Inhalt

VGH München, Beschluss v. 09.08.2022 – 15 CS 22.1364
Titel:

Erfolgloser Abänderungsantrag gegen vorläufige Einstellung von Bauarbeiten - Verschattung

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 7, § 123, § 146
BauGB § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3, § 214 Abs. 1 Nr. 1
BayBO Art. 6, Art. 75
Leitsätze:
1. Gewisse Verringerungen des Lichteinfalls bzw. ein Verschattungseffekt als typische Folgen einer Bebauung insbesondere in innergemeindlichen Lagen sind grundsätzlich hinzunehmen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Regelfall bedarf es keiner besonderen Ermittlung, Bewertung und Abwägung zur Frage einer planbedingten Verschattung, wenn die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften bei Umsetzung des Bebauungsplans eingehalten sind. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch bei Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen können im Fall der maximalen Umsetzung eines Bebauungsplans weitere Ermittlungen, Bewertungen und Abwägungserwägungen zur Verschattungsfrage geboten sein, wenn ein bestehender Bebauungsplan geändert werden soll. Das gilt insbesondere, wenn es um Änderungen von Festsetzungen geht, die nachbarschützende Festsetzungen begründen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ortsrechtliche Festsetzungen begründen - unabhängig davon, ob sie nach dem Willen des Plangebers nachbarschützend sind oder nicht - regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass Veränderungen des Bebauungsplans, die sich für die Nachbarn nachteilig auswirken können, nur unter Berücksichtigung ihrer Interessen vorgenommen werden. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschwerde des Bauherrn gegen die Ablehnung eines Antrags auf Abänderung einer einstweiligen Anordnung (vorläufige Baueinstellung), Inzidente Prüfung der Wirksamkeit eines Änderungsbebauungsplans, unzureichende Ermittlung und Bewertung der Auswirkungen einer Bebauungsplanänderung (Verschattung), nachbarschützende Festsetzungen, Abstandsflächen, Gebot der Rücksichtnahme, Ortsrecht
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 18.05.2022 – RN 6 S 22.106
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22207

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Beigeladenen zu 2 und 3 tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens gesamtschuldnerisch. Die Beigeladene zu 1 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beigeladenen zu 2 und 3 wenden sich im vorliegenden Beschwerdeverfahren mit einem erstinstanzlich erfolglos gebliebenen Abänderungsantrag weiterhin gegen die vorläufige Einstellung von Bauarbeiten auf ihrem Grundstück FlNr. …72 Gemarkung B. (die im Folgenden genannten FlNrn. betreffen jeweils dieselbe Gemarkung). Die Antragstellerin ist Eigentümerin des nordöstlich an die FlNr. …72 angrenzenden Grundstücks FlNr. …70, das mit einem Mehrfamilienhaus, einer Tiefgarage und Carports bebaut ist. Beide Grundstücke sowie das südlich an die FlNr. …72 angrenzende weitere Grundstück der Beigeladenen zu 2 und 3 (FlNr. …73) sind hängig und fallen sowohl von Süd nach Nord als auch von West nach Ost ab. Im Westen grenzen sie an die Straße „D.“ an.
2
Alle genannten Grundstücke befinden sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans „G. Straße“ der Beigeladenen zu 1, der in seiner Ursprungsfassung am 27. August 2015 bekannt gemacht wurde. Nach diesem ursprünglichen Bebauungsplan ist an der Nordostseite der FlNr. …72 (= Parzelle 60) die (talseitige) maximale Höhe der Wand (in Richtung Antragstellergrundstück) mit 7,70 m festgesetzt. Die nordöstliche Baugrenze für Gebäude (außer Garagen) auf dieser Flurnummer / Parzelle weist einen Abstand von 6 m zur gemeinsamen Grenze mit dem Antragstellergrundstück auf, sodass in dem dazwischenliegenden Bereich keine Wohnbauten zulässig sind. Auf Seite 7 der Begründung zum (Ursprungs-) Bebauungsplans heißt es:
3
„Bedingt durch die möglichst geringen Eingriffe ins Gelände dürfen die Gebäude an der Talseite jeweils 1,50 m höher sein als bergseitig. Der Wechsel der Firstrichtung und der Versatz bei benachbarten Gebäuden sollen sicherstellen, dass auch für die tiefer gelegenen Gebäude gut nutzbare Freiräume entstehen.“
4
Mit dem am 14. April 2016 bekannt gemachten Bebauungsplan mit integriertem Grünordnungsplan „G. Straße“ - Deckblatt Nr. 1 ersetzte die Beigeladene zu 1 nach Durchführung eines vereinfachten Verfahrens der Bauleitplanung (§ 13 BauGB) in der Sache den Ursprungsplan durch einen Bebauungsplan mit neu gefassten zeichnerischen und textlichen Festsetzungen. Die im Vergleich zum Ursprungsbebauungsplan partiellen Änderungen betrafen im Wesentlichen öffentliche Verkehrsflächen, die baulichen Möglichkeiten auf einzelnen Bauparzellen sowie eine Korrektur der Kompensationsflächen; die Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche sowie zum Maß der baulichen Nutzung hinsichtlich der FlNr. …72 sowie hinsichtlich des hieran nördlich angrenzenden Grundstücks der Antragstellerin wurden im Vergleich zum ursprünglichen Bebauungsplan nicht geändert.
5
Mit dem am 16. Dezember 2019 als Satzung beschlossenen und am 20. Januar 2020 bekannt gemachten Änderungsbebauungsplan „Deckblatt Nr. 2“ des Bebauungsplans mit integriertem Grünordnungsplan „An der G. Straße“ wollte die Beigeladene zu 1 im vereinfachten Verfahren der Bauleitplanung (§ 13 BauGB) Festsetzungen des Bebauungsplans für die Grundstücke der Beigeladenen zu 2 und 3 (Parzellen 59 und 60) ändern. U.a. sollten für beide Baukörper jeweils maximal 5 Wohneinheiten sowie über Baugrenzen neue Baufenster festgesetzt werden, wobei die nordöstliche Baugrenze für Gebäude (außer Garagen) auf der FlNr. …72 ca. 1,50 m näher an die gemeinsame Grenze mit dem Antragstellergrundstück rücken sollte (neuer Abstand der Baugrenze zum Grundstück der Antragstellerin: 4,50 m).
6
Am 3. Februar 2020 ließen die Beigeladenen zu 2 und 3 der Beigeladenen zu 1 (Standortgemeinde) Baupläne für den Neubau von zwei Mehrfamilienhäusern mit jeweils fünf Wohneinheiten - jeweils eins auf FlNr. …72 und eins auf FlNr. …73 - im Genehmigungsfreistellungsverfahren vorlegen, die aus Bauherrensicht an die vorgenannte zweite Änderung des Bebauungsplans ausgerichtet sein sollten. Nach den Bauvorlagen (Grundriss Erdgeschoss) beträgt der Abstand der Nordostwand des geplanten nördlicheren Gebäudes zur Grenze des Grundstücks der Antragstellerin (FlNr. …70) zwischen 4,86 m und 4,90 m, sodass das geplante Gebäude innerhalb der nordöstlichen Baugrenze des „Deckblatt Nr. 2“ in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Januar 2020, aber außerhalb der nordöstlichen Baugrenze des Bebauungsplans in der Fassung des am 14. April 2016 bekannt gemachten „Deckblatt Nr. 1“ liegt.
7
Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 2. März 2020 beantragte die Antragstellerin beim Landratsamt Landshut ein bauordnungsrechtliches Einschreiten gegen die in Errichtung befindlichen Bauvorhaben der Beigeladenen zu 2 und 3 auf den Grundstücken FlNrn. …72 und …73. Nachdem das Landratsamt dieses Ansinnen mit einem formlosen Schreiben (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) vom 9. März 2020 ablehnte, erhob die Antragstellerin am 20. April 2020 Klage mit dem Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, das Bauvorhaben der Beigeladenen zu 2 und 3 „zu untersagen und einzustellen“. Über diese Klage (Az. RN 6 K 22.111, vormals RN 6 K 20.637) hat das Verwaltungsgericht bislang nicht entschieden. Ebenso stellte die Antragstellerin am 20. April 2020 einen auf vorläufige Baueinstellung gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Az. RN 6 E 20.636). In diesem Eilverfahren legte sie eine Verschattungsstudie vom 8. Juni 2020 (Bl. 128 ff. der VG-Akte RN 6 E 20.636) vor, aus der sich nach ihrem Vortrag ergibt, dass ein Teil ihrer Fassaden im Erdgeschoss einschließlich dort gelegener Terrassen zu bestimmten Zeiten verschattet würden, was bei der Einhaltung der Vorgabe des ursprünglichen Bebauungsplans nicht der Fall sei.
8
Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gab das Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 18. Juni 2020 (Az. RN 6 E 20.636) teilweise statt und verpflichtete den Antragsgegner im Verfahren gem. § 123 VwGO, die Bauarbeiten auf dem Grundstück FlNr. …72 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache einzustellen. Hinsichtlich der FlNr. …73 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab. Hierauf verfügte das Landratsamt mit Bescheid vom 25. Juni 2020 gegenüber den Beigeladenen zu 2 und 3 unter Anordnung des Sofortvollzugs, weitere Bautätigkeiten auf dem Grundstück FlNr. …72 ab sofort zu unterlassen. In den Bescheidgründen wird die Verfügung auf Art. 75 BayBO sowie auf den Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 18. Juni 2020 gestützt. Über die hiergegen erhobene Anfechtungsklage der Beigeladenen zu 2 und 3 (Az. RN 6 K 20.1298) hat das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden. Mit Beschluss vom 7. September 2020 wies der Senat die gegen den Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 18. Juni 2020 erhobene Beschwerde der Beigeladenen zu 2 und 3 zurück (Az. 15 CE 20.1631).
9
Im Rahmen eines von ihr gegen das „Deckblatt Nr. 2“ in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Januar 2020 beim Verwaltungsgerichtshof gestellten Normenkontrollantrags machte die Antragstellerin u.a. geltend, dass sich die Änderungen für sie nachteilig auswirkten, da aufgrund der Hanglage die Erhöhung der Zahl der Vollgeschosse, die Reduzierung des Abstands zur Baugrenze, die Festlegung der maximalen Wandhöhe sowie die Änderung der Dachneigung zur erheblichen Verschattung ihres Anwesens führe und insofern ein Abwägungsausfall vorliege. Mit Urteil vom 1. März 2021 erklärte der Senat im Normenkontrollverfahren die am 20. Januar 2020 bekannt gemachte 2. Änderung des Bebauungsplans „An der G. Straße“ (Deckblatt Nr. 2) wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Normenklarheit hinsichtlich der Höhenfestsetzungen (Verstoß gegen § 18 Abs. 1 BauNVO - Unbestimmtheit des unteren Bezugspunkts für die Wandhöhenbemessung) für unwirksam (Az. 15 N 20.2127).
10
Die Beigeladene zu 1 führte im Nachgang zur Normenkontrollentscheidung vom 1. März 2021 ein ergänzenden Verfahren gem. § 214 Abs. 4 BauGB zur Fehlerheilung durch. Die Antragstellerin nahm mit Anwaltsschreiben ihrer Bevollmächtigten vom 11. Oktober 2021 unter erneuter Vorlage einer (an den neuen Planungsentwurf angepassten) Verschattungsstudie vom 5. Oktober 2021 - im ergänzenden Verfahren erneut Stellung (die Stellungnahme mit der Verschattungsdarstellung ist in den vorgelegten Planungsunterlagen zum ergänzenden Verfahren nicht enthalten, vgl. aber Bl. 95 ff. der VG-Akte RN 6 S 22.106). Mit am 30. Dezember 2021 (rückwirkend zum 20. Januar 2020) ortsüblich bekannt gemachten neuen Satzungsbeschluss vom 20. Dezember 2021 beschloss der Gemeinderat der Beigeladenen zu 1 das „Bebauungs- und Grünordnungsplandeckblatt Nr. 2 „G. Straße“ in der Fassung vom 25. Oktober 2021. Mit diesem Änderungsbebauungsplan wurden - wie in der vom Senat für unwirksam erklärten Vorgängerfassung - für beide Baukörper auf den Grundstücken der Beigeladenen zu 2 und 3 jeweils maximal 5 Wohneinheiten sowie neue Baugrenzen / Baufenster festgesetzt. Die maximalen Wand- und Firsthöhen wurden auf die Höhe ü.N.N. bezogen und für den Baukörper auf der FlNr. …72 auf 466,15 m ü.N.N. für die nördliche Wand (Talseite) und 469,90 m für die Firsthöhe festgesetzt. Die nordöstliche Baugrenze für Gebäude auf der FlNr. …72 verläuft in einem Abstand von 4,50 m zur gemeinsamen Grenze mit dem Antragstellergrundstück; auf ein Baufenster für Garagen wurde in Übereinstimmung mit den im Freistellungsverfahren vorgelegten Bauplänen (die nur Stellplätze entlang der Erschließungsstraße im westlichen Grundstücksbereich vorsehen) verzichtet. Gemäß der textlichen Festsetzung Nr. 0.1.1.1 gilt grundsätzlich offene Bauweise. Nr. 0.1.1.2 regelt für den Raum zwischen den geplanten Gebäuden der Beigeladenen zu 2 und 3 auf den FlNrn. …72 und …73, dass „an die nordöstliche Baugrenze der Parzelle 59 sowie an die südwestliche Baugrenze der Parzelle 60 (…) jeweils bis an die Baugrenze herangebaut werden“ darf. Gemäß Nr. 0.1.7.1 der textlichen Festsetzungen sollen die „Abstandsregelungen gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO (…)“ mit Ausnahme der abweichenden Regelung gem. der textlichen Festsetzung Nr. 0.1.1.2 Anwendung finden.
11
Die Antragstellerin hat auch gegen diesen Änderungsbebauungsplan in der Fassung des ergänzenden Verfahrens am 10. März 2022 einen Normenkontrollantrag gestellt, über den der Senat noch nicht entschieden hat. Die Antragstellerin macht auch in diesem Verfahren u.a. geltend, aus der Verschattungsstudie vom 5. Oktober 2021 ergebe sich, dass sich bei Umsetzung der Festsetzungen durch den angegriffenen Änderungsbebauungsplan eine verstärkte Verschattung im Vergleich zu den Umsetzungsmöglichkeiten nach den Festsetzungen des Bebauungsplans in der Fassung des ersten Deckblatts ergebe. Es fehle an einer ordnungsgemäßen Ermittlung des Abwägungsmaterials durch die planende Gemeinde. In der Bauleitplanung sei die gebotene Erstellung einer Verschattungsstudie unterblieben. Die Beigeladene zu 1 könne sich nicht darauf zurückziehen, angebliche und tatsächlich nicht vorhandene Fehler in den von ihr - der Antragstellerin - vorgelegten Verschattungsplänen zu suchen. Wegen der Hanglage habe der ursprüngliche Bebauungsplan dritt- / nachbarschützende Festsetzungen u.a. zur Größe des Baufeldes, der maximalen Zahl der Wohneinheiten, der maximalen Zahl der Vollgeschosse, der maximalen Wandhöhe, der versetzten / abgestuften Anordnung der Gebäude, der Baugrenzen und der Abstandsflächen enthalten. Die Beigeladene zu 1 habe mit dem ursprünglichen Bebauungsplan sicherstellen wollen, dass auch für die tiefer liegenden Gebäude gut nutzbare Freiräume verblieben resp. Aufenthaltsräume untergebracht werden könnten. Es seien damit vormals durch die Festlegung abweichender Abstandsflächen über vorgegebene Baugrenzen und Festsetzungen zur Wandhöhe nachbarschützende Abstandsflächenregelungen im Sinne von Art. 6 Abs. 5 Satz 3 BayBO a.F. getroffen worden. Es sei widersprüchlich, wenn die Beigeladene zu 1 nunmehr - zumal ohne Einholung einer Verschattungsstudie - mit dem Deckblatt Nr. 2 die Geltung der gesetzlichen Abstandsregelungen gem. Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO n.F. mit lediglich 0,4 H anordne.
12
Mit Beschluss vom 18. Mai 2022 lehnte das Verwaltungsgericht den bei ihm am 19. Januar 2022 gestellten Antrag der Beigeladenen zu 2 und 3, den Beschluss des Gerichts vom 18. Juni 2020 aufzuheben, ab. Zur Begründung wird im Beschluss tragend darauf abgestellt, vorliegend sei auch unter Berücksichtigung der Durchführung des ergänzenden Bauleitplanverfahrens nach summarischer Prüfung der Ausgang des Hauptsacheverfahrens auf bauaufsichtliches Einschreiten zumindest offen. Es bestünden in nachbarrechtlicher Hinsicht gewichtige Bedenken im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des Vorhabens. Da durch die Ausführung des Vorhabens eine mehr als nur geringfügige Verletzung der Nachbarrechte der Antragstellerin nicht ausgeschlossen werden könne, falle eine Folgen- bzw. Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin aus. Dabei könne offenbleiben, ob die Beigeladenen zu 2 und 3 nach Änderung des Bebauungsplans ein erneutes Genehmigungsfreistellungsverfahren hätten in Gang setzen müssen. Im Eilverfahren könne die Frage, ob der nach Durchführung eines ergänzenden Verfahrens erneut beschlossene Änderungsbebauungsplan „Deckblatt Nr. 2“ wirksam sei, nicht abschließend geklärt werden. Auch wenn der vormalige Bestimmtheitsmangel im ergänzenden Verfahren (§ 214 Abs. 4 BauGB) geheilt worden sei und der neu beschlossene Änderungsbebauungsplan wohl weder formelle Mängel aufweise noch gegen das Erforderlichkeitsgebot des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verstoße, könne jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass der Beigeladenen zu 1 im Rahmen der Abwägung zum erneuten Satzungsbeschluss beachtliche Mängel unterlaufen seien. Vorliegend sei fraglich, ob die Auswirkungen der Planänderung auf das Grundstück der Antragstellerin gemäß § 2 Abs. 3 BauGB ausreichend ermittelt und bewertet worden seien. Da es sich um eine Bebauungsplanänderung handele, seien die Auswirkungen der zu ändernden Festsetzungen auf das Grundstück der Antragstellerin grundsätzlich zu ermitteln und in die Abwägung einzubeziehen. Durch die Vergrößerung und Verschiebung der Baugrenzen nach Osten sowie die Erhöhung der zulässigen Wandhöhen sei die Antragstellerin mehr als nur geringfügig durch die Planänderung betroffen. Dies sei der Gemeinde auch bekannt gewesen. Bei konkreter Betrachtung der Besonderheiten des Einzelfalls könne ohne weitere Ermittlungen im Hauptsachverfahren nicht ausgeschlossen werden, dass es sich vorliegend um einen Sonderfall handele, bei dem ausnahmsweise trotz Anordnung der Geltung des Abstandsflächenrechts eine Verschattungsstudie erforderlich gewesen wäre. Die von der Änderung betroffenen Festsetzungen des Bebauungsplans in der ursprünglichen Fassung hinsichtlich der Baugrenzen und der Gebäudehöhen dienten nach summarischer Prüfung sowie unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Beschluss vom 18. Juni 2020 sowie auf Seite 7 der Begründung zum ursprünglichen Bebauungsplan nicht nur städtebaulichen oder sonstigen öffentlichen Interessen, sondern auch den nachbarlichen Interessen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die starren Regelungen des Abstandsflächenrechts besonderen örtlichen Situationen, wie hier der Bebauung im Hanggelände, nicht angemessen Rechnung zollten, spreche vorliegend Einiges dafür, dass grundsätzlich eine Verschattungsstudie hätte erstellt werden müssen. Dass seitens der Antragstellerin eine Verschattungsstudie vorgelegt worden sei, ändere daran nichts. Grundsätzlich sei festzuhalten, dass die Ermittlung der abwägungserheblichen Belange der Gemeinde obliege. In Ermangelung verbindlicher normativer Vorgaben zur Beurteilung der Zumutbarkeit einer Verschattung, richte sich die von § 2 Abs. 3 BauGB geforderte Ermittlungstiefe nach den Maßstäben praktischer Vernunft unter Beachtung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Ob die seitens der Antragstellerin vorgelegten Verschattungspläne für eine ordnungsgemäße Ermittlung und Bewertung gem. § 2 Abs. 3 BauGB ausgereicht hätten, könne dahinstehen, da sich die Beigeladene zu 1 darauf zurückgezogen habe, die vorgelegten Verschattungspläne als fehlerhaft zu verwerfen. Um jedoch abwägungsfähiges Material zu erhalten, müsse der Ist-Zustand nach den Festsetzungen im Bebauungsplan mit dem nach Änderung der Festsetzungen maximal möglichen Baukörper, der das festgesetzte Baurecht - aus Sicht der Antragstellerin zu deren Nachteil - weitest möglich ausschöpfe, gegenübergestellt werden. Insofern verblieben - so das Verwaltungsgericht weiter - gewisse Unwägbarkeiten hinsichtlich der Entscheidung in der Hauptsache. Denn es sei fraglich, ob der untere Bezugspunkt für die Höhenfestsetzung für das Grundstück der Antragstellerin im ursprünglichen Bebauungsplan mit dem Gebot der Normenklarheit vereinbar und die diesbezügliche Höhenfestsetzung mithin wirksam sei. Die Klärung, was überhaupt der Ist-Zustand ist und ob sich ein solcher im Hinblick auf die Festsetzungen zu den Wandhöhen auf dem Grundstück der Antragstellerin überhaupt hinreichend eindeutig bestimmen lasse, werde dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Sollte der Bezugspunkt falsch gewählt worden oder die Festsetzungen zur Höhe nicht hinreichend bestimmbar sein, wäre im Hauptsacheverfahren zu klären, ob seitens der Antragstellerin ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der „Ist-Verschattung“ bestehe. Auch der Frage, ob die Verschattung durch die Antragstellerin „verursacht“ worden sei, da sie so tief in den Hang gebaut habe, sei ggf. im Hauptsacheverfahren nachzugehen. Sollte aufgrund der Nichteinholung einer Verschattungsstudie ein Planungsfehler vorliegen, sei dieser gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beachtlich. Da durch die Ausführung des Vorhabens eine mehr als nur geringfügige Verletzung der Nachbarrechte der Antragstellerin nicht ausgeschlossen werden könne, falle die Folgen- bzw. Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin aus. Bei der Folgen- und Interessenabwägung würden die gewichtigen Belange der Beigeladenen zu 2 und 3, insbesondere die finanziellen Folgen der weiteren Baueinstellung, nicht verkannt. Im Falle der unwirksamen Änderung eines Bebauungsplans sei jedoch der vorhandene Bebauungsplan unverändert weiter wirksam. Da das Bauvorhaben die dort festgesetzten nachbarschützenden Festsetzungen nicht einhalte, könne eine Verletzung der Nachbarrechte der Antragstellerin nicht ausgeschlossen werden. Im Hinblick auf ggf. irreversible Folgen falle die Abwägung zugunsten der Antragstellerin aus.
13
Gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 18. Mai 2022 richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen zu 2 und 3. Zur Begründung wird vorgebracht, das im ergänzenden Verfahren neu als Satzung beschlossene und erneut bekanntgemachte „Deckblatt Nr. 2“ sei wirksam, sodass keine rechtlichen Bedenken gegen die Zulässigkeit ihres Vorhabens bestünden. Es gelte vorliegend der Grundsatz, dass die Verschattung eines Grundstückes bei Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächenvorschriften regelmäßig keinen abwägungserheblichen Belang darstelle, weil die Minderung der Besonnung durch ein neues oder verändertes Gebäude in der Nachbarschaft eine typische Folge einer Nachbarbebauung sei und vorbehaltlich besonderer Ausnahmefälle von Grundstücksnachbarn hingenommen werden müsse. Ein besonderer Ausnahmefall liege nicht vor. Ihr Vorhaben halte die abstandsflächenbezogenen Anforderungen der Bayerischen Bauordnung ein. Auch aus dem Umstand, dass nach Ansicht des Verwaltungsgerichts aus früheren Festsetzungen des Bebauungsplans subjektive Rechte abzuleiten seien, ergebe sich nichts Anderes. Denn eine übermäßige, trotz der bereits vom Gesetzgeber vorgenommenen Abwägung nicht mehr hinnehmbare Verschattung habe das Ausgangsgericht nicht festgestellt. Auch wenn die Antragstellerin ein Verschattungsgutachten vorgelegt und bezugnehmend hierauf vorgetragen habe, dass die Verschattung ihres Grundstückes durch das streitgegenständliche Bauvorhaben zunehmen werde, fehlten jegliche Ausführungen dazu, ob und warum die Verschattung ein trotz der vom Gesetzgeber zum Abstandsflächenrecht bereits vorgenommenen Abwägung der nachbarlichen Interessen nicht hinnehmbares Maß annehme. Dies sei tatsächlich nicht der Fall. Es seien keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Sachverhaltes mit besonderem Ausnahmecharakter gegeben, bei welchem die Antragstellerin die Minderung der Besonnung durch ein neues oder verändertes Gebäude in der Nachbarschaft als typische Folge einer Nachbarbebauung nicht hinnehmen müsse. Die zunehmende Verschattung des benachbarten Grundstücks könne daher wie regelmäßig auch vorliegend nicht als abwägungsrelevanter Belang eingestuft werden. Auf die Frage der Fehlerhaftigkeit des vorgelegten Verschattungsgutachtens komme es mithin nicht an. Im Übrigen sei die Verschattung entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts im Verfahren der Bauleitplanung abgewogen worden. So sei in der Schlussabwägung am 20. Dezember 2021 erwogen worden, dass eine größere Verschattung der angrenzenden Flächen mit Blick auf das Ziel der städtebaulichen Nachverdichtung als verhältnismäßig anzusehen sei. Damit habe durch die Beigeladene zu 1 eine eingehende, jedenfalls ausreichende Berücksichtigung einerseits des öffentlichen Belangs der innerstädtischen Nachverdichtung und andererseits des privaten Belangs der Verschattung stattgefunden. Da das streitgegenständliche Bauvorhaben den Festsetzungen des wirksamen Bebauungsplans entspreche, bestünden gegen dessen Rechtmäßigkeit keine Bedenken. Deshalb überwiege im Eilverfahren ihr Interesse an der Ausführung des Bauvorhabens gegenüber dem Interesse der Antragstellerin an der Baueinstellung.
14
Die Beigeladenen zu 2 und 3 beantragen,
15
die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. Juni 2020 und vom 18. Mai 2022 aufzuheben.
16
Der Antragsgegner hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert.
17
Die Antragstellerin beantragt,
18
die Beschwerde zurückzuweisen.
19
Aus ihrer Sicht habe das Verwaltungsgericht den Antrag der Beigeladenen zu 2 und 3 im Verfahren analog § 80 Abs. 7 VwGO zu Recht abgelehnt. Auf ihre Schriftsätze vom 18. Juli 2022 und 8. August 2022 wird Bezug genommen.
20
Die Beigeladene zu 1 unterstützt als Standortgemeinde das Beschwerdevorbringen der Beigeladenen zu 2 und 3 und beantragt - ohne selbst Beschwerde zu erheben - mit einem nach Ablauf der zweiwöchigen Beschwerdefrist (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) eingegangenem Schriftsatz vom 29. Juni 2022,
21
die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. Juni 2020 und vom 18. Mai 2022 aufzuheben.
22
Sie trägt vor, in dem gem. § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB relevanten Zeitpunkt des (letzten) Satzungsbeschlusses habe bereits die neue Regelung in Art. 6 BayBO gegolten, wonach lediglich Abstandsflächentiefen von 0,4 H einzuhalten seien. Die gesetzlich vorgeschriebene Abstandsflächentiefe werde beim nördlichen Bauraum des erneut beschlossenen Deckblatts Nr. 2 auch bei vollständiger Ausnutzung der Baugrenzen und maximalen Wandhöhen unproblematisch eingehalten. Dies sei in der Begründung zum Änderungsbebauungsplan und damit auch in der Abwägung berücksichtigt worden. Der Einholung einer Verschattungsstudie habe es daher nicht bedurft. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung stelle die Verschattung eines Grundstücks bei Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächenvorschriften keinen abwägungserheblichen Belang dar, weil die landesrechtlichen Regelungen im Interesse der Wahrung sozialverträglicher Verhältnisse eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung von Nachbargrundstücken gerade sicherstellten. Eine Minderung der Besonnung durch ein neues oder verändertes Gebäude in der Nachbarschaft stelle eine typische Folge einer Nachbarbebauung dar und müsse folglich insbesondere innerhalb verdichteter Innenstadtlagen vorbehaltlich besonderer Ausnahmefälle von Grundstücksnachbarn grundsätzlich hingenommen werden. Im Falle einer - insbesondere das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht wahrenden - Bauleitplanung werde insofern grundsätzlich kein besonderer Abwägungsbedarf begründet. Eine weitergehende Prüfung könne mit Blick auf Nachbarbetroffenheiten lediglich in Sonderfällen erforderlich werden, etwa im Fall eines Geländesprungs an der Grundstücksgrenze, im Fall eines geplanten besonders mächtigen Baukörpers, der nach festgesetzten Baulinien nahe an der Grenze zum Nachbargrundstück errichtet werden solle oder im Fall der Verschattung eines Beherbergungsbetriebs durch ein auf dem Nachbargrundstück geplantes mächtiges Hotelgebäude. Vorliegend führe die durch den Änderungsbebauungsplan ermöglichte Bebauung auch im Verhältnis zum Nachbarbaubestand der Antragstellerin nicht zu einer außergewöhnlichen, besondere Ermittlungen gem. § 2 Abs. 3 BauGB erfordernden Konstellation, sondern zu einem für städtische Innenbereiche typischen Normalfall. Allein die Tatsache, dass es sich um ein zum Nachbargrundstück hin abfallendes Gelände handele und dass das Gebäude der Antragstellerin deshalb tiefer liege, vermöge einen Sonderfall nicht zu begründen. Zu berücksichtigen sei, dass auf dem nördlich gelegenen Grundstück der Antragstellerin bereits ein nach dem Ursprungsbebauungsplan von der Grundfläche und den Geschossen her wesentlich mächtigeres Gebäude zugelassen und errichtet sei. Auch die Tatsache, dass die gesetzlichen Abstandsflächen nach Erlass des Ursprungsbebauungsplans verkürzt worden seien, könne keinen Sonderfall begründen. Denn dies würde im Grunde genommen bei jeder die neue Rechtslage berücksichtigenden Planung eine Verschattungsstudie erforderlich machen, was aber vom Gesetzgeber nicht gewollt worden sein könne. Es liege auch nicht aufgrund des Umstands, dass ein bestehender Bebauungsplan geändert worden sei, dessen Festsetzungen subjektive Rechte begründeten, ein Verschattungsermittlungen erforderlich machender Sonderfall vor. Zutreffend sei, dass nach der Begründung zum ursprünglichen Bebauungsplan ein Versatz bei benachbarten Gebäuden habe sicherstellen sollen, dass auch für die tiefer gelegenen Gebäude gut nutzbare Freiräume entstünden. Zu den einzuhaltenden Abstandsflächen enthalte der Ursprungsbebauungsplan aber keinerlei Ausführungen. Auch sei in der Begründung zum ursprünglichen Bebauungsplan nicht einmal ausgeführt gewesen, ob die gesetzlichen Abstandsflächen bei Ausnutzung der festgesetzten Baugrenze und Wandhöhe eingehalten, unter- oder überschritten würden. Weshalb dann beim 2. Deckblatt, bei dem ausdrücklich die Geltung der gesetzlichen Abstandsflächen angeordnet worden sei, eine Verschattungsstudie erforderlich sei, erschließe sich nicht, zumal eine Verringerung der Abstandsfläche letztlich durch eine Gesetzesänderung bedingt sei. Ein Versatz der Gebäude sei trotz der Vergrößerung der Bauräume nach Osten nach wie vorgegeben. Im Übrigen seien bei der Bauleitplanung die Interessen der Antragstellerin auch insofern berücksichtigt worden, als auf das im Ursprungsbebauungsplan an der nordöstlichen Grenze vorgesehene Garagengebäude mit einer mittleren Wandhöhe von 3,5 m und einer Länge von bis zu 9 m verzichtet und stattdessen offene Stellplätze an der Straße entlang festgesetzt worden seien. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Bestimmtheit der bauleitplanerischen Festsetzungen zur Wandhöhe bezögen sich auf das Grundstück der Antragstellerin und den ursprünglichen Bebauungsplan und wirkten sich auf die Wirksamkeit des streitgegenständlichen 2. Deckblatts nicht aus. Hieraus könne kein Abwägungsfehler in Bezug auf das 2. Deckblatt hergeleitet werden. Entscheidend sei, dass sie - die Beigeladene zu 1 - sich an den heutigen gesetzlichen Abstandsflächenvorschriften orientiert und deren Geltung festgesetzt habe, unabhängig davon, ob die Antragstellerin Bebauungsplankonform gebaut habe oder nicht. Mit Schriftsatz vom 3. August 2022, auf den verwiesen wird, ergänzte die Beigeladene zu 1 ihren Vortrag.
23
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen zum vorliegenden Verfahren, zu den erledigten Verfahren RN 6 E 20.636 (VG Regensburg) 15 CE 20.1631, 15 N 20.2127 (jeweils VGH) und zu den anhängigen Verfahren RN 6 K 22.111, RN 6 K 20.1298 (jeweils VG Regensburg), 15 N 22.635 (VGH) sowie auf die vorgelegten Planungs- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
24
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
25
1. Auch wenn nach der Aktenlage kein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Landratsamts vom 25. Juni 2020 (mit dem gegenüber den Beigeladenen zu 2 und 3 unter Anordnung des Sofortvollzugs verfügt wurde, weitere Bautätigkeiten auf dem Grundstück FlNr. …72 ab sofort zu unterlassen) gestellt wurde, fehlt weder dem auf § 80 Abs. 7 VwGO analog i.V. mit § 123 VwGO gestützten Eilantrag noch der vorliegenden Beschwerde der Beigeladenen zu 2 und 3 das Rechtsschutzinteresse. Denn bei Erfolg des Änderungsantrags bzw. der Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts besteht für das Landeratsamt Anlass, die Aufrechterhaltung der Baueinstellung oder der Anordnung des Sofortvollzugs zu überdenken. Damit können die Beigeladenen zu 2 und 3 im Erfolgsfall ihre Rechtsstellung verbessern.
26
2. Die Beschwerde ist unbegründet. Die von den Beigeladenen zu 2 und 3 dargelegten Gründe, auf die die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.
27
a) Das Verwaltungsgericht geht in dem mit der vorliegenden Beschwerde angegriffenen Beschluss vom 18. Mai 2022 davon aus, der Abänderungsantrag der Beigeladenen zu 2 und 3 sei zwar analog § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Da die Beigeladenen zu 2 und 3 die Aufhebung des Beschlusses begehrten, um auf dem Baugrundstück mit den Bauarbeiten fortzufahren, könne die Antragstellerin weiterhin wegen Eilbedürftigkeit einen Anordnungsgrund glaubhaft machen. Ein Anordnungsanspruch sei grundsätzlich nur dann gegeben, wenn für das Hauptsacheverfahren bei summarischer Prüfung und zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts überwiegende Erfolgsaussichten bestünden. Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO könne die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet würden. Im Falle der Errichtung eines Bauvorhabens im sog. Freistellungsverfahren würden dabei im Nachbarinteresse an die Reduzierung des Ermessens keine hohen Anforderungen gestellt, weil die Freistellung eines Vorhabens von der Baugenehmigungspflicht auch mit Blick auf die Ausstrahlungswirkung des Art. 14 GG nicht dazu führen dürfe, den Rechtsschutz des Nachbarn im Vergleich zum Rechtsschutz nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO zu verkürzen. Danach reiche es vorliegend für den Anordnungsanspruch aus, wenn der Ausgang des Hauptsacheverfahrens zumindest offen sei, weil in nachbarrechtlicher Hinsicht gewichtige Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Vorhabens bestünden und eine mehr als nur geringfügige Betroffenheit glaubhaft gemacht werden kann, und eine Folgen- bzw. Interessenabwägung (§ 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO analog) zugunsten des Nachbarn ausfalle. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass nach herrschender Meinung das Ermessen der Behörde im Rahmen des Art. 75 Abs. 1 BayBO in Richtung auf ein Einschreiten „intendiert“ sei, so dass auch deswegen ein entsprechender Anspruch des Nachbarn bereits dann bestehen könne, wenn die Verletzung etwaiger Nachbarrechte durch das Vorhaben nicht ausgeschlossen werden könne.
28
Diesen Ausgangserwägungen sind die Beigeladenen zu 2 und 3 im Beschwerdeverfahren nicht entgegengetreten. Die Beschwerdebegründung befasst sich ausschließlich mit der - von den Beigeladenen zu 2 und 3 als fehlerhaft gerügten - Annahme des Verwaltungsgerichts, der Änderungsbebauungsplan zum 2. Deckblatt in der korrigierten Fassung vom 20. Dezember 2021 sei womöglich unwirksam. Mit Blick auf die Beschränkung auf die von den Beigeladenen zu 2 und 3 als Beschwerdeführer in der Antragsbegründung fristgerecht vorgebrachten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) besteht im vorliegenden Beschwerdeverfahren für den Senat keine Veranlassung, die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts daraufhin zu überprüfen, ob das Erstgericht von einer umfassenden rechtlichen Würdigung absehen und stattdessen auf eine allgemeine Folgenabwägung abstellen durfte (zu den diesbezüglich engen Voraussetzungen - außerhalb eventueller Besonderheiten des Freistellungsverfahrens - vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2017 - 10 CE 16.1398 AuAS 2017, 86 = juris Rn. 16 f.).
29
b) Da es an einem diesbezüglichen Einwand in der Beschwerdebegründung fehlt, sieht der Senat wegen der Prüfungsbeschränkung gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auch keinen Anlass, im vorliegenden Beschwerdeverfahren von sich aus inzident die Wirksamkeit des ursprünglichen Bebauungsplans bzw. des Bebauungsplans in der Fassung der ersten Deckblattänderung sowie von einzelnen Festsetzungen dieser älteren Bauleitpläne zu prüfen (vgl. etwa die Erwägungen im angegriffenen Beschluss - BA S. 25 f. - zur Frage der Bestimmtheit der Höhenfestsetzungen, dort begrenzt auf das Grundstück der Antragstellerin). Insofern besteht mangels diesbezüglicher Einwendung im Beschwerdeverfahren insbesondere keine Veranlassung für den Senat zu überprüfen, welche nachbarlichen Rechtsfolgen sich im vorliegenden Streitverhältnis ergeben würden, wenn bereits der ursprüngliche Bebauungsplan und der Bebauungsplan in der Fassung des Deckblatts Nr. 1 unwirksam wären und dann nicht nur das Freistellungsverfahren nicht mehr einschlägig wäre, sondern eine Nachbarrechtsverletzung der Antragstellerin in bauplanungsrechtlicher Hinsicht nur noch an § 34 BauGB i.V. mit dem Rücksichtnahmegebot zu messen wäre.
30
c) Der Senat teilt nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass Vieles dafürspricht, dass der Änderungsbebauungsplan auch in der Fassung des ergänzenden Verfahrens unwirksam ist, weil die Planung unter Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB an einem gem. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 215 BauGB beachtlichen Ermittlungs- und Bewertungsdefizit leidet.
31
aa) Eine Gemeinde ist im Rahmen der Bauleitplanung verpflichtet, die für die Planung bedeutsamen öffentlichen und privaten Belange (Abwägungsmaterial) zu ermitteln und zu bewerten (§ 2 Abs. 3 BauGB) sowie sie gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (§ 1 Abs. 7 BauGB). Insgesamt unterliegt die Abwägung allerdings nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Gegen das rechtsstaatlich fundierte Gebot gerechter Abwägung wird verstoßen, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet (Abwägungsausfall), wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss (Abwägungsdefizit), wenn die Bedeutung dieser Belange verkannt wird (Abwägungsfehleinschätzung) oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität). Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung des anderen entscheidet. Das Vorziehen und Zurücksetzen bestimmter Belange innerhalb des vorgegebenen Rahmens ist die „elementare planerische Entschließung“ der Gemeinde über die städtebauliche Entwicklung und Ordnung und kein aufsichtlich oder gerichtlich im Detail nachvollziehbarer Vorgang (BayVGH, U.v. 18.1.2017 - 15 N 14.2033 - KommJur 2017, 112 = juris Rn. 35 m.w.N; U.v. 4.3.2021 - 15 N 20.468 - BayVBl 2022, 229 = juris Rn. 30). Für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan maßgebend (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB). § 2 Abs. 3 BauGB verlangt, dass allen abwägungsrelevanten Belangen mit der erforderlichen Ermittlungstiefe nachgegangen wird und die so ermittelten Belange zutreffend gewichtet werden. Während vormals die Abwägungsfehlerlehre, die ihrerseits auch Vorgaben für die Ermittlung und die Bewertung enthält, ausschließlich aus dem materiellen Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB) abgeleitet wurde, sieht der Gesetzgeber mit dem durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) vom 24. Juni 2004 (BGBl. I S. 1359 ff.) eingeführten § 2 Abs. 3 BauGB Ermittlungs- und Bewertungsmängel als Verfahrensmängel an (vgl. BVerwG, B.v. 30.6.2014 - 4 BN 38.13 - BauR 2014, 1745 = juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 18.1.2017 a.a.O. Rn. 36). Der Regelung liegt die Erwägung zugrunde, dass die für die konkrete Planungsentscheidung bedeutsamen Belange in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt und bewertet werden müssen, bevor sie gemäß § 1 Abs. 7 BauGB rechtmäßig abgewogen werden können (vgl. BayVGH, U.v. 13.12.2021 - 15 N 20.1649 - juris Rn. 41; U.v. 4.3.2021 a.a.O. Rn. 39; U.v. 17.7.2020 - 15 N 19.1377 - BayVBl 2021, 304 = juris Rn. 30; U.v. 24.11.2017 - 15 N 16.2158 - BayVBl 2018, 814 = juris Rn. 32).
32
bb) Im vorliegenden Fall dürfte das Interesse der Antragstellerin, dass ihr Anwesen bei Umsetzung des erneut beschlossenen und bekannt gemachten Änderungsbebauungsplans „Deckblatt Nr. 2“ nicht stärker verschattet wird als bei Umsetzung des Bebauungsplans in seiner ursprünglichen Fassung bzw. in der Fassung des „Deckblatt Nr. 1“, als Interesse an der Beibehaltung des bisherigen planerischen Zustands abwägungsrelevant gewesen sein.
33
Abwägungsbeachtlich sind allerdings nur solche Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Nicht abwägungserheblich sind geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (BayVGH, B.v. 17.5.2021 - 15 N 20.2904 - BayVBl 2022, 165 = juris Rn. 20 m.w.N.; U.v. 15.3.2022 - 15 N 21.1422 - juris Rn. 23 m.w.N.). Gewisse Verringerungen des Lichteinfalls beziehungsweise ein Verschattungseffekt als typische Folgen einer Bebauung insbesondere in innergemeindlichen Lagen sind grundsätzlich hinzunehmen. Für die materiell-rechtliche Beurteilung der Erheblichkeit bzw. Abwägungsrelevanz einer Verschattung durch einen Baukörper gibt es keinen normativ verbindlichen Maßstab. Auch die verfahrensrechtliche Ermittlungsebene ist insoweit nicht verbindlich geregelt. Vielmehr beantwortet sich diese Frage nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung (VGH BW, U.v. 28.20.2020 - 3 S 1117/20 - juris Rn. 38 f.; U.v. 10.6.2021 - 8 S 949/19 - BauR 2021. 1767 = juris Rn. 84 f.; vgl. auch: BayVGH, U.v. 31.1.2013 - 1 N 11.2087 u.a. - juris Rn. 41 ff.; OVG Saarl., U.v. 17.12.2020 - 2 C 309/19 - juris Rn. 21, 31 ff.; NdsOVG, U.v. 26.7.2017 - 1 KN 171/16 - ZfBR 2017, 803 = juris Rn. 37 f., 74 ff.; OVG NW, U.v. 6.7.2012 - 2 D 27/11.NE - ZfBR 2012, 684 = juris Rn. 35, 59 ff.). Da die landesrechtlichen Abstandsflächenbestimmungen darauf abzielen, eine ausreichende Belichtung und Besonnung von Gebäuden und sonstigen Flächen des Nachbargrundstücks sicherzustellen und auch das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme in innerstädtischen Lagen nicht erfordert, dass alle Fenster eines Nachbarhauses bzw. das gesamte Nachbargrundstück das ganze Jahr über optimal durch Sonneneinstrahlung belichtet werden, bedarf es im Regelfall keiner besonderen Ermittlung, Bewertung und Abwägung zur Frage einer planbedingten Verschattung, wenn die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften bei Umsetzung des Bebauungsplans eingehalten sind (BayVGH, B.v. 8.5.2019 - 15 BNE 19.551 u.a. - juris Rn. 35 ff.; U.v. 31.3.2021 - 15 N 20.411 - juris Rn. 26; U.v. 25.2.2022 - 15 N 21.2219 - juris Rn. 20).
34
Hier bestehen aber Besonderheiten, die ausnahmsweise für die Abwägungsrelevanz einer durch die Änderungsplanung verursachten stärkeren Verschattung trotz Einhaltung der bauordnungsrechtlich geforderten Abstandsflächentiefen sprechen, sodass unter diesem Gesichtspunkt auch gem. § 2 Abs. 3 BauGB entsprechende, über die Feststellung zur Einhaltung der Anforderungen des Art. 6 BayBO hinausgehende Ermittlungen und Bewertungen durch die Beigeladene zu 1 zur (zunehmenden) Verschattung geboten waren.
35
So können auch bei Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen im Fall der maximalen Umsetzung eines Bebauungsplans weitere Ermittlungen, Bewertungen und Abwägungserwägungen zur Verschattungsfrage geboten sein, wenn ein bestehender Bebauungsplan geändert werden soll. Das gilt insbesondere, wenn es um Änderungen von Festsetzungen geht, die subjektive resp. nachbarschützende Festsetzungen begründen (BayVGH, U.v. 31.3.2021 - 15 N 20.411 - juris Rn. 26). Das Verwaltungsgericht begründet im angegriffenen Beschluss vom 18. Mai 2022 die Abwägungsrelevanz hinsichtlich einer zusätzlichen Verschattung als Zusatzbelastung im Vergleich zu den bisherigen Festsetzungen des Bebauungsplans vor allem damit, dass die geänderten Festsetzungen betreffend das nördliche Baugrundstück der Beigeladenen zu 2 und 3 hinsichtlich der Baugrenzen und der Gebäudehöhen nach summarischer Prüfung mit Blick auf Seite 7 der Begründung zum ursprünglichen Bebauungsplan auch den nachbarlichen Interessen der Antragstellerin gedient hätten (BA S. 24; vgl. auch den Ausgangsbeschluss der Kammer vom 15.6.2020 - RN 6 E 20.636 - BA S. 10 ff.; vgl. auch die erste Normenkontrollentscheidung des Senats in der vorliegenden Sache U.v. 1.3.2021 - 15 N 20.2127 - UA S. 6). Dem ist die Beschwerdebegündung der Beigeladenen zu 2 und 3 nicht substantiiert entgegengetreten.
36
Ortsrechtliche Festsetzungen begründen im Übrigen - ganz unabhängig davon, ob sie nach dem Willen des Plangebers nachbarschützend sind oder nicht - regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass Veränderungen des Bebauungsplans, die sich für die Nachbarn - hier für die Antragstellerin - nachteilig auswirken können, nur unter Berücksichtigung ihrer Interessen vorgenommen werden. Abweichendes ergibt sich bei (objektiv) geringfügigen Änderungen oder bei solchen Änderungen, die sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück auswirken können. Führt die Änderung eines Bebauungsplans dazu, dass Nachbargrundstücke in anderer Weise als bisher genutzt werden dürfen, so gehören die Interessen der Nachbarn an der Beibehaltung der geltenden Festsetzungen mithin grundsätzlich zum notwendigen Abwägungsmaterial. Zwar gewährt das BauGB keinen Anspruch auf Fortbestand eines Bebauungsplans und schließt auch Änderungen des Plans nicht aus. Die ortsrechtlichen Festsetzungen begründen aber regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass Veränderungen, die sich für die Nachbarn nachteilig auswirken können, nur unter Berücksichtigung ihrer Interessen vorgenommen werden. Ein solches Interesse ist nicht nur dann gegeben, wenn der Bebauungsplan in seiner ursprünglichen Fassung ein subjektives öffentliches Recht begründet hat. Abwägungsrelevant ist vielmehr jedes mehr als geringfügige private Interesse am Fortbestehen des Bebauungsplans in seiner früheren Fassung, auch wenn es auf einer einen Nachbarn nur tatsächlich begünstigenden Festsetzung beruht. Abweichendes ergibt sich bei nur geringfügigen Änderungen sowie bei solchen Änderungen, die sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück auswirken können (zum Ganzen: BVerwG, B.v. 20.8.1992 - 4 NB 3.92 - NVwZ 1993, 468 = juris Rn. 15 f.; U.v. 30.4.2004 - 4 CN 1.03 - NVwZ 2004, 1120 = juris Rn. 10; B.v. 28.5.2019 - 4 BN 44.18 - ZfBR 2019, 689 = juris Rn. 6 ff.; B.v. 15.6.2020 - 4 BN 51.19 - NVwZ 2020, 1533 = juris Rn. 7; B.v. 27.9.2021 - 4 BN 17.21 - NVwZ 2022, 73 = juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 6.12.2019 - 15 N 18.636 - juris Rn. 18; U.v. 18.2.2020 - 1 N 17.2215 - juris Rn. 13; VGH BW, U.v. 16.10.2018 - 8 S 2368/16 - ZfBR 2019, 47 = juris Rn. 68 ff.; vgl. auch die erste Normenkontrollentscheidung des Senats in der vorliegenden Sache U.v. 1.3.2021 - 15 N 20.2127 - UA S. 6).
37
Im vorliegenden Fall dürfte nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage der Umstand, dass das Gelände von Süd nach Nord abfällt, die Abwägungsrelevanz hinsichtlich einer verstärkten Verschattung des nördlich gelegenen Antragstellergrundstücks begründen, zumal nach Seite 7 der Begründung des ursprünglichen Bebauungsplans der durch die Festsetzungen zur überbaubaren Grundstückfläche (Baugrenzen) sowie zum Maß der baulichen Nutzung geregelte „Versatz“ sicherstellen sollte, „für die tiefer gelegenen Gebäude gut nutzbare Freiräume entstehen“ zu lassen. Dass hier von vornherein nur völlig geringfügige zusätzliche Verschattungseffekte im Raum stehen, ist auch mit Blick auf die von der Antragstellerin vorgelegte Verschattungsstudie auch bei Einhaltung der Anforderungen des Art. 6 BayBO nicht ersichtlich. Auch der Umstand, dass das Gebäude der Antragstellerin seinerseits von der Kubatur her „mächtig“ ist (vgl. die Erwägungen der Beigeladenen zu 1 im Schriftsatz vom 29. Juni 2022), spricht nicht gegen die Abwägungsrelevanz einer zunehmenden Verschattung zulasten des Antragstelleranwesens, zumal das Antragstellergrundstück nördlicher und tiefer liegt als das von den Beigeladenen zu 2 und 3 geplante Gebäude, sodass es nach den grundsätzlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts unter den aus der Begründung des ursprünglichen Bebauungsplans folgenden Schutzzweck fällt. Hinzukommt, dass aufgrund des täglichen Sonnenverlaufs das Gebäude der Antragstellerin auf das südlich von ihm gelegene Baugrundstück der Beigeladenen zu 2 und 3 keine Verschattung bewirken kann. Dasselbe gilt aufgrund der erheblichen Abstände oberirdisch bebaubarer Flächen im Übrigen auch in Richtung Norden bzw. Nordosten gegenüber anderen Baugrundstücken.
38
Im Planungsverfahren ist es bei Bejahung der Abwägungsrelevanz gem. § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3 BauGB Aufgabe der planenden Beigeladenen zu 1, die konkrete Verschattungssituation zu ermitteln und dahingehend zu bewerten, ob - auch abwägend im Verhältnis zu sonstigen mit der Planung verfolgten Belangen - ein für die Antragstellerin hinnehmbares Maß an Zusatzbelastung vorliegt. Vor diesem Hintergrund - und insbesondere bei (hier nicht substantiiert infrage gestellter) nachbarschützender Funktion der geänderten früheren Festsetzungen des Bebauungsplans - hatte die Beigeladene als planende Kommune den Umstand, dass sich aufgrund der näher heranrückenden Baugrenze und neuer Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung die Verschattungssituation im Vergleich zum bisherigen Bebauungsplan zu Lasten der Antragstellerin verschlechtern kann, mit dem gebotenen Gewicht in die Abwägung einzustellen. Zwar bedeutet die Annahme der Abwägungsbeachtlichkeit nachbarrechtlicher Interessen nicht, dass sie sich in der Abwägung auch durchsetzen m ü s s e n (vgl. BayVGH, U.v. 18.2.2020 a.a.O. Rn. 20 m.w.N.), die Abwägungsbeachtlichkeit eines Belangs macht es in jedem Fall jedoch erforderlich, dass dieser durch Ermittlung und Bewertung zunächst ordnungsgemäß gem. § 2 Abs. 3 BauGB aufgearbeitet wird, um ihn überhaupt hinreichend abwägen zu können.
39
cc) Entgegen den „hilfsweisen“ Ausführungen in der Beschwerdebegründung dürfte die Beigeladene zu 1 als planende Kommune im Rahmen des ergänzenden Verfahrens zur Korrektur des Änderungsbebauungsplans „Deckblatt Nr. 2“ den Anforderungen des § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3 BauGB nicht dadurch gerecht geworden sein, dass sie sich im Rahmen der Schlussabwägung (ebenso wie in der Begründung des Änderungsbebauungsplans) mit der Verschattungsfrage mit Erwägungen zum bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrecht befasst hat.
40
Im Protokoll zu der vom Gemeinderat durchgeführten Schlussabwägung im ergänzenden Verfahren vor dem Satzungsbeschluss am 20. Dezember 2021 heißt es zur Verschattungsproblematik, dass durch die Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen zum Antragstellergrundstück hin der vom Gesetzgeber vorgesehene Schutz der nachbarlichen Rechte gewährleistet sei. Nach der Rechtsprechung seien aus dem Blickwinkel des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots Verschattungseffekte regelmäßig hinzunehmen, wenn die landesrechtlichen Abstandsflächenbestimmungen eingehalten seien. Ein generelles Recht auf Nichtverschattung existiere nicht. Nachdem die Verschattung eines Grundstücks bei Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächenvorschriften keinen abwägungserheblichen Belang darstelle, weil die landesrechtlichen Regelungen im Interesse der Wahrung sozialverträglicher Verhältnisse eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung von Nachbargrundstücken gerade sicherstellten, werde die Einholung einer Verschattungsstudie nicht als erforderlich angesehen. Es lägen auch keine Besonderheiten vor, die trotz Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen eine weitere Prüfung erforderten. Die dem Einwendungsschreiben beigefügten Verschattungspläne seien zudem fehlerhaft. Nach der Verschattungsdarstellung im Schnitt zum 21. März werde die Terrasse im 2. OG nicht verschattet. Im Grundriss werde dies aber so dargestellt. Nach der Darstellung zum 21. Dezember ende der Schatten an dieser Terrasse und gehe nicht - wie im Grundriss dargestellt - über das Haus hinweg. Bei den Verschattungsplänen sei außer Acht gelassen worden, dass die Verschattung der Terrassen im Erdgeschoss auch aus der eigenen Stützmauer bzw. der daran anschließenden Böschung verursacht werde. Am gewählten Beispieltag des 21. Dezember würden nämlich mehr als 2/3 der Terrassenflächen im Erdgeschoss bereits durch die Stützmauer und die Böschung verschattet, am 21. März noch etwa die Hälfte. Insofern relativiere sich die Aussagekraft der Verschattungspläne. Die Gemeinde sei sich bewusst, dass eine Vergrößerung und Erhöhung der zulässigen Bebauung zu einer größeren Verschattung der angrenzenden Flächen führe. Selbst wenn dies aber einen abwägungserheblichen Belang darstellte, sehe die Gemeinde die Beeinträchtigungen, die mit dem Bebauungsplan auf dem Antragstellergrundstück einhergehen, im Verhältnis zu dem gewichtigen städtebaulichen Ziel, Nachverdichtungsmöglichkeiten zu schaffen, als verhältnismäßig an, zumal die gesetzlichen Abstandsflächenvorschriften eingehalten werden. Auch unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin werde an der Bauleitplanung festgehalten.
41
In der Begründung zur im ergänzenden Verfahren „korrigierten“ 2. Änderung des Bebauungsplans wird u.a. zudem ausgeführt, die Geltung der Abstandsflächenregelungen der BayBO werde für den Geltungsbereich des Änderungsbebauungsplans mit Ausnahme des Raums zwischen den Parzellen 59 und 60 angeordnet, um sicherzustellen, dass eine ausreichende Belichtung und Belüftung in diesen Bereichen nicht beeinträchtigt werde. Durch die Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen werde zu den Nachbarn hin der vom Gesetzgeber vorgesehene Schutz der nachbarlichen Rechte gewährleistet. Bedingt durch die Hanglage und die Orientierung der Baukörper sei ein ausreichender Luftaustausch zwischen den Gebäuden gegeben. Bezüglich der nordöstlichen Grenze werde darauf hingewiesen, dass nach dem bislang geltenden Bebauungsplan dort ein Garagengebäude mit einer mittleren Wandhöhe von 3,50 m und einer Länge von bis zu 9,0 m habe errichtet werden dürfen, während nach der hier vorliegenden Änderung dort nun keine überbaubaren Flächen für Garagengebäude mehr vorgesehen seien, sondern nur noch offene Stellplätze unmittelbar an der Straße.
42
Zwar kann für den Fall, dass eine im Vergleich zum bisherigen Planungsstand zusätzliche Verschattungsmöglichkeit abwägungsrelevant ist, eine - wie hier von der Antragstellerin - vorgelegte Verschattungsstudie als Basis der Ermittlung und Bewertung einer Verschattung am Maßstab von § 2 Abs. 3 BauGB ausreichen. Wie auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, genügt in diesem Fall die planende Gemeinde ihren Ermittlungs- und Bewertungspflichten aber nicht, wenn sie diese Verschattungsstudie lediglich als fehlerhaft bezeichnet, dann aber weder konkret ermittelt wird, von welcher genauen zusätzlichen Verschattung selbst ausgegangen wird, noch eine hierauf bezogene Bewertung erfolgt. Allein die allgemeinen für die Schlussabwägung protokollierten Erwägungen, dass sich die Gemeinde bewusst sei, dass eine Vergrößerung und Erhöhung der zulässigen Bebauung zu einer größeren Verschattung der angrenzenden Flächen führe, und dass die mit dem Bebauungsplan einhergehenden Beeinträchtigungen auf dem Antragstellergrundstück im Verhältnis zu dem gewichtigen städtebaulichen Nachverdichtungsziel bei Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften als verhältnismäßig anzusehen seien, genügt den Anforderungen des § 2 Abs. 3 i.V. mit § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB nicht, wenn im gem. § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB relevanten Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses die Mitglieder des entscheidungszuständigen Gemeinderats keine konkrete Vorstellung über das genaue (Zusatz-) Verschattungsmaß hatten und diesbezüglich keine hierauf zugeschnittene Bewertung abgegeben haben.
43
3. Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO zurückzuweisen. Zwar hat die Beigeladene zu 1 im vorliegenden Beschwerdeverfahren zur Unterstützung der Beschwerde der Beigeladenen zu 2 und 3 einen eigenen - erfolglosen - Sachantrag gestellt, dennoch ist sie nicht gem. § 154 Abs. 3 VwGO an den Kosten des Rechtsstreits zu beteiligen. Nach vorzugswürdiger Ansicht fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels nach § 154 Abs. 2 VwGO allein demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (Neumann/Schaks, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 154 Rn. 68; a.A. Olbertz, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht - VwGO, Stand: Februar 2022, § 154 Rn. 15). Das muss jedenfalls für das Beschwerdeverfahren nach § 146 VwGO gelten, weil allein der Beschwerdeführer - hier die Beigeladenen zu 2 und 3 - mit der Beschwerdebegründung (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) den Prüfungsumfang für das Beschwerdegericht vorgibt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Da die Beigeladene zu 1 mit ihrem unterstützenden Sachantrag „im Lager“ der erfolglosen Beschwerdeführer steht, trägt sie nach Billigkeitsgründen ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V. mit den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt als Anhang in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022). Die Bedeutung der Sache für einen Kläger bzw. für einen Antragsteller im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bei einem Nachbaranspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten ist ähnlich zu bewerten wie bei der Anfechtung einer Baugenehmigung (BayVGH, B.v. 11.4.2018 - 15 C 18.750 - juris Rn. 7 m.w.N.).
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4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).