Inhalt

VGH München, Beschluss v. 05.12.2022 – 9 ZB 22.1076
Titel:

Erfolglose Nachbarklage gegen Mehrfamilienhaus

Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5
BauGB § 34 Abs. 1, Abs. 2
BauNVO § 15 Abs. 1
Leitsätze:
1. Für ein nachbarrechtswidriges Umschlagen von Quantität in Qualität muss die Art der baulichen Nutzung derart erfasst oder berührt werden, dass bei typisierender Betrachtung im Ergebnis ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets angenommen werden muss. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Weder das Baugesetzbuch noch die Baunutzungsverordnung kennen eine Unterscheidung (in Bezug auf die Art der baulichen Nutzung) zwischen Wohnen in Einfamilien- und Wohnen in Mehrfamilienhäusern. Die Zahl der Wohnungen ist - jedenfalls im Anwendungsbereich des § 34 BauGB - kein artprägendes Merkmal. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es besteht grundsätzlich kein Anspruch aus Bauplanungsrecht, von jeder Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung und Besonnung verschont zu bleiben. Hält ein Vorhaben die bauordnungsrechtlich vorgeschriebenen Abstandsflächen ein, scheidet zumindest aus tatsächlichen Gründen eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme im Regelfall aus. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Innenbereich, Drittschutz, Rücksichtnahmegebot, Maß der baulichen Nutzung, Verfahrensfehler (verneint), schriftlicher Beweisantrag, Verzicht auf mündliche Verhandlung, Zahl der Wohnungen, Verschattung
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 08.03.2022 – W 4 K 21.761
Fundstelle:
BeckRS 2022, 36344

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich als Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks (FlNr. …, Gemarkung G* …*) gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines aus zwei miteinander verbundenen Hausteilen bestehenden Mehrfamilienhauses auf dem in nordwestlicher Richtung gelegenen Nachbargrundstück (FlNr. …*).
2
Das Verwaltungsgericht hat am 14. Dezember 2021 über die örtlichen Verhältnisse einen Augenschein eingenommen. Laut Protokoll haben die Beteiligten dabei auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Mit Urteil vom 8. März 2022 hat das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage abgewiesen, weil die Baugenehmigung den Kläger nicht in eigenen Rechten verletze. Das Vorhaben liege im unbeplanten Innenbereich und die nähere Umgebung sei von Wohnnutzung geprägt. Der Kläger könne sich daher nicht auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen. Ein nachbarrechtswidriges Umschlagen von Quantität in Qualität sei ebenfalls nicht gegeben, weil kein Widerspruch zur Eigenart des Gebiets erkennbar sei. Hinsichtlich der Gebäudehöhe füge sich das Vorhaben in die nähere Umgebung ein. Zudem vermittle § 34 Abs. 1 BauGB in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung und die überbaubare Grundstücksfläche ohnehin keinen Drittschutz. Schließlich liege auch kein Verstoß gegen das drittschützende Rücksichtnahmegebot vor. Unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem der beim Augenschein gewonnenen Eindrücke, sei das Vorhaben nicht rücksichtslos. Es weise eine mit den Bestandsgebäuden vergleichbare Höhenentwicklung auf und halte zum klägerischen Anwesen die erforderlichen Abstandsflächen ein. Der dem Grundstück des Klägers zugewandte Teil des Baukörpers führe auch nicht zu einer Beeinträchtigung im Form einer „abriegelnden“ oder „erdrückenden“ Wirkung. Eine Unzumutbarkeit sei auch in Bezug auf die Belichtung und Belüftung nicht festzustellen.
3
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter und macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sowie Verfahrensmängel geltend. Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil; die Beigeladene hat sich im Zulassungsverfahren nicht geäußert.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
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a) Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils in diesem Sinn bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 13.5.2020 - 1 BvR 1521/17 - juris Rn. 10; B.v. 16.7.2013 - 1 BvR 3057/11 - BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 36; BayVGH, B.v. 12.4.2021 - 8 ZB 21.23 - juris Rn. 8). Das ist hier nicht der Fall.
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Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich Dritte - wie hier der Kläger als Nachbar - nur dann im Wege einer Anfechtungsklage mit Aussicht auf Erfolg gegen eine Baugenehmigung zur Wehr setzen können, wenn diese nicht nur rechtswidrig ist, sondern die Rechtswidrigkeit auch auf der Verletzung einer Norm beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Dritten zu dienen bestimmt ist (sog. Schutznormtheorie, vgl. etwa BayVGH, B.v. 30.7.2019 - 15 CS 19.1227 - juris). Es hat eine Rechtsverletzung unter Verweis auf die im Rahmen des Augenscheins gewonnenen Ortskenntnisse nachvollziehbar verneint. Auch auf Basis des Vortrags im Zulassungsverfahren ist nicht ersichtlich, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung wegen Verletzung einer dritt- bzw. nachbarschützenden Norm rechtswidrig sein und subjektive Rechte des Klägers verletzen könnte, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
8
aa) Unter Berücksichtigung der Zulassungsbegründung sowie der Aktenlage ergibt sich kein Gebietserhaltungsanspruch des Klägers. Das Vorhaben fügt sich vielmehr als Mehrfamilienwohnhaus nach der Art der baulichen in die maßgeblich von Wohnnutzung geprägte nähere Umgebung ein.
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Mit der sinngemäß aufgeworfenen Frage, ob bei dem Bauvorhaben „Quantität in Qualität“ umschlagen könnte, hat sich das Verwaltungsgericht ebenfalls hinreichend auseinandergesetzt. Selbst wenn man einen Anspruch des Klägers auf Wahrung der typischen Prägung des Gebiets („Gebietsprägungsanspruch“ oder „Gebietsprägungserhaltungsanspruch“) für denkbar hält (vgl. die Nachweise bei BayVGH, B.v. 21.2.2022 - 9 CS 22.81 - juris Rn. 10), liegt ein solcher nicht vor. Für ein nachbarrechtswidriges Umschlagen von Quantität in Qualität müsste die Art der baulichen Nutzung derart erfasst oder berührt werden, dass bei typisierender Betrachtung im Ergebnis ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets angenommen werden müsste (BayVGH, B.v. 4.3.2021 - 15 ZB 20.3151 - juris Rn. 16 m.w.N.; B.v. 22.6.2021 - 9 ZB 21.466 - juris Rn. 8). Ein Vorliegen der strengen Voraussetzungen eines solchen Ausnahmefalls ist nicht ersichtlich. Die im Wesentlichen durch Wohnbebauung geprägte Art der baulichen Nutzung in der näheren Umgebung bleibt durch das Mehrfamilienhaus unberührt. Weder das Baugesetzbuch noch die Baunutzungsverordnung kennen eine Unterscheidung (in Bezug auf die Art der baulichen Nutzung) zwischen Wohnen in Einfamilien- und Wohnen in Mehrfamilienhäusern (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2021 - 15 ZB 20.3151 - a.a.O.). Warum hier die Größe der baulichen Anlage nicht nur das Maß, sondern ausnahmsweise auch die Art der baulichen Nutzung erfassen sollte (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.1995 - 4 C 3.94 - juris Rn. 17), wird nicht erkennbar. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, dass die Zahl der Wohnungen - jedenfalls im hier vorliegenden Anwendungsbereich des § 34 BauGB - kein artprägendes Merkmal ist (vgl. BayVGH, B.v. 15.10.2019 - 15 ZB 19.1221 - juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 5.11.2019 - 9 CS 19.1767 - juris Rn. 15; B.v. 21.2.2022 - 9 CS 22.81 - juris Rn. 10). Es hat die bloßen Ausmaße des Gebäudes zu Recht als nicht ausreichend angesehen, weil § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO nicht auf das Maß der baulichen Nutzung abstellt und Gründe dafür, dass ein Wohnen in Mehrfamilienhäusern gegenüber einem Wohnen in Einfamilienhäusern negativ zu beurteilen sein könnte (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2021 - 9 ZB 21.466 - a.a.O. m.w.N.), nicht vorliegen.
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bb) Soweit der Kläger einwendet, das Bauvorhaben füge sich als übergroßer, kasernenartiger Baukomplex nicht in die nähere Umgebung ein, dringt er damit ebenfalls nicht durch. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass § 34 Abs. 1 BauGB keine generell drittschützende Wirkung entfaltet. Es reicht daher nicht aus, dass sich ein Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise oder der überbaubaren Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (vgl. BayVGH, B.v. 21.2.2022 - 9 CS 22.81 - juris Rn. 7). Der Nachbarschutz richtet sich vielmehr nach dem im Merkmal des Einfügens enthaltenen (eigentlich objektivrechtlichen) Gebot der Rücksichtnahme, das wiederum nur dann nachbarschützenden Charakter hat, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (OVG LSA, B.v. 15.2.2021 - 2 M 121/20 - juris Rn. 18 m.w.N.; vgl. dazu grundlegend BVerwG, U.v. 25.2.1977 - IV C 22.75 - juris Rn. 26 ff.).
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Dass dies der Fall sein könnte, hat das Verwaltungsgericht - auch in Bezug auf die Dimensionierung des Vorhabens - nachvollziehbar verneint. Es hat zu Recht darauf abgestellt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zu bejahen ist, wenn nach der Gesamtschau der Umstände des konkreten Einzelfalls von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung im Sinne einer „abriegelnden“ oder „erdrückenden“ Wirkung ausgeht, die vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht kommt (vgl. BayVGH, B.v. 26.11.2018 - 9 ZB 18.912 - juris Rn. 10; B.v. 5.11.2019 - 9 CS 19.1767 - juris Rn. 22; B.v. 13.9.2022 - 15 CS 22.1851 - juris Rn. 17 m.w.N.). Dies wurde etwa im Fall einer grenznahen 11,5 m hohen und 13,31 m langen, wie eine „riesenhafte metallische Mauer“ wirkenden Siloanlage bei einem sieben Meter breiten Nachbargrundstück bejaht (BVerwG, U.v. 23.5.1986 - 4 C 34.85 - DVBl 1986, 1271 = juris Rn. 15). Das Verwaltungsgericht hat hier die erforderliche Gesamtschau vorgenommen. Es hat unter Einbeziehung der konkreten Grundstückssituation - einschließlich der Bebauung auf dem klägerischen Grundstück - Lage, Höhe und Abstände der einzelnen Baukörper bewertet und eine erdrückende Wirkung des Bauvorhabens auf das Grundstück des Klägers nachvollziehbar verneint. Dem Vorbringen des Klägers lässt sich nicht entnehmen, dass das Bauvorhaben in der Gesamtschau derart übermächtig erscheint, dass das klägerische Gebäude nur noch oder überwiegend wie eine von einem herrschenden Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird (vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2019 - 9 CS 19.1767 - juris Rn. 22 m.w.N.). Entgegen seiner Ansicht reicht hierfür nicht aus, dass das Bauvorhaben bei vergleichbaren Höhenentwicklungen ein Flachdach aufweist und dass es sich nicht lediglich um ein Einfamilienhaus, sondern um zwei Mehrfamilienhäuser mit einem gemeinsamen Treppenhaus handelt. Vielmehr wurde im streitgegenständlichen Urteil zu Recht auf den dem klägerischen Grundstück zugewandten Teil des Baukörpers sowie darauf abgestellt, dass das Vorhaben in einem hinreichenden, die Vorgaben des Art. 6 BayBO einhaltenden Abstand zum klägerischen Grundstück errichtet wird (vgl. zur Indizwirkung der Abstandsflächen BayVGH, B.v. 13.9.2022 - 15 CS 22.1851 - juris Rn. 17 m.w.N.).
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cc) Die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ist auch nicht aufgrund des Einwands zweifelhaft, der Bau des Mehrfamilienhauses führe zur Rücksichtslosigkeit bzw. Unzumutbarkeit in Bezug auf die zu befürchtende Verschattung des klägerischen Anwesens. Es besteht grundsätzlich kein Anspruch aus Bauplanungsrecht, von jeder Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung und Besonnung verschont zu bleiben. Das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot kann zwar auch dann verletzt sein, wenn die landesrechtlichen Abstandsvorschriften beachtet worden sind (BVerwG, B.v. 27.3.2018 - 4 B 50.17 - juris Rn. 4 m.w.N.). Hält ein Vorhaben die bauordnungsrechtlich vorgeschriebenen Abstandsflächen ein, scheidet aber zumindest aus tatsächlichen Gründen eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme im Regelfall aus (BayVGH, B.v. 7.2.2020 - 1 CS 19.2392 - juris Rn. 15; B.v. 6.12.2021 - 15 ZB 21.2360 - juris Rn. 16, jew. m.w.N.; vgl. auch BVerwG, B.v. 27.3.2018 - 4 B 50.17 - a.a.O.). Dass hier ein abweichender Sonderfall vorliegt, hat das Verwaltungsgericht auf der Grundlage der beim Augenschein gewonnenen Eindrücke unter Hinweis auf die Lage des Baugrundstücks nordwestlich des klägerischen Anwesens und auf die Ausmaße des diesem zugewandten Baukörpers nachvollziehbar verneint. Der Kläger setzt insofern nur seine eigene Beurteilung an die Stelle der überzeugenden Darlegungen im Urteil und behauptet pauschal eine unzumutbare Minderung der Wohnqualität.
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b) Eine Zulassung der Berufung hat nicht wegen eines Verfahrensmangels gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu erfolgen. Es liegt vor allem kein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz und gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) vor. Zur Darlegung eines solchen Verstoßes muss substantiiert ausgeführt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 22.11.2013 - 7 B 16.13 - juris Rn. 4 m.w.N.; BayVGH, B.v. 16.1.2015 - 22 ZB 13.2608 - juris Rn. 14).
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Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat (§ 86 Abs. 2 VwGO). Wenn von einem solchen Beteiligten kein förmlicher, unbedingter Beweisantrag gestellt wird, muss sich dem Gericht eine entsprechende Beweisaufnahme von Amts wegen in der Regel nicht aufdrängen (BayVGH, B.v. 18.4.2007 - 22 ZB 07.222 - juris Rn. 17; B.v. 27.7.2022 - 9 ZB 22.431 - juris Rn. 18, jew. m.w.N.; vgl. auch BVerwG, B.v. 20.12.2012 - 4 B 20.12 - BRS 79 Nr. 73 = juris Rn. 7). Entsprechendes gilt, wenn wie hier Beweisanträge vor dem Verzicht auf mündliche Verhandlung gestellt worden sind, weil sich die Beteiligten dann der Möglichkeit zur Geltendmachung des Anspruchs auf Vorabentscheidung aus § 86 Abs. 2 VwGO begeben haben (BVerwG, B.v. 29.3.1979 - 7 B 27.78 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 106 S. 160 = juris Rn.11; B.v. 10.10.2013 - 1 B 15.13 - juris Rn. 7 f.; BayVGH, B.v. 27.7.2022 - 9 ZB 22.431 - a.a.O.).
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Warum das Verwaltungsgericht hier auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zur weiteren Aufklärung hätte sehen sollen, ist nicht ersichtlich. Es hat sich vielmehr im Rahmen des Augenscheins ein Bild von den Gesamtumständen vor Ort gemacht. Einer genaueren Ermittlung der Auswirkungen des Bauvorhabens auf den Lichteinfall in das klägerische Anwesen bedurfte es nicht. Angesichts der Tatsache, dass das Bauvorhaben nordwestlich des klägerischen Anwesens verwirklicht werden soll und beide Gebäude an einem von Südwesten nach Nordosten ansteigenden Hang liegen, konnte es ohne Weiteres davon ausgehen, dass keine unzumutbaren Auswirkungen in Bezug auf den Lichteinfall zu befürchten sind. Diese Beurteilung lässt sich - bei Einbeziehung des in groben Zügen jedermann bekannten Sonnenverlaufs - auf Grundlage der vorliegenden Pläne, der beim Augenschein gefertigten Lichtbilder sowie der über das Geoportal Bayernatlas frei abrufbaren Luftbilder und Geländedarstellungen, wie sie auch von der Klägerbevollmächtigten als Anlagen vorgelegt wurden, ohne Weiteres nachvollziehen. Dabei handelt es sich um Tatsachen, die im Rahmen der allgemeinen Lebenserfahrung gewonnen und beurteilt werden können, so dass die Erhebung eines Sachverständigengutachtens verzichtbar war (vgl. BVerwG, B.v. 2.4.1991 - 3 B 133.90 - juris Rn. 6). Die Notwendigkeit einer besonderen Sachkunde (vgl. BVerwG, U.v. 20.8.1986 - 8 C 55.84 - juris Rn. 14) wurde im Zulassungsvorbringen lediglich behauptet. Soweit der Kläger einen anderen Rechtsstandpunkt zugrunde legen wollte, kommt es darauf schon deshalb nicht an, weil für die Prüfung des Verfahrensfehlers grundsätzlich auf die Rechtsauffassung des jeweiligen Gerichts abzustellen ist (vgl. BVerwG, U.v. 30.11.1983 - 8 C 66.82 - juris Rn. 5; B.v. 2.4.2022 - 2 B 48.21 - juris LS), die hier zudem keinen Bedenken begegnet (vgl. oben a)).
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Entsprechendes gilt für Tatsachenfeststellungen in Bezug auf eine Rücksichtslosigkeit in Form einer „erdrückenden Wirkung“. Auch insofern bestand vom Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts aus kein Bedarf zu weiterer Sachverhaltsaufklärung. Im Übrigen wurde in der Zulassungsbegründung nicht dargelegt, welche Tatsachen hätten unter Beweis gestellt werden sollen. Bei der aufgeworfenen Frage, ob ein Vorhaben als rücksichtslos einzustufen ist, handelt es sich zudem um eine vom Gericht zu beurteilende Rechtsfrage. Ebenso wenig wurde ausgeführt, zu welchem Ergebnis ein insofern einzuholendes Sachverständigengutachten im Einzelnen gelangt wäre.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladene hat sich im Zulassungsverfahren nicht geäußert. Es entspricht deshalb der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013 und entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).