Titel:
Unwirksamkeitserklärung einer Personalratswahl aufgrund fehlerhafter Besetzung des Wahlvorstands
Normenketten:
BayPVG Art. 20, Art. 25
WO-BayPVG § 1
Leitsätze:
1. Bei Entscheidungen des Wahlvorstands, die in Sitzungen getroffen werden, haben gemäß § 1 S. 2 WO-BayPVG sämtliche Mitglieder, im Verhinderungsfall die Ersatzmitglieder, mitzuwirken. Ist zu diesem Zeitpunkt ein Mitglied erkrankt, muss ein Ersatzmitglied nachrücken. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nicht von Relevanz im Wahlanfechtungsverfahren, wer die aufgetretenen Fehler zu verantworten hat. Es kommt insoweit alleine auf die objektiv fehlerhafte Besetzung an. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der (richtigen) Besetzung des Wahlvorstandes - auch in voller Besetzung statt reduzierter Personenzahl - handelt es sich um eine wesentliche Wahlvorschrift, weshalb nicht auszuschließen ist, dass eine fehlerhafte Besetzung auch Auswirkungen auf die Wahl und das Ergebnis haben. Konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte, dass es im jeweils vorliegenden Fall zu einem anderen Wahlergebnis gekommen wäre, wäre der Wahlvorstand richtig besetzt gewesen, bedarf es nicht. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Personalvertretungsrecht des Landes, Wahlanfechtung, Fehlerhafte Besetzung des Wahlvorstandes
Fundstelle:
BeckRS 2022, 29396
Tenor
Die Personalratswahl bei der AKU Abfallwirtschaft D.-W. vom 4. Mai 2021 wird für unwirksam erklärt.
Gründe
1
Die Antragstellerin, eine in der Dienststelle des Beteiligten zu 2) vertretene Gewerkschaft, begehrt im Wege der Wahlanfechtung die Unwirksamkeitserklärung der Personalratswahl bei dem Beteiligten zu 2).
2
Am 4. Mai 2021 fand beim Beteiligten zu 2) im Wege schriftlicher Stimmabgabe die Wahl zum Personalrat statt. In seiner Sitzung vom 24. November 2020 hat der zu diesem Zeitpunkt amtierende Personalrat gemäß Art. 20 Bayerisches Personalvertretungsgesetz (BayPVG) über den Wahlvorstand beschlossen. Dabei wurde Herr ... zum Wahlvorstandsvorsitzenden bestimmt und Herr … … und Herr … … … als weitere Mitglieder des Wahlvorstands. Die Herren ... und … wurden als Vertretung benannt. Eine schriftliche Information des Personalrats an den Wahlvorstandsvorsitzenden über diese Beschlussfassung unterblieb.
3
Am 22. Januar 2021 fand eine erste Sitzung des Wahlvorstands statt, an der der Wahlvorstandsvorsitzende … und Herr … … teilnahmen. Im Rahmen der Sitzung wurde u.a. das Wahlausschreiben vorbereitet, das unter dem 22. Februar 2021 einzeln von Herrn …, Herrn … … und Herrn … unterschrieben wurde. Am 25. Januar 2021 wurde ein - nicht unterschriebenes - Schreiben des Wahlvorstands vom 22. Januar 2021 mit der Bekanntmachung von Herrn … Herrn … … und Herrn … als Wahlvorstand und Herrn … und Herrn … als Ersatzmitglieder bekanntgemacht. Eine Klärung über die Zusammensetzung des Wahlvorstandes nach Rückkehr von Herrn … nach dessen urlaubs- und erkrankungsbedingten Abwesenheit seit 25. November 2020 unterblieb, trotz Aufforderung durch diesen gegenüber Herrn … im März 2022. Ebensowenig erfolgte eine nähere Klärung oder Beschlussfassung über den neuen Wahlvorstandsvorsitzenden nach Ausfall von Herrn … Ende April 2021.
4
Die Auszählung der Stimmen fand am 4. Mai 2021 durch Herrn … … als Wahlvorstandsvorsitzenden und die Herrn … und … statt, die auch die Wahlniederschrift unterschrieben. Herr … nahm zeitweilig als Zuschauer teil.
5
Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2021 hat die Antragstellerin die Wahl angefochten. Zur Begründung werden mehrere Verstöße gegen Wahlvorschriften geltend gemacht, u.a. hinsichtlich der Anordnung der schriftlichen Stimmenabgabe, eine an manchen Zweigstellen unterbliebene Bekanntmachung des Wahlausschreibens, einer unzureichenden Aufbewahrung der eingegangenen Briefwahlunterlagen bis zum letzten Tag der Wahl, eine Nichtaushändigung eines neuen Stimmzettels an einen Wahlberechtigten kurz vor Ende der Wahl, Fehler bei der Auszählung bzw. Dokumentation in der Wahlniederschrift und insbesondere fehlende Beschlüsse des Wahlvorstandes und eine fehlerhafte Besetzung des Wahlvorstands. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die schriftsätzlichen Ausführungen vom 18. Mai 2021 und 20. Juli 2021 sowie in der Anhörung am 18. Oktober 2022 Bezug genommen.
6
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat in der Sitzung am 18. Oktober 2022 beantragt,
Die Personalratswahl in der Dienststelle des Beteiligten zu 3) vom 04.05.2021 wird für unwirksam erklärt.
7
Der Beteiligte zu 2) hat in der Sitzung am 18. Oktober 2022 beantragt,
den Antrag vom 18.05.2021 auf Unwirksamkeit der Personalratswahl vom 04.05.2021 zurückzuweisen.
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Zur Erwiderung wurde seitens der Dienststellenleitung mit Schriftsätzen vom 10. Juni 2021, 29. Juni 2021 und - nach richterlichem Hinweis hinsichtlich der Wahlvorstandsbesetzung - vom 12. Oktober 2022 sowie in der Anhörung am 18. Oktober 2022 Stellung genommen. Hierauf wird Bezug genommen.
9
Der - ordnungsgemäß geladene - Beteiligte zu 1) hat an der Sitzung am 18. Oktober 2022 nicht teilgenommen und dort keinen eigenen Antrag gestellt, aber unter dem 10. Juni 2021 zusammen mit dem Beteiligten zu 2) seine Stellungnahme abgegeben.
10
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2022 mit Beweisaufnahme durch Einvernahme der Zeugen …, … … und … Bezug genommen.
11
Die zulässig durch die in der Dienststelle des Beteiligten zu 2) vertretene Gewerkschaft erhobene Wahlanfechtung gemäß Art. 25 BayPVG ist begründet, da bei der Wahl gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen wurde, deren Einfluss auf die Wahl und deren Ergebnis nicht ausgeschlossen ist.
12
Entgegen des Personalratsbeschlusses vom 24. November 2020 erfolgte nicht nur unter dem 22. Januar 2021 am 25. Januar 2021 eine fehlerhafte Bekanntmachung über die Zusammensetzung des Wahlvorstands, sondern zudem auch eine jeweils fehlerhafte Besetzung des Wahlvorstandes.
13
In der ersten Sitzung des Wahlvorstandes am 22. Januar 2021 war dieser bereits fehlerhaft besetzt, als ausweislich des Protokolls mit Herrn … und Herrn … … nur zwei Personen teilgenommen haben. Zwar meinte sich der Zeuge … … zu erinnern, dass in der Sitzung noch weitere Personen anwesend gewesen seien, vermochte dies aber nicht zu konkretisieren. Vielmehr ist - in Übereinstimmung mit der Zeugenaussage des Zeugen … - von der Richtigkeit des Protokolls mit Vermerk von nur zwei anwesenden Personen und entsprechend auch der Unterschrift nur zweier Personen auszugehen. Nachdem in dieser Sitzung aber mit der Erstellung des Wahlausschreibens gerade (wesentliche) Entscheidungen über die Durchführung der Wahl getroffen wurden, insbesondere über eine schriftliche Stimmenabgabe i.S.v.Art. 56a Abs. 4 WO-BayPVG, war der Wahlvorstand in dieser Sitzung mit nur 2 Personen nicht beschlussfähig. Gemäß § 1 Satz 2 der Wahlordnung zum Bayerischen Personalvertretungsgesetz (WO-BayPVG) haben bei Entscheidungen des Wahlvorstands, die in Sitzungen getroffen werden, sämtliche Mitglieder, im Verhinderungsfall die Ersatzmitglieder, mitzuwirken. Nachdem Herr … zu diesem Zeitpunkt erkrankt war, hätte ein Ersatzmitglied auf der Grundlage des Beschlusses des Personalrats vom 24. November 2021 nachrücken müssen (und können).
14
Schon in dieser fehlerhaften Besetzung des Wahlvorstands am 22. Januar 2021 ist ein wesentlicher Verstoß gegen die Wahlvorschriften zu sehen, der eine Wahlanfechtung begründet.
15
Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2) ist zudem nicht auf eine - wohl im Vorfeld der Beschlussfassung des Personalrats im Zusammenhang mit der Auswahl von Schulungsteilnehmern mündlich erfolgte - sich letztlich als falsch oder zumindest missverständlich herausstellende Information an den Wahlvorstandsvorsitzenden über die Wahlvorstandsbesetzung abzustellen, sondern die tatsächliche Beschlussfassung entscheidend. So hat die Beweisaufnahme ergeben, dass anscheinend im Vorfeld der Beschlussfassung des Personalrats zur Auswahl der Teilnehmer für eine Schulung die sechs Personen für den Wahlvorstand „pro forma“, so die Formulierung des Zeugen …, benannt wurden und hiernach der Wahlvorstandsvorsitzende von einer anderen Reihung ausging. Die - nach den Erkenntnissen aus der Beweisaufnahme - nur mündliche Information vermochte jedoch nicht, der Wirksamkeit des Beschlusses im Personalrat vom 24. November 2021 entgegenzustehen. Gleiches gilt für die entsprechend fehlerhafte - schon nicht unterschriebene - Bekanntmachung unter dem 22. Januar 2021 über die Zusammensetzung des Wahlvorstands.
16
Fehlerhaft besetzt war der Wahlvorstand auch während der Stimmenauszählung am 4. Mai 2021. Nach Rückkehr von Herrn … aus dem Krankenstand hätte dieser auf der Grundlage des Personalratsbeschlusses wieder im Wahlvorstand mitwirken müssen. Fraglich ist mangels dokumentierter Beschlusslage auch, dass Herr … … statt Herr … die Funktion des Wahlvorstandsvorsitzenden ausübte.
17
Nicht von Relevanz ist im Wahlanfechtungsverfahren, wer die aufgetretenen Fehler zu verantworten hat, insbesondere auch nicht, ob sich Herr … bei der Stimmauszählung am 4. Mai 2021 rügelos darauf eingelassen habe, nicht als Wahlvorstand an der Auszählung habe teilnehmen zu können. Es kommt insoweit alleine auf die objektiv fehlerhafte Besetzung an.
18
Bei der (richtigen) Besetzung des Wahlvorstandes - auch in voller Besetzung statt reduzierter Personenzahl - handelt es sich um eine wesentliche Wahlvorschrift, da der Wahlvorstand die wesentlichen Entscheidungen über die Durchführung der Wahl - z.B. auch über die Frage der Anordnung einer schriftlichen Stimmenabgabe oder bei Zweifeln über die (Un) Gültigkeit von Stimmzetteln - zu treffen hat. Daher ist per se nicht auszuschließen, dass eine fehlerhafte Besetzung auch Auswirkungen auf die Wahl und das Ergebnis haben. Konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte, dass es im jeweils vorliegenden Fall zu einem anderen Wahlergebnis gekommen wäre, wäre der Wahlvorstand richtig besetzt gewesen, bedarf es nicht.
19
Folglich war die Wahl für ungültig zu erklären.
20
Dahinstehen können die übrigen geltend gemachten Wahlanfechtungsgründe.
21
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.