Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 19.07.2022 – AN 16 K 18.1888
Titel:

Anspruch auf Gewährung einer Stellenzulage wegen vollzugspolizeilicher Tätigkeit einer Zollbeamtin auch bei fehlender Befugnis zum Tragen einer Schusswaffe 

Normenketten:
BBesG § 1 Abs. 2 Nr. 4, § 12 Abs. 2 S. 1, § 42 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, Anl. I Vorb. Nr. 9
BGB § 812 Abs. 1 S. 1, § 818 Abs. 1, Abs. 2
UZwG § 2 Abs. 1
Leitsätze:
1. Mit der Stellenzulage nach § 42 Abs. 1 S. 1 BBesG sollen zusätzliche Anforderungen eines Dienstpostens abgegolten werden, die nicht bereits von der allgemeinen Ämterbewertung erfasst sind; wird im Zulagentatbestand auf die konkrete Aufgabenbetrauung und Verwendung abgestellt, ist der Aufgabenkreis des jeweiligen Dienstpostens maßgeblich. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Prägendes Charakteristikum vollzugspolizeilicher Tätigkeit, das sie von anderen Bereichen unterscheidet, ist die hoheitliche Befugnis zum unmittelbaren Eingriff in die Rechtspositionen der Bürger, die nötigenfalls durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs bis hin zum Schusswaffengebrauch durchgesetzt werden kann. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Möglichkeit des Schusswaffengebrauchs als äußerstes Mittel unmittelbaren Zwangs ist zwar prägendes Charakteristikum für vollzugspolizeiliche Tätigkeit, jedoch nicht als notwendige Bedingung ("conditio sine qua non") zu verstehen. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bundesbeamtenrecht, Stellenzulage (Polizeizulage) für Zollbeamtin, Betrauung mit vollzugspolizeilichen Aufgaben trotz fehlender Befugnis zum Tragen einer Schusswaffe, Befugnis zur Anwendung unmittelbaren Zwanges u.a. mit Hilfe des Reizstoffsprühgerätes, Rückforderung von Bezügen, Polizeizulage, Zollbeamtin, vollzugspolizeiliche Aufgaben, Befugnis zum Tragen einer Schusswaffe, vollzugspolizeiliche Tätigkeit, fehlende Befugnis zum Tragen einer Schusswaffe
Fundstelle:
BeckRS 2022, 24529

Tenor

1.Der Bescheid vom 10. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2016 und des Bescheides vom 21. März 2018 wird aufgehoben.
2.Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.
3.Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
4.Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten durch die Klägerin für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.  

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung erhaltener Bezüge (Polizeizulage) in Höhe von 250,67 EUR für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 21. März 2012 durch die Beklagte.
2
Die Klägerin ist seit dem … 2004 bei der Beklagten am Hauptzollamt … (HZA), Sachgebiet „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ (FKS), Prüfung und Ermittlung, beschäftigt. Sie war dort zunächst im Arbeitsbereich Backoffice des Sachgebiets E eingesetzt (vgl. u.a. Bl. 07, 15, 23, 29 der Personalakte).
3
Seit dem 10. März 2005 erhielt die Klägerin eine der Polizeizulage nach Vorbemerkung Nr. 9 zu den Besoldungsordnungen A und B des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) entsprechende außertarifliche Leistung.
4
Von 9. Mai bis 1. Juli 2005 absolvierte sie den Lehrgang „Eigensicherung und Bewaffnung für Angehörige der Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ (ESB-FKS), Bl. 189 der Personalakte. Danach war sie seit … 2005 auf einem Dienstposten einer Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Prüfung und Ermittlung beim HZA … tätig (vgl. Bl. 80 Wegfall des Zusatzes „Backoffice“ sowie Bl. 82 der Personalakte).
5
Mit Wirkung vom … 2006 wurde die Klägerin in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen. Die Polizeizulage wurde als Dienstbezug weitergezahlt. Seit … 2011 ist die Klägerin als Zollobersekretärin in die Besoldungsgruppe A9 eingewiesen.
6
Nach einem außerdienstlichen Unfall Anfang 2007, bei dem sich die Klägerin einen offenen Bruch des linken Handgelenks zuzog, war die Klägerin für mehrere Monate dienstunfähig erkrankt. Nachdem die Wiedereingliederung zum 16. Juli 2007 beendet war, wurde die Klägerin zur Klärung, in welchen Arbeitsbereichen sie aktuell und auf Dauer einsetzbar sei, beim Gesundheitsamt des Landratsamtes … amtsärztlich untersucht. Der begutachtende Arzt stellte am 27. August 2007 fest, dass Tätigkeiten als Waffenträger sowie Tätigkeiten mit der Notwendigkeit der Anwendung unmittelbaren Zwangs und der Teilnahme am Dienstsport zur Zeit nicht ohne Einschränkungen durchführbar seien. Prognostisch sei noch eine gewisse Besserung denkbar, auf Grund des bisherigen Verlaufs jedoch nicht sehr wahrscheinlich.
7
Mit Schreiben vom 7. September 2007 teilte die Oberfinanzdirektion (OFD) … der Klägerin mit, dass sie aufgrund amtsärztlicher Untersuchung vom 27. August 2007 wegen ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht mehr als Waffenträgerin eingesetzt werden könne, da ihr die Anwendung unmittelbaren Zwangs sowie die Teilnahme am Dienstsport nicht möglich seien. Im Back-Office des Sachgebietes E (Arbeitsbereich Prüfung und Ermittlung) sei sie wieder voll dienstfähig.
8
Am 4. Februar 2008 gab die Klägerin ihre Dienst-/Schusswaffe zurück.
9
Nach Angaben der Beklagten sei eine Einstellung der Zahlung der Polizeizulage durch die für die Bezügezahlung zuständige Bundesfinanzdirektion …, Service-Center … (Service-Center) zunächst nicht erfolgt, da es das HZA … versehentlich unterlassen habe, dem Service-Center die erforderliche Information zukommen zu lassen.
10
Mit Schreiben vom 1. Juli 2014 bat das HZA … das Service-Center, die Zahlung der Polizeizulage bei der Klägerin rückwirkend zum 22. März 2012 einzustellen. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen für die Zahlung der Polizeizulage nicht mehr, da sie ihre Dienstwaffe am 4. Februar 2008 zurückgegeben habe. Der 22. März 2012 ergebe sich aus dem Inkrafttreten der Neufassung der Verwaltungsvorschrift zur Gewährung der Stellenzulage nach Vorbemerkung Nr. 9 zu den Besoldungsordnungen A und B des BBesG (VV-BMF-PolZul). Die Klägerin erhielt einen Abdruck der Mitteilung zur Kenntnis.
11
Mit Ablauf des 31. August 2014 stellte die Beklagte die Zahlung der Polizeizulage an die Klägerin ein. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2015 zurück. Mit Schreiben vom 30. November 2015 erhob die Klägerin über ihren Bevollmächtigten hiergegen Klage (Az. AN 11 K 15.02410).
12
Mit Bescheid vom 10. Dezember 2015 forderte das Service-Center von der Klägerin die für den Zeitraum vom 4. Februar 2008 bis 31. August 2014 gezahlte Polizeizulage in Höhe von 2.472,26 EUR (brutto) zurück. Der Rückforderungsbetrag werde ab März 2016 von den laufenden Dienstbezügen in 31 Raten zu je - wie mit dem Klägerbevollmächtigten abgestimmt - 78,00 EUR (brutto) und einer Schlussrate in Höhe von 54,26 EUR einbehalten. Seit dem 7. September 2007 habe die Klägerin keinen Anspruch auf Polizeizulage mehr. Die Überzahlung an die Klägerin betrage unter Verrechnung eines durch den Wegfall des Anspruchs auf die Polizeizulage entstandenen Ausgleichszulagenanspruchs gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3 BBesG in der bis 30. Juni 2009 geltenden Fassung 6.348,93 EUR (brutto). Dieser Betrag reduziere sich durch die Annahme eines bereits erfolgten Eintritts der Verjährung der vor dem 1. Januar 2012 entstandenen Rückzahlungsansprüche nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB auf 3.531,80 EUR, von dessen Rückforderung jedoch im Umfang von 30 v.H. des noch nicht verjährten überzahlten Betrags aus Billigkeitsgründen im Hinblick auf das behördliche Mitverschulden am Zustandekommen der Überzahlung abgesehen werde. Es ergebe sich somit für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis einschließlich 31. August 2014 eine zurückzufordernde Überzahlung in Höhe von 2.472,26 EUR (brutto).
13
Der Wegfall der Bereicherung könne der Rückforderung nicht entgegengehalten werden, da die Klägerin aufgrund der Mitteilung der ehemaligen OFD … vom 7. September 2007 gewusst habe, dass ein amtsärztliches Attest vorliege, in dem festgestellt worden sei, dass der Klägerin wegen ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung die Anwendung unmittelbaren Zwangs sowie die Teilnahme am Dienstsport nicht mehr möglich sei. Wegen der seit 2006 laufenden Informationen und Diskussionen zur Änderung der VV-BMF-PolZul hätte sie wissen müssen, dass die Zahlung der Polizeizulage in den Bereichen Prüfung und Ermittlung der FKS davon abhängig sei, dass vollzugspolizeiliche Aufgaben wahrgenommen werden. Für die Wahrnehmung vollzugspolizeilicher Aufgaben sei die Wahrnehmung von unmittelbarem Zwang eine grundlegende Voraussetzung. Spätestens nach Abgabe der Dienstwaffe hätte die Klägerin erkennen müssen, dass die Weiterzahlung der Polizeizulage nicht rechtmäßig gewesen sei.
14
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2015 erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch (zur Begründung siehe auch ergänzende Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 11. Juli 2015 sowie vom 13. Juni 2016, vgl. Bl. 123 ff der BA sowie Bl. 361 der BA). Die Forderung sei weder berechtigt noch durchsetzbar. Auch ohne die Befugnis zur Anwendung unmittelbaren Zwangs und zum Gebrauch der Schusswaffe übe die Klägerin vollzugspolizeiliche Aufgaben aus und habe diese auch in der Vergangenheit ausgeübt. Sie sei weiterhin im Sachgebiet E des HZA … im Außendienst ohne Waffe und nicht nur z.B. für eine Vernehmungstätigkeit eingesetzt. Das allein berechtige sie zum Bezug der Polizeizulage. Soweit nicht Verjährung eingetreten sei, sei eine etwaig ungerechtfertigte Bereicherung weggefallen. Die gezahlte Zulage sei verbraucht worden, ohne dass die Klägerin noch bereichert wäre. Angesichts der Höhe der monatlichen Stellenzulage unter 150,00 EUR müsse der Wegfall der Bereicherung gemäß Verwaltungsanweisung durch den Beamten nicht weiter belegt werden. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass die Klägerin habe wissen müssen, dass sie keinen Anspruch auf die Zulage mehr habe. Die Klägerin habe ihre Sorgfaltspflichten hinsichtlich der Überprüfung der ihr zustehenden Leistungen nicht verletzt. Sie habe bis zum 1. Juli 2014 nicht gewusst, dass ihr nach Meinung des HZA … keine Stellenzulage mehr zustehe. § 816 Abs. 4 BGB ergebe keine verschärfte Haftung im vorliegenden Fall. Die Klägerin sei von einem Sachbearbeiter des HZA … auf Nachfrage 2008 zudem informiert worden, dass das Recht auf die Zahlung der Polizeizulage mit der Rückgabe der Waffe nicht entfalle. Hierauf habe sie sich verlassen dürfen. Zwischen dem Service-Center und dem HZA … sei man sich zudem selbst nicht einig über den Zeitpunkt des Wegfalls der Zulage gewesen. Die Materie scheine selbst für die hauptamtlich damit befassten Mitarbeiter des Dienstherrn nicht klar gewesen zu sein. Der Dienstherr könne dann nicht von der Klägerin verlangen, dass sie hinsichtlich der Polizeizulage habe mehr wissen müssen, als die Profis der Personalverwaltung. Keine Berechtigung zur Rückforderung der Stellenzulage habe die Beklagte vom 1. Januar 2012 bis zum 21. März 2012, da das Service-Center mit dieser Rückforderung gegen die Vorgabe des die Besoldungsgrundlagen schaffenden HZA … verstoßen würde, das der Klägerin durch Abdruck der Mitteilung an das Service-Center vom 1. Juli 2014 mitgeteilt habe, dass die Polizeizulage ab dem 22. März 2012 einzustellen sei.
15
Mit Bescheid vom 29. August 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf die Polizeizulage sei § 42 BBesG i.V.m. der Vorbemerkung Nr. 9 zu den Besoldungsordnungen A und B des BBesG. Gemäß der vom 1. Januar 2002 bis 21. März 2012 geltenden Vorbemerkungen Nr. 9 hätten im Bereich der Zollverwaltung ausschließlich die mit vollzugspolizeilichen Aufgaben betrauten Beamten Anspruch auf die Polizeizulage gehabt. Mit vollzugspolizeilichen Aufgaben betraut in diesem Sinne seien nur Zollbeamte, die zur Anwendung unmittelbaren Zwangs auch unter Einsatz einer Schusswaffe berechtigt seien. Für Nichtwaffenträger scheide nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 25.04.2013 - 2 C 39.11) ein Polizeizulageanspruch daher von vornherein aus. Da der Klägerin im September 2007 die Befugnis zur Anwendung unmittelbaren Zwangs unter Gebrauch der Schusswaffe entzogen worden sei, sei sie seit diesem Zeitpunkt nicht mehr mit der Wahrnehmung vollzugspolizeilicher Aufgaben im Sinne der Vorbemerkung Nr. 9 betraut gewesen.
16
In Bezug auf den vorgetragenen Wegfall der Bereicherung sei einzuwenden, dass der Klägerin wie allen anderen Beschäftigten der FKS beim HZA … zahlreiche Erlasse des BMF zur Kenntnis gegeben worden seien, aufgrund derer die Klägerin vernünftigerweise nicht davon ausgehen habe dürfen, dass ihr die Polizeizulage nach Rückgabe ihrer Dienstwaffe noch weiterhin zugestanden habe. Die Rechtsgrundlosigkeit der Fortzahlung der Polizeizulage sei zumindest nach dem 4. Februar 2008 so offensichtlich gewesen, dass die Klägerin sie habe erkennen müssen. Die Klägerin unterliege hier daher der verschärften Haftung. Eine andere Bewertung zur verschärften Haftung folge auch nicht aus der klägerischen Behauptung, ein Sachbearbeiter des HZA … habe ihr gesagt, das Recht auf die Zahlung der Polizeizulage entfalle mit der Rückgabe der Waffe nicht. Der Beamte habe auf Nachfrage diese Äußerung nicht bestätigt und darauf hingewiesen, dass die Bearbeitung von Zulagen nicht zu seinem Aufgabengebiet gehört habe. Auch das unstrittige behördliche Mitverschulden, d. h. die innerbehördlichen Organisations- und Zuständigkeitsdefizite im Sachgebiet A des HZA …, weshalb die maßgebliche Information seinerzeit nicht an das Service-Center übermittelt worden sei, würden die Klägerin nicht von der verschärften Haftung entlasten. Das behördliche Mitverschulden an der Überzahlung sei vielmehr zugunsten der Klägerin in die Billigkeitsentscheidung einzubeziehen. Der Erstattungsvorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG sei insoweit hinreichend Genüge getan worden, als ein Verzicht auf die Rückforderung in Höhe von 30 v.H. des Überzahlungsbetrages erfolgt sei. Zudem sei der Klägerin für den verbleibenden Rückforderungsbetrag Ratenzahlung über 32 Monate gewährt worden.
17
Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 15. September 2016, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben. Zur Begründung führt die Klägerin aus, dass sie nach der freiwilligen Abgabe der Waffe unverändert den gleichen Dienstposten innegehabt habe. Das Einsatzgebiet habe sich ausweislich der Tagebuchaufzeichnungen über ihre dienstlichen Tätigkeiten von 2008 bis 2015 (vgl. Anlage K3, Bl. 227 ff der BA) nicht verändert. Ihr sei keine Verfügung bekanntgegeben worden, dass sie nicht mehr mit polizeivollzuglichen Aufgaben betraut sei. Vollzugspolizeiliche Aufgaben bestünden nicht nur in der Möglichkeit, eine Waffe einsetzen zu können. Die Beklagte mache es sich zu einfach, wenn sie ohne Information beim Wegfallen einer Zulage den Betroffenen die Kenntnispflicht unterstelle. Es sei nicht verständlich, dass keine Bezügeinformation der Klägerin erfolgt sei. Vielmehr sei es so, dass die Beklagte nicht informiert habe, da sie selbst anscheinend nicht gewusst habe, ob eine Zulagenberechtigung bestanden habe oder nicht. Es gehe nicht an, jahrelang diese Ungewissheit bestehen zu lassen und dann dem Beamten entgegenzuhalten, dass er es hätte wissen müssen. Die Weiterzahlung an die Klägerin sei nicht ein bloßer Ausführungsfehler gewesen, sondern die Weiterzahlung habe dem Willen der damals zuständigen OFD bzw. dem Service-Center entsprochen. Das Tätigkeitsspektrum der Klägerin sei bis auf den Umstand, dass sie ohne Waffe im Außendienst unterwegs gewesen sei, nicht eingeschränkt gewesen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass von einer Beamtin des mittleren Dienstes mehr Verständnis beim Vollzug der Vorschriften erwartet werde als von der Personalabteilung. Bestritten werde auch, dass es sich um einen für die Klägerin offensichtlich erkennbaren Fehler gehandelt habe. Schließlich stütze die Auffassung der Klägerin auch die Rechtsprechung des VG Magdeburgs, vom 19. November 2015, Az. 5 A 74/15 MD, weshalb schon deshalb kein für die Klägerin offensichtlich erkennbarer Fehler vorliege. Das von einem Gericht bestätigte Ergebnis reiche, damit nicht von einem offensichtlich erkennbaren Fehler ausgegangen werden kann. Im Übrigen sei auch nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte offensichtlich organisatorisches Selbstverschulden dahingehend, dass der Wegfall entsprechender Voraussetzungen für die Zahlung der Polizeizulage an das zuständige Service-Center nicht gemeldet wurde, deckt und dagegen den Ausschluss der groben Fahrlässigkeit mit der Feststellung des individuellen persönlichen Versagens der Mitarbeiter der Beklagten erledigt. Hierbei werde offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen. Die Beklagte setze die Möglichkeit, unmittelbaren Zwang auszuüben zu Unrecht immer mit Tragen von Waffen gleich. Unmittelbarer Zwang sei auch waffenlos möglich. Der Einsatz von Waffen sei nur eine Möglichkeit von vielen, unmittelbaren Zwang auszuüben.
18
Die Klägerin beantragt zuletzt,
1.
Der Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2016 und des Bescheides vom 21. März 2018 wird aufgehoben.
2.
Festzustellen, dass die Zuziehung des Klägerbevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war.
19
Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
20
Zur Begründung werde auf die Begründung des Widerspruchsbescheides verwiesen. Ergänzend werde dem Vortrag der Klägerin entgegengehalten, dass die unterbliebene Information der Bundesfinanzdirektion …, Service-Center, durch das HZA … über den Wegfall der vollzugspolizeilichen Aufgabenwahrnehmung der Klägerin nicht darauf beruht habe, dass die Personalstelle bei der vorliegenden Fallkonstellation von einem Fortbestand des Polizeizulagenanspruchs der Klägerin ausgegangen sei. Ursächlich für die Unterlassung sei lediglich eine versehentliche Unterbrechung im zwischenbehördlichen Informationsfluss gewesen.
21
Mit Schreiben vom 21. März 2018 hob die Beklagte den Rückforderungsbescheid vom 10. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2016 insoweit auf, als mit ihm zu Unrecht gezahlte Polizeizulage für den Zeitraum 22. März 2012 bis 31. August 2014 zurückgefordert worden sei.
22
Darüber hinaus hob sie den Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2015 auf und teilte mit, die Zahlung der Polizeizulage rückwirkend zum 1. September 2014 wiederaufzunehmen und die seitdem ausgebliebene Zulage nachzuzahlen. Das hiergegen geführte Klageverfahren (Az. AN 11 K 15.02410, nach Ruhensbeschluss und Wiederaufnahme des Verfahrens Az. AN 11 K 18.01891) wurde nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Beteiligten und Kostenübernahmeerklärung durch die Beklagte durch Beschluss des hiesigen Gerichts vom 28. September 2018 eingestellt.
23
Die Beklagte teilte mit, für den vor dem Inkrafttreten der Neuregelung der Vorbemerkung Nr. 9 zu den Besoldungsordnungen A und B des BBesG liegenden Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 21. März 2012 werde die Rückforderung aufrechterhalten. Der Rückforderungsbetrag verringere sich somit von den bisherigen 2.472,26 EUR auf die streitgegenständlichen 250,67 EUR. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit, soweit er die Rückforderung in Höhe von 2.221,59 EUR betraf, übereinstimmend für (teil-)erledigt, wobei die Beklagte Kostenübernahme erklärte (vgl. Bl. 121, 126 der Gerichtsakte).
24
Auf den gerichtlichen Hinweis vom 20. Dezember 2021, dass aufgrund des Sachvortrags und der Aktenlage derzeit anzunehmen sei, dass zum Aufgabenkreis der Klägerin im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 21. März 2012 nicht nur Tätigkeiten im „Backoffice“/Innendienst gehörten, sondern sie, obwohl sie keine Berechtigung zum Tragen und Gebrauch einer Schusswaffe hatte, tatsächlich vollzugspolizeiliche Aufgaben wahrgenommen hat, erklärte die Beklagte, sie könne sich der Auffassung nicht anschließen, dass eine vollzugspolizeiliche Aufgabenwahrnehmung im Sinne der Vorbemerkung Nr. 9 zu den Besoldungsordnungen A und B des BBesG (in der bis zum 21. März 2012 geltenden Fassung) bei Bediensteten der Zollverwaltung bejaht werden kann, die keine Befugnis zur Ausübung unmittelbaren Zwangs auch unter Gebrauch der Schusswaffe besitzen. Die Beklagte verstehe das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. April 2013, Az. 2 C 39/11 dahingehend, dass diese Befugnis „conditio sine qua non“ für den Anspruch von Zollbeamten auf die Polizeizulage nach der seinerzeit geltenden Vormerkung Nr. 9 sei. Unabhängig davon würden aber auch die wenigen im Kalender der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum vermerkten Außendiensttätigkeiten keine Prägung ihres Dienstpostens belegen. Auch nach diesen Kalendereintragungen sei die Klägerin zeitlich ganz überwiegend im Innendienst der Finanzkontrolle Schwarzarbeit tätig.
25
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte im hiesigen Verfahren sowie im Verfahren AN 11 K 18.01891, die beigezogenen Behördenakten sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

26
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2016 und des Bescheides vom 21. März 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO), da die Beklagte keinen Anspruch auf Rückforderung der der Klägerin vom 1. Januar 2012 bis 21. März 2012 gewährten Polizeizulage bzw. des erlangten Wertes gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 818 Abs. 1, 2 BGB in Höhe von insgesamt 250,57 EUR hat. Der Klägerin steht auch für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Gewährung der Polizeizulage zu.
27
Anspruchsgrundlage für einen Rückforderungsanspruch der Beklagten ist § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG. Nach dieser Vorschrift richtet sich die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB), soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Zu Bezügen in diesem Sinne zählt gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 BBesG auch die Polizeizulage als Stellenzulage.
28
1. Die Stellenzulage in Höhe von 250,57 EUR wurde der Klägerin vom 1. Januar 2012 bis 21. März 2012 allerdings zu Recht bezahlt, da sie im streitgegenständlichen Zeitraum mit vollzugspolizeilichen Aufgaben betraut war.
29
Die Gewährung einer Stellenzulage setzt nach § 42 Abs. 1 Satz 1 BBesG die Wahrnehmung einer herausgehobenen Funktion voraus. Mit der Zulage sollen zusätzliche Anforderungen eines Dienstpostens abgegolten werden, die nicht bereits von der allgemeinen Ämterbewertung erfasst sind. Dabei kann der Gesetzgeber typisieren und für Beamten- oder Soldatengruppen in einem bestimmten Verwaltungszweig oder einer bestimmten organisatorischen Einrichtung in generalisierender Weise eine entsprechende Zulagenberechtigung vorsehen. Wird im Zulagentatbestand dagegen auf die konkrete Aufgabenbetrauung und Verwendung abgestellt, ist der Aufgabenkreis des jeweiligen Dienstpostens maßgeblich. Maßgeblich für die „Betrauung“ ist dabei der Aufgabenkreis, der dem Beamten durch Gesetz, allgemeine Geschäftsverteilung oder Einzelweisung übertragen ist. Welche Funktionen im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 1 BBesG herausgehoben sind, hat der Gesetzgeber in den einzelnen Zulagenvorschriften normativ entschieden (vgl. zu alledem BVerwG, B.v. 25.8.2017 - 2 B 40/17 - juris Rn. 4 ff m.w.N.).
30
Gemäß § 42 BBesG i.V.m. Nr. 9 Abs. 1 der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B des BBesG (Anlage I des BBesG) in der bis 21. März 2012 geltenden Fassung erhielten die mit vollzugspolizeilichen Aufgaben betrauten Beamten der Zollverwaltung eine Stellenzulage nach Anlage IX des BBesG. In Ziffer 2. „Anspruch“ der Verwaltungsvorschrift zur Gewährung der Stellenzulage nach Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B des BBesG (Polizeizulage) für den Geschäftsbereich des BMF, BMF-Erlass vom 5. April 2002 - Z B 2 - P 1539 - 6/02, zuletzt geändert durch BMF-Erlass vom 27. März 2006 - Z B 2 - P 1539 - 4/06 - (im Folgenden: VV-BMF-PolZul) war dazu weiter ausgeführt, dass mit der Neufassung der Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B des BBesG beabsichtigt sei, die Polizeizulage allen Zollbeamten und Zollbeamtinnen zu gewähren, die tatsächlich vollzugspolizeiliche Aufgaben wahrnehmen. So werde erreicht, dass die besondere Verantwortung dieser Aufgaben (z.B. in schwierigen Situationen unter physischer und psychischer Belastung als Einzelner schnell verantwortliche, möglicherweise einschneidende Entscheidungen - etwa über den Gebrauch der Schusswaffe - zu treffen sowie unter Umständen Leben und Gesundheit zur Aufgabenerfüllung einzusetzen) gewürdigt und die damit verbundenen Belastungen und Erschwernisse mit abgegolten werden. Gemäß Ziffer 2.1.1 VV-BMF-PolZul erfüllten die im Anhang („Positivliste“ Stand: 1. Januar 2006) genannten Verwendungen die vom Bundesministerium des Innern aufgestellten und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestätigten Kriterien für den Polizeivollzugsdienst. Die in diesen Verwendungen eingesetzten Beamten erhielten eine Polizeizulage. Der Arbeitsbereich Finanzkontrolle Schwarzarbeit, Prüfung und Ermittlung war in der Positivliste mit dem Zusatz „soweit vollzugspolizeiliche Aufgaben zugewiesen sind“ als zulageberechtigt aufgeführt. Anders als bei den übrigen aufgeführten Gruppen von Zulageberechtigten i.S.d. § 42 Abs. 1 S. 1 BBesG i.V.m. Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B des BBesG hat der Besoldungsgesetzgeber die betreffende Zulageberechtigung für Beamte der Zollverwaltung im streitgegenständlichen Zeitpunkt damit nicht im Sinne eines nur summarischen, in der Regel organisations- bzw. behördenbezogenen Funktionsbezugs ausgestaltet, sondern bei ihnen ausdrücklich einen konkreten Funktionsbezug vorausgesetzt. Das bedeutet, dass jeweils im Einzelfall geprüft werden musste, ob die tatsächliche Verwendung des Beamten nach der Prägung des von ihm bestimmungsgemäß wahrgenommenen Dienstpostens vollzugspolizeiliche Aufgaben betrifft. Maßgeblich für die „Betrauung“ war dabei der Aufgabenkreis des Dienstpostens, auf dem der Beamte eingesetzt ist (vgl. OVG NRW, U.v. 11.7.2011 - 1 A 1990/10 - juris Rn. 28; BVerwG, U.v. 25.4.2013 - 2 C 39/11 - juris Rn. 12).
31
Den Begriff der vollzugspolizeilichen Aufgaben hat das Bundesverwaltungsgericht anhand von Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck von Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B des BBesG ausgelegt und geurteilt, dass prägendes Charakteristikum vollzugspolizeilicher Tätigkeit, das sie von anderen Bereichen unterscheide, die hoheitliche Befugnis zum unmittelbaren Eingriff in die Rechtspositionen der Bürger, die nötigenfalls durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs bis hin zum Schusswaffengebrauch durchgesetzt werden kann, sei (BVerwG, U.v. 25.4.2013 - 2 C 39/11 - juris Rn. 17). Bereits die Formulierung des Zulagentatbestandes nehme unmittelbar auf die Polizeivollzugsbeamten des Bundes und der Länder Bezug, sodass deren Tätigkeit als begriffsbildendes Vorbild herangezogen werden könne. Charakteristisch seien daher Aufgaben, für die die besonderen Fähigkeiten, Kenntnisse und Mittel des Polizeivollzugsdienstes erforderlich seien. Dies gelte insbesondere für die Anwendung unmittelbaren Zwangs, die grundsätzlich Polizeivollzugsbeamten vorbehalten sei (vgl. § 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 BPolG, § 1 Abs. 1 UZwG). Diese Eingrenzung werde durch die Entstehungsgeschichte der Norm bestätigt. Nachdem die Polizeizulage ursprünglich nur für die Polizeivollzugsbeamten der Länder vorgesehen gewesen sei, habe der Gesetzgeber den Empfängerkreis im Lauf der Zeit erweitert, um alle Beamten einzubeziehen, die vergleichbare Aufgaben wie ein Polizeivollzugsbeamter wahrnehmen und in einer entsprechenden Belastungssituation stehen. Der Gesetzgeber habe die Zulage aber nur auf solche Beamte ausdehnen wollen, „die überwiegend Aufgaben wahrnehmen, die denjenigen der Polizeivollzugsbeamten in Bund und Ländern entsprechen und die dabei zur Anwendung unmittelbaren Zwangs einschließlich des Schusswaffengebrauchs befugt sind“ (BTDrucks 8/3624 S. 21). Bezugspunkt für die herausgehobene Funktion vollzugspolizeilicher Aufgaben und die damit einhergehenden Belastungen seien damit nach dem Vorstellungsbild des Gesetzgebers die Eingriffsbefugnisse bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs. Ein an den vollzugspolizeilichen Sonderbefugnissen orientiertes Verständnis entspreche auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Polizeizulage diene der Abgeltung der herausgehobenen Anforderungen, die mit der Erfüllung vollzugspolizeilicher Aufgaben regelmäßig verbunden seien. Zu den von der allgemeinen Ämterbewertung nicht erfassten Besonderheiten vollzugspolizeilicher Tätigkeit gehöre typischerweise das Erfordernis, dass die Beamten in schwierigen Situationen unter physischer und psychischer Belastung schnell und eigenverantwortlich einschneidende Maßnahmen treffen und bereit sein müssen, in Erfüllung der übertragenen Aufgaben notfalls Leben und Gesundheit einzusetzen (BVerwG, U.v. 25.4.2013 - 2 C 39/11 - juris Rn. 14 - 16).
32
a) Die Klägerin war in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 21. März 2012 im Sachgebiet „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ Prüfung und Ermittlung eingesetzt und auf ihrem Dienstposten mit vollzugspolizeilichen Aufgaben im Sinne der gesetzlichen Zulagenregelung betraut, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt nicht zum Tragen und Gebrauch einer Schusswaffe befugt war.
33
Bei dem Dienstposten der Klägerin handelte es sich um einen Posten, auf dem ihr vollzugspolizeiliche Aufgaben, u.a. die hoheitliche Befugnis zum Eingriff in Rechtspositionen der Bürger durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs, zugewiesen waren. Der Dienstposten der Klägerin beinhaltete nach deren Angaben in der mündlichen Verhandlung vornehmlich den Einsatz auf Baustellen zur Baukontrolle, wo u.a. die Einhaltung des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz - SchwarzArbG) geprüft wird. Die zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung eingesetzten Beamten sind gemäß § 6 Nrn. 8, 9, § 9 Nr. 8 des Gesetzes über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes (UZwG) i.V.m. Absatz 6 e) und Absatz 9 b) der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums der Finanzen zum Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes - UZwVwV-BMF - vom 20. April 1983 in der Fassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 14. September 2000 zur Anwendung unmittelbaren Zwangs sowie zum Gebrauch von Schusswaffen befugt. Durch Absatz 93 i.V.m. Absatz 135 der Dienstvorschrift Finanzkontrolle Schwarzarbeit (DV-FKS) wird dies dahingehend konkretisiert, dass als Voraussetzung für die Ausübung unmittelbaren Zwangs durch die Anwendung von körperlicher Gewalt, deren Hilfsmittel oder Waffen die erfolgreiche Teilnahme am Lehrgang ESB-FKS gefordert wird.
34
Unmittelbarer Zwang ist gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes (UZwG) die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen, wobei zu den für Vollzugsbeamte der Bundeszollverwaltung zugelassenen Waffen im Sinne des § 2 Abs. 4 UZwG gemäß Abs. 22 b) UZwVwV-BMF neben Schlagstöcken, Pistolen, Revolvern, Maschinenpistolen und Gewehren auch Reizstoffe in Reizstoffsprühgeräten zählen.
35
Bis zur Abgabe ihrer Schusswaffe am 4. Februar 2008 beinhalteten die der Klägerin zugewiesenen polizeivollzuglichen Aufgaben unstreitig die Befugnis zur Anwendung unmittelbaren Zwangs inklusive des Gebrauchs der Schusswaffe. Den erforderlichen Lehrgang ESB-FKS hatte sie im Juli 2005 erfolgreich absolviert.
36
Zur Überzeugung des Gerichts war die Klägerin (nach einer Unterbrechung durch ihre Arbeitsunfähigkeit und Wiedereingliederung 2007 sowie einem ggf. sich anschließenden kurzen Einsatz im Innendienst für wenige Wochen, vgl. Bl. 110 der Personalakte 5.7.2008 „derzeit Innendienstaufgaben“) auch im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 21. März 2012 wieder im Außendienst des waffentragenden Bereichs der Finanzkontrolle Schwarzarbeit eingesetzt und zur Anwendung unmittelbaren Zwangs befugt.
37
Dies ergibt sich zum einen aus den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung:
38
Zu ihrer Tätigkeit nach ihrem Unfall gab die Klägerin an, es habe keinen Unterscheid zur Tätigkeit vor ihrem Unfall gegeben. Es sei nicht zutreffend gewesen, dass ihr die OFD … mit Schreiben vom 7. September 2007 mitgeteilt habe, sie sei im Backoffice der Finanzkontrolle Schwarzarbeit wieder volleinsatzfähig. Im Backoffice Finanzkontrolle Schwarzarbeit habe sie nur vor der Absolvierung des Lehrgangs ESB-FKS gearbeitet, danach nicht mehr. Vielleicht habe sie bei oder unmittelbar nach der Eingliederung keinen oder weniger Außendienst gemacht, das seien aber nur ein paar Wochen gewesen. In einem Gespräch mit der Personalverwaltung sei man sich einig gewesen, dass es in Ordnung sei, wenn sie ihre Tätigkeit wie bisher fortsetze. Sie habe ein Reizstoffsprühgerät besessen, für das sie halbjährige Pflichtübungen habe absolvieren müssen. Das Reizstoffsprühgerät habe sie nicht nur zur Eigensicherung besessen. Dieses werde auch vor entsprechender Androhung beim Menschen eingesetzt, damit dieser handlungsunfähig wird. Mit diesem sei sie zur Anwendung unmittelbaren Zwangs befugt gewesen; das sei ihr automatisch zugewiesen gewesen. Sie hätte damit wie ihre Kollegen zupacken müssen.
39
Zum anderen hat sich weder die Dienstposten- noch die Aufgabenzuweisung der Klägerin seit … 2005 verändert.
40
Ausweislich der Personalakte war sie seit … 2005 auf einem Dienstposten einer Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Prüfung und Ermittlung beim HZA … ohne den Zusatz „Backoffice“ tätig. Eine veränderte Dienstposten- oder Aufgabenzuweisung erging auch nicht mit Schreiben der OFD … vom 7. September 2007. Wohl war dem Schreiben ein regelnder Charakter insoweit beinhaltet, als dass die Klägerin nicht mehr als Waffenträgerin eingesetzt werden sollte („Aufgrund Ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung können Sie nicht als Waffenträgerin eingesetzt werden“), allerdings ist kein regelnder Charakter bzgl. des Entzugs der Befugnis zur Anwendung unmittelbaren Zwangs („da Ihnen die Anwendung unmittelbaren Zwangs sowie die Teilnahme am Dienstsport nicht möglich ist“) gegeben. Durch die feststellende Formulierung wird vielmehr suggeriert, dass es weitere Anweisungen gegeben hat oder geben wird, die gegenüber der Klägerin den Entzug der Befugnis zur Anwendung unmittelbaren Zwangs gemäß UZwVwV-BMF mit konkret bestimmtem Inhalt regeln würden. Solche sind jedoch ausweislich der Personalakte nicht ergangen. Das Schreiben wurde auch weder von der Klägerin selbst noch deren Dienststelle, dem HZA …, als regelnde Verfügung aufgenommen.
41
Von den Verantwortlichen des HZA wurde das Schreiben der OFD auch nicht zum Anlass genommen, den Tätigkeitsbereich der Klägerin zu ändern und ihr neue Aufgaben ohne Befugnis zur Anwendung unmittelbaren Zwangs zuzuweisen. Das Schreiben der OFD hat in der Realität gegenüber der Klägerin keinerlei Umsetzung gefunden; seitens der Verantwortlichen des HZA … hat man sogar gegenteilig agiert. Die Verantwortlichen haben die Klägerin nach einer kurzen Unterbrechung im Anschluss an die abgeschlossene Wiedereingliederung Mitte Juli 2007 nach Angaben der Klägerin unverändert zunächst mit der Schusswaffe, danach mit dem Reizstoffsprühgerät im Außendienst auf Baustellenkontrollen eingesetzt. Gespräche mit ihrem unmittelbaren fachlichen Vorgesetzten, dem Sachgebietsleiter oder Teamleiter zum Umgang mit der neuen Situation (z.B. Eingrenzung der Eingriffsbefugnisse im Außendienst, Begrenzung auf Eigensicherung etc.) fanden nach Angaben der Klägerin nicht statt. Auch dort ging man wohl - wie offensichtlich auch in der Personalstelle des HZA, siehe Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu einem Gespräch mit Herrn … - davon aus, dass die Klägerin ihre Tätigkeit unverändert fortsetze. Auch die Gewährung der Polizeizulage wurde nicht eingestellt. Eine Verfügung, ihre Waffen (konsequenterweise Schusswaffe und Reizstoffsprühgerät) abzugeben, erging ebenfalls nicht. Vielmehr gab die Klägerin nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung erst im Februar 2008 auf ihre eigene Initiative hin die Waffe ab, als sie gemerkt habe, dass sie damit wegen des Unfalls nicht mehr umgehen habe können. Das Reizstoffsprühgerät besaß die Klägerin nach eigenen Angaben bis Juni 2022.
42
Etwaige Unklarheiten im Sachverhalt gehen an dieser Stelle zu Lasten der Beklagten. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hinsichtlich des Dienstpostens der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum mit Hilfe der Beklagten war aufgrund des Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung und der Ablehnung des Angebots an der Verhandlung über das Videokonferenzsystem teilzunehmen nicht möglich. Auch der Bitte des Gerichts, einen sachkundigen Vertreter in Person des Vorgesetzten der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum zu entsenden bzw. zuzuschalten (z.B. damaliger Leiter Sachgebiet E od. Teamleiter - beide HZA …*) kam die Beklagte nicht nach. Im streitgegenständlichen Zeitraum war die Klägerin damit mit einer Waffe (Reizstoffsprühgerät) ausgestattet, die sie nicht nur passiv zur Eigensicherung trug, sondern mit der sie - sowie wie mit den übrigen Mitteln gemäß § 2 UZwG - zur Anwendung unmittelbaren Zwangs befugt war. Mit dem Lehrgang ESB-FSK besaß sie die hierfür notwendigen besonderen Fähigkeiten, um hoheitlich in Rechtspositionen von Bürgern mittels körperlicher Gewalt, Hilfsmittel oder Waffen (Reizstoffsprühgerät) eingreifen zu dürfen. Sie befand sich in einer dem Polizeivollzugsdienst vergleichbaren Lage, da sie mitunter gezwungen war, in schwierigen Situationen unter physischer und psychischer Belastung schnell und eigenverantwortlich einschneidende Maßnahmen zu treffen und bereit zu sein, in Erfüllung der übertragenen Aufgaben notfalls Leben und Gesundheit einzusetzen. Ihr tatsächliches Aufgabenfeld im Außendienst hat sich dabei nicht von den übrigen mit Schusswaffen ausgestatteten Kollegen unterschieden. Die Klägerin gab in der mündlichen Verhandlung an, dass sie (mit einer eigens auf sie angepassten schusssicheren Weste) wie ihre Kollegen hätte „zupacken müssen“. Allein im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 21. März 2012 (wobei sie ab dem 27.1.2012 arbeitsunfähig erkrankt war) war sie ausweislich der in der Behördenakte enthaltenen Tagebucheinträge und ihrer Angaben in der mündlichen Verhandlung sechs Mal mit vollzugspolizeilicher Relevanz im Außendienst tätig: 10.01.2012 „Durchsuchung“, 25.01.2012 „Geschäftsunterlagen (GU)-Prüfung“, 30.01.2012 „GU-Prüfung“ (Bl. 275 der BA); 20.02.2012 „GU-Prüfung“, 23.02.2012 „GU-Prüfungen“ (Bl. 276 der BA) sowie 02.03.2012 „GU-Prüfung“ (abgesagt) (Bl. 277 der BA). Weiteren Aufschluss geben die seitens der Klägerin im Zeitraum unmittelbar vor und nach dem 1. Januar 2012 bis 21. März 2012 wahrgenommenen Termine: 05.12.2011 „Einsatzbesprechung“, 06.12.2011 „Durchsuchung Gaststätten“ sowie „Einsatzbesprechung“ (Bl. 274 der BA); 24.11.2011 „Einsatzübung (ESÜ) Hund“ (Bl. 273 der BA); 02. und 03.05.2012: „Vermessung der Schutzweste (Bl. 279 der BA)“; 19.06.2012 „ESÜ wg. Reizstoffsprühgerät (RSG)“ (Bl. 280 der BA). Zu letzterer gab die Klägerin in der mündlichen Verhandlung an, neben Theorieunterricht auch den Einsatz des Reizstoffsprühgerätes trainiert zu haben.
43
Sie war damit durch ihr tatsächliches Aufgabengebiet mit sämtlichen herausgehobenen Anforderungen konfrontiert, die mit der Erfüllung vollzugspolizeilicher Aufgaben regelmäßig verbunden sind. Die Beklagte hat die Klägerin, obwohl sie gerade keine Schusswaffe mehr hatte, dem vollem Risiko und der vollen Verantwortung ausgesetzt, die im Außendienst mit der Befugnis zur Anwendung unmittelbaren Zwangs einhergehen. Eine Eingrenzung der Befugnisse fand nicht statt. Es hätten jederzeit lebensbedrohliche Situationen entstehen können, in der die Beamtin gezwungen gewesen wäre - sogar ohne das sichtbare Drohmittel der Schusswaffe am Gürtel - tiefgreifende Entscheidungen über den Einsatz körperlicher Gewalt und der sonstigen Hilfsmittel bzw. des Reizstoffsprühgeräts zu treffen. Ihre Belastungssituation hat sich damit rein tatsächlich in keiner Weise von einem bewaffneten Beamten unterschieden, zumal hier auch berücksichtigt werden muss, dass der Gebrauch von Schusswaffen durch Beamte der FKS ohnehin nahezu nicht vorkommt (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. F. T., Christian Dürr, Renata Alt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP - Drucksache 19/25272 - Drucksache 19/2566, S. 3, 9, wonach in Bayern im Rahmen von Maßnahmen der FKS im Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 30. November 2020 in acht Fällen unmittelbarer Zwang angewendet wurde, es aber in keinem Bundesland im besagten Zeitraum zum Gebrauch der Schusswaffe kam).
44
b) Dass die Klägerin den unmittelbaren Zwang nicht auch durch den Gebrauch einer Schusswaffe als nur ein mögliches Mittel der Ausübung unmittelbaren Zwangs ausüben durfte, sondern dabei das Reizstoffsprühgerat als Waffe, körperliche Gewalt sowie die übrigen Hilfsmittel im Sinne des § 2 UZwG hätte verwenden können bzw. müssen, ändert an der Betrauung mit vollzugspolizeilichen Aufgaben nichts. Die Befugnis zum Gebrauch von Schusswaffen ist weder seitens des besoldungsrechtlichen Verordnungsgebers als Voraussetzung eindeutig geregelt worden noch von der Rechtsprechung ausdrücklich als notwendige Bedingung für die Betrauung mit vollzugspolizeilichen Aufgaben erklärt worden.
45
Hätte der Verordnungsgeber dies gewollt, hätte er das in der Positivliste der VV-BMF-PolZul als Tatbestandsmerkmal, das im Vollzug anders als der unbestimmte Rechtsbegriff „soweit vollzugspolizeiliche Aufgaben zugewiesen sind“ wegen seiner sicheren Überprüfbarkeit gut zu handhaben gewesen wäre, regeln können und - aufgrund des Bestimmtheitsgebots - auch regeln müssen. Offensichtlich ist jedoch auch der Verordnungsgeber davon ausgegangen, dass die Befugnis zum Schusswaffengebrauch als alleiniges Erkennungsmerkmal für die Betrauung mit vollzugspolizeilichen Aufgaben nicht ausreicht. In der am 12. September 2013 geänderten VV-BMF-PolZul hat der Besoldungsgesetzgeber den Tatbestand sogar geweitet und es als unerheblich erachtet, ob der Beamte der FKS tatsächlich mit vollzugspolizeilichen Aufgaben betraut ist. Anknüpfungspunkt für die Gewährung der Polizeizulage ist seitdem ein generell-typisierender Funktionsbezug, der sich bereits aus der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Verwaltungsbereich ergibt, weshalb auch die Klägerin ab 22. März 2012 unstreitig Anspruch auf die Polizeizulage hat (siehe insoweit Aufhebung des Rückforderungsbescheides vom 10. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2016 sowie Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2015 und Klageverfahren Az. AN 11 K 15.02410, nach Ruhensbeschluss und Wiederaufnahme des Verfahrens Az. AN 11 K 18.01891).
46
Nach der Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 25.4.2013 - 2 C 39/11 - juris Rn. 17) ist die Möglichkeit des Schusswaffengebrauchs als äußerstes Mittel unmittelbaren Zwangs zwar prägendes Charakteristikum für vollzugspolizeiliche Tätigkeit, jedoch nicht als notwendige Bedingung („conditio sine qua non“) zu verstehen. Dies wird dadurch deutlich, dass das Bundesverwaltungsgericht generell von den entscheidenden „Eingriffsbefugnissen bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs“ (Rn. 15) und „vollzugspolizeilichen Sonderbefugnissen“ (Rn. 16) spricht, diese aber nicht auf den Schusswaffengebrauch als alleiniges Erkennungsmerkmal beschränkt. Das Bundesverwaltungsgericht versteht dies als ein bzw. das äußerte Mittel („bis hin zum Schusswaffengebrauch“).
47
c) Die Klägerin war vollständig mit polizeivollzuglichen Aufgaben betraut. Ein Mischdienstposten lag nicht vor.
48
Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BBesG dürfen Stellenzulagen nur für die Dauer der Wahrnehmung herausgehobener Funktionen gewährt werden. Das bedeutet, dass der Beamte die zulageberechtigende Tätigkeit nicht nur teilweise - neben anderen Aufgaben -, sondern grundsätzlich in vollem Umfang auszuüben hat. Lediglich unwesentliche Anteile anderer Aufgaben können außer Betracht bleiben (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.1995 - 2 C 13/94 - juris Rn. 11 ff.). Davon ausgehend ist die in Nr. 9 der Vorbemerkung zu den Besoldungsordnungen A und B des Bundesbesoldungsgesetzes geregelte Voraussetzung, dass Beamte der Zollverwaltung mit vollzugspolizeilichen Aufgaben betraut sein müssen, im Sinn einer nicht nur teilweisen, sondern vollen Verwendung im Polizeivollzugsdienst auszulegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Anforderungen in ständiger Rechtsprechung dahingehend ausgedrückt, dass die Zulageberechtigung eines Dienstpostens voraussetzt, dieser werde durch die zulageberechtigende Funktion geprägt. Dem entspricht Nr. 2.1.2 der VV-BMF-PolZul, wonach bei Mischdienstposten, die neben vollzugspolizeilichen auch andere Aufgaben umfassen, eine Zuordnung zu dem Verwendungsbereich vorzunehmen ist, der der Tätigkeit seine Prägung verleiht. Soweit verschiedenartige, für die Zulageberechtigung unterschiedlich zu beurteilende Funktionen wahrgenommen werden, muss die herausgehobene zulageberechtigende Funktion einen quantitativ besonders umfangreichen Teil der Gesamtaufgaben ausmachen (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.1995 a.a.O.).
49
Der Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum lediglich ein Dienstposten, nämlich der einer Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Prüfung und Ermittlung zugewiesen. Die Klägerin war vom 1. Januar 2012 bis 26. Januar 2012 in 4 Wochen sechsmal im Außendienst. Sie war hier u.a. bei Durchsuchungen und der Prüfung von Geschäftsunterlagen im Einsatz. In den übrigen Zeiten gab die Klägerin an, die Außendiensttätigkeit vor- bzw. nachbereitet zu haben. Ihr Dienstposten war damit insgesamt durch häufige und intensive Außendiensttätigkeit (Ermittlungstätigkeiten) geprägt, die durch den Kontakt mit den von den Ermittlungen betroffenen Bürgern stets eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen unmittelbaren Eingriff in seine Rechtspositionen mit sich brachte. Dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum ab 27. Januar 2012 dienstunfähig erkrankt war, ist gemäß Ziffer 42.3.11.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz (BBesGVwV) in der damals geltenden Fassung vom 11. Juli 1997 (GMBl. S. 314) unschädlich, da die Stellenzulage bei Erkrankung weitergewährt wird.
50
2. Im Übrigen könnte sich die Klägerin gegenüber einem Rückforderungsanspruch der Beklagten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 i.V.m § 818 Abs. 1, 2 BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG i.V.m. § 818 Abs. 3 BGB). Gemäß § 818 Abs. 3 BGB ist die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Dies ist vorliegend der Fall. Die Klägerin hat die Stellenzulage i.H.v. 250,57 EUR im Rahmen der normalen Lebensführung verbraucht. Sie hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargetan, dass sie den 2012 erhaltenen, geringen Geldbetrag ausgegeben hat. Sie hat angegeben, den Betrag wohl nicht für etwas Spezielles verwendet zu haben, aber lange alleinerziehend gewesen zu sein.
51
Darüber hinaus könnte der Wegfall der Bereicherung bei den streitgegenständlichen 250,57 EUR aufgrund der Geringfügigkeit des Betrags ohnehin unterstellt werden. Nach Ziffer 12.2.9 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz (BBesGVwV) vom 19. November 2020 (GMBl 2020 Nr. 46-49, S. 983) wird der Wegfall der Bereicherung unterstellt, wenn die im jeweiligen Monat zu viel gezahlten Bezüge 250,00 EUR brutto nicht übersteigen; wobei der Betrag auch gilt, wenn der jeweilige Monat vor Inkrafttreten der aktuellen Fassung dieser Verwaltungsvorschrift liegt. Dies ist vorliegend bei 250,57 EUR, die der Klägerin als Stellenzulage für 11 Wochen gezahlt wurden, der Fall.
52
3. Die Klägerin würde auch nicht verschärft gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG in Verbindung mit § 818 Abs. 4, § 819 BGB haften, weil sie den Mangel des rechtlichen Grundes gekannt hat. Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG steht es der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Der Mangel des rechtlichen Grundes für die Zahlung von Bezügen ist gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG dann offensichtlich, wenn der Empfänger ihn nur deshalb nicht erkannt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 25.1.2001 - 2 A 7/99 -, Rn. 16, juris) ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn der Empfänger die Überzahlung nur deshalb nicht bemerkt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat oder er den Fehler etwa durch Nachdenken oder logische Schlussfolgerung hätte erkennen müssen (U.v. 9.5.2006 - BVerwG 2 C 12.05 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 37 Rn. 13).
53
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Aus der beigezogenen Behördenakte ergibt sich, dass die Beklagte selbst den Eindruck hatte, dass die Klägerin nichts von der vermeintlichen Überbezahlung wusste, da sie von deren Richtigkeit überzeugt war und grundsätzlich gewissenhaft in Bezug auf Bezügeangelegenheiten war (vgl. Aktenvermerk Bl 113 sowie Gedächtnisprotokoll über Gespräch am 8.6.2015 Bl 116 der BA). Zudem gab die Klägerin an, auf Nachfrage habe sie 2008 von Herrn … die Aussage bekommen, dass die Abgabe der Waffe keine Auswirkungen auf den Zulagentatbestand haben würde. Das Gericht hat aufgrund des Eindrucks von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung keinen Anlass, an der Glaubhaftigkeit dieser Aussage zu zweifeln. Dass der Mitarbeiter hierfür nicht zuständig gewesen sein soll, ändert nichts daran, dass sich die Klägerin auf diese der Beklagten zurechenbare Aussage verlassen durfte.
54
Die Klägerin hat auch nicht die ihr obliegende Sorgfalt in Bezug auf die Kenntnis der Zulagentatbestände der VV-BMF-PolZul außer Acht gelassen. Bei den VV-BMF-PolZul handelt es sich um eine für Laien nicht ohne Weiteres verständliche Rechtsmaterie, die zudem in dieser Zeit zahlreichen Änderungen unterlag. Für die Feststellung, ob der Zulagentatbestand erfüllt ist, war eine Subsumtion erforderlich, die - auch für die Beklagte - nicht ohne weitere Tatsachenermittlungen (siehe vorbereitende Schriftsätze und Notwendigkeit für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im vorliegenden Fall) zu beantworten war. Der Klägerin kann daher im vorliegenden Fall nicht entgegengehalten werden, eine vermeintlich falsche Rechtsauffassung vertreten zu haben, zumal sich auch die Beklagte darin nicht sicher war.
55
4. Im Übrigen wird das Verfahren, sofern es die Rückforderung der Beklagten in Höhe von 2.221,59 EUR betrifft, in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt, da die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für (teil-)erledigt erklärt haben.
56
5. Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens. Hinsichtlich Ziffer 1. des Urteiltenors ergibt sich diese Kostenfolge wegen des Unterliegens der Beklagten aus § 154 Abs. 1 VwGO. Hinsichtlich Ziffer 2. des Urteilstenors ergibt sich die Kostenfolge aus § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO und der Kostenübernahmeerklärung der Beklagten vom 21. März 2018.
57
6. Die Hinzuziehung des Klägerbevollmächtigten für das Vorverfahren wird gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig erklärt (vgl. hierzu bereits Beschluss des hiesigen Gerichts vom 28. September 2018, AN 11 K18.01891 mit Begründung). Der Klägerin war es unter Berücksichtigung ihrer Sachkunde und persönlichen Verhältnisse sowie der Schwierigkeit des Rechtsstreits nicht zuzumuten, das Vorverfahren selbst zu führen. Es handelte sich vorliegend nicht um eine offensichtlich zu beurteilende Bezügestreitigkeit, sondern wegen des nicht einfach gelagerten Sachverhalts sowie der zahlreichen Rechtsänderungen der VV-BMF-PolZul in dieser Zeit um eine Streitigkeit, bei der es der Klägerin aus Sicht einer verständigen Partei nicht zuzumuten war, ihre Rechte gegenüber der Beklagten eigenständig wahrzunehmen, sondern bei der die Zuhilfenahme eines Bevollmächtigten notwendig war.