Titel:
Asylrecht, mögliche Berufungszulassungsgründe bei Klageabweisung als unzulässig und zudem unbegründet.
Normenkette:
AsylG § 74 Abs. 1 .
Leitsatz:
Hat ein asylrechtliches Urteil, das eine Klage als unzulässig und zudem unbegründet abweist, mangels durchgreifender Geltendmachung eines auf die Unzulässigkeitsentscheidung bezogenen Berufungszulassungsgrundes als Prozessurteil Bestand, gehen weitere geltend gemachte Zulassungsgründe, die die dem Prozessurteil beigefügten Sachausführungen betreffen, ins Leere und können nicht zur Berufungszulassung führen, weil diese Sachausführungen als „nicht geschrieben“ gelten (im Anschluss an BVerwG, B.v. 14.12.2018 - 6 B 133.18 - NVwZ 2019, 649 Rn. 22).
Schlagworte:
Asylrecht, mögliche Berufungszulassungsgründe bei Klageabweisung als unzulässig und zudem unbegründet.
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Urteil vom 09.08.2021 – B 10 K 19.30219
Fundstelle:
BeckRS 2022, 25906
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Gründe
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Soweit Zulassungsgründe i.S.v. § 78 Abs. 3 AsylG ausdrücklich oder sinngemäß geltend gemacht werden, sind sie nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen nicht vor.
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1. Das angegriffene verwaltungsgerichtliche Urteil hält die Klage wegen Verfristung für unzulässig (UA S. 9 ff. unter 1.) und „zudem“ für unbegründet (UA ab S. 11 zweiter Absatz). Zwar war es verfahrensfehlerhaft, dass das Verwaltungsgericht seinem Urteil vorliegend trotz seiner Annahme, die Klage sei unzulässig, noch Sachausführungen beigefügt hat (vgl. BVerwG, B.v. 14.12.2018 - 6 B 133.18 - NVwZ 2019, 649, Leitsatz und Rn. 22 m.w.N.). Jedoch ist hierfür im Asylprozess kein Berufungszulassungsgrund vorgesehen (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO) und ist - unabhängig davon - dies vorliegend klägerseits auch nicht gerügt, sodass die Berufung insoweit nicht zuzulassen ist.
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2. Die Berufung ist nicht zuzulassen, soweit sich die Antragsbegründung dagegen richtet, dass das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen hat, weil es sie für verfristet gehalten (§ 74 Abs. 1 AsylG) und gemeint hat, Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren.
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2.1. Die Antragsbegründung genügt § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nicht, soweit - bezogen auf die Frage Unzulässigkeit der Klage - ein Gehörsverstoß gerügt wird.
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Sie meint insoweit, das Verwaltungsgericht habe den Ausführungen der Klägerin keine Bedeutung beigemessen und den Angaben des Ehemanns der Klägerin keinerlei Beachtung geschenkt, während es allgemeine Verhaltensweisen des Urkundsbeamten der Rechtsantragsstelle als gegeben und wahr unterstellt habe, anstatt den Ehemann der Klägerin ausreichend anzuhören oder einen benannten Zeugen zum Termin zu laden, worin eine „massive Verzerrung der Realität“ liege.
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Insoweit setzt sie sich nicht näher mit der Argumentation im angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteil auseinander, wonach die Klägerin auf jeden Fall seit Montag, dem 4. Februar 2019 Zweifel hatte, ob auch sie Klage erhoben hätte, und ab diesem Zeitpunkt bis zum 8. Februar 2019 Zeit hatte, rechtsanwaltlichen Rat einzuholen (UA S. 10 f.).
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2.2. Unabhängig davon wird auch nicht genau genug dargelegt, welche konkreten Aussagen der Klägerin oder ihres Ehemanns das Verwaltungsgericht übergangen haben soll.
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2.3. Die Nichtladung des klägerseits schriftsätzlich angebotenen Zeugen beinhaltet keinen Gehörsverstoß. Verstöße gegen die Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO gehören nicht zu den Verfahrensmängeln, auf die der Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG gestützt werden kann, weil die Aufklärungspflicht als solche nicht zum Regelungsbereich des Art. 103 Abs. 1 GG gehört und deswegen auch grundsätzlich nicht den Zulassungsgrund einer Verletzung rechtlichen Gehörs vermittelt (BVerfG, B.v. 18.2.1988 - 2 BvR 1324/87 - juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 19.10.1998 - 27 ZB 98.30836 - juris Rn. 4; B.v. 29.8.2017 - 11 ZB 17.31081 - juris Rn. 4 m.w.N.).
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Zwar kann die Ablehnung eines Beweisantrags zu einem Gehörsverstoß führen, wenn sie keine Stütze im Prozessrecht (§ 86 Abs. 2 VwGO) findet (BVerfG, B.v. 30.1.1985 - 1 BvR 393/84 - BVerfGE 69, 141/143 f.; B.v. 27.1.1995 - 1 BvR 1430/94 - NJW 1995, 1417; OVG Bremen, B.v. 29.12.2011 - 2 A 216/10.A - juris Rn. 3 m.w.N.). Allerdings wurde klägerseits kein Beweisantrag i.S.v. § 86 Abs. 2 VwGO in der mündlichen Verhandlung gestellt. Beweisangebote in vorbereitenden Schriftsätzen sind dem im Hinblick auf den klaren Wortlaut des § 86 Abs. 2 VwGO nicht gleichzustellen.
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2.4. Keine Berufungszulassung ergibt sich daraus, dass sich die Antragsbegründung im Kontext der verwaltungsgerichtlichen Annahme, die Klage sei unzulässig und Wiedereinsetzung sei zu versagen, der Sache nach auch gegen die verwaltungsgerichtliche Beweiswürdigung insoweit wendet. Selbst wenn sich die - in der Regel nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnende (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2013 - 10 B 19.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO Nr. 67 Rn. 4 m.w.N.) - Beweiswürdigung ausnahmsweise wegen schwerer Mängel als verfahrensfehlerhaft erweist, liegt darin ein Gehörsverstoß nur bei spezifisch auf das rechtliche Gehör bezogenen Fehlern, etwa wenn bei einer Entscheidung ein aktenwidriger Vortrag zugrunde gelegt wird (vgl. BVerwG, U.v. 3.4.1987 - 4 C 30.85 - NJW 1988, 275) oder wenn sich das Gericht einer sachlichen Auseinandersetzung mit entscheidungserheblichem Vorbringen entzieht (vgl. BVerwG, B.v. 27.10.2014 - 3 B 40.14 u.a. - LKV 2015, 30 Rn. 4). Letzteres ist hier weder dargelegt noch ersichtlich (siehe oben).
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2.5. Soweit sich die Antragsbegründung der Sache nach gegen die inhaltliche Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Annahme, die Klage sei unzulässig und Wiedereinsetzung sei zu versagen, als solche wendet, scheidet eine Berufungszulassung schon deshalb aus, weil § 78 Abs. 3 AsylG - im Gegensatz zu § 124 Abs. 2 VwGO - einen Berufungszulassungsgrund „ernstlicher Zweifel‟ an der Richtigkeit der Entscheidung gerade nicht eröffnet.
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3. Nicht zuzulassen ist die Berufung, soweit die klägerischen Rügen den auf Begründetheitsfragen bezogenen Teil der Entscheidungsgründe betreffen.
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Dies gilt für die weiteren Gehörsrügen (Antragsbegründung unter II.2. und II.3.) ebenso wie für die drei klägerseits aufgeworfenen - inhaltlich jeweils Fragen der Begründetheit betreffenden - Fragen (Antragsbegründung ab S. 2 f.) und die Rüge zur Beweiswürdigung. Wie gezeigt ist die Berufung hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht angenommenen Unzulässigkeit der Klage nicht zuzulassen (siehe 2.). Dies führt dazu, dass die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Begründetheit als „nicht geschrieben“ gelten - hat nämlich ein Urteil als Prozessurteil Bestand, darf es auch nur insoweit in Rechtskraft erwachsen, weswegen die beigegebene Sachbeurteilung als „nicht geschrieben“ gelten muss (vgl. BVerwG, B.v. 14.12.2018 - 6 B 133.18 - NVwZ 2019, 649 Rn. 22 m.w.N.). In solchen Fällen gehen geltend gemachte Zulassungsgründe, die die als nicht geschrieben geltenden Sachausführungen des Prozessurteils betreffen, ins Leere und können nicht zur Berufungszulassung führen.
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4. Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt die Klägerin, die dieses Rechtsmittel vorliegend ohne Erfolg eingelegt hat (§ 154 Abs. 2 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die angegriffene Entscheidung rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
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5. Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG i.V.m. § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.