Inhalt

VGH München, Beschluss v. 08.08.2022 – 10 ZB 22.781
Titel:

Zwangsgelder bei Verstoß gegen Maulkorbzwang

Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
BayVwZVG Art. 31 Abs. 2, Abs. 3
Leitsatz:
Einwendungen gegen die Höhe eines fällig gestellten Zwangsgeldes gehen ins Leere, wenn die zugrundeliegende Zwangsgeldandrohung (hier: aufgrund rechtskräftiger Abweisung der hiergegen erhobenen Klage) bestandskräftig geworden ist. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fälligstellung eines Zwangsgeldes und Androhung erneuter Zwangsgelder, bestandskräftige Grundverfügung (Maulkorbzwang), Einwendungen gegen die Höhe des fällig gestellten Zwangsgeldes, Verhältnismäßigkeit des angedrohten (erneuten) Zwangsgeldes, Zulassung der Berufung, Hundehaltung, Maulkorbzwang, Maulschlaufe, Zwangsgeld, Fälligstellung, Höhe, angedrohte (erneute) Zwangsgelder, Verhältnismäßigkeit
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Urteil vom 25.01.2022 – B 1 K 21.683
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22192

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 4.900,- Euro festgesetzt.

Gründe

1
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihre in erster Instanz erfolglose Klage gegen die Fälligstellung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.400,- Euro wegen eines Verstoßes gegen den mit bestandskräftigem Bescheid des Beklagten vom 21. Juni 2018 angeordneten Maulkorbzwang für den Hund „Blue“ sowie die Androhung erneuter Zwangsgelder in Höhe von 200,- Euro bei Verstoß gegen die (ebenfalls im Bescheid vom 21.6.2018 verfügte) Anleinpflicht und 4.800,- Euro bei einem (erneuten) Verstoß gegen den Maulkorbzwang (Schreiben bzw. Bescheid vom 4.5.2021) weiter.
2
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn die Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätten (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16; B.v. 8.5.2019 - 2 BvR 657/19 - juris Rn. 33). Dies ist jedoch nicht der Fall, weil die gegen die Erwägungen des Erstgerichts vorgebrachten Einwendungen nicht durchgreifen.
4
Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung hinsichtlich des Feststellungsbegehrens, die Voraussetzungen für die Fälligstellung des Zwangsgeldes in Höhe von 2.400,- Euro lägen nicht vor, im Wesentlichen ausgeführt, zur Überzeugung des Gerichts stehe aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen T. in der mündlichen Verhandlung fest, dass der Kläger (zu 1.) den Hund „Blue“ am 18. Februar 2021 gegen 8:30 Uhr ohne Maulkorb auf öffentlichem Grund im Gemeindegebiet des Beklagten ausgeführt habe. Auch im Hinblick darauf, dass T. Geschäftsleiter des Beklagten sei und bereits seit längerer Zeit sicherheitsrechtliche Verfahren des Beklagten gegen den Kläger anhängig seien, bestehe für das Gericht kein Grund, an der Richtigkeit dieser Zeugenaussage zu zweifeln. Danach habe der Hund jedenfalls keine Maulschlaufe getragen, die dem gewöhnlichen Erscheinungsbild eines Maulkorbs nur annähernd entspreche. Im Übrigen hätte eine Maulschlaufe auch nicht ausgereicht, um der vom Beklagten angeordneten Maulkorbpflicht zu genügen. Dies sei den Klägern aus anderweitigen Verwaltungsstreitverfahren bekannt gewesen. Somit sei das im Bescheid des Beklagten vom 14. Oktober 2020 angedrohte Zwangsgeld von 2.400,- Euro fällig geworden; dabei sei unerheblich, ob im Zeitpunkt des Verstoßes von „Blue“ eine konkrete Gefährdung ausgegangen und ob er zu diesem Zeitpunkt an der Leine geführt worden sei.
5
Die Kläger wenden dagegen ein, das Gericht stützte sich beim angenommenen Verstoß gegen den Maulkorbzwang lediglich auf die Zeugenaussage des Herrn T., andere (objektive) Beweismittel existierten diesbezüglich nicht. Zudem stehe der Zeuge T. als dessen Geschäftsleiter im Lager des Beklagten. Letztlich komme es darauf aber nicht an, da der Hund stets eine sogenannte Maulschlaufe trage, die den Zweck, das Beißen zu unterbinden, in gleicher Weise wie ein Maulkorb erfülle. Die Maulschlaufe bestehe aus einem schlichten dunklen Band, das sich insbesondere aufgrund der Fellfärbung des Hundes kaum hervorhebe und auch aufgrund der Entfernung vom Zeugen T. möglicherweise schlichtweg nicht erkannt worden sei.
6
Dieser Einwand greift abgesehen von der Erklärung des Zeugen T. in der mündlichen Verhandlung, er habe weder eine Maulschlaufe noch einen Maulkorb an dem Hund bemerkt, schon deshalb nicht durch, weil das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats in die Kläger betreffenden Parallelverfahren (B.v. 3.4.2020 - 10 C 19.1978 und 10 C 19.1979 - juris) zu Recht von einem Verstoß gegen den bestandskräftig angeordneten Maulkorbzwang für den Hund „Blue“ ausgegangen ist. Denn mit dem bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 21. Juni 2018 wurden die Kläger verpflichtet, dem Hund „einen das Beißen sicher verhindernden Maulkorb“ anzulegen. Dieser Bescheid lässt - wie der Senat bereits festgestellt hat - den Klägern keine Wahlmöglichkeit, mit welchem nach ihrer Einschätzung gleich wirksamen Mittel sie das Zubeißen ihres Hundes verhindern wollen, sondern fordert eindeutig und ausdrücklich das Anlegen eines Maulkorbs. Folglich kommt es auch nicht entscheidungserheblich darauf an, ob eine Maulschlaufe das Zubeißen ebenso wirksam unterbinden kann (BayVGH, B.v. 3.4.2020 - 10 C 19.1978 und 10 C 19.1979 - juris Rn. 4) bzw. ob bereits das Anleinen des Hundes „eine erhebliche Sicherung gegen Beißübergriffe darstellt“. Die diesbezügliche Rechtsprechung ist entgegen der Auffassung der Klägerseite auch nicht „überholt“.
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Der weitere Einwand, der angegriffene Bescheid vom 4. Mai 2021 sei zu unbestimmt, weil weder der Name des Zeugen noch der konkrete Ort des behaupteten Verstoßes angegeben worden sei, verkennt, dass die behördliche Fälligstellung eines Zwangsgelds kein Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, sondern lediglich die behördliche Mitteilung über den Eintritt der Bedingung im Hinblick auf die Zwangsgeldandrohung als aufschiebend bedingten Leistungsbescheid (s. Art. 31 Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG) ist.
8
Die Rüge, das fällig gestellte Zwangsgeld in Höhe von 2.400,- Euro sei unangemessen hoch, lässt außer Acht, dass die zugrundeliegende Zwangsgeldandrohung mit Bescheid des Beklagten vom 14. Oktober 2020 aufgrund rechtskräftiger Abweisung der hiergegen erhobenen Klage der Kläger (VG Bayreuth, U.v. 20.4.2021 - B 1 K 20.1255) bestandskräftig geworden ist; Einwendungen gegen die Höhe des nunmehr fällig gestellten Zwangsgeldes gehen daher ins Leere. Dass die Beklagte bei dem mit Bescheid vom 4. Mai 2021 angedrohten (erneuten) Zwangsgeld in Höhe von 4.800,- Euro den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht hinreichend beachtet hat, wird durch die Klägerseite zwar behauptet. Unter Berücksichtigung der hartnäckigen Weigerung, den bestandskräftig angeordneten Maulkorbzwang zu befolgen, der diesbezüglich bereits wiederholt angedrohten Zwangsgelder, zuletzt in Höhe von 2.400,- Euro, sowie des gesetzlichen Rahmens bei der Bemessung der Höhe des Zwangsgeldes (s. Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG) hält auch der Senat die zuletzt vorgenommene Verdoppelung nicht für unverhältnismäßig. Nicht entscheidend ist entgegen der Auffassung der Kläger insoweit, ob in der jeweiligen konkreten Situation „eine Gefährdung für Leib oder Leben einer Person ersichtlich“ gewesen ist.
9
Soweit von den Klägern eine „Gleichbehandlung“ mit in derselben mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts im Wege eines (gerichtlichen) Vergleichs (Verzicht auf Fälligstellung von Zwangsgeldern bezüglich der Dogge „Mira“ der Kläger und Aufhebung entsprechender Bescheide über weitere Zwangsgelder) beendeten Verwaltungsstreitverfahren eingefordert wird, hat der Beklagte zu Recht darauf verwiesen, dass es zum einen in der Dispositionsfreiheit der Parteien steht, einen Rechtsstreit durch einen Prozessvergleich zu beenden, und zum anderen im vorliegenden Fall die Zuwiderhandlung gegen die bestandskräftig angeordnete Maulkorbpflicht zur Überzeugung des Verwaltungsgerichts feststand.
10
Soweit von Klägerseite außerhalb der Begründungsfrist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit Schriftsatz vom 14. Juli 2022 noch vorgetragen wird, das Verwaltungsgericht hätte die Gefahrenprognose des Beklagten hinterfragen müssen und den diesbezüglichen Beweisantrag (dass die Hunde der Kläger „von ihrer Wesensart her nicht aggressiv, sondern eher gutmütig sind“) in der mündlichen Verhandlung nicht ablehnen dürfen, wird verkannt, dass über die Rechtmäßigkeit und damit Notwendigkeit des behördlich angeordneten Leinen- und Maulkorbzwangs für den Hund „Blue“ bereits bestandskräftig entschieden worden ist.
11
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
12
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 39 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
13
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).