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VG Bayreuth, Urteil v. 22.11.2022 – B 5 K 22.944
Titel:

Erhöhtes Unfallruhegehalt, qualifizierter Dienstunfall, mit Dienstausübung verbundene besondere Lebensgefahr (verneint), Teilnahme am Seminar „Brandbekämpfung und Evakuierung“

Normenkette:
BeamtVG § 37 Abs. 1
Schlagworte:
Erhöhtes Unfallruhegehalt, qualifizierter Dienstunfall, mit Dienstausübung verbundene besondere Lebensgefahr (verneint), Teilnahme am Seminar „Brandbekämpfung und Evakuierung“
Fundstelle:
BeckRS 2022, 36780

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, den Dienstunfall vom 28. April 2016 als qualifizierten Dienstunfall anzuerkennen.
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1. Der im Jahr 1959 geborene Kläger steht als Zollamtsinspektor (Besoldungsgruppe A9 mZ) im Dienste der Beklagten und ist am Hauptzollamt … tätig. Mit Verfügung vom 30. März 2016 ordnete ihn der Behördenleiter zu einem von der Unfallversicherung Bund und Bahn in … durchgeführten Seminar „Brandbekämpfung und Evakuierung“ ab (26.-28.4.2016). Dabei kam es am 28. April 2016 zu einem in der Meldung des Klägers vom 30. Mai 2016 wie folgt beschriebenen Ereignis: „Bei der praktischen Ausbildung in der Feuerwehrschule haben wir an verschiedenen Objekten (Fahrzeug, Person, Holzstapel, Küchenbrand) Löschversuche durchgeführt. Dabei habe ich laut Aussage der behandelnden Ärzte Brandgase eingeatmet.“ Am Tag nach dem Ereignis musste der Kläger in die Klinik verbracht werden. Dort wurden Schädigungen an Herz und Lunge diagnostiziert. Im Rahmen der Erstuntersuchung erlitt der Kläger einen Herzinfarkt mit einem 45-minütigen Herz-/Kreislaufstillstand. In der Folgezeit schlossen sich bei dem Kläger mehrere, z.T. mehrwöchige stationäre Krankenhausaufenthalte an. Auf die anlässlich dieser Krankenhausaufenthalte erstellten Arztberichte wird Bezug genommen. Am 18. Oktober 2017 begann der Kläger mit seiner beruflichen Wiedereingliederung und nahm am 2. Januar 2018 wieder seinen vollschichtigen Dienst auf.
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Nach dem Ereignis vom 28. April 2016 hatte das Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) zunächst einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 sowie das Vorliegen der Voraussetzungen für die Merkzeichen G und B festgestellt (Bescheid vom 2.12.2016). Zuletzt stellte die Behörde einen GdB von 80 sowie folgende Gesundheitsstörungen fest (Bescheid vom 4.3.2019): Nierenerkrankung links (in Heilungsbewährung) (Einzel-GdB: 60), Herzleistungsminderung nach Herzinfarkt, Stentimplantation, Bluthochdruck (Einzel-GdB: 30), Lungenfunktionseinschränkung, Brustfellschwarte rechts (Einzel-GdB: 20) sowie Sehminderung links (Einzel-GdB: 10); die Voraussetzungen für die Merkzeichen G und B lägen nicht mehr vor.
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Bereits mit Bescheid vom 6. September 2016 hatte die Generalzolldirektion das Ereignis vom 28. April 2016, in dessen Folge sich der Kläger ein toxisches Lungenödem nach Rauchgasinhalation mit alveolärem Hämorrhagiesyndrom und ein schweres Lungenversagen zugezogen habe, als Dienstunfall anerkannt (Nr. 1 des Bescheids). Ein in der Folge erlittener Herzinfarkt sei nicht auf den Dienstunfall zurückzuführen und somit keine Dienstunfallfolge (Nr. 2).
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Auf den Widerspruch des Klägers hin hob die Generalzolldirektion nach Einholung eines internistisch-sozialmedizinischen Gutachtens vom 5. Juli 2017 den vorgenannten Bescheid insoweit auf, als darin die Behörde die Anerkennung eines Herzinfarkts mit anschließendem Multi-Organ-Versagen sowie einer Nierenschwäche als Unfallfolge abgelehnt hatte (Nr. 1 des Widerspruchsbescheids vom 11.8.2017). Der Dienstunfall vom 28. April 2016 habe neben den anerkannten Dienstunfallfolgen einen Herzinfarkt mit anschließendem Multi-Organ-Versagen und eine Nierenschwäche verursacht (Nr. 2) und eine überdauernde Einschränkung der kardiopulmonalen Leistungsbreite im Sinne einer pulmonalen Diffusionsstörung kombiniert mit einer Herzschwäche bei stärkerer Belastung - NYHA II sowie eine ischämische Opticusatrophie links hinterlassen (Nr. 3). Ein Nierenzellkarzinom sei nicht Folge des Dienstunfalls (Nr. 4). Ärztliche Aufwendungen zur Behandlung der Unfallfolgen würden aus Mitteln der Unfallfürsorge erstattet (Nr. 5). Ärztliche Aufwendungen zur Behandlung der Nierenfunktion sowie der Depression würden bis zum 14. September 2016 aus Mitteln der Unfallfürsorge erstattet. Danach seien diese Gesundheitsstörungen wieder in ihren ursprünglichen dienstunfallfremden Verlauf zurückgekehrt (Nr. 6). Der Kläger erhalte einen Unfallausgleich bei einer dienstunfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 ab dem 28. April 2016 (Nr. 7).
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Mit Schreiben vom 6. September 2017 beantragte der Kläger bei der Generalzolldirektion, den Dienstunfall vom 28. April 2016 als qualifizierten Dienstunfall anzuerkennen, ihm alle Leistungen nach dem BeamtVG zu gewähren und seine Sehstörung am linken Auge (Diagnose u. a. partielle einfache Opticusatrophie ischämischer Genese bei Zustand nach toxischem Lungenödem und Reanimation im April 2016) als Dienstunfallfolge anzuerkennen.
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Einen weiteren Antrag des Klägers (Schreiben vom 10.5.2019) auf Neufeststellung der dienstunfallbedingten MdE und auf Überprüfung, ob die linke Niere bei einem früheren operativen Eingriff hätte erhalten werden können, lehnte die Beklagte nach Einholung eines internistisch-sozialmedizinischen Gutachtens ab (Bescheid vom 22.11.2019). Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 15.7.2020). Seine auf die Verpflichtung der Beklagten, die Entfernung der linken Niere als Folge des Dienstunfalls vom 28. April 2016 anzuerkennen und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 v.H. als dienstunfallbedingt festzustellen, gerichtete Klage (Az. B 5 K 20.713) nahm der Kläger nach Einvernahme des behördlich bestellten Sachverständigen, …, in der mündlichen Verhandlung (vgl. Protokoll vom 31.8.2021) zurück (Einstellungsbeschluss vom 22.9.2021).
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2. Bereits mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 8. September 2017, eingegangen beim Bayer. Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, hatte der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 6. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2017 erhoben. In dem zunächst unter dem Aktenzeichen B 5 K 17.711 geführten Verfahren beantragte die Klägerseite mit Schriftsatz vom 14. März 2018,
1. die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung des Anerkennungsbescheids der Generalzolldirektion vom 6. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Generalzolldirektion vom 11. August 2017 den Dienstunfall des Klägers vom 28. April 2016 als qualifizierten Dienstunfall anzuerkennen mit der Folge, dass die dem Kläger zustehenden Leistungen nach dem BeamtVG gewährt würden.
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger ein erhöhtes Dienstunfallruhegehalt nach § 37 BeamtVG zu zahlen ab dem Zeitpunkt, zu dem der Kläger in den Ruhestand versetzt werde.
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Zur Begründung wird vorgetragen, dass im Rahmen des Seminars am 28. April 2016 eine Brandschutzübung stattgefunden habe, bei der alle Seminarteilnehmer eine Figur/Attrappe sowie einen PKW mit Löschpulver und einem CO₂-Löscher hätten löschen müssen. Keiner der Seminarteilnehmer habe eine Atemschutzmaske getragen. Der Kläger habe Gase und Pulver eingeatmet und auf der Heimfahrt ein Kratzen in der Brust sowie eine Kurzatmigkeit bemerkt. In der Nacht zum 29. April 2016 habe er Blut gehustet. Er sei am 29. April 2016, einem Freitag, morgens zur Dienststelle gefahren und habe sich dienstunfähig gemeldet. Von dort habe man ihn, weil er sich übergeben und Blut gehustet habe, ins Krankenhaus gebracht. Die Erkrankung sei lebensbedrohlich gewesen. Er habe sich bis zum 7. Juni 2016 in stationärer Behandlung und anschließend in einer Reha-Klinik befunden. Erst am 18. Oktober 2017 habe er mit der Wiedereingliederung begonnen. Der Unfall sei als qualifizierter Dienstunfall anzuerkennen, weil ein lebensgefährlicher Einsatz vorgelegen habe. Es habe sich zwar um eine Übung gehandelt, die der Kläger aber höchst realitätsbezogen gestaltet und den Ernstfall geprobt habe. Er sei sich der Gefahr bewusst gewesen. Es habe eine besondere Gefahr bestanden, die er nicht selbst durch unüberlegtes Handeln herbeigeführt habe.
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Mit Schriftsatz vom 25. April 2018 beantragte die Beklagte,
die Klage abzuweisen, und trug vor, dass man über den Anspruch des Klägers noch nicht entschieden habe, weil man nicht von Amts wegen habe tätig werden müssen. Zudem sei die Entscheidung dem Bundesministerium der Finanzen vorbehalten. Eine mit der Diensthandlung verbundene Lebensgefahr habe nicht vorgelegen. Vom Dienstherrn angeordnete Aus- und Fortbildungsveranstaltungen seien ihrer Natur nach dazu bestimmt, bisher nicht erworbene Fertigkeiten zu trainieren, und typischerweise mit keiner Lebensgefahr verbunden. Vorliegend seien die Voraussetzungen für die Annahme eines qualifizierten Dienstunfalls nicht erfüllt, weil die Diensthandlung für den Beamten nicht typischerweise mit einer besonderen, über das übliche Maß der Lebens- und Gesundheitsgefährdung hinausgehenden Lebensgefahr verbunden gewesen sei.
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In der mündlichen Verhandlung vom 7. Mai 2019 führte die Klägerseite aus, dass die Anerkennung eines Augenleidens als weitere Dienstunfallfolge nicht weiter begehrt werde, weil die Beklagte dieses in Nr. 3 des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2017 ausdrücklich als Dienstunfallfolge anerkannt habe. Zudem sei auch die Geltendmachung einer höheren MdE nicht Gegenstand des Klageverfahrens (vgl. S. 4 des Protokolls vom 7.5.2019). Darüber hinaus beantragten die Beteiligten im Hinblick auf die beim Landgericht Wiesbaden anhängige und auf die Gewährung von Schadensersatz gerichtete Klage das Ruhen des Verfahrens.
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3. Bereits im Jahr 2017 hatte der Kläger bei dem Landgericht Wiesbaden Klage erhoben gegen die … als der Veranstalterin des Seminars „Brandbekämpfung und Evakuierung BS 02/16“ vom 28. April 2016 und u.a. Schadensersatzansprüche geltend gemacht. In seinem im Auftrag des Landgerichts erstellten Gutachten vom 2. Dezember 2021 kommt der Sachverständige für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit, … zu dem Ergebnis, dass bei den praktischen Löschübungen, die im Rahmen der Ausbildung und Unterweisung von Brandschutzhelfern durchgeführt würden, das Ausgeben persönlicher Schutzausrüstungen durch den Veranstalter und das Benutzen solcher Schutzausrüstungen durch die Teilnehmer nicht erforderlich sei. Die Fa. … habe die Löschübung korrekt geplant und in Theorie und Praxis dem einschlägigen Regelwerk entsprechend durchgeführt. Mit Urteil vom 20. Mai 2022 wies das Landgericht Wiesbaden die o.g. Klage ab, weil ein Fehlverhalten der vorgenannten Firma nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden könne. Die hiergegen gerichtete Berufung ist beim Oberlandesgericht Frankfurt anhängig (Az. 19 U 197/22).
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4. Nach Übermittlung der Entscheidung des Landgerichts Wiesbaden vom 20. Mai 2022 beantragte die Beklagte mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2022 die Fortführung des Verfahrens und erklärte zugleich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Unter dem 21. Oktober 2022 erklärte auch die Klägerseite ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
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5. Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen. Die Gerichtsakte des Landgerichts Wiesbaden Az. 3 O 161/17 wurde beigezogen.

Entscheidungsgründe

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1. Über die Streitsache konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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2. Das Gericht legt den Antrag des Klägers nach den klarstellenden Ausführungen seiner Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 7. Mai 2019 dahingehend aus, dass er nunmehr - entgegen seinem Vortrag im Schriftsatz vom 8. September 2017 - die Anerkennung eines Augenleidens als weitere Dienstunfallfolge sowie die Geltendmachung einer höheren MdE nicht mehr weiterverfolgt (vgl. S. 4 des Protokolls vom 7.5.2019). Gegenstand des Klageverfahrens ist allein der Antrag des Klägers, das von der Beklagten bereits als Dienstunfall anerkannte Ereignis vom 28. April 2016 als qualifizierten Dienstunfall im Sinne von § 37 Abs. 1 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) anzuerkennen.
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3. Die so verstandene Klage ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Dienstunfallereignisses vom 28. April 2016 als qualifizierten Dienstunfall im Sinne von § 37 Abs. 1 BeamtVG.
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Dabei kann offenbleiben, ob die Einwände der Beklagten, sie habe - erstens - über den geltend gemachten Anspruch des Klägers noch gar nicht entschieden und sei - zweitens - für diese Entscheidung gemäß § 16 Abs. 4 Nr. 2 der Anordnung zur Übertragung von Zuständigkeiten auf den Gebieten der Versorgung der Beamtinnen und Beamten und der Richterinnen und Richter des Bundes sowie des Versorgungsausgleichs vom 15. Dezember 2015 (BGBl I S. 2358) auch nicht zuständig, durchgreifen. Denn hier fehlt es zur Überzeugung des Gerichts bereits am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 37 Abs. 1 BeamtVG.
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Nach dieser Vorschrift sind dann, wenn sich ein Beamter bei Ausübung einer Diensthandlung einer damit verbundenen besonderen Lebensgefahr aussetzt und er infolge dieser Gefährdung einen Dienstunfall erleidet, bei der Bemessung des Unfallruhegehalts 80 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der übernächsten Besoldungsgruppe zugrunde zu legen, wenn er infolge dieses Dienstunfalls dienstunfähig geworden und in den Ruhestand versetzt wurde und im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand infolge des Dienstunfalles in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 Prozent beschränkt ist.
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Nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur erfordert diese Vorschrift in objektiver Hinsicht eine Diensthandlung, mit der für den Beamten typischerweise eine besondere, über das übliche Maß der Lebens- oder nur Gesundheitsgefährdung hinausgehende Lebensgefahr verbunden ist. Die Gewährung eines erhöhten Unfallruhegehalts setzt damit eine Dienstverrichtung voraus, die bei typischem Verlauf das Risiko entsprechender Verletzungen in sich birgt, sodass deren Eintritt als Realisierung der gesteigerten Gefährdungslage und nicht als Verwirklichung eines allgemeinen Berufsrisikos erscheint. Die geforderte besondere Lebensgefahr muss mithin über die latenten, generell bestehenden Gefahren hinausgehen und mehr als nur einen kurzen, nach Lage der Dinge nicht ins Gewicht fallenden Moment bestanden haben. Nur wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, bei der Dienstausübung umzukommen, besteht eine „besondere Lebensgefahr“. Ob die Diensthandlung für das Leben des Beamten eine solche Gefahr begründet hat, erfordert eine wertende Betrachtung der Umstände des konkreten Einzelfalls. Weiter ist für die Annahme eines qualifizierten Dienstunfalls erforderlich, dass der Beamte sich der Gefährdung seines Lebens bewusst ist. Der Beamte muss zwar nicht mehr in dem Bewusstsein handeln, bei der Dienstverrichtung sein Leben einzusetzen; er muss sich aber der Gefahr für sein Leben im Allgemeinen bewusst sein, auch wenn er die Gefahr nicht in allen Einzelheiten erkannt und richtig bewertet hat. Dabei folgt das Bewusstsein, bei der Dienstverrichtung das eigene Leben zu gefährden, in aller Regel bereits aus dem Wissen um die die Gefahr begründenden objektiven Umstände (st.Rspr. BVerwG, B.v. 8.2.2017 - 2 B 2/16 - juris Rn. 9; BVerwG, B.v. 7.10.2014 - 2 B 12/14 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 5 = juris Rn. 10 ff.; BVerwG, U.v. 13.12.2012 - 2 C 51/11 - ZBR 2013, 205 f. = juris Rn. 20; vgl. auch NdsOVG, U.v. 9.6.2020 - 5 LB 282/10 - juris Rn. 44 ff.; OVG RhPf, U.v. 26.11.2013 - 2 A 10479/13 - juris Rn. 28 ff.; Plog/Wiedow/ Lemhöfer/Bayer, BBG, Stand Oktober 2018, § 37 BeamtVG Rn. 35). Bei der somit gebotenen Einzelfallbewertung der Gefahrensituation ist grundsätzlich davon auszugehen, dass vom Dienstherrn angeordnete und durchgeführte Übungen im Rahmen von Ausbildungsveranstaltungen, die ihrer Natur nach dazu bestimmt sind, bisher nicht erworbene Fertigkeiten der Beamten zu trainieren, typischerweise keine mit Lebensgefahr verbundenen Diensthandlungen sind. Entscheidend sind aber auch hier stets die Umstände des Einzelfalls (BVerwG, B.v. 30.8.1993 - 2 B 67.93 - juris Rn. 6; so auch: Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG, Stand Oktober 2018, § 37 BeamtVG Rn. 36a).
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Gemessen daran steht nicht zur Überzeugungsgewissheit des Gerichts fest, dass sich bei dem Unfallereignis vom 28. April 2016 eine Gefahrensituation im vorgenannten Sinne manifestiert hat. Denn der Vorfall hat sich, wie sich aus den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 7. Mai 2019 ergibt (vgl. S. 2 f. des Protokolls vom 7.5.2019), unstreitig im Rahmen des dreitägigen, von der … für die Unfallversicherung Bund und Bahn durchgeführten Seminars „Brandbekämpfung und Evakuierung“ zugetragen, wobei zunächst über zweieinhalb Tage eine theoretische Ausbildung und anschließend ein praktischer Übungsteil stattgefunden hatte. Diese praktischen Übungen fanden im Freien, d.h. auf einem großen Übungsplatz statt, auf dem sich verschiedene Übungsstationen wie beispielsweise ein Kraftfahrzeug, eine Puppe (Dummy), eine Küche, eine Metallplatte, auf der Flüssigkeiten entzündet werden konnten, sowie ein Papierkorb befunden haben. Diese Übungsobjekte wurden dann der Reihe nach entzündet. Bei den Übungen ging es darum, dass Freiwillige aus den Reihen der Lehrgangsteilnehmer mit den verschiedenen, an den jeweiligen Übungsstationen vom Seminarveranstalter vorgegebenen Löschmitteln (z.B. Wasser, Löschschaum, CO₂-Löscher) Brände löschen sollten. Bei dem Übungsbrand an dem Kraftfahrzeug entstand eine sehr große Hitze, so dass sich das Feuer immer wieder neu entzündet hat und ein wiederholtes Nachlöschen erforderlich war. Gleiches galt für den Dummy, so dass dann, wenn der Brustbereich des Dummy gelöscht war, sich auf dem Rücken erneut Flammen zeigten und der Lehrgangsteilnehmer um den Dummy herumgehen musste, um auch diesen Bereich wieder zu löschen. Geleitet hat den praktischen Übungsteil der Leiter des o.g. Seminars, Herr …, der auch die Möglichkeit hatte, jederzeit bei den Löschversuchen der Lehrgangsteilnehmer einzugreifen. Letzteres war bei den Löschversuchen des Klägers nicht der Fall. Der Seminarleiter trug während dieser praktischen Ausbildung - im Gegensatz zu den Lehrgangsteilnehmern - eine Schutzkleidung und ein herunterklappbares durchsichtiges Visier, welches nach unten nicht abgeschlossen war. Wie sich aus den Ausführungen des vom Landgericht Wiesbaden bestellten Sachverständigen, …, in seinem Gutachten vom 2. Dezember 2021 ergibt, sehen die einschlägigen Vorschriften für die Durchführung von praktischen Löschübungen mit Feuerlöscheinrichtungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Fachbereich Feuerwehrhilfsleistungen, Brandschutz, Sachgebiet betrieblicher Brandschutz, keine Ausstattung von Seminarteilnehmern mit Atemschutzmasken bzw. Schutzbekleidung vor.
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Nach alledem steht zur Überzeugungsgewissheit des Gerichts fest, dass der praktische Teil des Seminars auf einem besonderen, für die Durchführung von Löschversuchen geeigneten Übungsgelände unter Aufsicht eines Lehrgangsleiters stattgefunden hat. Der Lehrgangsleiter war mit einer besonderen Schutzausrüstung ausgestattet, so dass er im Notfall jederzeit in die Löschversuche der Lehrgangsteilnehmer eingreifen konnte. An den verschiedenen Löschstationen standen ausschließlich die für das konkrete Löschobjekt erforderlichen Löschmittel bereit. Auch bei einem in der vorstehend geschilderten Fallkonstellation vorliegenden Übungsszenario besteht zwar in einem gewissen Umfang die Möglichkeit einer Selbstgefährdung der Lehrgangsteilnehmer. Gleichwohl bestand aber zur Überzeugung des Gerichts angesichts der oben dargelegten Rahmenbedingungen für den praktischen Übungsteil für den Kläger keine überwiegende Wahrscheinlichkeit, bei dem Löschversuch ums Leben zu kommen, so dass die Annahme einer besonderen Lebensgefahr im Sinne von § 37 Abs. 1 BeamtVG zu verneinen ist. Vielmehr war für die unstreitig eingetretenen, erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers eine Verkettung ungünstiger Umstände maßgeblich.
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4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der - wenn überhaupt anfallenden - dann allenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen der Beklagten nicht, zumal diese auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.
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5. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.