Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 15.06.2022 – AN 3 K 21.01493
Titel:

Erfolglose Klage eines Sondereigentümers u.a. gegen Errichtung von Balkonen

Normenketten:
WEG § 13 Abs. 1 Hs. 2
BauGB § 34 Abs. 1
BayBO Art. 6, Art. 63
Leitsätze:
1. Ein Sondereigentümer kann gem. § 13 Abs. 1 Hs. 2 WEG baurechtliche Nachbarrechte aus eigenem Recht nur geltend machen, wenn eine konkrete Beeinträchtigung seines Sondereigentums in Frage steht. Dies ist zB der Fall, wenn das Sondereigentum im Bereich der Abstandsflächen liegt oder das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot das Sondereigentum betrifft. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Gebot der Rücksichtnahme gibt den Nachbarn nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen verschont zu bleiben. Ein Verschattungseffekt als typische Folge der Bebauung ist insbesondere in innergemeindlichen bzw. innerstädtischen Lagen bis zu einer im Einzelfall zu bestimmenden Unzumutbarkeitsgrenze in der Regel nicht rücksichtslos und hinzunehmen. Mögliche Verringerungen des Lichteinfalls sind in aller Regel im Rahmen der Veränderung der baulichen Situation hinzunehmen. (Rn. 64) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nachbarn sind grundsätzlich nicht gegen Einblickmöglichkeiten von den angrenzenden Grundstücken aus geschützt. Das Bauplanungsrecht vermittelt keinen generellen Schutz vor unerwünschten Einblicken. Allenfalls in besonderen, von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls geprägten Ausnahmefällen kann sich unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme etwas anderes ergeben. (Rn. 68) (redaktioneller Leitsatz)
4. In dicht bebauten innerstädtischen Bereichen ist eine atypische Situation anzunehmen, wenn jede bauliche Veränderung entsprechend der vorgegebenen baulichen Situation geeignet ist, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen. (Rn. 75) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarklage, Klagebefugnis bei Sondereigentum, Gebot der Rücksichtnahme, faktische hintere Baugrenze, einmauernde oder erdrückende Wirkung, Einblickmöglichkeiten, Abweichung von Abstandsflächen, Verschattung, Schaffung von zeitgemäßem Wohnraum, Treu und Glauben
Fundstelle:
BeckRS 2022, 32742

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
3. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte oder die Beigeladene zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen von der Beklagten erteilte Baugenehmigung für die Errichtung von Balkonen im Hinterhof und Umstrukturierung der Wohnungsgrundrisse (Tausch von Küche und Bad) in einem Mehrfamilienhaus.
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Die Beigeladene ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … ( …). Das Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich. Bei dem Gebäude handelt sich um ein historisches fünfgeschossiges Mehrfamilienhaus im Stadtkern der Beklagten aus dem Baujahr 1903/04 im Jugendstil. Das Objekt ist als Einzeldenkmal gelistet. An das Grundstück grenzt in südöstlicher Richtung das Grundstück FlNr. …, bebaut u. a. mit dem Gebäude …, das unmittelbar an die südöstliche Hauswand des streitgegenständlichen Vorhabens angrenzt. In nordwestlicher Richtung grenzt das Grundstück FlNr. … ( …) an. Das Grundstück ist mit einem Mehrfamilienhaus, das unmittelbar L-förmig an die nordwestliche Hauswand des Gebäudes … angrenzt, bebaut. An die Rückseite der Gebäude … und … grenzt in nordöstlicher Richtung ein Hinterhofareal, das sowohl auf den Grundstücken FlNr. … als auch … liegt. Die Grundstücksgrenze zwischen den beiden Grundstücken teilt den Hinterhof etwa in einem Winkel von 45 Grad. Auf der Grundstücksgrenze ist eine Mauer errichtet. Auf dem Grundstück FlNr. … befindet sich direkt im L-Winkel ausgerichtet Richtung Hinterhof eine über fünf Stockwerke gehende Balkonanlage mit den Abmessungen von etwa 2 m x 2,5 m.
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Der Kläger ist Eigentümer einer Wohnung im Mehrfamilienhaus … Mit Antrag vom 16. Dezember 2020, bei der Beklagten eingegangen am 21. Dezember 2020, beantragte die Beigeladene eine Baugenehmigung für die Errichtung von Balkonen im Hinterhof sowie die Umstrukturierung der Wohnungsgrundrisse (Tausch von Küche und Bad). Aus den nachgeforderten Unterlagen ergibt sich, dass in Richtung Hinterhof zwei über vier Stockwerke gehende Balkonanlagen errichtet werden sollen, wovon die näher am Grundstück FlNr. … gelegene Balkonanlage 1,5 m in den Innenhof hineinragen und 2 m breit sein soll, während die näher am Grundstück FlNr. … gelegene Balkonanlage 1,5 m in den Innenhof hineinragen und 2,25 m breit sein soll. Die Oberkante der höchsten Balkonumrandung beträgt ca. 10,43 m. Die Bau- und Sanierungsbeschreibung führt hinsichtlich der Balkone aus, dass diese als Metallkonstruktion angeständert würden. Größe und Ausführungen der Balkone richten sich nach der Genehmigungsplanung. Der Belag werde in Holz, Stein oder Metall und die Absturzsicherung mit Holz oder Metall (nach Vorgaben der Unteren Denkmalschutzbehörde) ausgeführt.
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Mit denkmalschutzrechtlicher Verfügung vom 1. Juni 2021 untersagte die Beklagte mit sofortiger Wirkung die Durchführung von Bauarbeiten im Gebäude … Die Verfügung wurde für sofort vollziehbar erklärt.
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Mit Schreiben vom 29. Juni 2021 nahm das Architekturbüro der Beigeladenen hinsichtlich der Abstandsflächen durch die Balkone Stellung und führte aus, dass die geplante Balkonanlage im Sinne der untergeordneten Bauteile nach Art. 6 Abs. 6 Satz 2 Buchst. a bis c BayBO dimensioniert worden seien. Dementsprechend lösten die östlichen Balkone keine Abstandsflächen aus. Die westliche Balkonzeile befinde sich jedoch näher als 2 m an der Grundstücksgrenze zu Flurstück 592/4. Aufgrund der atypischen Grundstücksform und der fixierten historischen Grundrissaufteilung inklusive der maßgeblichen Begrenzung der betreffenden Wohnungen durch das historische Treppenhaus sei eine alternative Positionierung der beabsichtigten westlichen Balkone nicht möglich. Im Hinblick auf die bereits errichteten Nachbarbalkone auf dem Flurstück … solle die Wohnqualität im Objekt … angeglichen werden. Durch die unmittelbare Nähe der bestehenden Balkonanlage des Flurstücks … zur Brandwand und damit zur Grundstücksgrenze werde kein überwiegender Nachteil durch die Errichtung zweier Balkonanlagen auf dem Flurstück …, welche sich in ihrer Dimensionierung sowie ihrem Abstand zur Grundstücksgrenze zurückhalte, gesehen. Neben der erhöhten Wohnqualität werde auch eine Nutzbarkeit des suboptimal geformten Innenhofs erreicht. Um die Privatsphäre der Nachbarn dennoch zu schützen, könne man sich bei Bedarf einen Sichtschutz an der Westseite der westlichen Balkonanlage vorstellen. Um die Belichtungsqualität des Innenhofs für keinen Nutzer einzuschränken, seien die Balkone derart dimensioniert, dass sie sich innerhalb des Lichtprofils der bestehenden Traufkante befänden. Ein Nachteil für die benachbarten Wohnungen sei nicht zu erwarten.
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Mit Bescheid vom 8. Juli 2021 wurde die beantragte Baugenehmigung für das Bauvorhaben zusammen mit der sanierungsrechtlichen Genehmigung gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 145 Abs. 1 Satz 1 BauGB erteilt. Hinsichtlich der Abstandsflächenregelung des Art. 6 BayBO wurde nach Art. 63 BayBO eine Abweichung für die Überschreitung der Abstandsflächen nach Nordosten auf das angrenzende Grundstück FlNr. … zugelassen.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass durch die beiden Balkone Abstandsflächen ausgelöst würden. Die Vorderkante des westlichen Balkons werde parallel zur schräg verlaufenden Grenze im Abstand von 0,73 m errichtet. Durch den atypischen Grundstückszuschnitt werde die Abstandsfläche überschritten und komme mit einer Fläche von ca. 4,30 qm auf dem angrenzenden Grundstück …, FlNr. … zum Liegen. Auch der hofseitige Balkon des seitlich angrenzenden Nachbarn … überschreite die Abstandsflächen auf das Grundstück. Um eine sinnvolle Nutzung der Balkonanlage zu ermöglichen, sei die geplante Größe notwendig und erforderlich und trage auch in angemessener Weise zu einer Verbesserung der Wohnqualität bei. Eine Beeinträchtigung der Wohnqualität der benachbarten Anwesen sei nicht gegeben. Die Belichtung und Besonnung der Nachbargrundstücke werde nicht verschlechtert. Die Abweichungen vom Abstandsflächenrecht der BayBO seien aufgrund der Situierung des geplanten Vorhabens in dieser Form notwendig, erforderlich und angemessen. Aufgrund gegenseitiger Verletzung der Abstandsflächen entspreche es daher dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis, dass für die Errichtung der Balkone die Abweichung erteilt werde.
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Im Übrigen enthielt die Baugenehmigung insbesondere Auflagen zur Umsetzung des Denkmalschutzes. Die Baugenehmigung wurde den betroffenen Nachbarn mit Postzustellurkunde zugestellt. Dem Kläger wurde eine Ausfertigung der Baugenehmigung nachweislich der Postzustellungsurkunde am 24. Juli 2021 zugestellt.
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Der Kläger ließ mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 13. August 2021, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangen über das besondere Anwaltspostfach am selben Tag, Klage erheben und beantragen,
1. den Baugenehmigungsbescheid der Beklagten vom 8. Juli 2021, Az. … aufzuheben.
2. der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
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Mit Beschluss vom 16. August 2021 wurde die Bauherrin notwendig zum Verfahren beigeladen.
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Zur Begründung führte der Bevollmächtige mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2021 aus, dass die westliche Balkonanlage in einem Abstand von ca. 3,5 m direkt vor die bestehende Balkonanlage des Klägers gebaut werden solle. Die geplanten Balkone ragten 1,5 m aus dem Gebäude heraus. Da das Gebäude des Beigeladenen bereits ca. 50 cm aus der Bebauung herauskrage, würde die geplante Balkonanlage mehr als 2 m aus der Außenwand vortreten. Die Traufhöhe betrage ca. 12,54 m. Die geplante Balkonanlage verstoße gegen die Abstandsflächenregelung nach Art. 6 BayBO und somit gegen eine nachbarschützende Norm, die insbesondere die Wohnqualität hinsichtlich Belüftung, Belichtung, Lärm und Gerüche wahren solle. Zudem sei die Planung bauplanungsrechtlich rücksichtslos.
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Eine Abweichung von Art. 6 BayBO könne nach Art. 63 BayBO nur erfolgen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Satz 1 BayBO vereinbar sei. Da ein Fall nach Art. 63 Abs. 1 Satz 2 BayBO nicht vorliege, seien entsprechende Abwägungen zu treffen. Die Begründung der Beklagten sei auf mehreren Ebenen falsch. So sei bereits falsch, dass eine Beeinträchtigung des benachbarten Anwesens nicht gegeben sei und die Belichtung und Beschattung des Nachbargrundstücks nicht verschlechtert werde. Insbesondere von dem Balkon des Klägers und seiner Miteigentümer aus gesehen werde nun in einem Abstand von ca. 3,5 m eine Balkonanlage so gesetzt, dass eine nahezu vollständige Verschattung in südöstlicher Richtung stattfinde. Die geplanten Balkone lägen komplett im Haupteinfallbereich der Sonne für das klägerische Anwesen, insbesondere die dort bereits errichteten Balkone. Die Südostseite des klägerischen Grundstücks werde bei der ohnehin bereits engen Innenhofsituation erheblich verschlechtert, so dass es enorme Einbußen an Lebens- und Wohnqualität festzustellen gebe. Selbst wenn seitliche Abstandsflächen nicht zu beachten wären, sei doch festzustellen, dass gerade die Fläche von mehr als 2 m, die das Gebäude der Beigeladenen nun auskrage, für einen ganz erheblichen Schatten zu den meisten Sonnenzeiten direkt auf die südlichen Räume und Balkone des klägerischen Grundstücks werfe. Die seitlichen Abstandsflächen der Balkone seien für den vorliegenden Fall durchaus zu berücksichtigen, so dass der Abstandsflächenverstoß sogar noch größer sei, als von der Beklagten angenommen. Auch wäre durch die neu errichteten Balkone die Privatsphäre des klägerischen Gebäudes erheblich beeinträchtigt. Durch die neuen Balkone könne man direkt in die Wohnungen auf dem klägerischen Grundstück einsehen, obwohl diese Sozialräume gerade besonders geschützt werden sollten. Dies sei gerade auch nicht wechselseitig der Fall, weil die klägerische Balkonanlage zurückgesetzt im Gebäude liege und zudem noch hinter der Auskragung und der Fensterreihe des Gebäudes der Beigeladenen. Von dort aus könne man eben nicht in die Wohnungen der Beigeladenen einsehen.
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Die Verschattung werde durch die geplante Balkonanlage noch drastischer werden, sollten Sichtschutzvorrichtungen auf den Balkonen angebracht werden. Dies habe die Beigeladene im Antragsverfahren als Vorschlag bezüglich Bedenken in Privatsphärenhinsicht unterbreitet. Dies hätte jedoch zur Folge, dass die neuen Balkone sicherlich von einer gewissen Steigerung der Wohnqualität profitierten, während das klägerische Anwesen erheblich verschattet und regelrecht eingebaut würde.
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Es liege auch keine Wechselwirkung bezüglich relevanter Abstandsflächenverstöße vor, wie von der Beklagten behauptet. Das Gebäude der Beigeladenen sei in keiner Weise durch das klägerische Gebäude beeinträchtigt. Die dort bereits vor längerer Zeit errichteten Balkone lägen sogar zurückgezogen im Gebäude und hinter der Auskragung des Gebäudes der Beigeladenen. Auch eine besondere Atypik der vorliegenden Verhältnisse sei nicht zu erkennen, es handle sich um ein geteiltes Eckgrundstück mit einem schrägen Grenzverlauf.
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Gründe für eine Abweichung lägen nicht vor. Insbesondere habe keine korrekte Abwägung stattgefunden. Unter Berücksichtigung des Zwecks des Art. 6 BayBO und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen sei eine Abweichung vorliegend nicht gerechtfertigt. Aus vorgenannten Gründen sei auch die nachbarschaftliche Rücksichtnahme durch das geplante Vorhaben gestört. Das klägerische Grundstück und der Kläger würden unzumutbar in eigenen Rechten verletzt, da erhebliche Beeinträchtigungen bezüglich Belichtung, Belüftung, der allgemeinen Lebens- und Wohnverhältnisse zu befürchten seien.
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Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2021,
die Klage abzuweisen und dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Vorhaben bauplanungsrechtlich nach § 34 BauGB zu beurteilen sei. Die nähere Umgebung sei in zwei Richtung ermittelt worden. In Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung und umgekehrt von der Umgebung in Richtung auf das Vorhaben. Hinsichtlich des vom Bauvorhaben ausgehenden Störpotentials sei der Rahmen recht klein zu ziehen und beschränke sich im Wesentlichen auf die unmittelbare Nachbarschaft ( …, … und …) nebst gegenüberliegender Straßenseite. Im Hinblick auf seine Störungsempfindlichkeit sei der Rahmen größer zu ziehen, so dass auch der im Blockinnenbereich gelegene Einzelhandelsbetrieb … nebst Parkplatz (Flurstück …) einbezogen worden sei.
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Die geplanten Balkone fügten sich nach der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein, die schwerpunktmäßig durch Wohnen geprägt werde. Vereinzelt fänden sich auch Gewerbebetriebe (z. B. Kfz-Technik), Anlagen für soziale Zwecke, Gemeinbedarfseinrichtungen und ein Einzelhandelsbetrieb (Discounter …). Ein faktisches Baugebiet werde vorliegend nicht angenommen.
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Aufgrund der geringe Größe der einzelnen Balkone von jeweils aufgerundet nur 3 qm sei vorliegend von Freisitzen auszugehen, die das Wohnen ergänzten. Eine Verlagerung der Wohnnutzung nach außen finde aufgrund der Kleinflächigkeit nicht statt. Das Gebäudevolumen werde durch die angebrachten Balkone nicht maßgeblich tangiert. Aufgrund der äußerst geringen Abmessungen der Balkonanlagen sei das Vorhaben für das Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung irrelevant. Das Einfügungskriterium der Grundstücksfläche, die überbaut werden solle, stelle auf die konkrete Lage des Vorhabens ab. Die Erwähnung der überbaubaren Grundstücksfläche bedeute nicht, dass ein neues Bauwerk sich exakt an die durch die vorhandenen Bauwerke gebildete faktische Baugrenze halten müsse (BVerwG v. 23.11.1998 - 4 B 29.98). Das Sehen einer faktischen und verrückbaren Baugrenze an der Außenwand des Gebäudes … erscheine vorliegend ohnehin durchaus fragwürdig, nachdem im engeren Einfügungsrahmen eine durch die Baufluchten angenommene hintere Baugrenze durchaus nicht homogen durchlaufe, sondern teils massiv in den Blockinnenbereich verspringe. Aus bauplanungsrechtlicher Sicht werde bei Hochhalten einer faktischen rückwärtigen Baugrenze von einem Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaße ausgegangen und als zulässig beurteilt, § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO. Denn ein Gebäudeteil sei dann untergeordnet, wenn er seiner Art und seinem Umfang nach und auch in seinen Einwirkungen dem Gesamtbauvorhaben gegenüber nennenswert ins Gewicht falle und von der Baumasse her unbedeutend erscheine (HessVGH, B. v. 12.10.1995 - 4 TG 2941/95), was vorliegend zu bejahen sei. Maßgeblich für das Tatbestandsmerkmal der gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse sei vorliegend die Belichtung, Besonnung und Belüftung in Verbindung mit Lärmemissionen und Gerüchen durch das menschliche Miteinander. Das Maß an schädlichen Umwelteinwirkungen reduziere sich vorliegend auf Null. Auszugehen sei von normalen Geräuschen, die im Zusammenhang mit Wohnnutzung und dem menschlichen Miteinander im Rahmen dieser Nutzung stünden. Die Belichtung des Eckbereichs und insbesondere der unteren Geschosse sei aufgrund der Stellung der Gebäude, der geographischen Ausrichtung in Verbindung mit den vorhandenen Geschosshöhen und der baulichen Ausnutzung des Blockinnenbereichs (insbesondere …) durchaus nicht vorbildlich. Eine wesentliche Verschlechterung durch zusätzlich Verschattung sei allerdings nicht zu erwarten, da die geplante Balkonanlage aufgrund der geringen Vorkragung im Winter (17.01. morgens, mittags) nicht aus dem Schattenwurf des südlichen Balkonrandes (…) heraustrete. Auch im Frühling und Herbst (21.3. morgens, mittags; 21.9. morgens, nachtmittags) führe der in den Block hineingeführte Baukörper ( …) in Verbindung mit den Strukturen des südlichen Blockrandes (…) zu einer Verschattung bereits im Bestand. Hergeleitet seien diese Erkenntnisse aus einer gutachterlichen Verschattungsstudie auf der Grundlage der DIN 5034 „Tageslicht in Innenräumen“, die im Zusammenhang mit einem anderen Vorhaben erbracht worden sei, in Verbindung mit den jeweiligen Sonnenständen und den Gebäudehöhen des Umfelds. Die Situation im Sommer (21.6) sei in den Bauvorlagen bereits eingetragen. Auch hier treten die geplanten Balkone nicht aus dem Schatten der bestehenden Bebauung hervor. Neue wesentliche Beeinträchtigungen der Belichtung seien daher nicht zu befürchten.
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Das Gebot der Rücksichtnahme gebiete eine Abwägung der beiderseitigen Belange. Unzumutbar seien Einwirkungen, die nach der gegebenen Situation den Betroffenen billigerweise nicht mehr zugemutet werden könnten. Insbesondere das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Nutzungsarten könne gegebenenfalls zu beiderseitigen Beschränkungen führen. Dies sei vorliegend zu verneinen, zumal lediglich von einer Anpassung auszugehen sei, wenn in der unmittelbaren Nachbarschaft Balkonanlagen auch bereits vorhanden seien.
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Hinsichtlich der bauordnungsrechtlichen Beurteilung sei festzustellen, dass es sich bei keinem der vorhandenen Balkonanlagen (… und …) um privilegierte Vorbauten handle, da die dahinterliegenden Außenwände selbst nicht die Abstandsflächen auf eigenem Grund einhielten. Ferner halte der Bestandsbalkon … ebenso wenig einen Abstand von 2 m an der ungünstigsten Stelle zum Baugrundstück … ein.
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Eine Verschattung des Gebäudes … durch die geplanten Balkone … erfolge allenfalls von den östlich gelegenen Sozialräumen (Bad, WC bzw. Speise und Küche), da alle Aufenthaltsräume im Sinne von Art. 2 Abs. 7 BayBO von Hausnummer … zur …- und … gelegen seien. Von einer Verschattung der Sozialräume durch die geplanten Balkone könne jedoch keine Rede sein, da vielmehr die eigene ca. 2 m tiefe Balkonanlage der Nummer … selbst die dahinterliegenden Küchen und WCs bzw. Speise verschatten. Zudem sei eine Verschattung von Nichtaufenthaltsräumen nicht nachbarschützend. Eine Verschattung der Innenhofecke Nr. … inklusive bestehender Eckbalkonanlage sei bereits im denkmalgeschützten Bestand aufgrund der sich diagonal aufweitenden Hofaußenwand Nr. … und der vorhandenen Bäume gegeben. Die Küchenbalkone der Nr. … dienten zwar der Wohnqualität, ein nachbarschützender Anspruch auf einen besonnten Balkon bestehe jedoch nicht.
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Die mögliche Einsehbarkeit von Nichtaufenthaltsräumen durch die geplanten Balkone sei weder gegeben noch nachbarschützend. Die um mehr als 2 m vom eigenen Balkon zurückliegenden Küchen und WCs seien durch die eigenen Balkonbrüstungen eingehaust. Die WCs besäßen auch schmale Fenster, so dass eine auf einem Balkon stehende Person nicht eine auf der Toilette befindliche Personen erspähen könne. Zudem werde davon ausgegangen, dass die Bewohner der … im eigenen Interesse einen Sichtschutz (Vorhänge, Klebefolie) in den WCs anbrächten. Inhaltlich treffe der angesprochene Sichtschutz auch auf die Bäder zu. Die Badfenster seien zwar breiter, befänden sich bereits in einem Abstand von ca. 5 m von der geplanten Balkonvorderkante und seien um knapp 1 m zurückversetzt, so dass eine Einsehbarkeit - auch von höher gelegenen Balkonen - ausgeschlossen sei. Hinsichtlich der Aussage, dass umgekehrt eine Einsehbarkeit nicht gegeben sei, werde darauf hingewiesen, dass von dem Bestandsbalkon Nr. … in die angrenzenden Badfenster der Nr. … Einsicht genommen werden könne, sofern diese nicht mit entsprechendem Sichtschutz versehen seien.
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Hinsichtlich der Sichtschutzvorrichtungen spreche der Kläger im Konjunktiv. Es könne nur das Beantragte beurteilt werden.
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Der Kläger verkenne, dass die Innenhofwände des eigenen Gebäudes … und somit der bestehende Balkon selbst die Abstandsflächen nicht auf dem Grundstück … einhielten, sondern teilweise auf beide angrenzenden Grundstücke (FlNr. … und …) fielen. Der Balkon Nr. … werfe mit ca. 10 qm Abstandsflächen auf das Baugrundstück. In Bezug auf den beantragten Balkon Nr. … müsse sich dies der Kläger in geringerem Umfang von ca. 4,3 qm entgegenhalten lassen.
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Gerade in Bezug auf den Grundstückszuschnitt sei in dem Eckbereich durch die diagonal verlaufende Grenze eine Atypik gegeben, da dadurch die Abstandsflächen des Eckgebäudes Nr. … sowie der Angrenzergebäude … und … nicht auf eigenem Grund einzuhalten seien. Auch im weiter gefassten Einfügungsrahmen (Blockrandbebauung …-, …-, …- und … straße) wäre die rückwärtige faktische Bauflucht der geschlossenen Bebauung … und … sowie … prägend und die Balkone in der beantragte Tiefe zulässig. Somit seien die Abweichungen für die Abstandsflächen unter Berücksichtigung der öffentlichen und nachbarschützenden Interessen zu gewähren. Balkonanlagen, die selbst die Abstandsflächen nicht einhielten, seien hofseitig bereits an den Gebäuden … und … vorhanden. Die Balkonanlage der … reiche sogar bis in das 1. Dachgeschoss und sei somit um ein Geschoss höher als die beantragte Balkonanlage. Zudem besitze der Balkon eine Mindesttiefe von 2 m und sei abweichend von der Klägeraussage nicht in das Mauerwerk einbezogen, sondern davorgestellt.
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Durch die Errichtung von Balkonen - insbesondere in städtebaulichen Sanierungsgebieten - werde die Qualität der bestehenden Wohnungen und der städtischen Innenhöfe aufgewertet. Dies entspreche auch den Zielen der Sanierungssatzung. Eine Verschlechterung durch enorme Einbußen aller Lebens- und Wohnqualität sei definitiv nicht erkennbar.
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Der Bevollmächtigte des Klägers erwiderte, dass es sich vorliegend nicht um Freisitze, sondern um Balkone mit der Grundfläche von 1,5 m x 2,25 m bzw. 1,5 m x 2,0 m handle. Es sei davon auszugehen, dass eine Verlagerung der Wohnnutzung nach außen stattfinde, da dies gerade der Sinn der Balkone sei. Auch sei dies letztlich das Argument der Beklagten, in dem diese auf die Erhöhung der Wohnqualität verweise.
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Die von der Beklagten angenommene faktische Baugrenze orientiere sich an der Gebäudeaußenwand der Gebäude … und … Diese stimme in der Tiefe von der Straße abgemessen auch mit den Rückwänden der Gebäude … und . überein. Es sei daher eher festzustellen, dass die Baugrenzen hier weitgehend homogen verliefen und es lediglich im Bereich der … und … einen massiven Anbau über die Baugrenze in den Innenhofbereich gebe. Bei den Balkonen handle es sich nicht um ein untergeordnetes Bauteil, da die Balkone deutlich von der Gebäudeaußenwand hervorragten und zwar insgesamt um mehr als 1,5 m. Die Beklagte verkenne nämlich im gesamten Schriftsatz, dass es innerhalb der rückwärtigen Außenwand des Gebäudes … bereits eine Auskragung und damit ein Hervorstehen des Gebäudes um ca. 100 cm gebe. Das Gebäude sei damit ohnehin im Verhältnis zum Nachbargebäude des Klägers dominierend. Mit dem nun geplanten Anbau der Balkonanlage werde diese dominierende Stellung des Gebäudes gegenüber dem Nachbargebäude … noch gravierender und die negativen Auswirkungen noch größer. Durch die Auskragung sei keine Wechselwirkung mehr zwischen den beiden Gebäuden … und … gegeben.
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Unstreitig bestehe eine Verschattung der Wohn- und Sozialräume durch die geplante Balkonanlage. Diese Verschattung sei auch nicht damit zu rechtfertigen, dass die Lichtverhältnisse im Blockinnenbereich ohnehin bereits schlecht seien. Wenn die Belichtungsverhältnisse im Blockinnenbereich ohnehin schlecht seien, dann sei gerade dem Schutz dieser verbleibenden Lichtverhältnisse Rechnung zu tragen.
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Auch beim Rücksichtnahmegebot verkenne die Beklagte, dass es keine gleichartige Wechselwirkung zwischen den beiden Gebäuden und den jeweiligen Balkonanlagen gebe. Die alten Balkonanlagen des klägerischen Gebäudes … seien genehmigt und beeinträchtigten das Grundstück … und insbesondere die Wohn- und Sozialräume dort nicht. Die bestehende Balkonanlage sei nach hinten in die Außenwand versetzt und liege in der Ecke. Insbesondere liege die Balkonanlage auch hinter der Vorkragung zum Nachbargebäude, so dass letztlich kein Blickkontakt in die Wohn- und Sozialräume bestehe. Auch eine Verschattung des Gebäudes … finde zu keiner Tages- oder Jahreszeit statt. Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort sei Fakt, dass die besonders empfindlichen Sozialräume, insbesondere Badezimmer und Toilette, durch die neuen Balkone bestens einsehbar seien.
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Selbst wenn die bestehenden Balkone Abstandsflächen auf das Baugrundstück werfen würden, wären die dadurch entstehenden Beeinträchtigungen keinesfalls vergleichbar mit den Auswirkungen der neu geplanten Balkone.
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Auch eine Aufwertung erfolge lediglich für das Baugrundstück, während die städtischen Innenhöfe und Nachbargrundstücke durch das geplante Vorhaben massiv an Wohnqualität und Wert verlieren würden.
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Der Bevollmächtigte der Beigeladenen beantragte,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
35
Mangels Klagebefugnis sei die Klage bereits unzulässig. Der Kläger sei Eigentümer einer Wohnung auf dem Grundstück FlNr. … Öffentlichrechtliche Abwehransprüche des Nachbarn gehörten grundsätzlich zu den gemeinschaftsbezogenen Rechten, die nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausüben könne (§ 10 Abs. 6 Satz 3 WEG). Daher fehle der Klage des Klägers als einzelnen Wohnungseigentümer die Klagebefugnis (BayVGH, B. v. 24.11.2016, 1 CS 16.2011-juris Rn. 3; U. v. 12.7.2012, - 2 B 12.1211; B. v. 23.2.2007 - 1 CS 06.3219). Ein Sondereigentümer könne gemäß § 13 Abs. 1 Halbsatz 2 WEG baurechtliche Nachbarrechte aus eigenem Recht nur geltend machen, wenn eine konkrete Beeinträchtigung des Sondereigentums in Frage stehe (BVerwG, U. v. 20.8.1992 - 4 B 92/92 - juris Rn. 7; BayVGH B. v. 8.7.2013 - 2 CS 13.807 - juris Rn. 5; B. v. 24.11.2016 - 1 CS 16.2011 - juris Rn. 4; U. v. 12.7.2012 - 2 B 12.1211 - juris Rn. 22). Vorliegend sei nicht ersichtlich, inwiefern das Sondereigentum des Klägers durch die der Beigeladenen erteilte Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO konkret beeinträchtigt sei.
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Jedenfalls sei die Klage unbegründet. Die Anfechtungsklage eines Dritten gegen eine Baugenehmigung könne nur dann Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung Vorschriften verletze, die dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt seien. Der Kläger könne sich bereits nicht auf die Verletzung der Abstandsflächenvorschriften berufen, weil auch die Balkone des von ihm selbst bewohnten Gebäudes die Abstandsflächen zum Gebäude der Beigeladenen unterschritten bzw. verletzten. Nach obergerichtlicher Rechtsprechung könne sich ein Nachbar nach Treu und Glauben gegenüber einer Baugenehmigung in der Regel nicht mit Erfolg auf die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift berufen, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück den Anforderungen dieser Vorschrift nicht entspreche und wenn die beidseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig seien und nicht zu schlechthin untragbaren, als Missstand zu qualifizierenden Verhältnissen führten. Die Bebauung des Grundstücks des Klägers, konkret die an der dem Vorhabengebäude zugewandten Gebäudeseite errichtete Balkonanlage, halte hinsichtlich des streitbefangenen Grundstücks die Abstandsflächenvorgaben des Art. 6 BayBO ebenfalls nicht ein. Dabei hielten sich die jeweiligen Abstandsflächenüberschreitungen nicht nur in etwa die Waage, vielmehr überwiegen die Flächenüberschreitungen durch das Gebäude des Klägers. Die Balkone auf der FlNr. … erstreckten sich über insgesamt vier Stockwerke - nicht wie im Vorhaben des Beigeladenen mit nur einer dreigeschossigen Errichtung - und unterschritten die Abstandsgrenzen ebenfalls deutlich. Die Abstandsflächen der vorhandenen Balkone lägen in einer Tiefe zwischen 1,04 m bis 2,74 m auf dem streitbefangenen Grundstück FlNr. … Bei der Prüfung der Vergleichbarkeit der wechselseitigen Verletzungen sei keine zentimetergenau quantitative Entsprechung gefordert, vielmehr sei ebenso die Qualität der mit der Verletzung einhergehenden Beeinträchtigungen von Bedeutung (BayVGH, B. v. 30.12.2008 - 1 CE 08.3253 - juris Rn. 10). Es sei nicht erkennbar, weshalb der gegenseitige Abstandsflächenverstoß zur qualitativ unterschiedlichen Beeinträchtigungen führen solle. Zu berücksichtigen sei auch, dass die bereits genehmigten Balkone dem streitbefangenen Grundstück direkt zugewandt seien, da sowohl in südlicher als auch in westlicher Sicht das Blickfeld durch das Gebäude des Klägers eingeschränkt bzw. verstellt werde. Demgegenüber eröffneten die geplanten Balkone den Bewohnern ein vielfältigeres Blickfeld in östlicher, nördlicher und westlicher Richtung.
37
Die zugelassene Abweichung führe auch nicht zu als schlechthin untragbarem Missstand zu qualifizierenden (Wohn-)Verhältnissen. Auch wenn die Errichtung der westlichen Balkonreihe in einer Entfernung von 0,73 m nach den Maßstäben der Bayerischen Rechtsprechung als gering zu qualifizieren sein sollten (VG München, U. v. 23.9.2020 - M 9 K 19.2984 - juris Rn. 28), so führe dies mit Blick auf die Schutzgüter des Abstandsflächenrechts nicht zu einem schlechthin untragbaren Missstand. Art. 6 BayBO bezwecke im nachbarlichen Verhältnis die Gewährleistung ausreichender Belichtung, Besonnung und Belüftung sowie des sozialen Wohnfriedens (BayVGH, U. v. 31.7.2020 - 15 B 19.832 - juris Rn. 33). Weder Belichtung noch Besonnung und Belüftung würden durch die geplante Errichtung beeinträchtigt. Es seien eine Aufständerung der Balkone als Metallkonstruktion sowie eine offene und transparente Bauweise beabsichtigt. Daher sei auch keine Verschattung der Innenräume zu befürchten. In Rechnung zu stellen sei, dass der Hof ohnehin die überwiegende Zeit des Tages verschattet sei und dass aufgrund der geplanten Errichtung der Balkone an der Richtung Norden zugewandte Gebäudeseite eine Beeinträchtigung der Besonnung des vom Kläger bewohnten Gebäudes ausgeschlossen sei. Die Belüftungssituation werde durch den Baumbewuchs weiterhin unverändert geprägt werden. Darüber hinaus erweise sich die erteilte Abweichung von den Abstandflächenvorschriften als rechtmäßig. Die Zulassung einer Abweichung von den Vorgaben des Art. 6 BayBO erfordere Gründe, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheide und die etwa bewirkten Einbußen an geschützten Nachbarrechtspositionen vertretbar erscheinen ließen (BayVGH, B. v. 22.1.2020 - 15 CB 18.2547 - juris Rn. 34). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe ausgeführt, dass in besonderen städtebaulichen Lagen auf das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch die Zulassung einer Abweichung rechtfertige (BayVGH, B. v. 31.1.2018 - 2 CB 16.2067 - juris Rn. 8). Eine die Abweichung von Abstandsflächenvorschriften rechtfertigende Atypik sei ferner aufgrund des besonderen Grundstückszuschnitts und der umliegenden innerstädtischen Bebauung angenommen worden (VG München, B. v. 31.8.2021 - M 9 SN 21.976 - juris Rn. 34). Vorliegend sei die Abstandsflächenüberschreitung dem atypischen Grundstückszuschnitt geschuldet. Die Abstandsflächen lägen nur wegen der abknickenden Grundstücksfläche auf dem Nachbargrundstück. Es handle sich um einen historisch gewachsenen, aus heutiger städtebaulicher Sicht nicht mehr zeitgemäßen Grundstückszuschnitt, der für die Annahme einer atypischen Situation streite. Die Annahme einer atypischen Situation finde eine weitere Stütze mit Blick auf die bauliche Nutzbarkeit des Vorhabengrundstücks. Aufgrund des Grundstückszuschnitts wäre eine hofseitige Bebauung bzw. Aufwertung und Sanierung des Gebäudes unter Einhaltung der strikten Abstandsflächenvorgaben im Grunde nicht sinnvoll möglich. Auch habe die Beklage zutreffend darauf abgestellt, dass die Balkonanlage in angemessener Weise zu einer Verbesserung der Wohnqualität beitrage.
38
Bei der Abwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gründen und den Belangen des Nachbarn sei zu beachten, dass aufgrund der fehlenden Einhaltung der Abstandsflächen durch das Gebäude … und bei Unterstellung zugunsten des Klägers, dass hierdurch kein vollständiger Ausschluss der Berufung auf die Abstandsflächen nach § 242 BGB vorliege, die Schutzwürdigkeit der nachbarlichen Interessen jedenfalls erheblich gemindert sei. Gleichzeitig seien die Interessen der Beigeladenen als Bauherrin stärker zu gewichten, da aufgrund des ungewöhnlichen Grundstückszuschnitts im nordöstlichen Grundstücksbereich eine große Fläche ansonsten nicht mehr einer zeitgemäßen Wohnnutzung mit Balkonanlagen zugeführt werden könne (BayVGH, B. v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 5). Im Übrigen sei zu beachten, dass angesichts der hohen Anforderungen, die das Gesetz an die Zulassung der Abweichung stelle, die Behörde sich, falls die Voraussetzungen bejaht würden, regelmäßig für die Zulassung der Abweichung zu entscheiden habe (sogenanntes intendiertes Ermessen, BayVGH, B. v. 21.7.2015 - 22 CB 14.2340). Die Beklagte habe ausführlich die öffentlichen und privaten Belange ermittelt und abgewogen. Ermessensfehler seien nicht erkennbar.
39
Die Beklagte replizierte mit Schriftsatz vom 28. März 2022. Balkone seien nicht wie überdachte Terrassen als Aufenthaltsbereiche zu werten. Im Übrigen übersehe der Kläger, dass er selbst eine Balkonanlage in ähnlichem Umfang und einem Geschoss höher errichtet habe.
40
Des Weiteren wurde vertiefend zu einer möglicherweise anzunehmenden, faktischen rückwärtigen Bauflucht, einer möglichen Verschattung sowie Einsichtnahmemöglichkeiten ausgeführt.
41
Der Bevollmächtigte des Klägers verwies mit Schriftsatz vom 21. April 2022 nochmals darauf, dass die Beklagte bei Ausübung des Abweichungsermessens die Würdigung der nachbarlichen Belange falsch bewertet habe. Nachbarliche Belange müssten neben den öffentlichen Belangen ausdrücklich gewürdigt und bewertet werden. Es handle sich dabei nicht um eine planerische Abwägung, sondern eine Interessensabwägung wie auch bei der Prüfung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots (BVerwG, B. v. 6.12.1996 - 4 B 215.96). Es wäre eine Lösung ohne eine maximale Belastung für den Kläger und die bei ihm im Haus wohnenden Eigentümer möglich gewesen, indem die Balkonanlage nur teilweise genehmigt hätte werden können. Dies wäre unter Würdigung der Belange des Bauherrn, der öffentlichen Belange und der Belange der Nachbarn die richtige Ermessensentscheidung gewesen.
42
Der Bevollmächtigte der Beigeladenen erwiderte mit Schriftsatz vom 28. April 2022, dass die Klage mangels Klagebefugnis bereits unzulässig sei. Der Kläger lege schon nicht dar, inwieweit sein konkretes Sondereigentum durch die geplante Balkonanlage beeinträchtigt werde. Die durch die Balkonanlage erzeugten Abstandsflächen lägen unstreitig nicht auf der im Sondereigentum des Beklagten stehenden Wohnung. Eine pauschal gerügte Verschattung sei schon mit Blick auf die geographische Lage und Ausrichtung der in Rede stehenden Gebäude sowie die geplante Bauweise der Balkonanlagen nicht nachvollziehbar. Die Wohnung des Klägers erfahre bereits allein aufgrund ihrer Lage eine Verschattung. Auch werde der Umfang des Rücksichtnahmegebots, das kein Recht auf die Beibehaltung einer günstigen Situation vermittle, überdehnt (wird weiter ausgeführt). Es werde bestritten, dass durch die neuen Balkone Einsichtsmöglichkeiten in die Wohn- und Sozialräume des Sondereigentums des Klägers geschaffen würden und der Kläger hierdurch beeinträchtigt werde.
43
Auf gerichtliche Anforderung legte die Beklagte die im Schriftsatz vom 17. Dezember 2021 erwähnte Verschattungsstudie vor.
44
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte und hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf das Protokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

45
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nicht in seinen drittschützenden Rechten verletzt.
I.
46
Die Klage ist zulässig, insbesondere liegt die erforderliche Klagebefugnis vor.
47
Der Kläger als Sondereigentümer kann gem. § 13 Abs. 1 Halbs. 2 WEG baurechtliche Nachbarrechte aus eigenem Recht nur geltend machen, wenn eine konkrete Beeinträchtigung seines Sondereigentums in Frage steht. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn das Sondereigentum im Bereich der Abstandsflächen liegt oder das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot das Sondereigentum betrifft (BayVGH, B.v. 14.1.2022 - 9 ZB 19.331 - juris Rn. 9- m.w.N.; U.v. 12.7.2012 - 2 B 12.1211 - juris Rn. 23; VG München, B.v. 31.8.2021 - M 9 SN 21.976 - juris Rn. 21 m.w.N.). Selbst wenn es durchaus zweifelhaft erscheint, ob das Sondereigentum des Klägers im Bereich der Abstandsflächen liegt, da die Abstandsflächen nur auf dem Gemeinschaftseigentum des klägerischen Grundstücks zum Liegen kommen und das Sondereigentum des Klägers nur in der Nähe der Abstandsflächen angrenzt, so ist eine Verletzung des nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme zumindest möglich, soweit der Kläger eine Verschattung und Einsichtnahmemöglichkeit in sein Sondereigentum, welches unter Berücksichtigung der vorliegenden Pläne und der klägerischen Einlassung in der mündlichen Verhandlung an den Hinterhof grenzt, geltend macht.
II.
48
Die Klage ist jedoch unbegründet.
49
Der Kläger als Dritter kann sich dabei mit einer Anfechtungsklage nur dann mit Aussicht auf Erfolg gegen einen Baugenehmigungsbescheid zur Wehr setzen, wenn dieser rechtswidrig ist sowie die Rechtswidrigkeit auf der Verletzung einer Norm beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Dritten zu dienen bestimmt ist (sog. Schutznormtheorie, vgl. u.a. BayVGH, B.v. 30.7.2021 - 1 CS 21.1506 - juris Rn. 9 m.w.N.). Ein unmittelbarer Rückgriff auf Art. 14 Abs. 1 GG zur Begründung des Nachbarrechtsschutzes kommt dabei grundsätzlich nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber in Ausfüllung seines legislatorischen Gestaltungsspielraums aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nachbarliche Abwehrrechte verfassungskonform ausgestaltet hat und unter Einschluss der Grundsätze des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme ein geschlossenes System des nachbarlichen Drittschutzes bereitstellt (vgl. BayVGH, B.v. 26.4.2021 - 15 CS 21.1081 - juris Rn. 23 m.w.N.).
50
Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren auch keine umfassende Rechtskontrolle statt, vielmehr hat sich die gerichtliche Prüfung darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch vermitteln, verletzt werden. Die Baugenehmigung muss dabei gegen eine im Baugenehmigungsverfahren - hier das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO - zu prüfende Vorschrift verstoßen. Auf Bauordnungsrecht beruhende Nachbarrechte können durch eine Baugenehmigung nur dann verletzt werden, wenn diese bauordnungsrechtlichen Vorschriften im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind.
51
Vorliegend besteht keine Verletzung solch drittschützender Rechte des Klägers.
52
1. Soweit die Baugenehmigung auch bauliche Änderungen im Inneren des Gebäudes erfasst, ist die Verletzung nachbarschützender Vorschriften weder geltend gemacht noch ersichtlich. Mit der Veränderung z.B. des Grundrisses ist keine Änderung der Nutzung und damit der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit verbunden. Darüber hinaus würde ein Innenausbau ohne Änderung der für die Lage und die Bemessung der Abstandsflächen relevanten Gebäudeteile keine Veranlassung geben, die abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit des Gebäudes neu zu prüfen (BayVGH, B.v. 12.9.2005 - 1 ZB 05.42 - juris Rn. 22; Schönfeld in: BeckOK BauordnungsR Bayern, Art. 6 Rn. 30).
53
Gleiches gilt für die Sanierung und den Umbau des Rückgebäudes für die Nutzung zum Abstellen von Fahrrädern und/oder Mülltonnen.
54
2. Aber auch der geplante Anbau der beiden Balkonanlagen verletzt den Kläger nicht in drittschützenden Normen.
55
a) Das Vorhaben verstößt nicht gegen (auch) dem Nachbarschutz dienende Vorschriften des Bauplanungsrechts, insbesondere nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
56
aa) Hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung kann dahinstehen, ob vorliegend eine Gemengelage im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB oder ein faktisches Baugebiet gemäß § 34 Abs. 2 BauGB gegeben ist, denn die Balkonanlagen fügen sich in die nähere Umgebung ein. Sie dienen offensichtlich dem Wohnen und sind wegen ihrer geringen Abmessungen von 3 qm bzw. 3,375 qm diesem untergeordnet. Im Übrigen sind vergleichbare Balkonanlagen im näheren Umfeld bereits vorhanden.
57
bb) Dahinstehen kann ebenfalls, ob vorliegend eine faktische hintere Baugrenze anzunehmen ist. Insoweit vermittelt weder das Merkmal der überbaubaren Grundstücksfläche noch etwaige faktische Baugrenzen Nachbarschutz (BayVGH, B.v. 14.1. - 9 ZB 19.2168 - juris Rn. 11 ff.; B.v. 30.6.2011 - 2 CS 11.824 - juris Rn. 11).
58
cc) Es liegt auch kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vor. Da das Vorhaben im nicht beplanten Innenbereich liegt, ergibt sich das Gebot der Rücksichtnahme entweder über das Merkmal des Einfügens gemäß § 34 Abs. 1 BauGB oder aber in Verbindung mit einem faktischen Baugebiet nach der BauNVO in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO.
59
Dem Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (z.B. BayVGH, B.v. 16.5.2022 - 9 ZB 22.322 - juris Rn. 8).
60
Wegen des im Wesentlichen gleichen Prüfungsmaßstabes kann dahinstehen, ob vorliegend eine Gemengelage im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB vorliegt oder ein faktisches Baugebiet gemäß § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit BauNVO.
61
Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme wegen einer erdrückenden oder einmauernden Wirkung der Balkonanlagen scheidet aus. Eine abriegelnde oder erdrückende Wirkung in Folge des Nutzungsmaßes eines Bauvorhabens ungeachtet des grundsätzlich fehlenden Nachbarschutzes bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung als unzumutbare Beeinträchtigung kann nur bei nach Höhe und Volumen übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht kommen. Hauptkriterien bei der Beurteilung einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung sind mithin - neben der bloßen Distanz - insbesondere die besonderen Belastungswirkungen aufgrund der Höhe und der Länge des Bauvorhabens auf das benachbarte Wohngebäude. Die Möglichkeit einer erdrückenden Wirkung ist grundsätzlich zu verneinen, wenn der Baukörper des angegriffenen Gebäudes nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Nachbargebäudes (BayVGH, B.v. 15.1.2018 - 15 ZB 16.2508 - juris Rn 18).
62
Dies trifft vorliegend gerade nicht zu. Die geplanten Balkonanlagen sollen sich über vier Stockwerke erstrecken und sind damit erheblich niedriger als das Gebäude, in dem sich die Wohnung des Klägers befindet, und des Vorhabensgebäudes. Auch unterschreiten die geplanten Balkonanlagen die Höhe der ebenfalls nachträglich errichteten Balkonanlage am klägerischen Gebäude um ein Stockwerk. Hinzukommt, dass die Balkonanlagen in aufgeständerter Bauweise und damit gerade nicht in massiver Art geplant sind. Im Übrigen hat der Kläger nicht vorgetragen, weshalb die streitgegenständliche bauliche Anlage des Beigeladenen seinem Wohnhaus und insbesondere seinem Sondereigentum förmlich „die Luft nehme“, weil es derartig übermächtig wäre, dass sein Gebäude nur noch oder überwiegend wie von einem „herrschenden“ Gebäude dominiert und ohne eigene Charakteristik wahrgenommen würde (BayVGH, B.v. 15.1.2018 - 15 ZB 16.2508 - juris Rn 18).
63
Soweit sich der Kläger auf eine zunehmende Verschattung bzw. mögliche Verringerung des Lichteinfalls beruft, so ist eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes ebenfalls ausgeschlossen.
64
Das Gebot der Rücksichtnahme gibt den Nachbarn nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von ihrem Grundstück aus verschont zu bleiben. Ein Verschattungseffekt als typische Folge der Bebauung ist insbesondere - wie hier - in innergemeindlichen bzw. innerstädtischen Lagen, bis zu einer im Einzelfall zu bestimmenden Unzumutbarkeitsgrenze daher in der Regel nicht rücksichtslos und hinzunehmen. Mögliche Verringerungen des Lichteinfalls sind in aller Regel im Rahmen der Veränderung der baulichen Situation hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2018 -
ZB 16.2508 - juris Rn 19; B.v. 15.12.2016 - 9 ZB 15.376 - juris Rn. 15; VG München,
B.v. 6.4.2022 - M 8 SN 22.152 - juris Rn. 47 m.w.N.).
65
Unter Berücksichtigung, dass die Balkonanlagen an das Bestandsgebäude in nordöstlicher Richtung angebracht werden, verändern die Balkonanlagen die bereits vorhandene Situation in Bezug auf das klägerische Gebäude bestenfalls in den Morgen- und Vormittagsstunden. Die Balkonanlagen treten weitgehend nicht aus der ohnehin schon vorhandenen Verschattung des Gebäudes … hervor. Dies ergibt sich für die Kammer aus einer durch die Beklagte entsprechend herangezogenen Verschattungsstudie, aber auch aus den im Baugenehmigungsverfahren vorgelegten Plänen (vgl. Ansicht Innenhof Bl. 148 der Behördenakte).
66
Hinzukommt, dass es sich bei den Räumen, die eventuell von einem veränderten Lichteinfall betroffen sein könnten, um Sozialräume handelt. Dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch bestätigt. Sozialräume sind insoweit, da sie nicht zum dauerhaften Aufenthalt von Personen bestimmt sind, schon in geringerem Maße schutzwürdig. Des Weiteren sind diese Räumlichkeiten bereits mit einer Verschattung durch die am klägerischen Gebäude angebrachte Balkonanlage und zum Teil durch die sich im Hof befindlichen Bäume vorbelastet.
67
Im Übrigen ergibt sich auch durch die vorgetragene Einsichtnahmemöglichkeit in die klägerischen Räumlichkeiten keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme.
68
Nachbarn sind grundsätzlich nicht gegen Einblickmöglichkeiten von den angrenzenden Grundstücken aus geschützt. Nach höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung vermittelt das Bauplanungsrecht keinen generellen Schutz vor unerwünschten Einblicken. Das gilt grundsätzlich sowohl im Geltungsbereich eines Bebauungsplans (soweit nicht ausnahmsweise eine einschlägige Festsetzung dem Schutz vor Einsicht dient) als auch nach § 34 Abs. 1 BauGB. Das bauplanungsrechtliche Gebot des Einfügens bezieht sich nur auf die in § 34 Abs. 1 BauGB genannten städtebaulichen Merkmale der Nutzungsart, des Nutzungsmaßes, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche. Die Möglichkeit der Einsichtnahme ist - als nicht städtebaulich relevant - davon nicht angesprochen. Auch über das Gebot der Rücksichtnahme wird in bebauten Ortslagen grundsätzlich kein Schutz des Nachbarn vor jeglichen (weiteren) Einsichtmöglichkeiten vermittelt, allenfalls in besonderen, von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls geprägten Ausnahmefällen kann sich unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme etwas anderes ergeben (BayVGH, B.v. 15.1.2018 - 15 ZB 16.2508 - juris Rn. 20).
69
Das Gericht schließt sich insoweit der Argumentation der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 17. Dezember 2021 an, dass durch den im klägerischen Anwesen vorhandenen Balkon und die Größe insbesondere der WC-Fenster eine unzumutbare Einsichtnahme nicht erfolgen kann Im Übrigen sind in dicht bebauten Bereichen - wie hier gegeben - gegenseitige Einsichtnahmemöglichkeiten üblich und regelmäßig hinzunehmen. Der Kläger konnte insbesondere nicht darauf vertrauen, dass die Beigeladene ihr Bestandsgebäude nicht entsprechend der baulichen Entwicklung im Hofbereich erweitern würde. Dass in solch einer städtebaulich beengten Situation wechselseitige Blickbeziehungen und Einblickmöglichkeiten in die Nachbargrundstücke, auf dort vorhandene Terrassen und Balkone oder gar Wohnungen bestehen, ist letztlich zwangsläufig und daher von den Betroffenen hinzunehmen. Wer sich dadurch gestört fühlt, muss Maßnahmen in seinem eigenen Wohnbereich ergreifen, um sich dagegen zu schützen. Eine besondere Situation, in der in gravierendem, unerträglichen Maß in die Rechte des Antragstellers eingegriffen würde, ist nicht erkennbar, insbesondere auch, da das klägerische Anwesen eine ähnliche Balkonanlage aufweist, von der ebenfalls Einblick in die Wohnungen der Beklagten genommen werden kann. Entsprechend handelt es sich um eine durchaus übliche Wohnsituation im eng bebauten städtischen Bereich (vgl. auch VG Würzburg, B.v. 15.3.2021 - W 5 S 21.132 - juris Rn. 48 m.w.N.).
70
b) Das Vorhaben verstößt nicht gegen (zumindest auch) dem Nachbarschutz dienende Vorschriften des Bauordnungsrechts, welche im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren, Art. 59 BayBO, insbesondere nicht gegen die Vorschriften des Abstandsflächenrechts. Eine Rechtsverletzung durch die erteilte Abweichung ist nicht erkennbar, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO iVm. Art. 6 BayBO.
71
Dabei ist vorliegend ausschließlich die in Richtung des klägerischen Grundstücks situierte Balkonanlage maßgeblich, denn eine Verkürzung einer Abstandsflächentiefe kann nur den Nachbarn in seinen Rechten verletzen, dessen Grundstück der betreffenden Außenwand gegenüberliegt (BayVGH, U.v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - juris Rn 36).
72
Die an das klägerische Vorhaben angrenzende Balkonanlage ist grundsätzlich abstandsflächenpflichtig, da sie weder an die Grundstücksgrenze gebaut werden soll (Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO) noch vollständig einen Abstand von 2 m zur gegenüberliegenden Grundstücksfläche einhält (Art. 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 c BayBO). Jedoch bleiben gemäß Art. 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 BayBO die Seitenwände der vorgebauten Balkonanlage außer Betracht. Die damit ausschließlich nach vorne, d.h. in nordöstliche Richtung, einzuhaltenden Abstandsflächen sind jedoch unstreitig nicht auf dem Grundstück der Beigeladenen eingehalten, sondern kämen mit 4,34 qm im Wesentlichen auf den Freiflächen des klägerischen Grundstücks, also dem Gemeinschaftseigentum, zu liegen. Die insoweit nach Art. 63 Abs. 1 BayBO iVm. Art. 6 BayBO erteilte Abweichung von den Abstandsflächen zulasten des Nachbargrundstücks ist jedoch nicht zu beanstanden.
73
Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Da bei den Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO dem Schutzzweck der Norm nicht auf andere Weise entsprochen werden kann, muss es im Einzelfall besondere Gründe geben, die es rechtfertigen, dass die Anforderung zwar berücksichtigt, ihrem Zweck aber nur unvollkommen entsprochen wird (VG München, U.v. 28.3.2022 - M 8 K 20.3855 - juris 50 m.w.N.).
74
Es kann offenbleiben, ob die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 BayBO nach Einfügung von Art. 6 Abs. 1 Satz 4 BayBO noch eine atypische Situation voraussetzt (Bayer. Landtag Drucksache 17/21474, zu Nr. 5 (Art. 6); vgl. zu den Voraussetzungen einer Atypik auch: BayVGH,
B.v. 10.2.2022 - 15 ZB 21.2428 - juris Rn. 36; B.v. 22.1.2020 - 15 ZB 18.2547 - juris, RdNr. 34 m.w.N.), denn eine solche liegt hier zweifelsohne vor.
75
Die Lage der betroffenen Grundstücke in einem seit langer Zeit dicht bebauten großstädtischen Innenstadtquartier, in dem - wie hier - allenfalls wenige Gebäude die nach heutigen Maßstäben erforderlichen Abstände zu den jeweiligen Grundstückgrenzen einhalten, vermittelt eine besondere Atypik, die eine Abweichung von der Einhaltung der Regelabstandsflächen gegenüber Nachbarn rechtfertigt (BayVGH, B.v. 22.1.2020 - 15 ZB 18.2547 - juris, Rn. 36). In dicht bebauten innerstädtischen Bereichen ist eine atypische Situation überdies dann anzunehmen, wenn jede bauliche Veränderung entsprechend der vorgegebenen baulichen Situation geeignet ist, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23; VG München, B.v. 12.9.2017 - M 8 SN 17.3732, bestätigt durch BayVGH,
B.v. 4.12.2017 - 2 CS 17.1969 - juris). Ferner wird die Balkonanlage vorliegend erst aufgrund des Abrückens von der gemeinsamen Grundstücksgrenze abstandsflächenpflichtig. Um auch in dicht bebauten innerstädtischen Bereichen zugunsten der betroffenen Nachbarn das Abrücken von der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu ermöglichen, kann (sofern die weiteren Voraussetzungen gegeben sind) grundsätzlich auf die Abweichung zurückgegriffen werden (VG München, U.v. 28.3.2022 - M 8 K 20.3855 - juris Rn. 52).
76
Gemessen am Schutzzweck der Abstandsvorschriften werden die schützenswerten Belange des Klägers (im Wesentlichen Belichtung, Besonnung und Belüftung) durch die Erteilung der Abweichung nicht unzumutbar beeinträchtigt.
77
Mit der Verpflichtung zur Würdigung nachbarlicher Interessen verlangt das Gesetz eine Abwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gründen und den Belangen des Nachbarn (BayVGH, B.v. 17.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 17). Art. 6 BayBO bezweckt im nachbarlichen Verhältnis die Gewährleistung ausreichender Belichtung, Besonnung und Belüftung, nach umstrittener Ansicht auch den sozialen Wohnfrieden (BayVGH, U.v. 31.7.2020 - 15 B 19.832 - juris Rn. 33). Ob eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zugelassen werden kann, beurteilt sich dabei nicht allein danach, wie stark die Interessen des betroffenen Nachbarn beeinträchtigt werden. Es ist stets auch zu prüfen, ob die Schmälerung der nachbarlichen Interessen durch überwiegende Interessen des Bauherrn oder überwiegende öffentliche Belange gerechtfertigt ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 20, a.A. BayVGH, B.v. 19.7.2016 - 9 CS 15.336 - juris Rn. 21, der bereits überwiegende Belange für ausreichend erachtet).
78
In diesem Zusammenhang war zu berücksichtigen, dass bedingt durch den schrägen Grenzverlauf Gegenstand der Abweichung eine Teilfläche von lediglich 4,34 qm ist, die im Wesentlichen auf den Freiflächen des Gemeinschaftseigentums liegt und zum Sondereigentum des Klägers einen Abstand von ca. 5 m aufweist. Wie bereits ausgeführt, tritt durch die Balkonanlage zulasten des Klägers kaum eine Verschlechterung im Vergleich zu der von ihm aufgrund des Vorrangs des Städtebaurechts ohnehin hinzunehmenden Situation ein, zumal das Geländer selbst weitestgehend lichtdurchlässig ausgestaltet wird. Auch werden die erforderlichen Abstandsflächen bereits durch die jeweiligen Bestandsgebäude nicht eingehalten, sondern überlappen sich zum Teil. Hinzukommt, dass auf dem klägerischen Grundstück eine nachträglich errichtete, größere Balkonanlage vorhanden ist, die die Abstandsflächen in Richtung des Grundstücks des Beigeladenen ebenfalls nicht einhält. Eine spürbare Veränderung der bereits vorherrschenden Situation ist hinsichtlich der Schutzgüter des Abstandsflächenrechts mit dem Vorhaben nicht verbunden, insbesondere da eine Verschattung des klägerischen Sondereigentums während eines erheblichen Tageszeitraums, insbesondere der in den Hinterhof ausgerichteten Sozialräume, bereits durch das klägerische Gebäude selbst sowie durch die klägerische Balkonanlage erfolgt.
79
Bei Berücksichtigung der Gesamtsituation ist auch ein die Belange des Klägers überwiegendes Bauherreninteresse gegeben. Hierzu zählt nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auch die Schaffung von zeitgemäßem Wohnraum (BayVGH, B.v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 5). Die Errichtung der Balkonanlage führt trotz der eher geringen Größe der jeweiligen Balkone von 1,5 m x 2 m zu einer Aufwertung und Verbesserung der Wohnqualität. Die Balkone sind dabei spürbar kleiner als die bereits früher ebenfalls zum Zwecke der Aufwertung errichteten klägerischen Balkonanlage mit einer Größe von ca. 2 m x 2,5 m. Selbst wenn man entgegen der Aussage des Architekten der Beigeladenen in seinen Stellungnahmen vom 29. Juni 2021 und 8. Juli 2021 (Blatt 80 f. der Behördenakte) davon ausginge, dass eine Errichtung der an das klägerische Grundstück angrenzenden Balkonanlage an anderer Stelle möglich wäre, so würde die Balkonanlage aber erheblich näher an das klägerische Grundstück heranrücken und ggf. überhaupt keine Abstandsflächen mehr einhalten müssen, wenn die Balkonanlage als Grenzbebauung konzipiert würde. Insoweit ist die Beigeladene gerade (freiwillig) zugunsten der Klagepartei mit der Balkonanlage von der Grenze abgerückt.
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Die Zulassung einer Abweichung ist eine Ermessensentscheidung. Wesentliche Voraussetzung dafür ist die Vereinbarkeit der Abweichung mit den öffentlichen Belangen (Molodovsky/Famers/Waldmann in: Molodovsky/Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung, Stand Oktober 2021, Art. 63 Rn. 20). Das durch Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO eingeräumte Ermessen ist ein tatbestandlich intendiertes Ermessen. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Abweichung gegeben, ist sie in der Regel zuzulassen, es sei denn, besondere Umstände stünden dem entgegen (vgl. BayVGH BayVGH v. 6.8.2013 -15 CS 13.1076 - juris Rn. 25). Gemäß § 114 Satz 1 VwGO prüft das Verwaltungsgericht bei Ermessensentscheidungen nur, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
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Ermessensfehler sind insoweit nicht erkennbar. Die Beklagte hat sich im Rahmen der Prüfung der Abweichung mit der Situation auch der betroffenen Nachbarn in zwar knapper, aber sachgerechter Weise unter Berücksichtigung des Zwecks des Abstandsflächenrechts auseinandergesetzt. Die nachbarlichen Belange wurden insbesondere angesichts der Lage der Grundstücke im dicht bebauten innerstädtischen Bereich zutreffend ermittelt und gewürdigt. Die Beklagte hat in ihrer Ermessensentscheidung ferner eingestellt, dass sich die Planung des Bauherrn in die maßgebliche Umgebung einfügt.
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Für das Gericht ist nicht ersichtlich, welche weiteren, dem Bauherrn zumutbare „Alternativplanungen“ die Beklagte nach Auffassung des Klägers hätte ihren Ermessensentscheidungen zugrunde legen sollen. Ein Nachbar hat keinen Anspruch darauf, dass der Bauherr die die Nachbarschaft am wenigsten beeinträchtigende Bebauung wählt. Die Beklagte hat vielmehr in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die Nachbarn durch die erteilte Abweichung nicht nachhaltig und gravierend in ihren schutzwürdigen Individualinteressen verletzt werden.
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c) Hinzukommt, dass sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die Verletzung nachbarschützender Vorschriften berufen könnte.
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Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung kann sich ein Nachbar nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gegenüber einer Baugenehmigung in der Regel nicht mit Erfolg auf die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift berufen, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück den Anforderungen dieser Vorschrift nicht entspricht und wenn die beidseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig sind und nicht zu - gemessen am Schutzzweck der Vorschrift - schlechthin untragbaren, als Missstand (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayBO) zu qualifizierenden Verhältnissen führen (vgl. BayVGH, B.v. 1.9.2016 - 2 ZB 14.2605 - juris Rn. 15; U.v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - juris Rn. 37 sowie BVerwG, B.v. 14.10.2014 - 4 B 51.14 - juris zur Geltung des Grundsatzes von Treu und Glauben in der gesamten Rechtsordnung).
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So liegt der Fall hier. Auf dem klägerischen Grundstück wurde bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine Balkonanlage errichtet, die zum einen eine größere Grundfläche der einzelnen Balkone als die streitgegenständliche Balkonanlage aufweist und zum anderen fünf Stockwerke in der Höhe umfasst, während die streitgegenständliche Balkonanlage sich über vier Stockwerke erstreckt. Entsprechend ist die klägerische Balkonanlage aus baulicher Sicht nicht nur gleichwertig mit der streitgegenständlichen Balkonanlage, sondern sogar nicht unerheblich größer. Beide Balkonanlagen sind aufgrund ihrer Ausrichtung geeignet, den Einblick in die Wohnungen des jeweiligen anderen Wohnobjekts zu erleichtern. Hinzukommt, dass beide Anlagen die Abstandsflächen nicht auf dem eigenen Grundstück einhalten. Die Abstandsflächenüberschreitungen halten sich flächenmäßig auf jeden Fall die Waage. Bei dem Vorhaben der Beigeladenen liegen ausweislich des Abstandsflächenplanes (Blatt 141 der Behördenakte) 4,34 qm auf dem Nachbargrundstück, während die Abstandsflächen der klägerischen Balkonanlage mit etwa 2/3 (zwischen 5,3 m und 2,9 m auf eine Breite von 2,3 m) auf dem Grundstück der Beigeladenen zu liegen kommen. Die beidseitigen Abweichungen führen auch nicht zu schlechthin untragbaren, als Missstand zu qualifizierenden Verhältnissen, denn die Schutzgüter des Abstandsflächenrechts, Belichtung, Belüftung und Besonnung, werden nicht unzumutbar beeinträchtigt (s.o.).
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d) Die Verletzung weiterer, im vereinfachten bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfender drittschützender Normen des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts ist weder dargetan noch ersichtlich.
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Insbesondere lässt sich aus dem Bayerischen Denkmalschutzgesetz ein allgemeiner Drittschutz nicht einmal zugunsten eines Denkmaleigentümers entnehmen. Ein Abwehrrecht gegen eine Baumaßnahme in der Nähe eines Baudenkmals kann sich allerdings dann ergeben, wenn sich diese auf den Bestand oder das Erscheinungsbild des Baudenkmals erheblich auswirkt. Dies wurde vom Kläger nicht einmal im Ansatz vorgetragen. Die Anforderungen der Beklagte als Untere Denkmalschutzbehörde wurden mittels Auflagen im Baugenehmigungsbescheid berücksichtigt. Einwände gegen die Errichtung der Balkonanlage aus Sicht des Denkmalschutzes wurden gerade nicht erhoben.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese einen Sachantrag gestellt und sich dadurch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 162 Abs. 3 VwGO, § 154 Abs. 3 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 ff. ZPO.