Titel:
Erfolglose Klage auf Ergänzung eines Planfeststellungsbeschlusses zum Bau einer U-Bahn-Verlängerung um eine Regelung zum Aufwendungsersatz gem. Art. 74 Abs. 2 S. 2 BayVwVfG
Normenketten:
VwGO § 67 Abs. 4, § 87b Abs. 3 S. 1 Nr. 1, § 108 Abs. 1, § 113 Abs. 5
PBefG § 4 Abs. 2, § 28 Abs. 1 S. 3 und S. 4, § 28a Abs. 1 S. 1–3, § 29 Abs. 1 S. 3 und S. 4, Abs. 7
UmwRG § 4 Abs. 3 S. 1, § 5, § 7 Abs. 4 und Abs. 6
BayVwVfG Art. 73 Abs. 4 S. 1 und 3, Art. 74 Abs. 2 S. 2
BauGB § 14 Abs. 3, § 31 Abs. 2
BayBO Art. 10, Art. 59 S. 1 Nr. 3, Art. 60 S. 1 Nr. 3, Art. 68 Abs. 6 Nr. 1, Art. 70 S. 2, Art. 71
BayDSchG Art. 4 Abs. 1 S. 1, Art. 6 Abs. 3 S. 1
Leitsätze:
Anders als bei einer Veränderungssperre nach § 14 BauGB (dazu BVerwG, U.v. 3.2.1984 - 4 C 39.82 - BVerwGE 69, 1) kann sich ein die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens feststellender Bauvorbescheid (sog. Bebauungsgenehmigung) gegenüber den Wirkungen einer fachplanungsrechtlichen Veränderungssperre gem. § 28a Abs. 1 PBefG nicht durchsetzen. (Rn. 54 – 62)
1. Gemäß Art. 74 Abs. 2 S. 2 BayVwVfG kann die Planfeststellungsbehörde dem Vorhabenträger auch aufgeben, einem planbetroffenen Dritten finanziellen Ersatz für Aufwendungen zu leisten, die dieser für erforderliche Schutzmaßnahmen aufgebracht hat, insbesondere, wenn der Dritte die Schutzmaßnahmen bereits selbst getroffen hat. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die in § 28a Abs. 1 S. 2 PBefG genannten Ausnahmen sind abschließend. (Rn. 57 und 63) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bezugspunkt des Missbrauchs bzw. der Unredlichkeit iSv § 5 UmwRG ist nicht der Inhalt der Einwendung, sondern der Zeitpunkt ihrer Geltendmachung. (Rn. 71) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die sich aus § 29 Abs. 7 PBefG ergebenden Anforderungen an die Klagebegründung verlangen (iVm dem in § 67 Abs. 4 VwGO normierten Vertretungszwang), dass die Klagebegründung aus sich heraus hinreichend verständlich ist, den Gegenstand der Rüge deutlich macht und rechtlich einordnet; es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich aus beigefügten Unterlagen den Inhalt der Kritik des Klägers selbst zusammenzusuchen und zu erschließen. (Rn. 100) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Planfeststellungsbeschluss zur Verlängerung einer U-Bahn, Verpflichtungsklage auf Planergänzung um eine Auflage, die zu Aufwendungsersatz für wegen des Tunnelbaus vorgenommenen statischen Maßnahmen an z.T. neu errichteten, z.T. denkmalgeschützten Gebäuden führen soll, fachplanungsrechtliche Veränderungssperre, (keine) Durchsetzung von Bauvorbescheiden gegenüber einer solchen Veränderungssperre, Anforderungen an die Klagebegründung gem. § 29 Abs. 7 PBefG in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht, Planfeststellungsbeschluss, Ergänzung, Aufwendungsersatz, Vorkehrungen, Statik, Standsicherheit, Veränderungssperre, Ausnahme, wesentlich wertsteigernde Veränderung, Vorbescheid, Teilbaugenehmigung, Denkmalschutz, Präklusion, Beweissicherungsverfahren
Fundstellen:
BayVBl 2023, 164
BauR 2023, 430
DÖV 2023, 182
BeckRS 2022, 25926
LSK 2022, 25926
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die Ergänzung eines zur Verlängerung einer U-Bahn-Linie ergangenen Planfeststellungsbeschlusses um eine Auflage, mit der der Beigeladenen als Vorhabenträgerin aufgegeben werden soll, Aufwendungsersatz für von der Klägerin an einem denkmalgeschützten Gebäude, neu errichteten Wohngebäuden und einer Tiefgarage vorgenommenen statischen Schutzmaßnahmen zu leisten, die aufgrund des Tunnelbaus erforderlich geworden seien.
2
Der Westast der im Stadtgebiet der Beigeladenen verlaufenden U-Bahn-Linie ... (im Folgenden: U ...) soll bis zum (Fern-, Regional- und S-) Bahnhof P. verlängert werden. Der hier in Rede stehende Planfeststellungsabschnitt (PA) 78 verläuft vom geplanten Bahnhof W.straße (Gegenstand des PA 77) über den südlich der L. Straße geplanten Bahnhof ... bis zur J.-Straße.
3
Die Klägerin ist Eigentümerin der Grundstücke FlNr. … und …/6, Gemarkung P. Das Grundstück FlNr. …/6 war ursprünglich Teil des Grundstücks FlNr. … Die Grundstücke der Klägerin befinden sich zwischen der L. Straße (südlich verlaufend) und der J.-Straße (nördlich verlaufend). Auf dem Grundstück FlNr. … befindet sich ein Gebäude, welches nach dem Jahr 2010 wie folgt in die Denkmalliste (Art. 2 BayDSchG) eingetragen wurde: „Ehem. Kuvertfabrik, vormals Schokoladenfabrik, zweigeschossiger, breit gelagerter Satteldachbau mit geschwungener Walmdachgaube und Putzgliederung in neubarocken Formen, dreischiffige Eisenbetonkonstruktion, von Leonhard Moll, 1906“ (im Folgenden: Kuvertfabrik). Die Grundstücke der Klägerin liegen im Geltungsbereich des seit dem 30. Juni 2006 rechtsverbindlichen Bebauungsplans Nr. 1922a der Beigeladenen. Der Bereich der Kuvertfabrik ist darin mit Wohngebäuden, Grünflächen und einer Promenade überplant.
4
Mit Datum 2. August 2013 (korrigiert mit Datum 22.8.2013) hatte die Beigeladene für das (damals noch ungeteilte) Grundstück FlNr. …/0 einen Vorbescheid gem. Art. 71 BayBO für das Vorhaben „Neubau eines Wohn- und Geschäftszentrums mit Tiefgarage“ erteilt. Bei den im zugehörigen Plan ausgewiesenen Baukörpern C, D, E, F und G handelte es sich um Neubauten; mit H war das Gebäude der Kuvertfabrik gekennzeichnet. Nach den im Vorbescheid genannten „Planungsrechtlichen Grundlagen“ war es Ziel des Vorbescheids, die Kuvertfabrik unter Beachtung der städtebaulichen Grundstruktur des Bebauungsplans Nr. 1922a zu erhalten. Der Vorbescheid wurde mit Bescheid vom 23. Mai 2016 bis einschließlich 2. August 2018 und mit Bescheid vom 3. August 2018 bis einschließlich 2. August 2020 verlängert.
5
Mit Datum 23. März 2017 hatte die Beigeladene für das (damals ebenfalls noch ungeteilte) Grundstück FlNr. …/0 einen weiteren Vorbescheid nach Art. 71 BayBO für das Vorhaben „Neubau eines Wohn- und Geschäftszentrums mit Tiefgarage“ erteilt.
6
Die Beigeladene beantragte mit Schreiben vom 31. Juli 2018, eingegangen bei der Regierung von Oberbayern am gleichen Tag, den Plan für den Bau der Verlängerung der U ... West vom Bahnhof W.straße bis zum Bahnhof ... im Streckenabschnitt zwischen F.-Straße und J.-Straße einschließlich U-Bahnhof ..., Planfeststellungsabschnitt 78, festzustellen.
7
Auf Ersuchen der Regierung von Oberbayern legte die Beigeladene die Planfeststellungsunterlagen in ihrem Baureferat öffentlich vom 17. September 2018 bis einschließlich 16. Oktober 2018 aus; ferner konnten die Unterlagen auf der Internetseite der Beigeladenen abgerufen werden. Die Bekanntmachung für das Verfahren erfolgte im Amtsblatt Nr. 25/2018 der Beigeladenen vom 10. September 2018 (S. 342) und in zwei Printmedien am 13. September 2018. Einwendungen wurden von der Klägerin nicht erhoben.
8
Mit Datum 19. Dezember 2018 erteilte die Beigeladene der Klägerin auf deren Antrag vom 26. November 2018 für das Vorhaben „Neubau von 5 Wohnhäusern inklusive Einzelhandelsfläche und eingeschossiger Tiefgarage“ auf dem Grundstück FlNr. …/0 eine Teilbaugenehmigung für Aushub mit Verbau und Unterfangungen gem. Art. 70 BayBO.
9
Mit Datum 19. Juni 2019 erteilte die Beigeladene der Klägerin auf deren Antrag vom 22. Oktober 2018 die Baugenehmigung für das Vorhaben „Neubau von fünf Wohnhäusern inklusive Einzelhandel und einer Tiefgarage“ auf dem Grundstück FlNr. … Zu dieser Baugenehmigung erteilte die Beigeladene der Klägerin auf deren Antrag vom 26. Mai 2020 mit Datum 12. Oktober 2020 eine Änderungsgenehmigung. Mit Datum 16. Juli 2019 erteilte die Beigeladene der Klägerin auf deren Antrag vom 26. November 2018 in Bezug auf die Kuvertfabrik eine Baugenehmigung für das Vorhaben „Sanierung, Instandsetzung und Revitalisierung eines denkmalgeschützten Gebäudes in ein Bürogebäude mit Gastronomie im UG“. Zu dieser Baugenehmigung erteilte die Beigeladene der Klägerin auf deren Antrag vom 26. Mai 2020 mit Datum 21. Juli 2020 eine Änderungsgenehmigung.
10
Am 15. Mai 2020 entschied die Regierung von Oberbayern, dass für die zur Planfeststellung nachgesuchte Verlängerung der U-Bahn-Linie auf eine formelle Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) verzichtet werden könne.
11
Mit Datum 28. Juli 2020 erteilte die Regierung von Oberbayern der Beigeladenen den Planfeststellungsbeschluss zur Verlängerung der U-Bahn-Linie unter zahlreichen Nebenbestimmungen. Der festgestellte Plan umfasst u.a. den Erläuterungsbericht (Unterlage A1), einen Geotechnischen Bericht - Streckenvortrieb (Unterlage C-1.2.1) und Setzungsberechnungen (Unterlage C1-2.2). In der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses ist u.a. ausgeführt: Die beiden Streckentunnel südöstlich und nordwestlich des U-Bahnhofs ... würden in bergmännischer Bauweise mit Tunnelvortriebsmaschinen erstellt. Im Umfeld des nordwestlichen Teils des U-Bahnhofs ... lägen drei denkmalgeschützte Gebäude auf Grundstücken, die nicht für die Baumaßnahme in Anspruch genommen werden müssten. Durch die gewählten Bauweisen seien Schäden an diesen Gebäuden nicht zu erwarten. Zudem sei im Erläuterungsbericht vorgesehen, für diese Gebäude insbesondere im Hinblick auf den Bestand und den Zustand der baulichen Anlagen ein Beweissicherungsverfahren durchzuführen. Die Festsetzung über die gesetzlichen Regelungen zum Denkmalschutz hinausgehender Nebenbestimmungen sei daher insoweit nicht erforderlich.
12
Der Planfeststellungsbeschluss lag mit einer Ausfertigung der planfestgestellten Unterlagen vom 25. August 2020 bis einschließlich 7. September 2020 zur öffentlichen Einsichtnahme aus; der Planfeststellungsbeschluss konnte auch auf der Internetseite der Beigeladenen abgerufen werden (vgl. Amtsblatt der Beigeladenen Nr. 23/2020, S. 473).
13
Die Klägerin erhob mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am gleichen Tag, Klage. Anträge sowie die ausführliche Begründung sollten einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten bleiben. Zum vorläufigen Hintergrund der Klage wurde u.a. ausgeführt, dass mit der Klage die Aufnahme einer Auflage in den Planfeststellungsbeschluss begehrt werde, mit der der Beigeladenen als Vorhabenträgerin aufgegeben werde, Aufwendungsersatz für von der Klägerin durchgeführte statische Maßnahmen zu leisten, die aufgrund des Tunnelbaus und der damit verursachten Setzungen bei der Kuvertfabrik sowie bei den bereits vor der Auslegung des festgestellten Plans durch Vorbescheide und laufende Baugenehmigungsverfahren hinreichend konkretisierten und derzeit neu errichteten Wohngebäuden erforderlich geworden seien. Die Beigeladene habe nach Auslegung der Planunterlagen festgestellt und der Klägerin am 29. Juli 2019 mitgeteilt, dass infolge der aus den beiden U-Bahn-Vortrieben überlagerten Setzungsmulden über dem Tunnelbereich Setzungen von bis zu 20 mm eintreten könnten, die sowohl bei der Kuvertfabrik als auch bei den bereits genehmigten Neubauten weitgehende zusätzliche statische Maßnahmen erforderten. Da diese statischen Schutzvorkehrungen bereits von der Klägerin - in Abstimmung mit der Beigeladenen - selbst ausgeführt worden seien, habe der Beigeladenen nach Art. 74 Abs. Satz 2 Satz 2 BayVwVfG durch Auflage im Planfeststellungsbeschluss aufgegeben werden müssen, der Klägerin entsprechenden Aufwendungsersatz zu leisten.
14
Mit Schriftsatz vom 17. November 2020 legte der Beklagte seine Verfahrensakten vor und teilte überdies mit, von der Thematik bisher keine Kenntnis gehabt zu haben. Dieser Schriftsatz wurde der Klägerin und der Beigeladenen mit Datum 20. November 2020 mit der Bitte um Kenntnisnahme und etwaige Äußerung binnen vier Wochen zugeleitet.
15
Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2020, eingegangen beim Verwaltungsgerichtshof am 15. Dezember 2020, bat die Klägerin um Einsicht in die vom Beklagten vorgelegten Verfahrensakten sowie um Einsicht in die Akten der Beigeladenen, sobald diese vorgelegt worden seien. Die weitere Darlegung des Klagebegehrens und der Nachweise für die entstandenen Kosten, deren Erforderlichkeit und für die Ursächlichkeit des planfestgestellten Vorhabens erfolge gesondert im Rahmen einer ausführlichen Klagebegründung. Da hierfür die umfangreichen Unterlagen geprüft und mit den technischen Sachverständen abgestimmt werden müssten, werde um Verlängerung der Frist zur Stellungnahme bis zum 31. Januar 2021 gebeten.
16
Mit gerichtlichem Schreiben vom 15. Dezember 2020 wurden den Bevollmächtigten der Klägerin die Akten des Beklagten zugeleitet und die Stellungnahmefrist antragsgemäß bis 31. Januar 2021 verlängert.
17
Mit Schriftsätzen vom 29. Januar 2021 und vom 7. Juli 2022, beim Verwaltungsgerichtshof jeweils eingegangen am gleichen Tag, trug die Klägerin weiter vor. Die Klägerin beantragt,
18
Der Beklagte wird verpflichtet, den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern vom 28. Juli 2020 für die Verlängerung der U ... vom Bahnhof W. straße zum Bahnhof ... (Planfeststellungsabschnitt 78) um eine Auflage zu ergänzen, mit der der Vorhabenträgerin aufgegeben wird, Aufwendungsersatz für die von der Klägerin geleisteten statischen Schutzmaßnahmen zu leisten, die aufgrund des Tunnelbaus für die Verlängerung der U ... West und der dadurch verursachten Setzungen bei der bestehenden und denkmalgeschützten ehemaligen Kuvertfabrik auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung P., sowie bei den derzeit neu errichteten Wohngebäuden und Tiefgarage auf dem Grundstück FlNr. …/6, Gemarkung P., erforderlich wurden.
19
Sie macht im Wesentlichen geltend:
20
Die Klägerin habe einen mit der Verpflichtungsklage durchsetzbaren Anspruch auf Aufnahme der begehrten Auflage in den Planfeststellungsbeschluss gem. Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG. Die Planfeststellungsbehörde könne dem Vorhabenträger nach dieser Vorschrift auch aufgeben, dem planbetroffenen Dritten finanziellen Ersatz für Aufwendungen zu leisten, die dieser für die erforderlichen Schutzmaßnahmen aufgebracht habe, insbesondere, wenn der Dritte - wie hier die Klägerin - die Schutzmaßnahmen bereits selbst getroffen habe.
21
Der Planfeststellungsbeschluss sei rechtswidrig, weil er die im Laufe des Planfeststellungsverfahrens bekannt gewordene Problematik hinsichtlich Setzungen von bis zu 20 mm und der Gefahr eines „Ausbläserns“ oder eines Geländeaufbruchs nicht berücksichtigt habe. Stützdruckuntersuchungen seien nicht durchgeführt und unzulässigerweise der Ausführungsplanung überlassen worden. Aus den eingereichten Planfeststellungsunterlagen habe sich der Behörde aber aufdrängen müssen, dass weitere Untersuchungen anzustellen und notwendige Schutzvorkehrungen zu berücksichtigen gewesen seien, insbesondere hinsichtlich der bereits vorhandenen Kuvertfabrik.
22
Die durch den U-Bahn-Bau verursachten Setzungen bildeten sich nur unter einem Teil der Kuvertfabrik aus; sie träten daher komplett als besonders gefährliche Differenzsetzungen auf. Bei der Kuvertfabrik handele es sich um ein monolithisches Bauwerk ohne Fugen, bei dem Setzungsdifferenzen noch schwieriger aufzunehmen seien. Zudem hätten die Planer der Beigeladenen der Klägerin mitgeteilt, dass während des Auffahrens der Tunnel auch punktuell höhere Setzungen nicht ausgeschlossen werden könnten; daher hätte das Gebäude der Kuvertfabrik in dieser Zeit aus Sicherheitsgründen nicht genutzt werden können.
23
Die Klägerin habe in Abstimmung mit der Beigeladenen an der Kuvertfabrik, dem neu errichteten (Wohn-) Haus C und der Tiefgarage zahlreiche baulichen Maßnahmen ergriffen (vgl. Aufzählung im Schriftsatz vom 29.1.2020 S. 10 f.; Schriftsatz vom 7.7.2022 S. 10 bis 22), um trotz des Tunnelbaus die Standsicherheit der betroffenen Gebäude sicherzustellen und Schäden zu verhindern. Hinsichtlich der Kuvertfabrik seien insbesondere eine Einbindung der Einzelfundamente in einen Stahlbetonträgerrost bzw. einer Abfangung mit Hilfe eines Balkenrostes im ersten Untergeschoss und die Ergänzung einer massiven Stahlbetonbodenplatte im zweiten Untergeschoss erforderlich geworden. Für die Umsetzung dieser Maßnahmen, die allein auf die Auswirkungen des U-Bahn-Baus und nicht auf die Umnutzung der Kuvertfabrik oder auf die Realisierung der Nachbarbauvorhaben zurückzuführen seien, seien der Klägerin die Änderungsbaugenehmigungen erteilt worden. Alle zusätzlichen statischen und damit verbundenen Maßnahmen hätten Mehrkosten von insgesamt 2.012.197,56 € netto verursacht.
24
Die Klägerin sei wegen § 7 Abs. 4, Abs. 6 UmwRG nicht wegen der im Planfeststellungsverfahren unterlassenen Einwendungen gem. Art. 73 Abs. 4 Satz 3 BayVwVfG präkludiert, weil es sich, was ausreichend sei, um ein potenziell UVPpflichtiges Vorhaben handele. Präkludiert sein könnten überdies nur Einwendungen, hinsichtlich derer die Betroffenheit aus den ausgelegten Unterlagen erkennbar gewesen sei. Vorliegend hätten die Unterlagen keine ausreichenden Hinweise auf mögliche Beeinträchtigungen der Gebäude durch Auswirkungen des Tunnelbaus enthalten und daher insoweit auch keine Anstoßwirkung für entsprechende Einwendungen entfaltet. Erst im Juli 2019 und damit weit nach Ablauf der Einwendungsfrist sei die Klägerin von der Beigeladenen darüber informiert worden, dass in Folge des Tunnelvortriebs zusätzliche statische Maßnahmen erforderlich seien, um Schäden an den Gebäuden der Klägerin zu vermeiden.
25
Auch die Voraussetzungen des § 5 UmwRG lägen nicht vor, da es um Umstände gehe, die erst deutlich nach Ablauf der Einwendungsfrist bekannt geworden seien. Die fehlende Präklusion könne nicht durch Heranziehung des Rechtsinstituts der Verwirkung umgangen werden. Nach Kenntnis von der Setzungsproblematik habe sich die Klägerin intensiv darum bemüht und sich mit der Beigeladenen abgestimmt, damit die erforderlichen Schutzvorkehrungen ermittelt und durchgeführt werden könnten, um die Bauabläufe des eigenen Bauvorhabens nicht weiter zu verzögern und die Umsetzung des U-Bahn-Baus nicht zu gefährden. Es habe der Beigeladenen oblegen, diese Schutzvorkehrungen im Planfeststellungsverfahren zu berücksichtigen und in den planfestzustellenden Unterlagen zu ergänzen. Dies sei nicht erfolgt. Aus den Erörterungen zwischen Klägerin und Beigeladener habe nicht geschlossen werden können, dass die Klägerin alle Kosten für die durch den Tunnelvortrieb verursachten Schutzvorkehrungen tragen würde oder dass die Schutzvorkehrungen nicht im Planfeststellungsverfahren zu berücksichtigen seien.
26
Dem geltend gemachten Anspruch stehe auch die Veränderungssperre nach § 28a PBefG nicht entgegen. Die Schutzvorkehrungen an der Kuvertfabrik seien unabhängig von der geplanten Revitalisierung des Gebäudes zum Schutz des denkmalgeschützten Bestandsgebäudes ausschließlich vor den durch den Tunnelvortrieb zu erwartenden Setzungen und Ausbläsern erforderlich geworden. Durch das Bauvorhaben der Klägerin ergäben sich im Vergleich zur früheren Nutzung keine zusätzlichen Lasten oder Anforderungen an die Statik, so dass die durchgeführten statischen Schutzmaßnahmen auch für den Schutz des Bestands erforderlich gewesen seien. Zum Erhalt der Kuvertfabrik und zu einer denkmalgerechten Nutzung sei die Klägerin gem. Art. 4 und 5 BayDSchG und nach einem mit der Beigeladenen in den Jahren 2014/2019 geschlossenen städtebaulichen Vertrag verpflichtet gewesen. Hinsichtlich der neu errichteten Wohngebäude könne die Veränderungssperre den Vorhaben angesichts der bereits durch die Vorbescheide vom 2. August 2013 und vom 23. März 2017 sowie durch die eingereichten Bauanträge planerisch hinreichend verfestigten Vorhaben nicht entgegengehalten werden.
27
Die Klage sei bereits mit dem Schriftsatz vom 5. Oktober 2020 anhand der bis dahin vorliegenden Unterlagen gem. § 29 Abs. 7 PBefG fristgerecht begründet worden. Bei dem Vortrag in den Schriftsätzen vom 29. Januar 2021 und vom 7. Juli 2022 handele es sich um zulässige Konkretisierungen. Das Gericht habe zudem eine Fristverlängerung bis 31. Januar 2021 gewährt. Das spätere Vorbringen sei im Übrigen ausreichend entschuldigt. Die vollständige Erläuterung des technisch und rechtlich komplexen Sachverhalts habe zunächst Einsicht in die vollständigen Verfahrensakten sowie eine umfangreiche rechtliche und technische Analyse und Abstimmung mit den Sachverständigen der Klägerin erfordert. Diese Prüfung und die daran anschließende Ausarbeitung der Klagebegründung sei innerhalb von zehn Wochen ab Klageeinreichung nicht möglich gewesen. Weder das gerichtliche Verfahren noch die Umsetzung des planfestgestellten Vorhabens seien durch die Konkretisierung der Klagebegründung verzögert worden.
28
Der Beklagte beantragt,
30
Er trägt im Wesentlichen vor: Das Vorbringen im Schriftsatz vom 29. Januar 2021 und späteres Vorbringen dürfe nicht berücksichtigt werden, weil es erst nach Ablauf der Frist des § 29 Abs. 7 Satz 1 PBefG erfolgt sei. Einen Entschuldigungsgrund nach § 29 Abs. 7 Satz 2 PBefG habe die Klägerin nicht glaubhaft gemacht. Die zur Prüfung des geltend gemachten Anspruchs nötigen Unterlagen hätten sich von Anfang an in ihrem Herrschaftsbereich befunden. Es sei auch nicht ohne geringen Aufwand möglich, den Sachverhalt ohne die Klägerin zu ermitteln (§ 29 Abs. 7 Satz 4 PBefG). Ein Fristverlängerungsantrag nach § 29 Abs. 7 Satz 5 PBefG sei schon nicht rechtzeitig gestellt worden. Auch liege keine ausreichende richterliche Verlängerungsentscheidung vor. Schließlich habe für die Klägerin im Planfeststellungsverfahren i.S.d. § 29 Abs. 7 Satz 5 PBefG eine Möglichkeit zur Beteiligung bestanden.
31
Die Klägerin sei auch gem. Art. 73 Abs. 4 Satz 3 BayVwVfG mit ihrem Vorbringen präkludiert. Die ausgelegten Planfeststellungsunterlagen hätten die nötige Anstoßwirkung erfüllt. Ihnen sei zu entnehmen gewesen, dass die Grundstücke der Klägerin durch den U-Bahn-Bau unterquert würden, dass jedoch nur vom vorhandenen Baubestand ausgegangen worden sei (nicht revitalisierte Kuvertfabrik ohne Wohnhäuser und Tiefgarage). Die Klägerin habe nicht davon ausgehen können, dass etwaige Setzungsauswirkungen bereits geklärt und von vornherein auszuschließen seien. Die Präklusion entfalle auch nicht wegen § 7 Abs. 4 UmwRG, da die durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls ergeben habe, dass das Vorhaben nicht UVPpflichtig sei.
32
Ein möglicher Anspruch der Klägerin sei zudem wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben verwirkt; ihm stehe zudem § 5 UmwRG entgegen. Die Klägerin habe es unterlassen, ihre Bauvorhaben bereits im Einwendungsverfahren anzuführen. Bereits ab 11. Januar 2019 habe sich die Klägerin mit der Beigeladenen über mögliche Setzungen ausgetauscht. Die Klägerin habe stets den Eindruck erweckt, sie werde sich um die Maßnahmen zur Sicherung ihrer Gebäude kümmern und auf ihre Kosten durchführen lassen. Auf die Planfeststellungsbehörde sei die Klägerin zu keinem Zeitpunkt zugekommen. Vielmehr habe sie noch im Planfeststellungsverfahren mit der Durchführung der Maßnahmen zumindest begonnen.
33
Der begehrten Auflage stehe auch die Veränderungssperre nach § 28a PBefG entgegen. Die Klägerin habe unzulässige Veränderungen i.S.v. § 28a Abs. 1 Satz 3 PBefG durchgeführt. Auch die grundlegende Sanierung der Kuvertfabrik nebst Umbau und Umnutzung (Büros; Gastronomie) sei eine wesentlich wertsteigernde Maßnahme. Sämtliche Baugenehmigungen seien erst nach In-Kraft-Treten der Veränderungssperre erteilt worden. Die vor Einleitung des Planfeststellungsverfahrens erteilten Vorbescheide seien nicht maßgeblich, da Vorbescheide nicht zu einem i.S.v. § 28a Abs. 1 Satz 2 PBefG rechtlich zulässigen Baubeginn berechtigten. Zudem enthielten die Vorbescheide keine Aussage zur hier streitigen Thematik der Gründung der Vorhaben. Ferner hätten die Vorbescheide nicht abschließend über die bebauungsrechtliche bzw. planungsrechtliche Zulässigkeit eines bestimmten Vorhabens befunden. Schließlich seien die Vorbescheide vor Ergehen des Planfeststellungsbeschlusses abgelaufen gewesen.
34
Zudem liege kein Verfahrens- oder Abwägungsfehler vor, weil der Planfeststellungsbehörde im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses die nunmehr streitige Thematik weder bekannt gewesen sei noch sich ihr hätte aufdrängen müssen. Setzungen seien in den eingereichten Planfeststellungsunterlagen behandelt worden; Hinweise auf Schädigungen hätten sich hieraus nicht ergeben. Der Planfeststellungsbeschluss greife auch nicht in vollziehbares Baurecht der Klägerin ein, da der Klägerin Tektur-Baugenehmigungen erteilt worden seien, die die von ihr angesichts des Tunnelbaus durchgeführten Maßnahmen umfassten.
35
Die Beigeladene tritt der Klage ohne Antragstellung entgegen. Sie führt ebenfalls aus, dass die Klägerin mit ihrem Vorbringen nach Art. 73 Abs. 4 Satz 2 BayVwVfG präkludiert sei. Den ausgelegten Planfeststellungsunterlagen sei auch die nötige Anstoßfunktion zugekommen. Soweit der Klägerin die Setzungsproblematik erst nach Ablauf der Einwendungsfrist bekannt geworden sei, habe sie einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. Art. 32 BayVwVfG stellen müssen.
36
Zudem stehe dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch die Veränderungssperre nach § 28a PBefG entgegen. Insbesondere seien Fragen in Bezug auf die Baugrube, den Tiefbau bzw. die bauliche Ausführung der Hochbauten im Rahmen der der Klägerin erteilten Bauvorbescheide nicht verbeschieden worden.
37
Sämtliche von der Klägerin durchgeführten Maßnahmen, wegen derer sie Schutzvorkehrungen im Wege des Aufwendungsersatzes verlange, seien nicht durch den U-Bahn-Bau verursacht worden; vielmehr liege die Verursachung bzw. Verschärfung der Problematik in den Neubau- und Revitalisierungsmaßnahmen der Klägerin. Setzungen in einer Größenordnung vom 20 mm beträfen nur den Bereich des Hauses C und eventuell die Tiefgarage; für die Kuvertfabrik sei weiterhin der in den eingereichten Planfeststellungsunterlagen prognostizierte Wert von 13 mm zutreffend.
38
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, insbesondere die gewechselten Schriftsätze (einschließlich Anlagen), sowie auf die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
39
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses vom 28. Juli 2020 um eine Schutzvorkehrung nicht zu. Ein solcher Anspruch besteht nicht nach Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG; ihm steht jedenfalls § 28a Abs. 1 Satz 3 PBefG (Veränderungssperre) entgegen (1.). Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch lässt sich auch nicht - dem Umfang nach nur auf die Kuvertfabrik bezogen - damit begründen, dass die von ihr an der Kuvertfabrik durchgeführten Maßnahmen zum Schutz des Denkmals unabhängig von den durchgeführten Veränderungen für die Ertüchtigung und Nutzungsänderung erforderlich gewesen seien (2.). Der Beklagte war daher nicht verpflichtet, den Planfeststellungsbeschluss entsprechend zu ergänzen, so dass die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 5 VwGO).
40
1. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um eine Schutzvorkehrung gem. § 28 Abs. 1 Satz 3 und 4 PBefG i.V.m. Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG (vgl. zur Anwendbarkeit der § 28 ff. PBefG auf U-Bahnen § 4 Abs. 2 PBefG) zu. Zwar handelt es sich bei der verlangten Ergänzung um einen Aufwendungsersatz zu Gunsten der Klägerin begrifflich um eine Vorkehrung i.S.d. Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG (1.1). Jedoch stehen einem Anspruch der Klägerin die Wirkungen der Veränderungssperre gem. § 28a Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 1 PBefG entgegen (1.2). Auf die weiteren seitens des Beklagten und der Beigeladenen gegen den geltend gemachten Anspruch vorgebrachten Einwendungen (Präklusion, Rechtsmissbrauch) braucht - soweit die Klägerin die Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses für alle von ihr durchgeführten Maßnahmen zur statischen Ertüchtigung begehrt - daher im Rahmen der Prüfung des Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG nicht eingegangen werden.
41
1.1 Gem. Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG hat die Planfeststellungsbehörde dem Träger des Vorhabens u.a. Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzuerlegen, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind. Nach dieser Vorschrift kann die Planfeststellungsbehörde dem Vorhabenträger auch aufgeben, dem planbetroffenen Dritten, wie von der Klägerin hier begehrt, finanziellen Ersatz für Aufwendungen zu leisten, die dieser für erforderliche Schutzmaßnahmen aufgebracht hat, insbesondere, wenn der Dritte die Schutzmaßnahmen bereits selbst getroffen hat (vgl. Neumann/Külpmann, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 74 Rn. 164 m.V.a. BVerwG, U.v. 1.9.1999 - 11 A 2.98, dort juris Rn. 18). Dies bedeutet jedoch nur, dass der von der Klägerin begehrte Aufwendungsersatz begrifflich unter Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG fällt. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob die Voraussetzungen für den Erlass einer solchen Vorkehrung vorliegen (vgl. den Prüfungsgang bei BVerwG, a.a.O., juris Rn. 18 und Rn. 19 ff.). Dies ist hier bereits wegen der Regelungen in § 28a Abs. 1 PBefG nicht der Fall.
42
1.2 Gem. § 28a Abs. 1 Satz 1 bis 3 PBefG dürfen, sobald der Plan ausgelegt oder andere Gelegenheit gegeben ist, den Plan einzusehen, auf den vom Plan betroffenen Flächen bis zu ihrer Inanspruchnahme wesentlich wertsteigernde oder die geplanten Baumaßnahmen erheblich erschwerende Veränderungen nicht vorgenommen werden (Veränderungssperre). Veränderungen, die in rechtlich zulässiger Weise vorher begonnen worden sind, Unterhaltungsarbeiten und die Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung werden davon nicht berührt. Unzulässige Veränderungen bleiben bei der Anordnung von Vorkehrungen und Anlagen und im Entschädigungsverfahren unberücksichtigt. Vorliegend hat die Klägerin unzulässige Veränderungen i.S.d. § 28a Abs. 1 Satz 3 PBefG vorgenommen. Dies schließt den von ihr geltend gemachten Anspruch auf Planergänzung um eine Vorkehrung i.S.d. Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG aus.
43
1.2.1 Vorkehrungen i.S.v. § 28a Abs. 1 Satz 3 PBefG sind solche nach Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG (vgl. Grätz in Fielitz/ders., PBefG, Stand Dezember 2020, § 28a Rn. 7).
44
1.2.2 Mit Auslegung des Plans am 17. September 2018 galt gem. § 28a Abs. 1 Satz 1 PBefG kraft Gesetzes eine Veränderungssperre; auf den vom Plan betroffenen Flächen durften bis zu ihrer Inanspruchnahme wesentlich wertsteigernde oder die geplanten Baumaßnahmen erheblich erschwerende Veränderungen nicht vorgenommen werden.
45
Soweit in der Literatur angesichts des Eingriffs in Art. 14 GG neben der Planauslegung zusätzlich eine Prüfung verlangt wird, ob die Veränderungssperre zur Erreichung des mit ihr verfolgten Sicherungszwecks erforderlich ist (vgl. Grätz in Fielitz/ders., PBefG, § 28a Rn. 3; Fromm/Sellmann/Zuck, Personenbeförderungsrecht, 4. Aufl. 2013, § 28a PBefG Rn. 1; zum Eisenbahnrecht auch Schoen in Kühling/Otte, AEG/ERegG, 2020, § 19 AEG Rn. 5), sind diesbezügliche Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich. Ausweislich der Bauvorhaben der Klägerin und des von der Beigeladenen erlassenen Bebauungsplans waren in dem von der U-Bahn-Verlängerung unterfahrenen Bereich in ganz erheblichem Umfang städtebauliche Maßnahmen zu erwarten bzw. solche standen unmittelbar bevor, letztlich bis hin zu einer vollständigen Neugestaltung des hier betroffenen Bereichs zwischen L. und der neu gebauten J.-Straße. Wie der vorliegende Fall ferner zeigt, warf der Bau der Tunnel für die U-Bahn in nicht unerheblichem Umfang Fragen der Statik und der Standsicherheit von neu zu errichtenden und umgestalteten baulichen Anlagen auf, so dass entsprechende Untersuchungen und darauf aufbauende zusätzliche bauliche Maßnahmen die Verwirklichung des Vorhabens verzögern und verteuern konnten. Gerade dem öffentlichen Interesse an einer zügigen und kostengünstigen Realisierung des Vorhabens dient jedoch eine Veränderungssperre, wie sie § 28a PBefG normiert (vgl. zum Eisenbahnrecht Schoen in Kühling/Otte, AEG/ERegG, § 19 AEG Rn. 1). Da der Bau von U-Bahn-Tunneln unterhalb des Grundstücks (bzw. nunmehr der Grundstücke) der Klägerin vorgesehen ist (vgl. Erläuterungsbericht S. 44; zur Kuvertfabrik vgl. auch S. 38), ergab sich gerade auch in Bezug auf die in Rede stehenden Grundstücke ein Sicherungserfordernis.
46
1.2.2 Die Grundstücke der Klägerin gehören demnach zu den vom Plan betroffenen Flächen i.S.v. § 28a Abs. 1 Satz 1 PBefG. Sie sind dadurch, dass der U-Bahn-Tunnel unter ihnen hindurchführt, unmittelbar von dem Vorhaben betroffen (vgl. zu diesem Erfordernis zu den gleichlautenden § 9a Abs. 1 Satz 1 FStrG bzw. § 19 Abs. 1 Satz 1 AEG Bender in Müller/Schulz, FStrG, 3. Aufl. 2022, § 9a Rn. 16 f.; Schoen in Kühling/Otte, AEG/ERegG, § 19 AEG Rn. 14).
47
1.2.3 Die Klägerin hat nach Inkrafttreten der Veränderungssperre gem. § 28a Abs. 1 Satz 1 PBefG wesentlich wertsteigernde und damit i.S.d. § 28a Abs. 1 Satz 3 PBefG unzulässige Veränderungen auf ihren Grundstücken vorgenommen; die Veränderungen betreffen diejenigen baulichen Anlagen, hinsichtlich derer die Klägerin die Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um eine Schutzvorkehrung verlangt.
48
1.2.3.1 Sowohl bei der Errichtung von neuen Wohngebäuden und der Erstellung einer Tiefgarage als auch bei der Sanierung, Instandsetzung und Revitalisierung der Kuvertfabrik in ein Bürogebäude mit Gastronomie (unabhängig davon, ob hinsichtlich letzterer zwischenzeitlich eine Tektur des Vorhabens erfolgt ist) handelte es sich um wesentlich wertsteigernde Veränderungen.
49
Dies ist hinsichtlich der Neuerrichtung von Wohngebäuden und einer Tiefgarage - insbesondere auch des von der Klägerin bezüglich statischer Maßnahmen angeführten Hauses C - offenkundig und wird dadurch bestätigt, dass bereits im August 2019 - weniger als zwei Monate nach Erteilung der Baugenehmigung mit Datum 19. Juni 2019 - alle Wohnungen im Haus C verkauft waren (vgl. Anlage K 17 S. 3).
50
Als wesentlich wertsteigernd sind auch die an der Kuvertfabrik durchgeführten Maßnahmen einzustufen. Nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hat die Kuvertfabrik nach der Aufgabe der industriellen Nutzung längere Zeit leer gestanden; dann sei sie als Bürofläche zwischengenutzt worden. Die von der Klägerin veranlassten baulichen Maßnahmen führten zu einer deutlich von der früheren und der Zwischennutzung abweichenden, wertsteigernden Nutzung. Die Maßnahmen der Klägerin umfassten nicht bloß die Erhaltung des bisherigen baulichen Zustands, sondern sie stellten eine umfangreiche Modernisierung dar, die der - in Folge der Veränderungssperre jedoch grundsätzlich unzulässigen - Anpassung des Bauwerks an zeitgemäße Nutzungsbedürfnisse diente (vgl. Schoen in Kühling/Otte, AEG/ERegG, § 19 AEG Rn. 11 m.w.N.; Dünchheim in Marschall, FStrG, 5. Aufl. 2012, § 9a Rn. 9). Das Vorhaben der Klägerin beinhaltete eine grundlegende Sanierung und die Schaffung von vollständig neuen Nutzungsmöglichkeiten für das ehemals Industriezwecken dienenden Gebäude; Ziel war ein Bürogebäude mit einer den aktuellen Anforderungen entsprechenden Gestaltung und Ausstattung. Bereits die Bezeichnung des Vorhabens in den der Klägerin erteilten Baugenehmigungen („Sanierung, Instandsetzung und Revitalisierung eines denkmalgeschützten Gebäudes in ein Bürogebäude mit Gastronomie im UG“) belegt dies. Die Klägerin hat ferner in Bezug auf die Kuvertfabrik von einer „aufwändigen Sanierung“ und der „Fertigstellung als modernem Bürogebäude“ gesprochen (Schreiben an die Beigeladene vom 29. April 2020, Absatz 1; Anlage K 38). Der Beklagte und die Beigeladene haben auch zu Recht auf den Umfang und die Qualität der mit der Sanierung einhergehenden Maßnahmen verwiesen (u.a. neue Wände, Fahrstuhl, sanitäre Anlagen, Ver- und Entsorgungsleitungen). In dieses Bild fügt es sich, dass die Kuvertfabrik bereits im Juli 2019 - d.h. im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Erteilung der Baugenehmigung mit Datum 16. Juli 2019 - an eine Bank mit einer Bauverpflichtung durch die Klägerin veräußert werden konnte (vgl. ebenfalls Anlage K 38).
51
1.2.3.2 Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin die Veränderungen i.S.d. § 28a Abs. 1 Satz 1 PBefG erst nach Inkrafttreten der Veränderungssperre vorgenommen hat. In Bezug auf den Neubau von fünf Wohnhäusern inklusive Einzelhandelsfläche und eingeschossiger Tiefgarage ist der Klägerin eine Teilbaugenehmigung gem. Art. 70 BayBO mit Datum 19. Dezember 2018 erteilt worden, d.h. gut drei Monate nach Beginn der Planauslegung. Für die Vorhaben selbst (Neubau von fünf Wohnhäusern etc.; Sanierung etc. der Kuvertfabrik) wurden der Klägerin Baugenehmigungen erst mit Datum 19. Juni 2019 bzw. 16. Juli 2019 erteilt. Vor Zugang der (Teil-) Baugenehmigungen durfte die Klägerin mit der (jeweiligen) Bauausführung nicht beginnen, Art. 68 Abs. 5 (nunmehr Abs. 6) Nr. 1 BayBO (bzgl. der Teilbaugenehmigung i.V.m. Art. 70 Satz 2 BayBO). Die bloße Einreichung von Bauanträgen berechtigte die Klägerin nicht zum Baubeginn; ebenso wenig die der Klägerin nach Art. 71 BayBO erteilten Vorbescheide vom 2. August 2013 und vom 23. März 2017 (vgl. insbesondere Art. 71 Satz 4 BayBO, welcher eine Bezugnahme auf Art. 68 Abs. 5 [nunmehr Abs. 6] BayBO gerade nicht enthält). Hätte die Klägerin entgegen den genannten Vorschriften schon vor Erteilung der (Teil-) Baugenehmigungen mit den entsprechenden Maßnahmen begonnen, ergäbe sich nichts Anderes, weil gem. § 28a Abs. 1 Satz 2 PBefG nur Veränderungen, die in rechtlich zulässiger Weise vorher begonnen worden waren, von der Veränderungssperre unberührt bleiben.
52
1.2.3.3 Eine Ausnahme von den Wirkungen der Veränderungssperre gem. § 28a Abs. 1 Satz 2 PBefG liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift werden Veränderungen, die in rechtlich zulässiger Weise vorher begonnen worden sind, Unterhaltungsarbeiten und die Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung von der Veränderungssperre nicht berührt.
53
1.2.3.3.1 Ein rechtlich zulässiger Beginn der Veränderungen vor Inkrafttreten der Veränderungssperre kommt nicht in Betracht (vgl. soeben 1.2.3.2). Hinsichtlich der Neuerrichtung von Wohngebäuden inklusive Einzelhandelsflächen und einer Tiefgarage ist das Vorliegen von Unterhaltungsarbeiten und die Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung von vornherein ausgeschlossen. Aber auch hinsichtlich der Kuvertfabrik kann aus den oben (1.2.3.1) genannten Gründen von bloßen Unterhaltungsarbeiten oder der Fortführung der bisherigen Nutzung keine Rede sein.
54
1.2.3.3.2 Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf die Vorbescheide vom 2. August 2013 und vom 23. März 2017 und auf bereits gestellte Anträge auf Erteilung einer Baugenehmigung.
55
Die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung zur Berücksichtigung planerisch verfestigter Vorhaben (BVerwG, B.v. 19.10.2011 - 9 B 9.11 - juris Rn. 4 f.) im Rahmen des §/Art. 75 Abs. 2 Satz 2 (Bay) VwVfG ist für den vorliegenden Fall unergiebig. Dies gilt selbst dann, wenn man sie auf Vorkehrungen nach §/Art. 74 Abs. 2 Satz 2 (Bay) VwVfG überträgt (vgl. zum engen Sinnzusammenhang zwischen beiden Normen BVerwG, a.a.O., juris Rn. 4). Denn diese Rechtsprechung betrifft nicht Ausnahmen von einer Veränderungssperre gemäß dem jeweils einschlägigen Fachplanungsgesetz, sondern allgemein die Notwendigkeit einer planerischen Verfestigung baulicher Anlagen bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses; fehlt es hieran, kommen Schutzmaßnahmen von vornherein nicht in Betracht (vgl. BVerwG a.a.O., juris Rn. 5). Aus § 28a Abs. 1 PBefG ergeben sich jedoch andere bzw. zusätzliche Voraussetzungen für die Berücksichtigung baulicher Anlagen bei der Auferlegung von Vorkehrungen im Planfeststellungsbeschluss; die Wirkungen der Veränderungssperre greifen zudem weit vor dessen Erlass. Gem. § 29 Abs. 1 Satz 3, Satz 4 PBefG gelten die Art. 72 ff. BayVwVfG (nur) nach Maßgabe des PBefG; generell haben die Regelungen des spezielleren Fachplanungsrechts, hier also § 28a Abs. 1 PBefG, Vorrang vor den §§/Art. 72 ff. (Bay) VwVfG (vgl. Neumann/Külpmann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 72 Rn. 73). Hinsichtlich der von der Klägerin angeführten Bauanträge gilt überdies, dass diese erst nach Inkrafttreten der Veränderungssperre gestellt wurden.
56
Nicht durchgreifend ist auch der Verweis der Klägerin auf zu § 14 BauGB ergangene Rechtsprechung, wonach sich ein Bauvorbescheid, der die bebauungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens feststellt und nach Landesrecht ein vorweggenommener Teil der Baugenehmigung ist (Bebauungsgenehmigung), gegenüber nachfolgenden Rechtsänderungen durch das Inkrafttreten einer Veränderungssperre oder eines Bebauungsplans durchsetzt (BVerwG, U.v. 3.2.1984 - 4 C 39.82 - BVerwGE 69, 1 - juris, LS).
57
§ 28a PBefG ist zwar (wie andere Vorschriften des Fachplanungsrechts, etwa § 9a FStrG, § 19 AEG, § 9a LuftVG) dem § 14 Abs. 3 BauGB nachgebildet (vgl. Überblick bei OLG LSA, U.v. 26.8.2010 - 2 U 14/10 [Baul] - juris Rn. 55 f.). Gleichwohl besteht ein signifikanter Wortlautunterschied: Nach § 14 Abs. 3 BauGB werden Vorhaben u.a. schon dann von der Veränderungssperre nicht berührt, wenn sie vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre baurechtlich genehmigt worden sind. Eine derartige Ausnahme enthält § 28a Abs. 1 Satz 2 PBefG nicht; vielmehr ist ein tatsächlicher Beginn erforderlich, der in rechtlicher Hinsicht zulässig sein muss. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 28a Abs. 1 Satz 2 PBefG sind die dort genannten Ausnahmen von der Veränderungssperre abschließend.
58
Es spricht nichts dafür, trotz dieses Wortlautunterschieds die zu § 14 BauGB ergangene Rechtsprechung betreffend die Durchsetzung eines Vorbescheids gegenüber einer Veränderungssperre im Rahmen des § 28a Abs. 1 Satz 2 PBefG anzuwenden. Zunächst ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Ausnahmen in § 28a Abs. 1 Satz 2 PBefG bewusst enger gefasst hat als diejenigen des § 14 Abs. 3 BauGB. Bereits § 14 Abs. 3 BBauG vom 23. Juni1960 (BGBl I S. 341) nahm Vorhaben, die vor Inkrafttreten der Veränderungssperre baurechtlich genehmigt worden waren, von den Wirkungen der Veränderungssperre aus. § 28a PBefG wurde hingegen erst durch Art. 5 Nr. 2 des Gesetzes vom 17. Dezember 1993 zur Vereinfachung der Planungsverfahren für Verkehrswege (Planungsvereinfachungsgesetz - PlVereinfG; BGBl I S. 2123), in Kraft getreten am 24. Dezember 1993, in das PBefG eingefügt. Der Gesetzgeber hat also bei § 28a PBefG in Kenntnis des § 14 Abs. 3 BauGB die dortigen Ausnahmeregelungen nicht vollständig übernommen. Zudem enthalten auch die Regelungen zu Veränderungssperren in anderen Fachplanungsgesetzen (s.o.) die Formulierung des § 14 Abs. 3 BauGB „baurechtlich genehmigt worden“ nicht; es handelt sich also nicht etwa um eine singuläre Regelung im PBefG. Auch in der fachplanungsrechtlichen Literatur wird die im Vergleich zu § 14 Abs. 3 BauGB engere Fassung der Ausnahmen zu den jeweiligen Veränderungssperren betont, insbesondere, dass die bloße Genehmigung eines Vorhabens nicht genügt (vgl. Dünchheim in Marschall, FStrG, § 9a Rn. 10; Bender in Müller/Schulz, FStrG, 3. Aufl. 2022, § 9a Rn. 29; Schoen in Kühling/Otte, AEG/EReG, § 19 AEG Rn. 10; Schütz in Beck’scher AEG-Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 19 AEG Rn. 24; Missling/Winkler in Theobald/ Kühling, Energierecht, Stand Januar 2022, § 44a EnWG Rn. 16).
59
In der unterschiedlichen Fassung von § 28a Abs. 1 Satz 2 PBefG und § 14 Abs. 3 BauGB spiegelt sich zudem wieder, dass ein die bebauungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens bejahender Vorbescheid dem Bauwerber in Bezug auf das Fachplanungsrecht keine gegenüber einer durch die Gemeinde erfolgende Änderung des Bauplanungsrechts vergleichbare gesicherte Rechtsposition verschafft. Das Inkrafttreten der im Hinblick auf eine sich anbahnende Änderung des Bauplanungsrechts erlassenen Veränderungssperre würde gem. § 14 Abs. 1 BauGB regelmäßig zur Unzulässigkeit gerade von solchen Vorhaben führen, welche unter Anwendung des bisher geltenden Bauplanungsrechts baurechtlich genehmigt worden waren. Dies vermeidet § 14 Abs. 3 BauGB, wonach u.a. baurechtlich genehmigte Vorhaben von der Veränderungssperre nicht berührt werden. Wenn dem Bauherrn zwar keine Baugenehmigung, wohl aber ein Vorbescheid erteilt wurde, der (positiv) über die bebauungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens gemäß §§ 30 bis 37 BauGB nach bisherigem (Planungs-) Rechtsstand entschieden hat (sog. Bebauungsgenehmigung), ist es - da insoweit die vorstehenden Überlegungen zu einer Baugenehmigung entsprechend gelten - gerechtfertigt, auch dieses Vorhaben als i.S.d. § 14 Abs. 3 BauGB „baurechtlich genehmigt“ anzusehen, so dass sich ein solcher Vorbescheid gegenüber nachfolgenden Rechtsänderungen durch das Inkrafttreten einer bauplanungsrechtlichen Veränderungssperre (oder auch eines Bebauungsplans) durchsetzt (vgl. BVerwG, U.v. 3.2.1984 - 4 C 39.82 - BVerwGE 69, 1 - juris Rn. 9 ff., insbes. Rn. 14). Eine derart gesicherte Rechtsposition erlangt der Bauherr durch die Erteilung eines Vorbescheides nach Art. 71 BayBO gegenüber einer fachplanungsrechtlichen Veränderungssperre nicht. Der Vorbescheid wird zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens erteilt, Art. 71 Satz 1 BayBO. Voraussetzung ist, dass die gestellte(n) Frage(n) zum Prüfprogramm des betreffenden Vorhabens gehören, und es nehmen auch nur die im Vorbescheid ausdrücklich im Sinne einer positiven Bescheidung geklärten Aspekte der Bauvoranfrage an der Bindungswirkung des Vorbescheides teil (vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand Januar 2022, Art. 71 Rn. 68 und Rn. 103). Eine Übereinstimmung der Vorhaben der Klägerin mit Fachplanungsrecht, insbesondere nach dem PBefG, gehörte jedoch nach Art. 59 BayBO (Neubau von fünf Wohnhäusern etc., vgl. Baugenehmigung vom 19.6.2019) bzw. Art. 60 BayBO (Sanierung etc. der Kuvertfabrik, Baugenehmigung vom 16.7.2019) nicht zum (baurechtlichen) Prüfungsumfang der Vorhaben der Klägerin; dementsprechend war eine solche Übereinstimmung auch nicht Gegenstand der Vorbescheide vom 2. August 2013 (letztlich verlängert bis 2.8.2020) und vom 23. März 2017.
60
Im vorliegenden Fall steht der Berücksichtigung der von der Klägerin angeführten Vorbescheide überdies entgegen, dass diese die hier in Rede stehenden Fragen, namentlich der Standsicherheit der baulichen Anlagen (Art. 10 BayBO), nicht zum Gegenstand hatten und mithin insoweit auch keine Bindungswirkung, insbesondere nicht gegenüber der fachplanungsrechtlichen Veränderungssperre, entfalten konnten.
61
Schließlich stellten diese Vorbescheide keine Bebauungsgenehmigungen im Sinne der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung dar, welche die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach §§ 30 ff. BauGB umfassen und - mit Ausnahme der Baufreigabe - dieselbe Wirkung entfalten wie die erforderliche Baugenehmigung (vgl. zum Begriff der Bebauungsgenehmigung nochmals BVerwG, U.v. 3.2.1984 - 4 C 39.82 - BVerwGE 69, 1 - juris Rn. 11; vgl. auch B.v. 22.2.1991 - 4 CB 6.91 - juris Rn. 11). Der Vorbescheid vom 2. August 2013 enthielt zumindest hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung weder für die Kuvertfabrik noch für das Haus C definitive Festlegungen. Vorbehaltslos bejaht wurde für die Kuvertfabrik nur die Zulässigkeit eines Beherbergungsbetriebs (der dann aber nicht beantragt wurde); die Frage nach der Zulässigkeit einer Wohnnutzung, von Anlagen nach § 13 BauNVO sowie für kulturelle, soziale, gesundheitliche Zwecke (im EG / Souterrain) wurden differenziert beantwortet. Bezüglich der Nutzung des Hauses C war letztlich lediglich eine Befreiung (§ 31 BauGB) hinsichtlich einer prozentuale Circa-Aufteilung zwischen Wohnen (80%) und Nichtwohnnutzung (20%) für die gesamte fragliche Mischgebiets-Festsetzung (MI2) abfragt worden. Als Nichtwohnnutzung war offenbar eine gewerbliche Nutzung vorgesehen; dies wurde aber nicht näher spezifiziert. Die Tiefgarage war zwar im Betreff des Antrags genannt; Fragen hierzu wurden jedoch im Vorbescheid nicht thematisiert. Der Vorbescheid vom 23. März 2017 lässt bezüglich der Art der baulichen Nutzung im Ergebnis keinen höheren Konkretisierungsgrad erkennen. Zudem standen die Aussagen dieses Vorbescheids, wie die Klägerin selbst vorgetragen hat, unter der Bedingung der Anpassung eines städtebaulichen Vertrags (C.1. des Vorbescheids); eine solche Vertragsanpassung wurde, wie die Klägerin ebenfalls selbst vorgebracht hat, erst mit Datum 9. April 2019 vorgenommen, also weit nach Inkrafttreten der Veränderungssperre nach § 28a Abs. 1 PBefG.
62
Nicht weiter führt auch das Argument der Klägerin, in einem Vorbescheid seien nur solche Fragen zu klären, deren Beantwortung sich nicht bereits aus dem Bebauungsplan ergebe. Die Erteilung eines Vorbescheids mag zwar für einen Bauherrn vor allem im Hinblick auf Aspekte seines Vorhabens sinnvoll sein, deren Übereinstimmung mit dem Bebauungsplan nicht eindeutig ist oder hinsichtlich derer es gar einer Abweichung gem. § 31 Abs. 2 BauGB bedarf. Eine solche Beschränkung der von einem Vorbescheid zu beantwortenden Fragen ergibt sich aus Art. 71 BayBO jedoch nicht. Die vollständige Übereinstimmung eines Vorhabens mit Bauplanungsrecht gehört auch dann zum Prüfungsumfang des Baugenehmigungsverfahrens, wenn sich das Vorhaben planungsrechtlich nach § 30 BauGB beurteilt (vgl. § 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a bzw. Art. 60 Satz 1 Nr. 1 BayBO), zumal das Vorhaben, selbst wenn es den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung entspricht, im Einzelfall nach § 15 Abs. 1 BauNVO unzulässig sein kann. Die Übereinstimmung eines Vorhabens mit den Festsetzungen eines Bebauungsplans kann daher in jeglicher Hinsicht Gegenstand einer Vorbescheidsfrage nach Art. 71 Satz 1 BayBO sein.
63
1.2.3.4 Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die Wirkung des § 28a Abs. 1 Satz 3 PBefG träte hinsichtlich der Kuvertfabrik nicht ein, weil es der insoweit durchgeführten Maßnahmen wegen des U-Bahn-Baus auch dann bedurft hätte, wenn die Sanierung, Instandsetzung und Revitalisierung in ein Bürogebäude nicht durchgeführt worden wäre. Dafür, dass eine solche hypothetische Betrachtungsweise anzustellen wäre, enthält der Wortlaut des § 28a Abs. 1 PBefG keinerlei Anhaltspunkte. Die Klägerin hat, wie ausgeführt, nach Inkrafttreten der Veränderungssperre (auch) an der Kuvertfabrik erheblich wertsteigernde und damit nach § 28a Abs. 1 Satz 1 PBefG unzulässige Veränderungen durchgeführt, was gem. § 28a Abs. 1 Satz 3 PBefG dazu führt, dass diese bei der Anordnung von Vorkehrungen unberücksichtigt bleiben. § 28a Abs. 1 Satz 3 PBefG enthält auch keine Einschränkungen dahingehend (etwa durch den Zusatz „soweit“), dass Veränderungen nur teilweise unberücksichtigt zu bleiben haben oder dass die durchgeführten Maßnahmen derart aufzuteilen sind, dass sie jeweils nicht oder als zulässige Veränderungen einzustufen sind. Dass die von der Klägerin durchgeführten Veränderungen als Einheit zu werten und daher im Rahmen des § 28a Abs. 1 PBefG nicht getrennt beurteilt werden können, ergibt sich auch daraus, dass die Klägerin für die zur Realisierung der zum Schutz der Kuvertfabrik vor den Auswirkungen des U-Bahn-Baus erforderlichen Maßnahmen eine Tektur- bzw. Änderungsgenehmigung zu der Ausgangs-Baugenehmigung vom 16. Juli 2019 beantragt und diese ihr mit Datum 21. Juli 2020 von der Beigeladenen erteilt worden ist. Auch sind die Ausnahmen von der Veränderungssperre in § 28a Abs. 1 Satz 2 PBefG, wie ausgeführt, abschließend normiert und ihre Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt. Weitere Einschränkungen von den Wirkungen der Veränderungssperre, insbesondere eine Prüfung, inwieweit einzelne Maßnahmen auch ohne Durchführung der sonstigen Veränderungen erforderlich geworden wären, sieht die Norm nicht vor (vgl. auch Schütz in Beck’scher AEG-Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 19 AEG Rn. 9, wonach die von der Veränderungssperre erfassten Maßnahmen „schlechthin“ verboten sind; Schoen in Kühling/Otte, AEG/EReG, § 19 AEG Rn. 1, wonach die Veränderungssperre dafür sorgt, dass der tatsächliche Zustand im Plangebiet gleichsam „konserviert“ wird). Auch dem genannten Beschleunigungs- und Kostenvermeidungsziel der Veränderungssperre liefe es zuwider, müsste bei nach Inkrafttreten der Veränderungssperre durchgeführten wesentlich wertsteigernden und damit unzulässigen Veränderungen gleichwohl noch geprüft werden, ob und inwieweit diese Veränderungen Maßnahmen umfasst haben, die zum Schutz von Auswirkungen des zur Planfeststellung nachgesuchten Vorhabens auch ohne die sonst durchgeführten Maßnahmen erforderlich gewesen sind.
64
1.2.3.5 Nicht durchzudringen vermag die Klägerin schließlich mit ihrem Hinweis auf denkmalschutzrechtliche Pflichten zum Erhalt und zur Nutzung der Kuvertfabrik gem. Art. 4 und 5 BayDSchG und auf Pflichten aus einem städtebaulichen Vertrag. Der Wortlaut des § 28a Abs. 1 PBefG enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass solche (landes-) denkmalschutzrechtlichen Vorschriften oder vertragliche Verpflichtungen eine Ausnahme von der Veränderungssperre begründen oder dieser gar entgegenstehen könnten. Die von der Klägerin vorgenommenen Veränderungen gingen zudem, wie ausgeführt, weit über bloße Maßnahmen zum Erhalt des Denkmals, d.h. Unterhaltungsmaßnahmen i.S.d. § 28a Abs. 1 Satz 2 PBefG hinaus. Ferner verpflichten Art. 4 f. BayDSchG den Denkmaleigentümer nicht zu wertsteigernden Umbaumaßnahmen und zu einer bestimmten Nutzung. Veränderungen eines Baudenkmals, wie sie die Klägerin durchgeführt hat, sind im Übrigen, selbst wenn sie dem Erhalt des Denkmals und seiner längerfristigen Nutzung dienen, nicht aus sich heraus zulässig, sondern bedürfen gem. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSchG der Erlaubnis; ggfs. sind die denkmalschutzrechtlichen Voraussetzungen im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen (vgl. Art. 59 Satz 1 Nr. 3, Art. 60 Satz 1 Nr. 3 BayBO, Art. 6 Abs. 3 Satz 1 BayDSchG). Nur wenn in Bezug auf das Denkmal eine solche Gestattung vorgelegen hat und mit den gestatteten Veränderungen bereits begonnen worden war, besteht gem. § 28a Abs. 1 Satz 2 PBefG eine Ausnahme von den Wirkungen der Veränderungssperre.
65
2. Aber auch soweit die Klägerin - insbesondere in der mündlichen Verhandlung - geltend gemacht hat, zum Schutz der Kuvertfabrik als Denkmal wären die an dieser vorgenommenen Maßnahmen auf Grund des U-Bahn-Baus unabhängig von den sonst durchgeführten Veränderungen erforderlich geworden, so dass der Planfeststellungsbeschluss jedenfalls für die Kuvertfabrik eine Schutzvorkehrung hätte enthalten müssen, verhilft dies der Klage nicht zu einem (teilweisen) Erfolg.
66
Zwar ist die Klägerin nicht mit diesem Vorbringen gem. Art. 73 Abs. 4 Satz 3 BayVwVfG deshalb ausgeschlossen, weil sie innerhalb der Frist des Art. 73 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG keine Einwendungen vorgebracht hatte (2.1). Das Klagevorbringen hat auch nicht gem. § 5 UmwRG oder wegen Verwirkung unberücksichtigt zu bleiben (2.2). Jedoch ist unter Berücksichtigung der an die Klagebegründung in zeitlicher wie inhaltlicher Hinsicht zu stellenden Anforderungen (§ 29 Abs. 7 PBefG) ein Defizit des Planfeststellungsbeschlusses in Bezug auf Schutzvorkehrungen betreffend die Kuvertfabrik nicht zu erkennen (2.3). Ob ein solches Defizit überhaupt zu der von der Klägerin beanspruchten Verpflichtung des Beklagten führen könnte oder ob es lediglich einen mit der Anfechtungsklage geltend zu machenden „bloßen“ Abwägungsmangel des Planfeststellungsbeschlusses begründen würde, kann daher offenbleiben.
67
2.1 Die Klägerin ist mit ihrem Vorbringen nicht gem. Art. 73 Abs. 4 Satz 3 BayVwVfG materiell präkludiert, obwohl sie innerhalb der Frist des Art. 73 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG keine Einwendungen vorgebracht hatte (vgl. zur materiellen Präklusionswirkung des §/Art. 73 Abs. 4 Satz 3 [Bay]VwVfG nur Neumann/Külpmann in Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 73 Rn. 88).
68
2.1.1 Gem. § 7 Abs. 4, Abs. 6 UmwRG findet § 73 Absatz 4 Satz 3 bis 6 VwVfG, auch in den Fällen seines Absatzes 8, im Rechtsbehelfsverfahren gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b UmwRG keine Anwendung. Obwohl § 7 Abs. 4 UmwRG ausdrücklich nur auf das VwVfG des Bundes verweist, gilt die Vorschrift auch im Bereich des Verfahrensrechts der Länder (BVerwG, U.v. 14.12.2017 - 4 C 6.16, 4 C 6.16 (4 C 13.14) - juris Rn. 12; Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Dezember 2021, § 7 UmwRG Rn. 77). Gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG konnte vorliegend nach dem UVPG eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen, denn gem. Nr. 14.11 der Anlage 1 (Liste „UVPpflichtige Vorhaben“) zum UVPG unterlag das planfestgestellte Vorhaben einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 UVPG). Eine solche Vorprüfungspflicht reicht angesichts des Wortlauts des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG („bestehen kann“) aus, um wegen § 7 Abs. 4 UmwRG die Anwendung des Art. 73 Abs. 4 Satz 3 BayVwVfG auszuschließen (vgl. BVerwG, B.v. 29.6.2017 - 9 A 8.16 - juris, LS 1; Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 7 UmwRG Rn. 76). Unerheblich ist deshalb, dass die vom Beklagten durchgeführte Vorprüfung ergeben hat, dass keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist (vgl. BayVGH, U.v. 15.3.2021 - 8 A 18.40041 - juris Rn. 25; VGH BW, U.v. 20.11.2018 - 5 S 2138/16 - juris Rn. 73).
69
2.1.2 Daher kann offenbleiben, ob die Klägerin ihre Einwendungen vorliegend aus Umständen herleitet, die - wie sie geltend macht - erst nach Ablauf der Einwendungsfrist entstanden sind und daher nicht der Präklusion unterliegen (vgl. dazu BVerwG, B.v. 18.12.2012 - 9 B 24.12 - juris Rn. 7).
70
2.2 Die im Klageverfahren vorgebrachten Einwendungen der Klägerin hatten nicht gem. § 5 UmwRG unberücksichtigt zu bleiben (2.2.1); das Vorbringen der Klägerin ist auch nicht wegen Verwirkung ausgeschlossen (2.2.2).
71
2.2.1 Gem. § 5 UmwRG bleiben Einwendungen, die eine Person oder eine Vereinigung im Sinne des § 4 Absatz 3 Satz 1 UmwRG erstmals im Rechtsbehelfsverfahren erhebt, unberücksichtigt, wenn die erstmalige Geltendmachung im Rechtsbehelfsverfahren missbräuchlich oder unredlich ist. Bezugspunkt des Missbrauchs bzw. der Unredlichkeit ist nicht der Inhalt der Einwendung, sondern der Zeitpunkt ihrer Geltendmachung (vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 5 UmwRG Rn. 18). Allein der (objektive) Umstand der Nichtbeteiligung im Verwaltungsverfahren ist dabei unerheblich, weil es keine Obliegenheit zur Beteiligung gibt. Auch die erst nachträgliche Geltendmachung eines Einwandes reicht nicht aus. Maßgeblich ist vielmehr, dass dem Betroffenen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung in subjektiver Hinsicht ein Vorwurf gemacht werden kann und der späte Zeitpunkt des Vorbringens auf einer bewussten Entscheidung beruht (vgl. BVerwG, U.v. 12.6.2019 - 9 A 2.18 - BVerwGE 166, 1 - juris Rn. 38 m.w.N.). Von einer solchen Fallgestaltung kann hier nicht ausgegangen werden. Zwar hatte die Klägerin weder im Rahmen der Planauslegung noch sonst bis zum Erlass des Planfeststellungsbeschlusses Einwendungen gegenüber dem Beklagten erhoben, insbesondere keine Regelung im Planfeststellungsbeschluss betreffend eine Kostenerstattung verlangt. Allerdings stellt sich der Sachverhalt so dar, dass zwischen Klägerin und Beigeladener zunächst unter fachlichen Gesichtspunkten darüber beraten und verhandelt wurde, wie die Vorhaben der Klägerin unter Berücksichtigung des geplanten U-Bahn-Baus und trotz der geltenden Veränderungssperre realisiert werden konnten. Nachdem diesbezüglich eine Lösung gefunden worden war (nach Angaben der Klägerin im Oktober 2019, vgl. Schriftsatz vom 29.1.2021 S. 10) und die Klägerin auf dieser Grundlage eine Änderung der bereits erteilten Baugenehmigungen beantragt hatte, wandte sie sich mit Schreiben vom 29. April 2020 (Anlage K 38), also noch mehrere Monate vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses, an die Beigeladene und forderte eine angemessene Beteiligung an den durch die zusätzlichen statischen Maßnahmen entstandenen Kosten. Nachdem die Klägerin - was auch dem Vorbringen des Beklagten und der Beigeladenen nicht zu entnehmen ist - während des Planfeststellungsverfahrens zu keinem Zeitpunkt deutlich gemacht hatte, einen solchen Anspruch gerichtlich nicht geltend zu machen, kann von einem treuwidrigen oder widersprüchlichen Verhalten der Klägerin im Sinne eines „venire contra factum proprium“ (vgl. hierzu nochmals BVerwG, U.v. 12.6.2019 - 9 A 2.18 - BVerwGE 166, 1 - juris Rn. 38) nicht ausgegangen werden.
72
2.2.2 Da § 5 UmwRG einfachrechtlicher Ausdruck des allgemeinen Rechtsgrundsatzes von Treu und Glauben und dem Institut der Verwirkung vergleichbar ist (vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 5 UmwRG Rn. 1; vgl. auch Rn. 19) ist das Vorbringen der Klägerin aus den vorgenannten Gründen auch nicht wegen Verwirkung ausgeschlossen.
73
2.3 Jedoch hat die Klägerin innerhalb der Klagebegründungsfrist des § 29 Abs. 7 Satz 1 PBefG keine hinreichenden Tatsachen, Erklärungen und Beweismittel vorgebracht, aus denen sich ergibt, dass der Planfeststellungsbeschluss im Hinblick auf den Erhalt der Kuvertfabrik als Denkmal ein durch den Erlass einer Schutzvorkehrung zu schließendes Defizit aufweist (2.3.1). Selbst wenn jedoch sämtlicher entsprechender Vortrag der Klägerin berücksichtigt wird, lässt sich ein solches Defizit nicht erkennen (2.3.2).
74
2.3.1 Gem. § 29 Abs. 7 Satz 1 PBefG hat der Kläger innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung seiner Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, sind gem. § 29 Abs. 7 Satz 2 PBefG nur zuzulassen, wenn der Kläger die Verspätung genügend entschuldigt. Anderenfalls tritt insoweit eine innerprozessuale Präklusion ein (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.2019 - 7 C 5.18 - BVerwGE 166, 321 - juris Rn. 28 zu § 6 UmwRG). Eine Belehrung über diese Frist oder die Folgen ihrer Versäumung musste der Planfeststellungsbeschluss nicht enthalten (vgl. BVerwG, U.v. 27.11.2018 - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 - juris Rn. 15).
75
2.3.1.1 Da die Klage am 5. Oktober 2020 erhoben worden war, endete die Zehn-Wochen-Frist des § 29 Abs. 7 Satz 1 PBefG mit Ablauf des 14. Dezember 2020 (vgl. § 188 Abs. 2 BGB).
76
2.3.1.2 Eine Fristverlängerung gem. § 29 Abs. 7 Satz 5 PBefG war der Klägerin nicht, insbesondere nicht bis 31. Januar 2021, gewährt worden. Nach dieser Vorschrift kann die Frist nach § 29 Abs. 7 Satz 1 PBefG durch den Vorsitzenden oder den Berichterstatter auf Antrag verlängert werden, wenn der Kläger in dem Verfahren, in dem die angefochtene Entscheidung ergangen ist, keine Möglichkeit der Beteiligung hatte.
77
Die klägerseits mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2020 gestellte „Bitte“ um „Verlängerung der Frist zur Stellungnahme“ bis 31. Januar 2021 stellte weder ausdrücklich einen Antrag gem. § 29 Abs. 7 Satz 5 PBefG dar, noch lässt sie sich in dieser Weise auslegen. Insbesondere war nicht von einem Antrag, sondern einer Bitte die Rede; diese bezog sich auch lediglich auf eine Frist zur „Stellungnahme“, d.h. auf eine Reaktion auf die Ausführungen eines anderen Beteiligten, und nicht auf die in § 29 Abs. 7 Satz 1 PBefG genannten Tatsachen und Beweismittel, welche der Kläger von sich aus vorzubringen hat. Gegen eine Auslegung als Antrag gem. § 29 Abs. 7 Satz 5 PBefG spricht auch, dass u.a. der Klägerin mit Datum 20. November 2020 ein Schriftsatz des Beklagten vom 17. November 2020 mit der Bitte und Kenntnisnahme und etwaige Äußerung binnen vier Wochen übermittelt worden war; die Begleitumstände sprechen daher dafür, dass sich die „Fristverlängerungsbitte“ der Klägerin auf diese richterliche Fristsetzung und nicht auf die gesetzliche Frist des § 29 Abs. 7 Satz 1 PBefG bezog. Zudem hatte die Klägerin im Klageschriftsatz zwar geltend gemacht, dass die ausgelegten Unterlagen ihr keinen Anlass zur Beteiligung während der Planauslegung boten; dass sie aber i.S.d. § 29 Abs. 7 Satz 5 PBefG in dem Verfahren, in dem die angefochtene Entscheidung ergangen ist, keine Möglichkeit der Beteiligung hatte, ließ sich ihrem Vortrag nicht entnehmen. Ferner hatte die Klägerin bereits bei Klageerhebung zu Abstimmungen mit der Beigeladenen während des Planfeststellungsverfahrens vorgetragen. Auch insoweit war nicht erkennbar, dass die Klägerin in diesem Verfahren keine Möglichkeit der Beteiligung hatte. Zu dieser Voraussetzung verhielt sich auch die Fristverlängerungsbitte vom 14. Dezember 2020 nicht. Dass es sich bei dieser um einen Antrag handeln sollte, der schon unter Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 29 Abs. 7 Satz 5 PBefG hätte abgelehnt werden müssen, ist daher nicht anzunehmen.
78
Insbesondere aber ging der Schriftsatz mit der „Fristverlängerungsbitte“ ausweislich des Eingangsstempels erst am 15. Dezember 2020 beim Verwaltungsgerichtshof ein. Zu diesem Zeitpunkt war die Frist des § 29 Abs. 7 Satz 1 PBefG bereits abgelaufen. Auch wenn § 29 Abs. 7 Satz 5 PBefG nicht (wie § 124a Abs. 3 Satz 3, § 139 Abs. 3 Satz 3, § 142 Abs. 2 Satz 2 VwGO) ausdrücklich vorschreibt, dass der Fristverlängerungsantrag vor Fristablauf gestellt worden sein muss, ergibt sich doch aus dem Begriff der „Verlängerung“, dass eine solche ausscheidet, wenn die Frist bei Antragstellung bereits abgelaufen war (vgl. auch - in Bezug auf eine weitere Fristverlängerung - Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 6 UmwRG Rn. 7). Eine bereits eingetretene (hier innerprozessuale) Präklusion kann auch durch eine spätere Fristverlängerung nicht mehr beseitigt werden.
79
Mithin stellte die mit gerichtlichem Schreiben vom 15. Dezember 2020 gewährte Verlängerung der Stellungnahmefrist keine Fristverlängerung gem. § 29 Abs. 7 Satz 5 PBefG dar; sie bezog sich auf den Schriftsatz des Beklagten vom 17. November 2020.
80
2.3.1.3 Aus den bis 14. Dezember 2020 seitens der Klägerin vorgebrachten Tatsachen, Erklärungen und Beweismitteln ergibt sich kein Defizit des Planfeststellungsbeschlusses im Hinblick auf Schutzvorkehrungen zum bloßen Erhalt der Kuvertfabrik.
81
2.3.1.3.1 Zwar hatte die Klägerin bereits in dem Klageschriftsatz vom 5. Oktober 2020 (S. 4) geltend gemacht, dass die Kuvertfabrik unabhängig von ihren Sanierungsplanungen „hinsichtlich der Auswirkungen der Setzungen auf die Statik des bestehenden Gebäudes berücksichtigt“ hätte werden müssen und dass sich durch die geplante Nutzungsänderung im Vergleich zur früheren Nutzung keine zusätzlichen Lasten oder Anforderungen an die Statik ergeben hätten, so dass die statischen Schutzmaßnahmen auch für den Schutz des Bestands erforderlich gewesen seien. Diese knappe Behauptung reicht jedoch nicht als Begründung i.S.d. § 29 Abs. 7 Satz 1 PBefG aus. Der Kläger hat - auch wenn späterer, lediglich vertiefender Tatsachenvortrag nicht ausgeschlossen ist - innerhalb der Begründungsfrist des § 29 Abs. 7 Satz 1 PBefG fundiert die zur Begründung der Klage dienenden Tatsachen zu benennen und den Prozessstoff dergestalt substantiiert darzulegen, dass klar und unverwechselbar feststeht, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird (vgl. BVerwG, B.v. 24.6.2021 - 9 A 11.20 - juris Rn. 4; U.v. 3.11.2020 - 9 A 7.19 - juris Rn. 16 zum vergleichbaren § 18e Abs. 5 AEG). Dem genügt der Klageschriftsatz vom 5. Oktober 2020 mit der vorstehend zitierten Behauptung, dass die statischen Schutzmaßnahmen auch für den Schutz des Bestands der Kuvertfabrik erforderlich gewesen seien, nicht. Dieser Vortrag ist unsubstantiiert und ohne jeden Beleg geblieben. Beweismittel hatte die Klägerin weder vorgelegt noch hatte sie angegeben, mit welchen Beweismitteln diese Behauptung später belegt werden sollte (vgl. dazu, dass Beweismittel für einen späteren förmlichen Beweisantrag bereits innerhalb der Klagebegründungsfrist anzugeben sind, BVerwG, B.v. 3.11.2020 - 9 A 7.19 - juris Rn. 16; U.v. 27.11.2018 - 9 A 8.17 - juris Rn. 14). Eine Substantiierung der genannten Behauptung war auch nicht entbehrlich, denn gerade der Zusammenhang zwischen den von der Klägerin getätigten baulichen Maßnahmen und der Gebäudestatik sind ein zentraler Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits; diese Thematik hatte die Klägerin dadurch, dass sie bei Klageerhebung die Sanierungsmaßnahmen an der Kuvertfabrik, eine Nutzungsänderung und die mit Datum 16. Juli 2019 erteilte Baugenehmigung erwähnt hatte, bereits selbst in den Prozess eingeführt.
82
Erst mit Schriftsatz vom 29. Januar 2021 - also nach Ablauf der Frist des § 29 Abs. 7 Satz 1 PBefG - legte die Klägerin ein Beweismittel, nämlich eine Stellungnahme ihrer Ingenieure vor (Anlage K 37), aus der sich ergeben soll, dass die wegen des U-Bahn-Baus durchgeführten Maßnahmen auch ohne die Sanierung und Nutzungsänderung der Kuvertfabrik erforderlich gewesen wären (zu dieser Stellungnahme unten 2.3.2.1). Da der innerhalb der Klagebegründungsfrist erfolgte Vortrag der Klägerin nicht den Anforderungen des § 29 Abs. 7 Satz 1 PBefG entsprach, konnte jedoch das Klagevorbringen mit dem Schriftsatz vom 29. Januar 2021 und den damit vorgelegten Unterlagen nicht lediglich (zulässig) vertieft werden.
83
Aus den gleichen Gründen kann des Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 7. Juli 2022 nicht als bloße Vertiefung gewertet werden. Auch soweit der Beklagte und die Beigeladene vorsorglich auch auf unsubstantiierte Rügen der Klägerin erwidert hatten, führte dies nicht dazu, dass die Replik der Klägerin von der Präklusionswirkung des § 29 Abs. 7 Satz 2 PBefG ausgenommen wäre (vgl. BVerwG, B.v. 27.1.2022 - 9 VR 1.22 - juris Rn. 16; U.v. 3.11.2020 - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 - juris Rn. 287).
84
2.3.1.3.2 Die Klägerin hat die Verspätung nicht i.S.d. § 29 Abs. 7 Satz 2 PBefG genügend entschuldigt.
85
Die Klägerin macht insoweit geltend, dass die vollständige Erläuterung des technisch und rechtlich komplexen Sachverhalts zunächst Einsicht in die vollständigen Verfahrensakten sowie eine umfangreiche rechtliche und technische Analyse und Abstimmung mit den Sachverständigen bzw. Ingenieuren der Klägerin erfordert habe. Daraus ergibt sich keine genügende Entschuldigung.
86
Nicht jede Tatsache, die ein Kläger erst nach Ablauf der Klagebegründungsfrist erfährt, führt dazu, dass der Nichtvortrag dieser Tatsache (automatisch) entschuldigt ist (BVerwG, B.v. 16.4.2020 - 9 B 66.19 - juris Rn. 9). Auch aus der Komplexität des Falles allein kann sich kein Entschuldigungsgrund ergeben, denn gerade der Umstand, dass sich planungsrechtliche Streitigkeiten regelmäßig als hochkomplex darstellen, rechtfertigt die Klagebegründungsfrist des § 29 Abs. 7 Satz 1 PBefG und die daraus folgende Obliegenheit, den Prozessstoff innerhalb eines bestimmten Zeitraums darzulegen (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2020 - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 - juris Rn. 25 zu § 18e Abs. 5 AEG).
87
Zudem war die Klägerin, wie die von ihr vorgelegten Unterlagen betreffend die Abstimmung mit der Beigeladenen zeigen (Anlagen K 14 bis K 19), mit den hier maßgeblichen fachlichen Fragestellungen bereits während des Planfeststellungsverfahrens - nach Angaben der Klägerin seit Ende Juli 2019 - intensiv befasst. So war das Ingenieurbüro, welches die Stellungnahme verfasst hat, die die Klägerin zum Beleg dafür vorgelegt hat, dass die von ihr geplanten baulichen Sanierungsmaßnahmen an der Kuvertfabrik keinen Einfluss auf die erforderlichen statischen Maßnahmen haben sollen (Anlage K 37), bereits im Rahmen der Abstimmungen der Klägerin mit der Beigeladenen im Jahre 2019 tätig gewesen (vgl. Anlagen K 15 und K 18). Die Klägerin hat ferner Prüfberichte ihres Prüfingenieurs für Standsicherheit vorgelegt, von denen der jüngste vom 3. März 2020 stammt (Anlagen K 25 bis K 28). Angesichts dieser Vorbefassung der Klägerin einschließlich von ihr beauftragter bzw. herangezogener Fachleute mit der Frage, welche der Folgen der U-Bahn-Bau für ihre Gebäude haben würde, erschließt sich nicht, weshalb es bis Ablauf der Klagebegründungsfrist am 14. Dezember 2020 nicht möglich gewesen sein sollte, eine substantiierte Stellungnahme vorzulegen, aus der sich hätte ergeben können, dass die von der Klägerin an der Kuvertfabrik durchgeführten Maßnahmen auch zum bloßen Erhalt des Denkmals, d.h. ohne jegliche weiteren Veränderungen, erforderlich geworden wären. Es fällt vielmehr auf, dass die Stellungnahme des Ingenieurbüros der Klägerin vom 27. Januar 2021 (Anlage K 37) auf ein mit Datum 18. Januar 2021 - also erst nach Ablauf der Klagebegründungsfrist - ergangenes Schreiben der Klägerin erfolgt ist. Das Ingenieurbüro war zudem in der Lage, binnen etwa anderthalb Wochen Stellung zu nehmen; auch dies spricht dagegen, dass für die Erstellung einer (substantiierten) fachlichen Stellungnahme die Zehn-Wochen-Frist des § 29 Abs. 7 Satz 1 PBefG nicht ausreichend gewesen wäre.
88
Angesichts der geschilderten Umstände, insbesondere der Vorbefassung der Klägerin mit den Auswirkungen des Tunnelbaus, erschließt sich auch nicht, weshalb zu einem die genannte Fragestellung betreffenden substantiierten Vortrag der Klägerin erst eine Einsicht in die vollständigen behördlichen Verfahrensakten erforderlich gewesen sein sollte. Die Klägerin hatte bei Klageerhebung auch nicht geltend gemacht, dass für eine Klagebegründung und insbesondere für etwaige fachliche Stellungnahmen Akteneinsicht benötigt würde. Erst mit dem nach Ablauf der Klagebegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz vom 14. Dezember 2020 wurde Akteneinsicht beantragt und angeführt, dass Unterlagen geprüft und mit technischen Sachverständigen abgestimmt werden müssten. Die von der Klägerin vorgelegte Stellungnahme eines Ingenieurbüros (Anlage K 37) lässt ebenfalls nicht erkennen, dass bzw. inwieweit für deren Erstellung Einsicht in die Behördenakten erforderlich war. Auch die im Schriftsatz vom 7. Juli 2022 (z.T. erneut) angeführten Besprechungsvermerke lagen der Klägerin bereits während des Planfeststellungsverfahrens vor.
89
Eine genügende Entschuldigung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Klägerin auf ihre Bitte mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2020 die Stellungnahmefrist bis 31. Januar 2021 verlängert wurde. Wie ausgeführt, war diese Bitte der Klägerin weder als Fristverlängerungsantrag nach § 29 Abs. 7 Satz 5 PBefG formuliert noch als solcher auszulegen. Vielmehr hätte einem solchen Antrag nach dem eigenen Vortrag der Klägerin und deshalb, weil die Frist des § 29 Abs. 7 Satz 1 PBefG bereits abgelaufen war, nicht entsprochen werden können. Die Klägerin konnte daher nicht davon ausgehen, dass es sich bei der mit gerichtlichem Schreiben vom 15. Dezember 2020 gewährten Verlängerung der Frist zur Stellungnahme um eine solche nach § 29 Abs. 7 Satz 5 PBefG gehandelt hat.
90
2.3.1.3.3 Dass die innerprozessuale Präklusion des § 29 Abs. 7 Satz 2 PBefG deshalb zu entfallen hätte, weil es mit geringem Aufwand möglich war, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung der Klägerin zu ermitteln (§ 29 Abs. 7 Satz 4 PBefG), ist nicht vorgebracht und auch nicht ersichtlich. Vorliegend braucht nicht näher darauf eingegangen werden, inwieweit das Vorliegen der Voraussetzungen des § 29 Abs. 7 Satz 4 PBefG (und vergleichbarer fachplanungsrechtlicher Vorschriften) bei Tatsachen anzunehmen ist, die sich aus den beigezogenen Behördenakten ergeben (vgl. zu dieser Fragestellung BayVGH, B.v. 22.5.2020 - 22 ZB 18.856 - juris Rn. 73, vgl. auch Rn. 64 und Rn. 70; NdsOVG, U.v. 2.9.2020 - 7 KS 17/15 - juris Rn. 142; OVG Hamburg, U.v. 29.11.2019 - 1 E 23/18 - juris Rn. 150). Denn es ist nicht ersichtlich, welcher Bestandteil der Behördenakten eine Aussage dahingehend enthalten könnte, dass die von der Klägerin an der Kuvertfabrik durchgeführten statischen Maßnahmen auch zum bloßen Erhalt des Denkmals erforderlich geworden wären. Die von der Klägerin im Schriftsatz vom 7. Juli 2022 zitierten Aktenbestandteile beziehen sich jedenfalls auf die Verwirklichung der Vorhaben der Klägerin, nicht auf den Fall des Unverändertbleibens der Kuvertfabrik und ihres Umfelds. Dies gilt insbesondere auch für die von der Klägerin zitierte orientierende Stützdruckuntersuchung vom 21. Oktober 2019 (vgl. Anlage 1, Lageplan mit Position der Berechnungsquerschnitte). Selbst wenn sich jedoch den von der Klägerin genannten oder sonstigen in den Behördenakten enthaltenen Unterlagen etwas dazu entnehmen ließe, dass es der von der Klägerin durchgeführten Maßnahmen auch dann bedurft hätte, wenn (nur) die Kuvertfabrik unverändert bestehen geblieben wäre, hätte sich dies jedenfalls nicht aus den Akten ersehen lassen, sondern erst aus diesen mit nicht unerheblichem Aufwand ermittelt werden müssen.
91
2.3.1.3.4 Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 29 Abs. 7 Satz 2 PBefG ist (anders als nach § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO) eine Verzögerung des Verfahrens nicht erforderlich, damit die dort normierte innerprozessuale Präklusion eintritt (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2021 - 9 A 8.20 - BVerwGE 171, 346 - juris Rn. 19 zum insoweit vergleichbaren § 6 UmwRG).
92
2.3.2 Selbst wenn jedoch davon ausgegangen wird, dass bereits der Klageschriftsatz vom 5. Oktober 2020 eine den Anforderungen des § 29 Abs. 7 Satz 1 PBefG genügende Klagebegründung enthielt und es sich bei den weiteren Schriftsätzen der Klägerin um zulässige Vertiefungen ihres Klagevorbringens gehandelt hat, wäre der Senat nicht davon überzeugt (§ 108 Abs. 1 VwGO), dass die von der Klägerin an der Kuvertfabrik wegen des U-Bahn-Baus durchgeführten statischen Maßnahmen auch zum bloßen Erhalt des Denkmals erforderlich geworden wären.
93
2.3.2.1 Die von der Klägerin zum Beleg ihrer Behauptung, dass die von ihr geplanten baulichen Sanierungsmaßnahmen an der Kuvertfabrik auf die von ihr durchgeführten statischen Maßnahmen ohne Einfluss waren (vgl. Schriftsatz vom 29.1.2021 S. 13 f.), vorgelegte Stellungnahme ihres Ingenieurbüros vom 27. Januar 2021 (Anlage K 37) stützt diese Aussage nicht.
94
Zwar ist dort davon die Rede (S. 2 vierter Absatz letzter Satz), dass der schädliche Einfluss aus dem U-Bahn-Bau auf die Kuvertfabrik unabhängig von den durchgeführten Arbeiten zu deren Erhalt zu betrachten sei. Allerdings befasst sich dieser Absatz mit einer Unterfangung der Kuvertfabrik. Die von der Klägerin als auf Grund des U-Bahn-Baus notwendig angeführten baulichen Maßnahmen (Schriftsatz vom 29.1.2021 S. 10 f.) nennen eine solche Unterfangung nicht. Zwar hat die Klägerin, wie die Beigeladene vorgetragen hat (Schriftsatz vom 28.5.2021 S. 5), tatsächlich eine Unterfangung mittels eines HDI (Hochdruckinjektions)-Körpers vorgenommen, und die Klägerin hat in dem Schriftsatz vom 29. Januar 2021 eine „HDI“ bzw. HDI-Körper erwähnt. Allerdings hat die Klägerin nicht vorgetragen, dass gerade eine solche Unterfangung mittels HDI-Körper durch den U-Bahn-Bau erforderlich geworden sei; sie hat nur Maßnahmen am bzw. bezüglich des HDI-Körper(s) angeführt. Die Unterfangung mittels HDI-Körper an sich wurde vielmehr, wie die Beigeladene schlüssig vorgebracht hat, allein deshalb erforderlich, um den Aushub an der Geländekante für die tiefer gelegene Tiefgarage zu ermöglichen (Schriftsatz vom 28.5.2021 S. 5). Dem entspricht es, dass nach der von der Klägerin vorgelegten Vormerkung über eine Besprechung am 29. Juli 2019 (Anlage K 14) zu diesem Zeitpunkt bereits die Einzel- bzw. Streifenfundamente der Kuvertfabrik entlang der Gebäudeaußenkanten mittels einer HDI unterfangen waren, um die tieferliegende Baugrube für die Tiefgarage und den Fahrradkeller herstellen zu können. Die Unterfangung dienten auch nach dieser Unterlage nicht als Vorkehrung zum Schutz vor dem Einfluss der Tunnelröhren, sondern lediglich zur Ermöglichung des Aushubs der o.g. Baukörper.
95
Zudem formuliert die Stellungnahme Anlage K 37 auch dahin, dass es erforderlich gewesen sei, die Fundamente der Kuvertfabrik zu deren Erhalt „und zur Umnutzung“ zu unterfangen. Insoweit besagt sie gerade nicht schlüssig, dass die Unterfangung nur zum Erhalt der Kuvertfabrik nötig gewesen sei.
96
Mit den von der Klägerin konkret als erforderlich genannten Maßnahmen (Bodenplatte im Bereich des Technikraums im 2. UG; Balkenrost im 1. UG; vgl. Schriftsatz vom 7.7.2022 S. 10 ff. und bereits Schriftsatz vom 29.1.2020 S. 10 f. sowie S. 19) befasst sich diese Stellungnahme nicht; sie begründet insbesondere nicht, dass gerade diese Maßnahmen auch dann erforderlich geworden wären, wenn die Kuvertfabrik und ihr Umfeld ansonsten unverändert geblieben wären.
97
2.3.2.2 Soweit die Klägerin weitere Unterlagen anführt und zitiert, die im bzw. parallel zum Planfeststellungsverfahren erstellt wurden, namentlich aus Besprechungsvermerken sowie aus einer orientierenden Stützdruckuntersuchung vom 21. Oktober 2019 (vgl. Schriftsatz vom 7.7.2022 S. 10 ff.), ergibt sich aus diesen ebenfalls nicht schlüssig, dass die von der Klägerin bezüglich der Kuvertfabrik durchgeführten Maßnahmen ausschließlich zum Erhalt des Denkmals nötig gewesen wären.
98
Die von der Klägerin angeführten Besprechungsvermerke vom 29. Juli 2019, vom 8. August 2019 und vom 2. Oktober 2019 sind im Betreff mit „Gründungssituation Neubebauung“ überschrieben; das Protokoll vom 29. September 2019 (ersetzt durch ein Protokoll vom 2.10.2019, Anlage K 18) mit „BV“ (Bauvorhaben) L* … Straße …; dort ist auch vom „geplanten Neubau …“ die Rede. Die Anlage K 18 umfasst auch einen Plan mit der Bezeichnung „Neubau von fünf Wohnhäusern mit Tiefgaragen und Umbau eines denkmalgeschützten Fabrikgebäudes“. Daraus und aus dem Inhalt dieser Unterlagen lässt sich schließen, dass Gegenstand der Erörterungen zwischen der Klägerin und der Beigeladenen betreffend Maßnahmen aufgrund des U-Bahn-Baus stets die Vorhaben der Klägerin in ihrer Gesamtheit und deren Realisierung waren, einschließlich der geplanten Sanierung und Umnutzung der Kuvertfabrik. Hieran ändert nichts, dass in diesen Unterlagen öfters nach einzelnen (Teil-) Baubereichen unterschieden wurde, insbesondere mit eigenen Abschnitten zur Kuvertfabrik. Denn eine Beurteilung der Folgen des U-Bahn-Baus für den Fall, dass (nur) die Kuvertfabrik bestehen geblieben wäre, lässt sich diesen Abschnitten nicht entnehmen. Die Annahme, dass über ein solches, rein hypothetisches Szenario beraten worden wäre (Unverändertbleiben eines bestehenden Gebäudes; keine Errichtung weiterer Gebäude und einer Tiefgarage) stünde auch im Widerspruch zu den im Betreff der Unterlagen zum Ausdruck kommenden Gegenstand und zur Zielsetzung der Besprechungen.
99
Die Klägerin bezeichnet eine der Maßnahmen zudem selbst als „Bodenplatte im Bereich des Technikraums des 2. UG“. Dieser Technikraum musste aber, wie die Beigeladene schlüssig vorgetragen hat (Schriftsatz vom 1.8.2022 S. 3 f.), für die von der Klägerin künftig vorgesehene Nutzung massiv umgebaut werden; zudem hat sich durch die von der Klägerin vorgenommenen Änderungen in anderen Teilen der Kuvertfabrik die Last des Gebäudes und damit der von der Kuvertfabrik ausgehende Druck in der Vertikalen erhöht. Auch hinsichtlich des von der Klägerin ebenfalls als erforderlich genannten Einbaus eines Balkenrostes im 1. UG ergibt sich aus den vorgelegten bzw. zitierten Unterlagen nicht, dass es dieser Maßnahme ebenso bedurft hätte, wenn die Kuvertfabrik unverändert geblieben wäre. Die Klägerin spricht insoweit auch selbst davon, dass diese Maßnahme zumindest auch deshalb erforderlich gewesen sei, um eine Evakuierung des Gebäudes zu verhindern (Schriftsatz vom 7.7.2022 S. 17 f.). Dieses Evakuierungsszenario bezog sich aber offenbar auf die Nutzung der Kuvertfabrik, wie sie die Klägerin vorgesehen hatte; die Maßnahme zielte also nicht nur auf den bloßen Erhalt des Gebäudes (vgl. auch den von der Klägerin vorgelegten Besprechungsvermerk vom 2.10.2019, Anlage K 19 S. 3, wonach die Gebrauchstauglichkeit mit dieser Maßnahme sichergestellt und eine Evakuierung der Kuvertfabrik während der Vortriebsarbeiten aus damaligen Sicht nicht mehr notwendig werde). Auch die von der Klägerin zitierte Stützdruckuntersuchung vom 21. Oktober 2019 berücksichtigt die Vorhaben der Klägerin (vgl. namentlich Anlage 1, Lageplan mit Position der Berechnungsquerschnitte), enthält also jedenfalls nicht erkennbar eine Betrachtung für den Fall, dass die Kuvertfabrik unverändert blieb.
100
2.3.2.3 Letztlich fehlt es damit, selbst wenn der gesamte Klägervortrag berücksichtigt wird, an einem überzeugenden Beleg dafür, dass die von der Klägerin an der Kuvertfabrik durchgeführten statischen Maßnahmen in derselben Weise erforderlich geworden wären, wäre dieses Gebäude und sein Umfeld unverändert geblieben. Die sich aus § 29 Abs. 7 PBefG ergebenden Anforderungen an die Klagebegründung verlangen aber (i.V.m. dem in § 67 Abs. 4 VwGO normierten Vertretungszwang), dass die Klagebegründung aus sich heraus hinreichend verständlich ist, den Gegenstand der Rüge deutlich macht und rechtlich einordnet; es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich aus beigefügten Unterlagen den Inhalt der Kritik des Klägers selbst zusammenzusuchen und zu erschließen (vgl. BVerwG, U.v. 4.5.2022 - 9 A 7.21 - juris Rn. 24; U.v. 3.11.2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 - juris Rn. 89).
101
2.3.2.4 Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, zum Erhalt und zum Schutz der Kuvertfabrik gem. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG verpflichtet gewesen zu sein. Dies trifft in rechtlicher Hinsicht zu; hieraus ergibt sich aber nichts in Bezug auf die hier inmitten stehende Fragestellung, ob die von der Klägerin durchgeführten Maßnahmen tatsächlich auch allein zum Schutz des Denkmals erforderlich gewesen sind. Zudem ist die Veränderung von Baudenkmälern auch dann gem. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSchG erlaubnispflichtig, wenn eine vermeintlich geringfügige Maßnahme dazu dient, der gesetzlichen Erhaltungspflicht zu entsprechen; erlaubnispflichtig ist insbesondere auch eine Änderung des statischen Gefüges (vgl. Gerstner in Eberl/Spennemann/Schindler-Friedrich/ders., BayDSchG, 8. Aufl. 2019, Art. 6 Rn. 7f., 10, 12). Eine (isolierte) denkmalschutzrechtliche Erlaubnis zur Vornahme der von ihr durchgeführten statischen Maßnahmen hatte die Klägerin jedoch nicht beantragt; diese Maßnahmen waren vielmehr Gegenstand der (Tektur-) Baugenehmigung vom 21. Juli 2020 für das Gesamtvorhaben der Sanierung und Revitalisierung der Kuvertfabrik, welche die Prüfung der denkmalschutzrechtlichen Voraussetzungen umfasste (vgl. Art. 60 Satz 1 Nr. 3 BayBO, Art. 6 Abs. 3 Satz 1 BayDSchG). Dieser Genehmigung lässt sich ebenfalls nichts dazu entnehmen, dass die zusätzlich vorgesehenen Maßnahmen lediglich dem Erhalt des Gebäudes bzw. der Erhaltungspflicht des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG dienten.
102
Zudem ist zu berücksichtigen, dass der streitgegenständliche Planfeststellungsbeschluss für die Kuvertfabrik als Denkmal (im Bestand) bereits die Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens vorsah (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 45 sowie Nebenbestimmung 2.1.4). Dem insoweit in Bezug genommenen und ebenfalls planfestgestellten Erläuterungsbericht (S. 38) lässt sich ferner entnehmen, dass alle unter Denkmalschutz stehenden Gebäude während der Baumaßnahmen durch Nivellements überprüft werden. Damit soll erkennbar sichergestellt werden, Schäden an Denkmälern in dem Zustand, wie ihn der Planfeststellungsbeschluss zu Grunde gelegt hat, welche - entgegen der Annahmen in den eingereichten Planfeststellungsunterlagen - durch den U-Bahn-Bau verursacht würden, zu erkennen und zu beseitigen. Denn nur so erklärt sich, weshalb die Planfeststellungsbehörde die Festsetzung von über die gesetzlichen Regelungen zum Denkmalschutz hinausgehenden Nebenbestimmungen nicht für erforderlich gehalten hat (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 45 unter Nr. 12 letzter Satz). Daher ergibt sich für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auch nichts aus ihrem mehrfachen Hinweis darauf, dass es sich bei der Kuvertfabrik um ein monolithisches Bauwerk ohne Fugen handele, bei dem Setzungsdifferenzen noch schwieriger aufzunehmen seien.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund im Sinn von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegt.