswerte Interessen der betroffenen Fahrzeughalter würden sich dagegen nicht ergeben, insbesondere seien auf den Lichtbildern nur die Fahrzeuge samt Kennzeichen zu sehen, auf keinem der Bilder seien die Halter oder Fahrer selbst abgebildet. Auch bestehe eine geringere Schutzwürdigkeit von Fahrzeugkennzeichen, da Kennzeichen stets zufällig Gegenstand von Privataufnahmen werden könnten. Es dürfe einen Fahrzeughalter vernünftigerweise nicht überraschen, dass sein verkehrswidriges Verhalten geahndet werde. Schließlich sei die Übersendung der Lichtbilder an die Polizei zu der Erfüllung ihrer rechtlichen Verpflichtung zur Ahndung von Verstößen gegen die StVO (§ 44 Abs. 2 StVO) erforderlich gewesen, mildere Mittel hätten sich nicht ergeben.
18
Der Kläger beantragt,
die Verwarnung vom 30. Juni 2021 aufzuheben.
19
Der Beklagte beantragt
20
Klageabweisung.
21
In der Klageerwiderung vom 18. Januar 2022 führte der Beklagte aus, der Kläger habe durch die Anfertigung der Lichtbilder und der Weiterleitung derselben an eine Polizeidienststelle personenbezogene Daten verarbeitet. Eine sog. Haushaltsausnahme nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. c DSGVO liege nicht vor.
22
Zwar sei der Kläger selbst als Verantwortlicher gemäß § 158 StPO zur Erstattung von Anzeigen befugt, unterliege aber keiner rechtlichen Verpflichtung, falsch parkende Fahrzeuge an die Polizei zu melden. Das Recht zur Anzeige erschöpfe sich aber in der Mitteilung des Sachverhalts, der zur Einleitung sanktionsrelevanter Ermittlungen benötigt würde, bei Parkverstößen umfasse dies etwa Angaben zum Tatort, dem Kennzeichen des Fahrzeugs und der Identität der Zeugen.
23
Eine darüberhinausgehende Befugnis zur Beweismittelerhebung, wie etwa die unaufgeforderte Übermittlung von Lichtbildern der Tat, sei nicht Gegenstand des Anzeigerechts, die diesbezüglichen Ermittlungen würden den Ermittlungsbehörden vorbehalten bleiben. Ferner könne sich der Kläger nicht auf die Interessen Dritter berufen, da dies einen erkennbaren Willen des Dritten im Hinblick auf die Datenverarbeitung voraussetze.
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Individualinteressen privater Dritter gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO seien ferner nicht betroffen, denn bei den Interessen der Fußgänger und Fahrradfahrer, welche der Kläger bei der Datenverarbeitung im Blick gehabt habe, handele es sich lediglich um allgemeine Interessen. Die Polizei scheide ebenso als Dritter aus, insofern werde auf Art. 6 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO verwiesen, wonach Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO nicht für die von Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommene Verarbeitung gelte.
25
Darüber hinaus sei die Datenverarbeitung zu den Zwecken des Klägers nicht erforderlich. Es bestünden mildere und dabei gleich effektive Mittel zur Wahrnehmung des Rechts zur Anzeige. Ein Hinweis auf den betroffenen Straßennamen und die Lokalität seien ausreichend, die Behörden müssten sich selbst ein Bild machen und Maßnahmen zur Beweissicherung ergreifen. Weder das Straßenverkehrsrecht noch das Straßenrecht oder andere Rechtspositionen vermittelten dem Kläger als Verkehrsteilnehmer einen Anspruch auf ungestörte Nutzung des Verkehrsraumes, eine konkrete Gefahr oder ein konkreter Eingriff in eine eigene Rechtsposition des Klägers sei nicht erkennbar.
26
Der Kläger habe nicht entsprechend Art. 5 Abs. 2 DS-GVO hinreichend darlegen können, dass die zur Begründung seiner Datenverarbeitung herangezogenen Interessen das Interesse der betroffenen Personen überwiege. Die betroffenen Personen brauchten gerade im Hinblick auf das staatliche Verfolgungsmonopol nicht damit zu rechnen, dass ihre personenbezogenen Daten, wie Kennzeichen und Standort, von jedermann dokumentiert und an die Polizei oder Ordnungsbehörden zum Zwecke der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten weitergeleitet würden.
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Vielmehr bestehe die Erwartung, im öffentlichen Raum anonym zu bleiben.
28
Zuletzt stelle die Datenverarbeitung durch den Kläger einen Verstoß gegen die Anforderungen der Gewährleistung der Rechte der betroffenen Person nach Kapitel 3 der DS-GVO dar. Der Rechtmäßigkeitsgrund des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO werde von der Verpflichtung flankiert, die betroffene Person zu informieren, Art. 13 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO bzw. Art. 14 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO, daneben habe die betroffene Person gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DSGVO ein Widerspruchsrecht gegen die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten.
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Hierauf erwiderte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 13. Mai 2022, das Polizeipräsidium … und andere Ordnungsbehörden würden ausdrücklich zur Übersendung von gefertigten Lichtbildern im Falle gemeldeter Ordnungswidrigkeiten aufrufen. Darüber hinaus sei das Recht zur Anzeigeerstattung aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleiten, eine „freiwillige“ Entscheidung der betroffenen Person, einen aus seiner Sicht als rechtswidrig einzustufenden Vorgang anzuzeigen, dürfe nicht sanktioniert werden (unter Verweis auf BVerfG, B.v. 2.7.2021 - 1 BvR 2049/00). Zudem ergebe sich aus Erwägungsgrund 50 UA. 2 Satz 3 DS-GVO, dass betroffene Personen das Recht hätten, sich an die Sicherheitsbehörden zu wenden, um Straftaten zu melden. Für Ordnungswidrigkeiten könne schwerlich etwas Anderes gelten.
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Zu bedenken sei überdies, dass das Anfertigen von Lichtbildern dem Schutz vor dem Vorwurf einer falschen Verdächtigung durch den Kläger als Anzeigenerstatter diene und die Speicherung der Lichtbilder insofern erforderlich im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c und e DSGVO sei.
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Weiter müssten Verkehrsteilnehmer damit rechnen, in bestimmten Fällen persönlich identifiziert zu werden, denn Zweck und Ziel der Verwendung eines Kennzeichens sei es gerade, die Identifizierung des Halters im Falle von Rechtsverstößen oder bei einem Zeugenverhältnis zu ermöglichen. Im Gegensatz zu der rechtswidrigen Aufzeichnung des Verkehrs mit einer sog. Dashcam (unter Verweis auf EuGH, Entsch. v. 5.4.2022 - C-140/20; BGH, U.v. 15.5.2018 - VI ZR 233/17) erfolge vorliegend eine rein anlassbezogene Speicherung in Einzelfällen unter Berücksichtigung des Prinzips der Datenminimierung.
32
Eine Information im Sinne des Art. 13 DS-GVO sei lediglich die Rechtsfolge einer Datenverarbeitung, ein Widerspruchsrecht gemäß Art. 21 DS-GVO greife vorliegend nicht. Auf die weiteren Ausführungen in dem Schreiben vom 13. Mai 2022 wird Bezug genommen.
33
In der mündlichen Verhandlung vom 2. November 2022 wurde seitens des Beklagten klargestellt, dass Gegenstand der Verwarnungen die von der Polizei übersandten 17 Anzeigen bzw. Meldungen seien. Weiter führte die Vertreterin des Beklagten aus, die Übermittlung eines Lichtbildes stelle ein „Mehr“ an Informationen dar, da in diesem neben dem Ort und dem Autokennzeichen viele Begleitumstände festgehalten seien. Es handele sich dabei auch um ein „Mehr“ an personenbezogenen Daten, wenn aus dem Bild beispielsweise der Zustand des Fahrzeugs hervorgehe. Außerdem sei das Lichtbild ein „Mehr“, weil es in einem anschließenden Verfahren bereits selbst als Beweismittel dienen könne. Auch der Beklagte gehe davon aus, dass vom europarechtlichen Begriff der Straftat auch Ordnungswidrigkeiten umfasst seien. Der Erwägungsgrund 50 der DS-GVO beziehe sich aber eigentlich auf die sogenannte Zweckänderungsbefugnis.
34
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten und des Inhalts der gewechselten Schriftsätze wird auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen, zudem wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 2. November 2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage, hinsichtlich derer es sich bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach um das zuständige Gericht handelt (hierzu 1.), ist zulässig (hierzu 2.) und begründet (hierzu 3.).
36
1. Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 BDSG ist für Streitigkeiten zwischen einer natürlichen oder einer juristischen Person und einer Aufsichtsbehörde des Bundes oder eines Landes über Rechte gemäß Artikel 78 Absatz 1 und 2 der Verordnung (EU) 2016/679 (DS-GVO) der Verwaltungsrechtsweg gegeben.
37
Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Ansbach ergibt sich sachlich aus § 45 VwGO und örtlich aus § 20 Abs. 3 BDSG als Sondervorschrift zu § 52 VwGO. Gemäß § 20 Abs. 3 BDSG (vgl. auch Art. 78 Abs. 3 DS-GVO) ist für Verfahren nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BDSG - wie hier - das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. Mithin ist das Verwaltungsgericht Ansbach das sachlich und örtlich zuständige Gericht, da der Beklagte als Aufsichtsbehörde nach Art. 51 DS-GVO, § 40 BDSG und Art. 18 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BayDSG seinen Sitz in Ansbach und damit im Regierungsbezirk Mittelfranken (vgl. Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 AGVwGO) hat.
38
2. Die Klage auf Aufhebung der Verwarnung ist als Anfechtungsklage im Sinne des § 20 Abs. 2 BDSG i.V.m. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft.
39
Bei der Verwarnung aus dem Bescheid vom 30. Juni 2021 handelt es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt, da hierdurch ausweislich der Ziffer I. der Verwarnung vom 30. Juni 2021 durch den Beklagten ein näher bezeichneter datenschutzrechtlicher Verstoß des Klägers festgestellt worden ist (vgl. auch VG Hannover, U.v. 27.11.2019 - 10 A 820/19 - juris Rn. 19; VG Mainz, U.v. 17.12.2020 - 1 K 778/19.MZ - juris Rn. 22; Selmayr in Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 58 Rn. 20; Polenz in Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, DatenschutzR,
1. Aufl. 2019, Rn. 29, 7 zu Art. 58 DS-GVO).
40
Die Klagebefugnis des Klägers ergibt sich bereits aus Art. 78 Abs. 1 DS-GVO, wonach jede natürliche Person das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen einen sie betreffenden rechtsverbindlichen Beschluss einer Aufsichtsbehörde hat. Mithin ist der Kläger befugt, gegen die nach Art. 58 DS-GVO ausgesprochene Verwarnung des Beklagten Klage zu erheben.
41
Ohne dass es aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionrechts noch darauf ankommt, besteht die Klagebefugnis auch nach § 42 Abs. 2 VwGO, da die Feststellung des Verstoßes für den Kläger als Adressat der Verwarnung eine belastende Wirkung hat (Körffer in Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 58 Rn. 18).
42
Im Übrigen ist die Klage in zulässiger Weise, insbesondere fristgerecht, erhoben worden.
43
3. Die Klage ist begründet, denn die Verwarnung vom 30. Juni 2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, so dass sowohl die Verwarnung aus Ziffer I. als auch ihre Folgeentscheidungen aus den Ziffern II. bis IV. aufzuheben sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
44
a. Das beklagte Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht ist selbst passivlegitimiert.
45
Gemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BDSG ist die Aufsichtsbehörde direkt als Beklagte beteiligt. Es liegt somit eine durch die Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörde unionsrechtlich bedingte bundesrechtliche Spezialregelung gegenüber § 78 VwGO vor.
46
b. Die Verwarnung des Klägers vom 30. Juni 2021 ist rechtswidrig.
47
Rechtsgrundlage für die durch den Beklagten ausgesprochene Verwarnung ist Art. 58 Abs. 2
48
Buchst. b DS-GVO. Danach hat die gemäß Art. 51 DS-GVO zuständige Aufsichtsbehörde die Befugnis, einen Verantwortlichen zu verwarnen, wenn er mit Verarbeitungsvorgängen gegen die DS-GVO verstoßen hat.
49
Verfahrensfehler in Bezug auf den Erlass der Verwarnung vom 30. Juni 2021 sind nicht ersichtlich geworden, insbesondere handelt es sich bei dem beklagten Landesamt auch um die für den Erlass einer Verwarnung im Sinne des Art. 58 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO zuständige Aufsichtsbehörde im Sinne von Art. 51 Abs. 1 DS-GVO und § 40 BDSG i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayDSG.
50
Jedoch ist die Verwarnung materiell rechtswidrig, denn der Kläger hat nicht im Sinne des Art. 58 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstoßen.
51
Der Datenschutzverstoß, aufgrund dessen der Kläger durch den Beklagten gemäß Art. 58 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO verwarnt worden ist, wird gemäß Ziffer I. des Schreibens vom 30. Juni 2021 in der Begründung der Verwarnung näher bezeichnet. Die Begründung der Verwarnung ist daher für die Feststellung, welcher der der Verwarnung zugrundeliegende und mit ihr festgestellte datenschutzrechtliche Verstoß ist, heranzuziehen.
52
Demzufolge soll der datenschutzrechtliche Verstoß des Klägers darin bestanden haben, dass er personenbezogene Daten der Halter verbotswidrig parkender Fahrzeuge in unzulässiger Weise verarbeitet und damit gegen Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 DS-GVO verstoßen habe, indem er die Aufnahmen von verbotswidrig parkenden Fahrzeugen anfertigte und an die Polizeiinspektionen C. und A. übersandte. Der Inhalt der Verwarnung wurde durch die Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 2. November 2022 dahingehend konkretisiert, dass Gegenstand der Verwarnung die 17 von den Polizeiinspektionen übersandten Meldungen seien. Mithin ist allein die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Halter und ein dadurch nach Auffassung des Beklagten begangener Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 DS-GVO Gegenstand der Verwarnung vom 30. Juni 2021 und damit auch der vorliegenden Anfechtungsklage. Dass darüber hinaus die Verarbeitung anderer personenbezogener Daten als diejenigen der Halter der verbotswidrig parkenden Fahrzeuge oder weitere Pflichten aus der DS-GVO als Datenschutzverstoß festgestellt werden, geht aus der streitgegenständlichen Verwarnung nicht hervor.
53
Der Kläger hat durch die in der Verwarnung genannten Übersendungen von Aufnahmen verbotswidrig parkender Fahrzeuge an die Polizeiinspektionen nicht gegen das Datenschutzrecht verstoßen.
54
aa. Der Anwendungsbereich der DS-GVO ist eröffnet, denn die von dem Kläger vorgenommenen 17 Aufnahmen von Lichtbildern verbotswidrig parkender Fahrzeuge und deren Weiterleitung an die Polizeiinspektionen stellen die Verarbeitung personenbezogener Daten der Fahrzeughalter als betroffene Personen im Sinne von Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 1 und Nr. 2 DS-GVO dar.
55
Bei Kfz-Kennzeichen handelt es sich um Informationen, die sich auf eine identifizierbare natürliche Person beziehen, und somit um personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Denn es ist möglich, anhand des Kfz-Kennzeichens eine Person, den Halter, zu ermitteln und zu identifizieren, wenn auch unter Zuhilfenahme behördlicher Auskünfte (vgl. Gola in Heckmann/Gola, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2022, Rn. 9 zu Art. 4 Rn. DS-GVO; Klar/Kühling in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Rn. 30 zu Art. 4 Nr. 1 DS-GVO; Schild in BeckOK DatenschutzR Wolff/Brink, 41. Ed., Stand: 1.8.2022, Rn. 21 zu Art. 4 DS-GVO; vgl. auch BGH, U.v. 15.5.2018 - VI ZR 233/17 - juris Rn. 21).
56
Durch die Übermittlung der Aufnahmen der verbotswidrig parkenden Fahrzeuge an die Polizei hat der Kläger diese personenbezogenen Daten anderer im Sinne des Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 2 DS-GVO verarbeitet, indem er die personenbezogenen Daten erfasst und an die Polizeiinspektionen übermittelt hat.
57
Diese Übermittlung der Kennzeichen an die Polizeiinspektionen C. und A. unterfällt nicht der sog. „Haushaltsausnahme“ des Art. 2 Abs. 2 Buchst. c DS-GVO. Danach ist der sachliche Anwendungsbereich der DS-GVO nicht eröffnet, wenn personenbezogene Daten durch natürliche Personen ausschließlich zur Ausübung persönlicher oder familiärer Tätigkeiten verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung verlässt jedoch die rein private Sphäre, auf welche sich die „Haushaltsausnahme“ bezieht, wenn sie sich auch nur teilweise auf den öffentlichen Raum erstreckt, und insbesondere dann, wenn der Zweck der Anfertigung der Lichtbilder darin besteht, sie weiterzugeben (vgl. EuGH, U.v. 11.12.2014 - C-212/13 - juris Rn. 35).
58
Wie es sich aus den Lichtbildern ergibt, hat der Kläger ausschließlich Aufnahmen im öffentlichen Bereich, also auf Straßen, die der Kläger alleine oder gemeinsam mit seinen Kindern nutzte, getätigt, um diese an die Polizeiinspektionen zur Verfolgung der darauf abgebildeten Ordnungswidrigkeiten weiterzuleiten. Mithin sind die Aufnahmen nicht ausschließlich im Rahmen persönlicher oder familiärer Tätigkeiten des Klägers verarbeitet worden.
59
bb. Gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO muss die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Kläger auf rechtmäßige Weise erfolgen, wobei die Verarbeitung nur rechtmäßig ist, wenn mindestens eine der Bedingungen des Art. 6 Abs. 1 DS-GVO erfüllt ist.
60
(1) Entgegen der Auffassung des Klägervertreters folgt die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung nicht aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c DS-GVO, wonach die Verarbeitung rechtmäßig ist, wenn die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, welcher der Verantwortliche unterliegt.
61
Die Annahme einer rechtlichen Verpflichtung des Klägers zur Durchführung der streitgegenständlichen Datenverarbeitung zum Schutz vor falschen Verdächtigungen ist für das Gericht nicht nachvollziehbar. Entgegen der Auffassung des Klägervertreters besteht keine Verpflichtung des Klägers dazu, sich mittels angefertigter Lichtbildaufnahmen von Parkverstößen von dem Verdacht einer falschen uneidlichen Aussage im Sinne des § 153 StGB oder einer falschen Verdächtigung im Sinne des § 164 Abs. 1, Abs. 2 StGB zu entlasten. Abgesehen davon, dass es sich bei den Polizeiinspektionen nicht um eine zur eidlichen Vernehmung zuständigen Stelle nach § 153 StGB handelt (vgl. H.E. Müller in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2021, § 153 Rn. 64), ist eine strafrechtlich relevante Verfolgung wegen einer falschen Verdächtigung im Sinne des § 164 Abs. 1, Abs. 2 StGB wohl nicht zu erwarten, sofern der Kläger, wie vorliegend, Ordnungswidrigkeiten unter Beschreibung der Umstände bei Polizeiinspektionen anzeigt und dabei nicht wider besseres Wissen handelt (vgl. Zopfs in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2021, § 164, Rn. 41).
62
(2) Ferner folgt die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung nicht aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d DSGVO als Erforderlichkeit der Verarbeitung zum Schutz lebenswichtiger Interessen der betroffenen Personen oder einer anderen natürlichen Person. Insofern muss ein unmittelbarer Bezug der Verarbeitung zur Gesundheit oder körperlichen Unversehrtheit gegeben sein, etwa bei einer Verarbeitung in medizinischen Notfällen (vgl. Schulz in Gola/Heckmann, DS-GVO, 3. Auflage 2022, Art. 6 Rn. 50; vgl. auch Erwägungsgrund 46 zur DS-GVO). Bei der Übersendung der Aufnahmen falsch parkender Fahrzeuge an die Polizeiinspektionen vermag das Gericht keinen vergleichbaren unmittelbaren Bezug zur Gesundheit oder körperlichen Unversehrtheit des Klägers oder seiner Kinder zu erkennen.
63
(3) In Bezug auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e DS-GVO ist Normadressat nur derjenige Verantwortliche, dem Aufgaben im öffentlichen Interesse übertragen worden sind, für deren Wahrnehmung die Datenverarbeitung erforderlich ist (vgl. Albers/Veit in BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink, 41. Ed., Stand: 1.11.2021, Rn. 56 zu Art. 6 DS-GVO). Der Kläger ist kein solcher Träger von Aufgaben im öffentlichen Interesse.
64
(4) Eine Verarbeitung ist aber gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.
65
Vorliegend besteht ein solches berechtigtes Interesse des Klägers als Verantwortlichem (hierzu (a)), die Datenverarbeitung war zur Wahrung dieses Interesses auch erforderlich (hierzu (b)) und es sind keine überwiegenden Interessen der betroffenen Personen ersichtlich geworden (hierzu (c)).
66
(a) Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse daran, eine Ordnungswidrigkeit auch unter Übermittlung eines Lichtbildes an die Polizei anzeigen zu können.
67
Der Begriff des berechtigten Interesses des Verantwortlichen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO ist weit zu verstehen (vgl. Frenzel in Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2021, Rn. 28 zu Art. 6 DS-GVO, unter Bezugnahme auf Erwägungsgrund 47 S. 2, 6, 7 DSGVO). Daher können von dem Begriff des berechtigten Interesses rechtliche, tatsächliche, wirtschaftliche oder ideelle Interessen umfasst sein (vgl. Buchner/Petri in Kühling/Buchner, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Rn. 146a zu Art. 6 DS-GVO).
68
Anhaltspunkte für das Verständnis des Begriffs des berechtigten Interesses im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO bieten dabei die Erwägungsgründe zur DS-GVO. Bei den Erwägungsgründen der DS-GVO handelt es sich nicht um eigenständige Rechtsnormen mit Regelungscharakter, vielmehr wird in den Erwägungsgründen die Zielsetzung ausgeführt, die mit dem Erlass der DS-GVO durch den Verordnungsgeber verfolgt wurde. Somit sind die Erwägungsgründe der DS-GVO maßgeblich für die Auslegung der unionsrechtlichen Vorschriften, denn die der DS-GVO zugrundeliegenden allgemeinen Rechtsgedanken können den Erwägungsgründen entnommen werden.
69
Vorliegend ergeben sich aus den Erwägungsgründen 47 ff. Anhaltspunkte im Hinblick darauf, wann von der Rechtmäßigkeit einer Verarbeitung personenbezogener Daten bei einem berechtigten Interesse des Verantwortlichen ausgegangen werden kann. So besteht nach Erwägungsgrund 50 Satz 9 der DS-GVO ein berechtigtes Interesse an einer Datenverarbeitung, wenn der Hinweis des Verantwortlichen auf mögliche Straftaten oder Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit und die Übermittlung der maßgeblichen personenbezogenen Daten in Einzelfällen oder in mehreren Fällen, die im Zusammenhang mit derselben Straftat oder derselben Bedrohung der öffentlichen Sicherheit stehen, an eine zuständige Behörde übermittelt wird.
70
Dabei bezieht sich der Erwägungsgrund 50 Satz 9, im Gegensatz zu etwa Erwägungsgrund 50 Satz 1 oder Satz 8, seinem Inhalt nach gerade nicht allein auf eine zuvor erteilte Einwilligung in die Datenverarbeitung und eine nunmehr erfolgte Zweckänderung dieser Verarbeitung. Denn dann wäre Voraussetzung eines berechtigten Interesses an der Datenverarbeitung zur Strafverfolgung, dass die Daten zuvor stets zu einem anderen Zweck erhoben worden sein müssten. Eine Verarbeitung der erhobenen Daten zur unmittelbaren Anzeigenerstattung wäre stets nicht gerechtfertigt. Eine derartige Begrenzung der zulässigen Datenverarbeitung zur Erteilung von Hinweisen im Bereich der Strafverfolgung entspricht nicht dem weiten Begriff des berechtigten Interesses und wäre darüber hinaus widersinnig.
71
Selbst wenn mit der Ansicht der Beklagten davon auszugehen wäre, dass sich Satz 9 des Erwägungsgrundes 50 der DS-GVO unmittelbar nur auf Zweckänderungskonstellationen beziehen würde, könnte ihm jedenfalls darüber hinaus der allgemeine Rechtsgedanke entnommen werden, dass Datenverarbeitungen, die dazu erforderlich sind, zuständigen Behörden Hinweise auf begangene Straftaten zu geben, als berechtigtes Interesse des Verantwortlichen gelten sollten. Aus dem Satz 9 des Erwägungsgrundes 50 der DS-GVO folgt also, dass es als ein berechtigtes Interesse des Verantwortlichen an einer Datenverarbeitung im Anwendungsbereich der DSGVO verstanden werden kann, wenn die Datenverarbeitung dem Hinweis der zuständigen Behörden auf eine mögliche Straftat dient.
72
Der Begriff der Straftaten im Anwendungsbereich der DS-GVO, folglich auch im Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO und dem Erwägungsgrund 50 Satz 9 der DS-GVO, ist autonom unionsrechtlich auszulegen (vgl. Bäcker in BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink, 41. Ed., Stand: 1.11.2021, Rn. 25 f. zu Art. 2 DS-GVO). Eine Verweisung der in der DS-GVO verwendeten Begriffe „Straftaten“ auf solche nach nationalen Rechtsordnungen ergibt sich nicht (vgl. EuGH, U.v. 22.6.2021 - C-439/19 - juris Rn. 82).
73
Anders als nach dem Verständnis im deutschen Recht sind vom unionsrechtlichen Begriff der Straftaten auch solche Tatbestände umfasst, welche eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des deutschen Rechts verwirklichen würden. Für die Beurteilung des strafrechtlichen Charakters von Zuwiderhandlungen sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs folgende Kriterien maßgebend: die rechtliche Einordnung der Zuwiderhandlung im innerstaatlichen Recht, die Art der Zuwiderhandlung und der Schweregrad der dem Betroffenen drohenden Sanktion (vgl. EuGH, U.v. 22.6.2021 - C-439/19 - juris Rn. 87 zu Art. 10 DS-GVO). Auch für Zuwiderhandlungen, die im innerstaatlichen Recht nicht als „strafrechtlich“ eingestuft werden, kann sich ein solcher Charakter aus der Art der Zuwiderhandlung und dem Schweregrad der dem Betroffenen drohenden Sanktionen ergeben (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 88). Im Hinblick auf die Art der Zuwiderhandlung ist entscheidend, ob mit der fraglichen, aus der Zuwiderhandlung resultierenden Sanktion unter anderem eine repressive Zielsetzung verfolgt wird. Eine Maßnahme, die nur den durch die Zuwiderhandlung entstandenen Schaden ersetzen soll, ist dagegen nicht strafrechtlicher Natur (vgl. EuGH, U.v. 22.6.2021 - C-439/19 - juris Rn. 89).
74
Dementsprechend sind auch die Ordnungswidrigkeiten des deutschen Rechts als Straftaten im unionsrechtlichen Kontext der DS-GVO anzusehen, da die Begehung einer Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet wird (vgl. § 1 Abs. 1 OWiG) und die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit einen repressiven Charakter hat (§ 17 OWiG und § 46 Abs. 1 OWiG; Mitsch in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 17 Rn. 8; vgl. auch BVerfG, B.v. 25.1.2022 - 2 BvR 2462/18 - juris LS 3a und Rn. 57 zu den repressiven Zielen bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten durch die Polizei).
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Dient die Übermittlung der personenbezogenen Daten an eine Polizeiinspektion als zuständige Behörde im Sinne des Erwägungsgrundes 50 der DS-GVO folglich dem Hinweis auf eine begangene Ordnungswidrigkeit, so besteht ein berechtigtes Interesse an der Datenverarbeitung, welches grundsätzlich eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO rechtfertigen kann. Eine persönliche Betroffenheit des Anzeigenerstatters ist für das Vorliegen eines berechtigten Interesses nicht erforderlich.
76
Auf die Frage, ob aufgrund dieses Verständnisses eine unzulässige unbegrenzte Übermittlung von Daten an die Polizeiinspektionen ermöglicht wird, kommt es vorliegend nicht an. Dem Kläger wird durch den Beklagten vorgeworfen, in 17 Fällen Aufnahmen an die Polizeiinspektionen übersandt zu haben. Es ist nicht ersichtlich geworden, dass der Kläger hierbei gleichsam willkürlich oder in rechtsmissbräuchlicher Weise personenbezogene Daten verarbeitet hat. Schon die verhältnismäßig geringe Anzahl der durch den Beklagten gerügten Übersendungen lässt nicht auf eine Datenverarbeitung in einem unbegrenzten Ausmaß schließen. Ob das grundsätzlich bestehende berechtigte Interesse in Fällen, in denen massenhaft personenbezogene Daten zur Anzeige von Ordnungswidrigkeiten übermittelt werden, wegen Rechtsmissbrauchs entfallen könnte, war daher hier nicht zu entscheiden. Ob die durch den Kläger mit der Übermittlung der personenbezogenen Daten gemeldeten Verstöße gegen ordnungsrechtliche Vorschriften tatsächlich verfolgt werden, entscheidet letztendlich die Polizei als Verfolgungsbehörde gemäß dem im Ordnungswidrigkeitsrecht geltenden Opportunitätsprinzip unter Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens (§ 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG).
77
Auch wenn, wie zuvor ausgeführt, anderweitige datenschutzrechtliche Verstöße als die Verarbeitung personenbezogener Daten der Halter verbotswidrig parkender Fahrzeuge nicht Inhalt der hier streitgegenständlichen Verwarnung geworden sind, ist es jedoch denkbar, dass bei der Anfertigung solcher Lichtbilder datenschutzrechtliche Verstöße, etwa durch die Ablichtung und Übermittlung anderer Personen oder Kennzeichen unbeteiligter Fahrzeuge, begangen werden können, da diesbezüglich kein berechtigtes Interesse an der Verarbeitung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO bestehen dürfte. Insofern ist auch bei der Übermittlung von Aufnahmen verbotswidrig parkender Fahrzeuge die Beachtung des Grundsatzes der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c DS-GVO) geboten.
78
Daneben ist davon auszugehen, dass durch Parkverstöße, wie etwa die durch den Kläger dokumentierten, bei denen beispielsweise die Gehwege teilweise blockiert und dadurch verengt oder die Einsicht in eine Kreuzung erschwert werden, zumindest die abstrakte Unfallgefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer, wie beispielsweise den Kläger und seine Kinder, erhöht wird. Aufgrund des weiten Verständnisses des Begriffs des berechtigten Interesses ergibt sich hier ein solches auch aus der zumindest abstrakten Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit des Klägers.
79
(b) Weiter setzt die Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO voraus, dass diese zur Wahrung der berechtigten Interessen des Klägers als Verantwortlichem auch erforderlich ist.
80
Eine Datenverarbeitung muss für den konkreten Verarbeitungszweck dergestalt erforderlich sein, dass sich die berechtigten Interessen des Verantwortlichen nicht in gleichem Maße in zumutbarer Weise durch andere Mittel verwirklichen lassen (vgl. Erwägungsgrund 39 S. 9 DSGVO, Lehr/Becker, ZD 2022, 370 m.w.N.).
81
Die Anzeige ordnungswidrig geparkter Fahrzeuge bei einer Polizeiinspektion lässt sich nicht in gleichem Maße durch eine mündliche oder schriftliche Beschreibung der Umstände - etwa durch die von dem Beklagten angeführte Nennung des Kennzeichens des Fahrzeugs, des Standorts und von in Betracht kommenden Zeugen - durchführen. Durch die Anfertigung eines Lichtbildes werden alle für die Ermittlungsbehörde relevanten Informationen dokumentiert und übermittelt.
82
Eine Anzeigenerstattung nur durch eine Beschreibung der Umstände ist nicht in gleichem Maße wie ein Bild geeignet, eine Ahndung des Verstoßes herbeizuführen: Denn ein Lichtbild gibt die tatsächlichen Umstände des Verstoßes wieder, nämlich das verbotswidrig parkende Fahrzeug samt Kennzeichen sowie die Situation, aus welcher der verantwortliche Anzeigenerstatter darauf schließt, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist. Hierdurch wird es den Polizeiinspektionen im Vergleich zu einer meist durch subjektive Eindrücke geprägten Schilderung einer begangenen Ordnungswidrigkeit erleichtert, ihr Ermessen bezüglich der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten auszuüben.
83
Dass allein die Anfertigung und Übermittlung eines Lichtbildes ein „Mehr“ an Datenverarbeitung als die schriftliche Schilderung des Sachverhalts darstellt, erschließt sich dem Gericht nicht, zumindest sofern das Lichtbild allein die für die Anzeige einer Ordnungswidrigkeit relevanten personenbezogenen Daten, Fahrzeug und Kfz-Kennzeichen sowie die Darstellung der Ordnungswidrigkeit, enthält.
84
Eine weitergehende, über das erforderliche Maß hinausgehende Datenverarbeitung durch die Darstellung von möglichen Begleitumständen, wie etwa dem allgemeinen Zustand des Fahrzeugs, durch das Bild liegt in dem konkreten Fall nicht vor, da nicht ersichtlich ist, inwiefern sich aus diesen Begleitumständen weitere personenbezogene Daten der Halter der verbotswidrig parkenden Fahrzeuge ergeben sollen.
85
(c) Zuletzt ergeben sich vorliegend keine der Datenverarbeitung entgegenstehenden Interessen der betroffenen Personen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO (hierzu (aa)), die das Interesse des Klägers an einer Verarbeitung der Daten überwiegend könnten (hierzu (bb)). Die Frage nach der Darlegungs- und Beweislast für das Überwiegen entgegenstehender Interessen (vgl. Lehr/Becker, ZD 2022, 370 (375), m.w.N.) kann dabei offenbleiben, da beide Beteiligten umfänglich vorgetragen haben und keine Fragen, die nach Darlegungslastgrundsätzen zu entscheiden wären, offengeblieben sind.
86
(aa) Betroffene Person im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO i.V.m. Art. 4 Nr. 1 DSGVO ist der jeweilige Halter des fotografierten Fahrzeugs. Der Fahrzeughalter muss nicht zwingend identisch mit dem Fahrer sein, denn nur der Halter kann letztendlich identifiziert werden.
87
Als entgegenstehendes Interesse der Fahrzeughalter als von der Verarbeitung betroffenen Personen kommt grundsätzlich das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten nach Art. 8 Abs. 1 GRCh bzw. Art. 16 Abs. 1 AEUV in Betracht. Ebenso kann ein Interesse der betroffenen Fahrzeughalter daran bestehen, im Straßenverkehr anonym zu bleiben. Schließlich besteht wohl auch ein Interesse der Fahrzeughalter daran, nicht aufgrund des durch den Verantwortlichen dokumentierten Verstoßes wegen der Begehung einer Ordnungswidrigkeit belangt zu werden.
88
Die durch den Beklagten angeführten Interessen der Polizeiinspektionen C. und A. in …, an welche der Kläger die personenbezogenen Daten der Fahrzeughalter übersandt hat, sind dagegen nicht zu berücksichtigen. Denn insofern handelt es sich nicht um betroffene Personen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO i.V.m. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Die Einbeziehung anderweitiger Interessen als diejenigen der betroffenen Personen in die Abwägung ergibt sich nicht aus der Regelung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO. Zudem sei nochmals darauf verwiesen, dass es letztendlich den Verfolgungsbehörden obliegt, zu entscheiden, welche der unter Verarbeitung personenbezogener Daten angezeigten Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden (§ 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG).
89
(bb) Die Abwägung der berechtigten Interessen des Klägers und der entgegenstehenden Interessen der Fahrzeughalter als betroffene Personen führt nicht zu einem Überwiegen der Interessen der Fahrzeughalter. Vielmehr wiegen die Interessen des Klägers schwerer, wohingegen die Interessen der betroffenen Personen von vergleichsweise geringem Gewicht sind.
90
In Bezug auf das Recht der betroffenen Person auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten nach Art. 8 Abs. 1 GRCh bzw. Art. 16 Abs. 1 AEUV hat der Verordnungsgeber durch die Schaffung der verschiedenen Rechtsgrundlagen der Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b bis f DS-GVO die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten als Einschränkung dieses nach Art. 8 Abs. 1 GRCh bzw. Art. 16 AEUV gewährleisteten Rechts normiert. So kann ein Eingriff in dieses Recht gerechtfertigt sein, wenn, wie hier, die Interessen der Verantwortlichen an der Verarbeitung der personenbezogenen Daten dasjenige der betroffenen Personen überwiegen.
91
Im Sinne des Erwägungsgrundes 47 Satz 4 der DS-GVO können die Interessen und Grundrechte der betroffenen Person das Interesse des Verantwortlichen überwiegen, wenn personenbezogene Daten in Situationen verarbeitet werden, in denen eine Person vernünftigerweise nicht mit einer weiteren Verarbeitung rechnen muss. Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall, da die betroffenen Personen damit rechnen müssen und können, dass ihre Daten zum Zwecke der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit verarbeitet werden.
92
Es besteht gerade kein Anspruch auf Anonymität im Straßenverkehr, vielmehr muss das Kennzeichen eines Fahrzeugs stets gut lesbar (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 3 StVO) und mithin öffentlich zugänglich sein (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 - 6 C 7/13 - juris Rn. 24). Ein Fahrzeughalter muss gerade damit rechnen, dass ein mit seinem Fahrzeug begangener Parkverstoß dokumentiert und zur Anzeige gebracht wird. Dass eine solche Anzeige nicht nur durch die Verfolgungsbehörden, sondern auch durch Privatpersonen erfolgen kann, ergibt sich aus § 46 OWiG i.V.m. § 158 Abs. 1 StPO. Sofern die Dokumentation des verbotswidrig parkenden Fahrzeugs nicht zu einer - bereits zuvor beschriebenen - Verarbeitung zusätzlicher personenbezogener Daten Unbeteiligter führt, ist ein Unterschied zwischen einer schriftlichen Anzeige und der Übermittlung der personenbezogenen Daten des Fahrzeughalters durch die Übersendung eines Lichtbildes nicht erkennbar.
93
Außerdem ist vorliegend der Eingriff in das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten durch die Übermittlung der Lichtbilder, auf denen das Kfz-Kennzeichen und die Situation des Parkverstoßes zu erkennen sind, als denkbar geringfügig anzusehen. Kfz-Kennzeichen haben nur einen geringen Informationsgehalt, gerade da es einer datenverarbeitenden Privatperson, wie dem Kläger, erst nach einer Abfrage des Fahrzeugregisters möglich wäre, die Identität des Fahrzeughalters zu bestimmen (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 - 6 C 7/13 - juris Rn. 23, 25).
94
Zuletzt muss das Interesse der betroffenen Personen daran, nicht aufgrund der Begehung einer Ordnungswidrigkeit belangt zu werden, ebenfalls zurückstehen, da dem ein rechtswidriges Verhalten zugrunde liegt und es sich somit um ein nicht schutzwürdiges Interesse handelt.
95
Insgesamt sind die der Datenverarbeitung entgegenstehenden Interessen der Fahrzeughalter daher als von geringem Gewicht einzustufen. Demgegenüber ist den berechtigten Interessen des Klägers an der Verarbeitung der personenbezogenen Daten ein höheres Gewicht beizumessen.
96
Dem Interesse des Klägers daran, anhand der Verarbeitung personenbezogener Daten eine Ordnungswidrigkeit anzuzeigen, wird schon deshalb einiges Gewicht zuzusprechen sein, weil sich dieses berechtigte Interesse explizit in einem Erwägungsgrund der DS-GVO (Erwägungsgrund 50 Satz 9 der DS-GVO) wiederfindet. Daneben kommt auch dem oben beschriebenen Interesse des Klägers an dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit einiges Gewicht zu.
97
Darüber hinaus handelt es sich nicht um eine anlasslose und willkürliche Datenverarbeitung durch den Kläger, denn die Dokumentation einer Ordnungswidrigkeit stellt einen Anlass dar, welcher der Verarbeitung der personenbezogenen Daten durch den verantwortlichen Anzeigenerstatter zugrunde liegt. Dass die Verarbeitung personenbezogener Daten in Bezug auf die hier streitgegenständlichen Vorfälle willkürlich erfolgte, ist nicht ersichtlich, denn soweit erkennbar hat der Kläger stets einen aus seiner Sicht begangenen Verstoß gegen die Vorschriften der StVO gegenüber den Polizeiinspektionen geltend gemacht, dessen Vorliegen auch nicht völlig abwegig war.
98
Ohne dass es im Ergebnis darauf ankommt, kann schließlich noch zugunsten des Klägers berücksichtigt werden, dass er hinsichtlich der durch ihn dokumentierten Verstöße geltend gemacht hat, inwiefern er selbst oder seine Kinder als Verkehrsteilnehmer durch die verbotswidrig parkenden Fahrzeuge behindert worden sind. Der Kläger hat insofern persönliche Bezüge zu dem Ort der Aufnahmen und der darauf abgebildeten Situation hergestellt, etwa dadurch, dass er geltend machen konnte, die gerügten Verstöße auf seinem Arbeitsweg, seinem Weg zur Physiotherapie oder dem Kindergarten- bzw. Schulweg seiner Kinder dokumentiert zu haben und in Teilen durch die parkenden Fahrzeuge behindert worden zu sein.
99
Die Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt daher, dass die Interessen des Klägers als Verantwortlichem an der Datenverarbeitung in dem hier streitgegenständlichen Fall diejenigen der betroffenen Personen überwiegen, so dass die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO vorliegend gegeben waren.
100
dd. Demnach war die Verarbeitung der personenbezogenen Daten durch den Kläger rechtmäßig im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO.
101
Darauf, ob aufgrund der Datenverarbeitung Informationspflichten (Art. 13, 14 DS-GVO) oder ein Widerrufsrecht (Art. 21 DS-GVO) bestehen, kommt es vorliegend nicht an. Denn durch den Beklagten ist in der streitgegenständlichen Verwarnung ausschließlich die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Übermittlung der Lichtbilder der falsch parkenden Fahrzeuge gerügt worden, anderweitige datenschutzrechtliche Pflichten, Rechte oder Verstöße der DS-GVO wurden in der Verwarnung nicht festgestellt.
102
Die aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 DS-GVO durch den Beklagten ergangene Verwarnung vom 30. Juni 2021 ist somit rechtswidrig.
103
d. Der Kläger ist dadurch in seinen Rechten verletzt worden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
104
Denn zumindest wird der Kläger durch die behördliche Rüge eines datenschutzrechtlichen Verstoßes davor gewarnt, zukünftig weiterhin in rechtmäßiger Weise personenbezogene Daten durch die Übermittlung von Lichtbildern zu verarbeiten. Dass in dem Verhalten des Klägers ein Verstoß liegt, wird in der streitgegenständlichen Verwarnung ausdrücklich festgestellt. Diese Feststellung soll den Kläger zukünftig mittelbar daran hindern, weitere Aufnahmen verbotswidrig parkender Fahrzeuge anzufertigen und an die Polizeiinspektionen zu übermitteln.
105
Das „Recht zur Anzeige“, welches nach § 158 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG auch für Ordnungswidrigkeiten gilt, ist Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. Goers in BeckOK StPO mit RiStBV und MiStra, 45. Ed. Stand: 1.10.2022, § 158 Rn. 8). Wird der Kläger durch das beklagte Landesamt verwarnt, wenn er von der eingeräumten Möglichkeit, eine Ordnungswidrigkeit anzuzeigen, Gebrauch macht, so stellt dies dementsprechend eine unzulässige Beschränkung der Rechte des Klägers und mithin eine Rechtsverletzung im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO dar.
106
Zudem wird der Kläger durch die der Verwarnung zugrundeliegende, ihn belastende Feststellung zumindest in seiner sich aus Art. 2 Abs. 1 GG ergebenden allgemeinen Handlungsfreiheit beschränkt.
107
e. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Verwarnung als Grundverfügung im Sinne des Art. 16 Abs. 5 BayKG waren auch die Folgeentscheidungen aus den Ziffern 2 bis 4 des streitgegenständlichen Schreibens des Beklagten vom 30. Juni 2021, also die auf Art. 19 Abs. 6 Satz 1 BayDSG i.V.m.
108
Art. 1 und 2 BayKG basierende Kostenentscheidung in Ziffer 2, die Festsetzung der Gebühr i.H.v. 100,00 EUR nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 KG aus Ziffer 3 und der Ausspruch zu den Auslagen aus Ziffer 4, rechtswidrig.
109
3. Somit war der Klage stattzugeben und die streitgegenständliche Verwarnung des Beklagten vom 30. Juni 2021 nebst ihren Folgeentscheidungen aufzuheben.
110
Die Kostenentscheidung ergibt sich gemäß § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.