Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 28.04.2022 – Au 2 K 21.1089
Titel:

Erstattungsanspruch der Gemeinde gegen das Land wegen entgangener Straßenausbaubeiträge

Normenkette:
BayKAG Art. 5a Abs. 7 S. 1, Art. 19 Abs. 9
Leitsatz:
Die Anwendung der in Art. 19 Abs. 9 KAG normierten Erstattungsregelungen setzt voraus, dass es sich bei den durchgeführten Baumaßnahmen um solche handelte, die nach Straßenausbaubeitragsrecht abrechenbar gewesen wären. Das ist nicht der Fall, wenn bloße Instandsetzungs- oder Unterhaltungsmaßnahmen vorgenommen wurden oder die Straße noch dem Regime des Erschließungsbeitrags-rechts unterfällt, weil sie weder als sog. historische Straße (Art. 5a Abs. 7 S. 1 KAG) angesehen werden kann, noch zu irgendeinem Zeitpunkt nach dem 30.6.1961 endgültig hergestellt war. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Straßenausbaubeitragsrecht, Anspruch auf Erstattung entgangener Straßenausbaubeiträge durch den Freistaat, Bayern, erstmalige endgültige Herstellung einer Ortsstraße, Anforderungen an die Straßenentwässerung, Kommunalabgaben, Erstattungsanspruch der Gemeinde, entgangene Straßenausbaubeiträge, Änderung des Kommunalabgabengesetzes, abrechenbare Baumaßnahmen, Instandsetzungs- und Unterhaltungsmaßnahmen, historische Straße, endgültige Herstellung, Erschließungsbeitragsrecht
Fundstelle:
BeckRS 2022, 19978

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Erstattung von entgangenen Straßenausbaubeträgen gemäß Art. 19 Abs. 9 Satz 1 KAG in Höhe von 69.092,35 EUR aufgrund der Durchführung von Straßenausbaumaßnahmen im Bereich der im Ortsteil ... gelegenen Erschließungsanlage „...“, bei denen dort zwischen 14. Mai 2014 bis 2. Dezember 2015 die Fahrbahn, die Straßenbeleuchtung und die Straßenentwässerung erneuert wurden.
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Der entsprechende Erstattungsantrag der Klägerin vom 18. Juni 2019 wurde nach weiterem Schriftverkehr mit Bescheid der Regierung von ... vom 30. März 2021 abgelehnt. Zur Begründung der Ablehnungsentscheidung ist ausgeführt, dass es sich bei der antragsgegenständlichen Maßnahme „Erneuerung der Fahrbahn, der Straßenbeleuchtung und der Straßenentwässerung - ...“ um keine beitragsfähige Ausbaumaßnahme handle, die vor der Änderung des Kommunalabgabengesetzes zum 1. Januar 2018 rechtmäßig zur Vereinnahmung von Ausbaubeiträgen geführt hätte. Es sei nicht schlüssig dargestellt worden, dass die Anlage „...“ (nordwestliche Ecke von Fl.Nr. 1...6/2 bis westliche Ecke von Fl.Nr. 1...0) bereits erstmalig endgültig hergestellt gewesen sei. Für die erstmalige Herstellung des Straßenstücks sei im Antrag das Jahr 1969 angegeben worden, wobei § 7 Abs. 1 der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Erschließungsbeitragssatzung der damals selbständigen Gemeinde, zu der ... gehörte, für die erstmalige Herstellung als Merkmal insbesondere eine Straßenentwässerung gefordert habe. Entsprechend den vorgelegten Unterlagen sei allenfalls auf einer Länge von 90 m der insgesamt rund 300 m messenden Anlage eine Straßenentwässerung vorhanden gewesen. Die Entwässerung sei in einen Sinkkasten auf Höhe des Anwesens „...“ und in einen Straßeneinlauf im Bereich der im Norden angrenzenden Ortsstraße bei Fl.Nr. 1...6/2 erfolgt. Der Eindruck einer nicht erstmalig endgültig hergestellten Erschließungsanlage habe sich auch durch ein von der Klägerin vorgelegtes Foto vom mittleren Bereich der Anlage bestätigt. Aus dem Bild ergebe sich kein Hinweis auf das Vorhandensein einer Straßenentwässerung. Auch aus der übermittelten „Soll- und Hebeliste für Zuschussgebühren“ (richtig: „Anschlussgebühren“) aus dem Jahr 1971 für die heutigen Anwesen ..., ... und ... und dem Erheben einer solchen Gebühr in Höhe von 500 bzw. 1.000 DM lasse sich ebenfalls nicht erkennen, dass es sich um eine erstmalig endgültig hergestellte Straße gehandelt habe. Die glatten Beträge und die Tatsache, dass nur einige an die Anlage angrenzenden Grundstücke mit der Gebühr belegt worden seien, deute auf ein vorläufiges Finanzierungsinstrument hin, wie es in dieser Zeit nicht unüblich gewesen sei. Es sei auch keine schlüssige Argumentation, dass sich der Auszug aus der Stadtratssitzung vom 16. Juli 1985 auf die erstmalige Herstellung der Anlage „...“ im Sinn des Erschließungsbeitragsrechts beziehe, da 1985 erst recht eine geordnete Straßenentwässerung für die ordnungsgemäße endgültige erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage erforderlich gewesen sei. Zu beachten sei, dass im Erstattungsverfahren nach Art. 19 Abs. 9 Satz 1 KAG im Zweifelsfall nicht zu Gunsten einer geringeren Beitragshöhe für die Anlieger das Ausbaubeitragsrecht gewählt werden könne. Hinsichtlich des Nachweises der erstmaligen Herstellung einer Erschließungsanlage seien hier letztlich auch die Grundsätze der materiellen Beweislast im Verwaltungsverfahren zu berücksichtigen. Soweit die Klägerin im Erstattungsverfahren die Anwendbarkeit des Ausbaubeitragsrechts nicht schlüssig darlegen könne, sei der Antrag abzulehnen.
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Am 5. Mai 2021 ließ die Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid der Regierung von ... Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg erheben mit dem Antrag,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids der Regierung von ... vom 30. März 2021 zu verpflichten, die beantragte Erstattungsleistung zu bewilligen.
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Mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 23. Juli 2021 wurde zur Begründung der Klage ausgeführt, dass der zum Gemeindegebiet der Klägerin gehörende Ortsteil ... bis zur Eingemeindung am 1. April 1972 ein Ortsteil der früheren Gemeinde ... gewesen sei. Diese Gemeinde habe am 21. Juli 1969 die „Satzung über die Erschließungsbeiträge“ erlassen, die am 1. November 1969 in Kraft getreten sei. Nach den vorhandenen Unterlagen habe die Gemeinde anscheinend im Jahr 1969 Straßenbauarbeiten in der heutigen Straße „...“ vorgenommen. Die Klägerin gehe davon aus, dass zu diesem Zeitpunkt am ... nur eine Bebauung auf den fünf Grundstücken ..., ..., ... und ... vorhanden gewesen sei. Die anderen Grundstücke seien erst weit nach 1969 bebaut worden. Im Jahr 1971 seien Anschlussgebühren nur von den Eigentümern dieser Grundstücke erhoben worden. Entsprechend der beispielhaften Rechnung für den Eigentümer des Grundstücks ..., die am 15. April 1971 beglichen worden sei, habe die Anschlussgebühr auch Kosten für den Straßenausbau enthalten.
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Am 27. April 2000 habe die Klägerin die Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Parkplätzen, Grünanlagen und Kinderspielplätzen (Ausbaubeitragssatzung) erlassen, die mit Satzung vom 14. Oktober 2004 für die Zeit ab 28. April 2002 geändert worden sei. Zuletzt sei am 29. Juni 2005 eine Neufassung der Straßenausbaubeitragssatzung beschlossen worden.
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Nachdem die Klägerin festgestellt habe, dass die Nutzungsdauer der Straße „...“ abgelaufen sei, habe sie im Zusammenhang mit anstehenden Kanalbaumaßnahmen auch die Planungen für die notwendig gewordenen Straßensanierungsarbeiten vorgenommen. In den Haushalt der Stadt seien ab dem Haushaltsjahr 2011 entsprechende Positionen für den Ausbau der Ortsstraßen in ... aufgenommen worden. Nach einer Vergabeentscheidung sei der Ausbau der Straße „...“ in der Zeit vom 14. Mai 2014 bis 2. Dezember 2015 erfolgt. Die letzte Rechnung der Baufirma sei am 9. Oktober 2017 bei der Klägerin eingegangen.
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Bereits zuvor habe die Klägerin mit Bescheiden vom 3. Juli 2015 Vorauszahlungen auf den Straßenausbaubeitrag in Höhe von 50% des zu erwartenden Beitragsaufkommens von den Anliegern erhoben. Einige dieser Anlieger hätten Widerspruch gegen die Vorauszahlungsbescheide erhoben. Eine endgültige Abrechnung der Straßenausbaubeiträge gegenüber den Anliegern sei nicht erfolgt, sodass die Klägerin mit Formblattantrag vom 18. Juni 2019, der am 25. Juni 2019 beim Beklagten eingegangen sei, einen Erstattungsantrag nach Art. 19 Abs. 9 KAG für die durch die Gesetzesänderung entgangenen Beiträge eingereicht habe. Mit dem genannten streitgegenständlichen Bescheid habe der Beklagte eine Erstattung zu Unrecht abgelehnt.
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Die Klägerin habe Anspruch auf die begehrte Erstattung. Zwar sei dem Beklagten in der grundsätzlichen Annahme zuzustimmen, dass das Straßenausbaubeitragsrecht nur für Anlagen anwendbar sei, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt erstmalig endgültig hergestellt gewesen seien. Die Klägerin und der Beklagte seien im Antragsverfahren davon ausgegangen, dass die maßgebliche Anlage „...“ im Westen am Grundstück ... (Fl.Nr. 1...0) beginne und an der Einmündung in die Ortsstraße auf Höhe des Grundstücks ... (Fl.Nr. 1...2) ende. Ausgehend von einer so definierten Erschließungsanlage stelle sich die Frage, ob eine erstmalig endgültige Herstellung vorgelegen habe, weil die Straßenentwässerung nicht durchgängig hergestellt gewesen sei. Aus Laiensicht, die nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ausreichend und maßgeblich sei, habe jedoch eine erstmalige endgültige Herstellung vorgelegen. Ein Laie könne nicht einschätzen, ob es auf der gesamten Länge einer Erschließungsanlage notwendig sei, die Straße zu entwässern, sondern nur beurteilen, ob überhaupt eine Straßenentwässerung vorhanden sei. Dies müsse umso mehr gelten, wenn an der Anlage an den maßgeblichen Stellen, wo keine Straßenentwässerung vorhanden sei, auch keine Bebauung existiere. Deswegen sei es unverständlich, wenn in der Rechtsprechung die strenge Vorgabe gemacht werde, dass der Laie zwar keine technischen Regelwerke kennen, er aber trotzdem wissen müsse, dass aus technischer Sicht eine Straßenentwässerung auf der gesamten Länge der Straße notwendig sei. Und er solle erkennen, dass es für eine innerörtliche Erschließungsstraße keine ordnungsgemäße Straßenentwässerung darstelle, wenn das Regenwasser auf Privatgrundstücken versickert werde und diesbezüglich gesonderte technische Einrichtungen zur gezielten Lenkung und Ableitung des Straßenoberflächenwassers erforderlich seien. Soweit in der Rechtsprechung auf den objektiven Betrachter abgestellt werde, werde von der Laienperspektive zu Unrecht abgewichen. Hier komme man zu dem Ergebnis, dass bei einer laienhaften Betrachtung von einer endgültigen Herstellung der Anlage im Jahr 1969 ausgegangen werden könne mit der Folge, dass für die Maßnahmen in den Jahren 2014 und 2015 keine Erschließungsbeiträge mehr erhoben werden konnten, sondern lediglich noch Straßenausbaubeiträge. Diese seien der Klägerin durch die Gesetzesänderung entgangen, sodass ein Erstattungsanspruch bestehe.
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Der Beklagte verkenne auch den anzuwendenden Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung. Im Erschließungsbeitragsrecht gelte der Rechtsgrundsatz, dass die Beitragspflicht für ein Grundstück bezogen auf die erstmalige Herstellung einer bestimmten Erschließungsanlage nur einmal entstehe und dieser Grundsatz ein Grundstück vor einer mehrfachen Belastung für die Erschließung durch eine bestimmte Anlage schütze, aber auch eine Beitragspflicht nicht nachträglich zu einem anderen Zeitpunkt oder gar in anderer Höhe ein weiteres Mal entstehen könne. Demgegenüber bewerte der Beklagte die durchgeführte Beitragserhebung fälschlich als ein vorläufiges Finanzierungsinstrument im Zusammenhang mit der Verwirklichung von Bauvorhaben. Jedoch seien die Grundstücke ..., ... und ... bereits seit langem bebaut gewesen. Der Zusammenhang mit dem Straßenbau im Jahr 1969 sei bei einer Beitragserhebung im Jahr 1971 aber offensichtlich. Nunmehr sei nicht mehr nachvollziehbar, ob die entstandenen Beiträge in der richtigen Höhe geltend gemacht worden seien. Werde unterstellt, dass die Beiträge zu niedrig bemessen gewesen seien, so würde eine in der Rechtsprechung grundsätzlich für möglich gehaltene Beitragsnacherhebung jedenfalls an der mittlerweile eingetretenen Festsetzungsverjährung scheitern.
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Zudem sei unberücksichtigt geblieben, dass bei der vom Beklagten vertretenen Rechtsauffassung eine andere Definition der Erschließungsanlage zum Bauzeitpunkt im Jahr 1969 vorzunehmen wäre. Berücksichtige man die bauliche Entwicklung am, so sei festzuhalten, dass im Norden die landwirtschaftliche Hofstelle, die zu der durch ... durchführenden Ortstraße orientiert sei, seit vielen Jahrzehnten existent sei. Die Gebäude auf den Grundstücken ..., ... und ... seien seit Anfang der 1960er Jahre vorhanden, sodass zu diesem Zeitpunkt dem ... zumindest in diesem Bereich eine Erschließungsfunktion zugemessen werden konnte. Ob es sich bei dieser Strecke entlang der Häuser sogar um eine Straße im Sinn des Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG handeln könnte, müsse gegebenenfalls noch ermittelt werden. Das Vorliegen einer sog. „historischen“ Straße sei im gegebenen Zusammenhang nicht entscheidend, wenn die Gemeinde ... diese Strecke entlang der im Jahr 1969 vorhandenen Bebauung als Erschließungsanlage betrachtet und die so definierte Erschließungsanlage in diesem Jahr endgültig hergestellt hätte. Bei Vorliegen einer sog. „historischen“ Straße wäre dann nur die Beitragserhebung im Jahr 1971 unzulässig gewesen. Zur damaligen Zeit habe die Gemeinde ... davon ausgehen müssen, dass der ... im Bereich zwischen der ... Straße und ungefähr der Nordgrenze der heutigen Fl.Nr. 1...4/1 durch den Außenbereich verlaufe. Folglich habe bei der Straße mit dem Nordteil des ... einerseits und dem nach Westen weiter verlaufenden Teil andererseits nicht von einer einzigen Anlage gesprochen werden können. Betrachte man nur den nach Westen abzweigenden Teil des damaligen ... als selbständige Erschließungsanlage und die damals daran vorgenommenen Baumaßnahmen, so komme man zu dem Ergebnis, dass an der so definierten Anlage alle Merkmale der endgültigen Herstellung erfüllt gewesen seien. Es sei dort auch eine durchgängige Straßenentwässerung eingerichtet gewesen. Bei einer derartigen Betrachtungsweise werde auch klar, warum die von der Beklagten bemängelte Straßenentwässerung nur teilweise vorhanden gewesen sei. Mit der Sichtweise des Jahres 1969 habe für die Gemeinde ... keine Veranlassung bestanden, einen vollständigen Straßenausbau durch den Außenbereich mit einer durchgängigen Straßenentwässerung herzustellen. Der Beklagte habe seinen Blick nur auf die heutige Gesamtanlage gerichtet und daher bemängelt, dass deren mittlerer Bereich nicht die geringsten Hinweise auf das Vorhandensein einer Straßenentwässerung erkennen lasse. Gehe man aber davon aus, dass eine Erschließungsanlage nur in dem bebauten Bereich, aber nicht im Außenbereich hergestellt worden sei, bedeute dies, dass die damalige Erschließungsanlage „...“ erstmalig hergestellt und im bauplanungsrechtlichen Innenbereich auch einseitig bebaut gewesen sei. Darauf folgt, dass nur für diese Anlage Straßenausbaubeiträge hätten erhoben werden können, während für die Grundstücke ..., ... und ... in der Konsequenz Erschließungsbeiträge hätten geltend gemacht werden müssen. Für das hier maßgebliche Erstattungsverfahren habe dies zur Folge, dass seitens des Beklagten zumindest eine teilweise Erstattung der entgangenen Straßenausbaubeiträge nach Art. 19 Abs. 9 Satz 1 KAG hätte bewilligt werden müssen.
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Der Beklagte wandte sich mit Schreiben der Regierung von ... vom 12. August 2021 gegen das Klagebegehren. Für ihn ist beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Voraussetzungen für die Erstattung entgangener Beiträge nach Art. 19 Abs. 9 Satz 1 KAG lägen nicht vor. Der Ausbau des ... stelle keine Straßenausbaumaßnahme dar, sondern sei nach Erschließungsbeitragsrecht zu beurteilen. Die Klägerin habe nicht schlüssig dargestellt, dass die verfahrensgegenständliche Anlage „...“ (Nordwestecke Grundstück Fl.Nr. 1...6/2 bis westliche Ecke des Grundstücks Fl.Nr. 1...0 gemäß der Darstellung im Lageplan vom 10.4.2019) bereits endgültig erstmalig hergestellt gewesen sei. Die nach dem damaligen Satzungsrecht der früheren Gemeinde ... erforderliche Straßenentwässerung sei nicht in ausreichender Weise vorhanden gewesen. Das von der Klägerin vorgelegte Bild zum Ausbauzustand der Straße im mittleren Teil vor den durchgeführten Maßnahmen zeige nicht die geringsten Hinweise auf das Vorhandensein einer Straßenentwässerung. Das Foto zeige eine asphaltierte Fahrbahn ohne Abgrenzung zum Bankett oder sonstige Einrichtungen der geordneten Wasserführung. Auch eine Neigung, damit das Niederschlagswasser abfließen könne, sei nicht ersichtlich. Selbst bei laienhafter Betrachtung sei auf dem Bild keine Straßenentwässerung erkennbar. Daher seien die Herstellungsmerkmale der Erschließungsbeitragssatzung nicht erfüllt gewesen. Für einen Laien sei auch erkennbar, dass eine Straßenentwässerung auf der gesamten Länge einer Straße errichtet sein müsse. Lediglich auf einer Länge von 90 m sei überhaupt eine Straßenentwässerung (Wasserführung durch Rinnbordsteine) vorhanden gewesen. Die Entwässerung des Oberflächenwassers in diesen Bereichen sei in einen Sinkkasten auf der Höhe des Grundstücks ... und in einen Straßeneinlauf im Bereich der im Norden angrenzenden Ortsstraße erfolgt. Im Übrigen ergebe sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten, dass die damals vorhandene Straßenentwässerung lediglich ein Provisorium dargestellt habe und das Straßenentwässerungsnetz teilweise über Privatgrundstücke verlaufen sei. Eine lediglich partiell existente Straßenentwässerung reiche aber satzungsrechtlich nicht für eine endgültige erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage aus.
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Auch der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung sei nicht verletzt. Die durchgeführte Erhebung von Zuschuss- bzw. Anschlussgebühren deute auf ein vorläufiges Finanzierungsinstrument hin bzw. bestenfalls auf eine pauschalierte Vorausleistung. Es liege kein endgültiger Erschließungsbeitragsbescheid vor. Gegen die Annahme der Klägerin, dass es sich im Bereich ..., ... und ... im Jahr 1969 um eine Erschließungsanlage gehandelt habe, spreche die im Jahr 1971 erfolgte Erhebung von Geldleistungen in Höhe von 500 bzw. 1.000 DM. Diese Vorgehensweise belege, dass die Gemeinde zu diesem Zeitpunkt selbst nicht davon ausgegangen sei, dass es sich um eine fertigstellte Erschließungsanlage handele.
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Nach der topografischen Karte aus dem Jahr 1978 stelle die an dem westlichen Teil des ... vorhandene Bebauung eine sog. „Splittersiedlung“ dar. Gebäude seinen lediglich auf den vier genannten Grundstücken errichtet gewesen. Die anderen Grundstücke seien erst weit nach 1969 bebaut worden. Mangels Innenbereichslage könne es sich deshalb bei dem nach Westen abzweigenden Teil des ... im Jahr 1969 nicht um eine Erschließungsanlage gehandelt haben.
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Darüber hinaus könne dahinstehen, ob im Jahr 1969 bereits eine Straßenentwässerung auf dem westlichen Teilstück des ... in ausreichender Weise vorhanden gewesen sei, da ein entsprechender Nachweis bislang nicht erbracht worden sei und der von der Klägerin vorgelegte Kanalbestandsplan vom 25. November 2009 die Situation in diesem Jahr darstelle, nicht jedoch im Jahr 1969. Auch sei nicht nachgewiesen worden, dass sich die im westlichen Bereich angeblich vorhandene Straßenentwässerung auf öffentlichem Grund und gerade nicht auf Privatgrund befunden habe. Dagegen spreche jedenfalls die Vorlage zu Tagesordnungspunkt 8 der Stadtratssitzung vom 31. Mai 2010, in der ausgeführt werde, dass das Straßenentwässerungsnetz teilweise auf Privatgrund verlaufe. Mithin sei der Anwendungsbereich von Art. 19 Abs. 9 Satz 1 KAG nicht erfüllt. Die streitgegenständliche Ausbaumaßnahme stelle keine Straßenausbaubeitrags-, sondern eine Erschließungsbeitragsmaßnahme dar. Die zutreffende Höhe der beantragten Erstattungsleistung sei im Hinblick auf das nicht einschlägige Regime des Ausbaubeitragsrechts nicht Gegenstand der Antragsprüfung gewesen. Damit könne auch dahingestellt bleiben, ob die weiteren Voraussetzungen des Art. 19 Satz 3 Nr. 1 bis 3 KAG erfüllt wären. Erstattungen im Rahmen der Billigkeit seien auf der Basis der gesetzlichen Regelungen zum Erstattungsverfahren des Art. 19 Abs. 9 KAG nicht vorgesehen.
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Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nahm hierzu mit Schriftsatz vom 3. September 2021 Stellung und legte dar, dass deren Rechtsvorgängerin im Jahr 1971 keine „Zuschussgebühren“ erhoben habe. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen habe die Rechtsvorgängerin der Klägerin den Erschließungsbeitrag für die Erschließungsanlage als „Anschlussgebühren“ bezeichnet. Letztlich sei jedoch die gebrauchte Bezeichnung unerheblich. Es erschließe sich im Übrigen nicht, warum sich aus dem verwendeten Begriff ergeben solle, dass die Gemeinde ... nicht davon ausgegangen sei, dass es sich bei der Straße ... um eine endgültig fertiggestellte Erschließungsanlage handle.
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Auch die Auffassung der Beklagten wonach es sich bei der Bebauung am ... um eine „Splittersiedlung“ handeln solle, sei nicht nachvollziehbar. Die durch den Beklagten vorgelegte topografische Karte zeige vielmehr die Bebauung im Ortsteil ... auf und es werde ersichtlich, dass es sich bei diesem Ortsteil, der durch seine landwirtschaftliche Prägung nur aufgelockert bebaut gewesen sei, um einen Bebauungszusammenhang gehandelt habe. Entscheidend sei, dass es zur Beurteilung des Bebauungszusammenhangs einer Wertung und Bewertung der gesamten konkreten örtlichen Verhältnisse nach den Maßstäben der Verkehrsauffassung bedürfe und ausschlaggebend sei, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit vermittle. Berücksichtige man die Siedlungsstruktur der Rechtsvorgängerin der Klägerin, so sei diese durch eine stark aufgelockerte Bebauung geprägt gewesen. Die Annahme eines Bebauungszusammenhangs für den Ortsteil ... ändere aber nichts daran, dass für bestimmte Bereiche am ... zum damaligen Zeitpunkt keine Erschließungsfunktion und damit auch kein Bedarf für den Bau einer vollständigen Erschließungsanlage vorhanden gewesen sei. Soweit sich der Beklagte nunmehr auf Beweislastregeln berufe, könne er sich damit vermutlich vieler Erstattungsanträge entledigen. Hier bestehe jedenfalls keine Veranlassung daran zu zweifeln, dass der Kanalbestandsplan, der im Jahr 2009 aufgenommen worden sei, nicht auch die Situation des Jahres 1969 wiedergebe. Der Klägerin seien keine entsprechenden Maßnahmen aus den Jahren nach 1969 bekannt, sodass prima facie davon ausgegangen werden müsse, dass die Bestandsaufnahme aus dem Jahr 2009 auch die Situation des Jahres 1969 darstelle.
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Für den Beklagten wurde mit Schreiben der Regierung von ... vom 4. Oktober 2021 hierauf entgegnet. Jedenfalls habe die Bebauung im westlichen Teil des ... aufgrund seiner Abgeschiedenheit nicht am Bebauungszusammenhang teilgenommen. Es könne deswegen auch nicht von einer aufgelockerten Bauweise gesprochen werden. Das zeige sich bei einem Vergleich der Bebauungsdichte entlang der Ortsstraße mit derjenigen im westlichen Teil des .... Zudem widerspreche sich die Klägerin, da in der Klagebegründung angegeben sei, dass der ... durch den Außenbereich verlaufen sei.
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Hierauf komme es jedoch nicht entscheidungserheblich an, da die bestehende Straßenentwässerung jedenfalls ein Provisorium dargestellt habe. Darüber hinaus sei die Entwässerung auch im westlichen Teil des ... nicht auf der ganzen Strecke vorhanden gewesen. Es habe nur einen einzigen Sinkkasten auf der westlichen Länge gegeben. Die Straßenentwässerungseinrichtung habe auch nur auf einer Straßenseite aus Rinnbordsteinen bestanden. Dies ergebe sich aus dem vorgelegten Kanalbestandsplan aus dem Jahr 2009 sowie aus dem Lagenplan vom 23. Mai 2019. Die Anlage „...“ reiche im westlichen Bereich bis zur Höhe des Grundstücks Fl.Nr. 1...0 (... 11). In dem von der Klägerin benannten Bereich ..., ... und ... sei, wie sich aus dem Kanalbestandsplan ergebe, nicht einmal auf der Hälfte der Länge eine Straßenentwässerung vorhanden gewesen. Diese habe laut Kanalbestandsplan nur vom östlichen Teil des Grundstücks Fl.Nr. 1...4/1 bis zu einem kleinen Straßenteil am Grundstück Fl.Nr. 1...9 (...) gereicht. Auf Höhe des Grundstücks Fl.Nr. 1...0 (...) habe es keine Straßenentwässerungseinrichtung gegeben. Zu betonen sei, dass auch im westlichen Teil des ... keine durchgehende beidseitige konstruktive Abgrenzung der Straße zu den anliegenden Grundstücksflächen mittels Randsteinen und Entwässerungsrinnen hergestellt gewesen sei, mit der Folge, dass eine gezielte Oberflächenwasserableitung im Straßenbereich nicht habe erfolgen können. Erforderlich seien bereits in den 1960er Jahren beidseitige Entwässerungsleiteinrichtungen, wie Randsteine und Gerinne, gewesen.
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Für die Klägerin wurde mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 8. Dezember 2021 erklärt, dass mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung Einverständnis bestehe. Die Regierung von ... teilte mit Schreiben vom 21. Dezember 2021 sinngemäß mit, dass auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ebenfalls verzichtet werde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte mit Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Verpflichtung des Beklagten, eine Erstattungsleistung in Höhe von 69.092,35 EUR für entgangene Straßenausbaubeiträge wegen der an der Anlage „...“ (Nordwestecke Flurstück 1...6/2 bis westliche Grenze Fl.Nr. 1...0; vgl. Lageplan S. 25 der Behördenakte) durchgeführten Ausbaumaßnahmen festzusetzen. Der Ablehnungsbescheid der Regierung von ... vom 30. März 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Nach Art. 19 Abs. 9 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 1993, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Februar 2021 (GVBl, S. 40), erstattet der Freistaat Bayern den Gemeinden auf Antrag diejenigen Beträge, die ihnen unmittelbar dadurch entgehen, dass sie infolge der Änderungen des Kommunalabgabengesetzes zum 1. Januar 2018 Beiträge für Straßenausbaubeitragsmaßnahmen nicht mehr erheben können. Dabei handelt es sich dem Grunde und der Höhe nach um einen Rechtsanspruch der betroffenen Gemeinden (so auch Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand Oktober 2021, Rn. 2207). Die Erstattung kann gemäß Art. 19 Abs. 9 Satz 2 KAG frühestens ab dem 1. Januar 2019 und nach Abschluss des Jahres beantragt werden, in dem die sachlichen Beitragspflichten nach dem Kommunalabgabengesetz in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung und der gemeindlichen Beitragssatzung entstanden wären. Der Erstattungsanspruch setzt weiter voraus, dass die Gemeinde spätestens bis zum 11. April 2018 eine Satzung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 oder Art. 5b Abs. 1 KAG in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung erlassen hatte (Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 KAG), für die demnach beitragsfähige Maßnahme in einem der Rechtsaufsichtsbehörde nach Art. 65 Abs. 2 GO spätestens am 11. April 2018 vorgelegten Haushaltsplan Ausgaben im Vermögenshaushalt, Auszahlungen aus Investitionstätigkeit oder Verpflichtungsermächtigungen veranschlagt hatte (Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG), spätestens bis zum 11. April 2018 das Vergabeverfahren für die erste Bauleistung eingeleitet oder mit eigenem Personal mit der technischen Herstellung begonnen hatte (Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 3 KAG) und den Antrag auf Erstattung spätestens am 30. April 2028 gestellt hat (Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 4 KAG), es sei denn, die sachlichen Beitragspflichten sind bzw. wären am 11. April 2018 deshalb nicht entstanden, weil die Gemeinde als Straßenbaubehörde eine hierfür erforderliche straßenrechtliche Widmung nicht innerhalb eines Jahres nach ordnungsgemäßer Herstellung der Straße vorgenommen hat (Art. 19 Abs. 9 Satz 4 KAG). In der Höhe ist der Erstattungsanspruch nach Maßgabe von Art. 19 Abs. 9 Satz 5 KAG auf den Betrag beschränkt, der sich bei Ausführung der Maßnahme gemäß dem am 11. April 2018 bestehenden Bauprogramm ergeben hätte (s. hierzu allgemein Matloch/Wiens, a.a.O., Rn. 2204 ff. m.w.N.). Die Einzelheiten in Bezug auf Antragstellung, Aufteilung der für die Erstattungsleistungen zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel, Auszahlung und Fälligkeit der Erstattungsleistungen nach Maßgabe der im Staatshaushalt bereitgestellten Mittel sowie die Zuständigkeit sind - fußend auf der in Art. 19 Abs. 9 Satz 9 KAG enthaltenen Verordnungsermächtigung - in der am 1. Januar 2019 in Kraft getretenen Straßenausbaubeitrags-Erstattungsverordnung (SABErstV) vom 15. Oktober 2018 (GVBl S. 787) geregelt (s. hierzu Bayerle, KommP BY 2018, 418; Rottenwallner, KStZ 2019, 21/43 ff.).
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Die Anwendung der in Art. 19 Abs. 9 KAG normierten Erstattungsregelungen setzt aber grundsätzlich voraus, dass es sich bei den durchgeführten Baumaßnahmen um solche gehandelt hat, die nach Straßenausbaubeitragsrecht abrechenbar gewesen wären. Das ist nicht der Fall, wenn bloße Instandsetzungs- oder Unterhaltungsmaßnahmen vorgenommen wurden oder die Straße noch dem Regime des Erschließungsbeitragsrechts unterfällt, weil sie weder als sog. historische Straße (Art. 5a Abs. Abs. 7 Satz 1 KAG) angesehen werden kann, noch zu irgendeinem Zeitpunkt nach dem 30. Juni 1961 bereits erstmalig endgültig hergestellt war.
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Die im vorliegenden Fall zu beurteilende Erschließungsanlage „...“ stellt keine sog. historische Straße im Sinn von Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG dar, da sie bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961 aufgrund ihrer Lage im Außenbereich nicht die Funktion einer Anbaustraße erfüllt und ihr Ausbauzustand selbst geringen Anforderungen nicht entsprochen hat.
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Die Anlage „...“ war aber auch in dem Zeitraum nach dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes nach Maßgabe der Regelungen der jeweiligen gemeindlichen Erschließungsbeitragssatzungen ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der ersten „Satzung über die Erschließungsbeiträge“ in der Gemeinde ... vom 21. Juli 1969 (EBS 1969) am 1. November 1969 bis zur Durchführung der streitgegenständlichen, am 2. Dezember 2015 technisch abgeschlossenen Baumaßnahmen zu keinem Zeitpunkt - auch nicht teilweise - endgültig erstmalig hergestellt, da sie jedenfalls nie mit einer auf voller Länge bestehenden ordnungsgemäßen Straßenentwässerungseinrichtung ausgestattet gewesen war.
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Die in den gemeindlichen Erschließungsbeitragssatzungen bestimmten Herstellungsmerkmale in Zusammenschau mit dem für die flächenmäßigen Teileinrichtungen erforderlichen (formlosen) Bauprogramm waren zu keinem Zeitpunkt erfüllt. Wird eine nach dem Willen der Gemeinde endgültig hergestellte und ihre Aufgabe in vollem Umfang erfüllende im Außenbereich verlaufende Straße wegen des Inkrafttretens eines sie erfassenden Bebauungsplans oder infolge der Entwicklung des Gebiets zum Innenbereich zu einer Anbaustraße, ist ihr Zustand unter dem Blickwinkel des Vorliegens einer erschließungsbeitragsrechtlichen erstmaligen endgültigen Herstellung erneut zu beurteilen. Denn eine als Außenbereichsstraße endgültig hergestellte Verkehrsanlage kann als beitragsfähige Erschließungsanlage durchaus eine unfertige Anbaustraße sein. Für diese erneute Beurteilung ist abzustellen auf die Anforderungen, von deren Erfüllung die endgültige Herstellung einer beitragsfähigen Anbaustraße in dem Zeitpunkt abhängig ist, in dem die betreffende Verkehrsanlage zur beitragsfähigen Erschließungsanlage wird (Matloch/Wiens, a.a.O., Rn. 210 m.w.N.), wobei im Rahmen dieser Beurteilung sämtliche Teilanlagen einzeln zu betrachten sind (Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 11 Rn. 46 ff.). Bei der Prüfung, ob ein Ausbau einer beitragsfähigen Erschließungsanlage den Endpunkt, nämlich die erstmalige endgültige Herstellung im Sinn von Art. 5a Abs. 2 KAG i.V.m. § 133 Abs. 2 BauGB erreicht hat, kommt es im Übrigen nicht auf die jeweiligen subjektiven Vorstellungen der Gemeinde oder der Beitragspflichtigen an. Vielmehr ist dies objektiv nach dem maßgeblichen Ortsrecht zu beurteilen (BVerwG, U.v. 2.12.1977 - 4 C 55.75 - BauR 1978, 133).
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Die Erschließungsbeitragssatzungen der Klägerin - beginnend mit der oben bereits genannten „Satzung über Erschließungsbeiträge“ der Gemeinde ... vom 21. Juli 1969 - sahen seit dem jeweiligen Inkrafttreten im Rahmen des Regelungsauftrags des damaligen § 132 Nr. 4 BBauG für Anbaustraßen u.a. das Vorhandensein einer Straßenentwässerung und einer Beleuchtung vor. § 7 EBS 1969 regelte in Abs. 1 in Bezug auf zum Anbau bestimmte öffentliche Straßen explizit, dass eine endgültige Herstellung nur vorliegt, wenn sie folgende Merkmale aufweisen: „1. eine Pflasterung, eine Asphalt-, Teer-, Beton- oder ähnliche Decke neuzeitlicher Bauweise“, „2. Straßenentwässerung sowie eine etwa vorgesehene Beleuchtung“ und „3. Anschluß an eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße“. In Abs. 3 ist ergänzend bestimmt, dass die Gemeine die endgültige Herstellung der einzelnen Erschließungsanlage feststellt. Welchen konkreten technischen Anforderungen die aufgeführten Teileinrichtungen genügen müssen, um als endgültig hergestellt zu gelten, ist in der Satzung nicht näher umschrieben. Eine solche Festlegung in der Erschließungsbeitragssatzung ist im Übrigen auch nicht erforderlich (vgl. Driehaus/Raden, a.a.O., § 11 Rn. 55 ff.).
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Die Regelung von Herstellungsmerkmalen soll es den Beitragspflichtigen ermöglichen, sich durch einen Vergleich der satzungsmäßig festgelegten Kriterien für die Fertigstellung mit dem tatsächlichen Zustand, in dem sich die gebaute Anlage befindet, einen Eindruck darüber zu verschaffen, ob die Anlage endgültig hergestellt ist oder nicht. Mit dieser auf die Laiensphäre abstellenden Zielrichtung wäre es von vornherein nicht zu vereinbaren, die Merkmale „Beleuchtung“ oder „Straßenentwässerung“ in dem Sinn zu verstehen, dass es um Ausbaustandards unter Beachtung bestimmter technischer Regelwerke ginge. Entscheidend kann nur sein, dass überhaupt funktionsfähige, der Straßenlänge und den örtlichen Verhältnissen angepasste Beleuchtungs- und Entwässerungseinrichtungen vorhanden sind (vgl. BayVGH, B.v. 28.3.2022 - 6 ZB 21.1543 - juris Rn. 13; B.v. 4.5.2017 - 6 ZB 17.546 - juris; B.v. 29.6.2016 - 6 ZB 15.2786 - BeckRS 2016, 53241; B.v. 12.6.2014 - 6 CS 14.1977 - juris Rn. 11; B.v. 27.1.2012 - 6 ZB 09.1573 - juris Rn. 7; B.v. 6.3.2006 - 6 ZB 03.2961 - juris Rn. 9; Matloch/Wiens, a.a.O., Rn. 412a).
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Die jetzige Erschließungsanlage „...“ war in der Zeit nach dem 30. Juni 1961 unter Geltung des bundes- bzw. landesrechtlichen Erschließungsbeitragsrechts nicht erstmalig endgültig hergestellt, da dort bis zur Durchführung der im Dezember 2015 bautechnisch abgeschlossenen Straßenbaumaßnahmen jedenfalls keine ordnungsgemäße, die rechtlichen Vorgaben der in den jeweils geltenden Erschließungsbeitragssatzungen enthaltenen Merkmalsregelungen für die endgültige Herstellung von Erschließungsanlagen erfüllende Straßenentwässerungseinrichtung vorhanden war.
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Auf der Grundlage der vorhandenen Fotos (S. 30/31 der Behördenakte) und Planunterlagen (z.B. Kanalbestandsplan vom 25.11.2009, S. 468 der Behördenakte) ist zur Überzeugung des Gerichts erkennbar, dass in dem fraglichen Zeitraum eine technisch hergestellte Straßenentwässerungseinrichtung (mit Straßeneinläufen und Sinkkästen) allenfalls partiell existent war. Die Entwässerungseinrichtungen der ca. 300 m Gesamtstrecke umfassenden Erschließungsanlage beschränkten sich auf zwei insgesamt 90 m lange Rinnbordsteinzeilen mit einem Sinkkasten bzw. einem Straßeneinlauf zur Abführung des Straßenoberflächenwassers. Eine Rinnbordsteinzeile war nach dem von der Klägerin erstellten Kanalbestandsplan vom 25. November 2009 - selbst wenn unterstellt wird, dass sich der dokumentierte Umfang der Entwässerungseinrichtungen seit 1969 nicht verändert hat - nur im Bereich der Südgrenze der Grundstücke Fl.Nr. 1...3, 1...4 und 1...4/1 mit einem Sinkkasten auf der Höhe der Südostecke des Grundstücks Fl.Nr. 1...3 (Anwesen ...) verbaut. Die andere deutlich kürzere Rinnbordsteinkante war auf der östlichen Seite des ... im Bereich des Grundstücks Fl.Nr. 1...2/2 mit einem Straßeneinlauf im Einmündungsbereich zu der im Norden angrenzenden Ortsstraße errichtet. Der weit überwiegende Teil des ... hat jedoch keine Straßenentwässerungseinrichtungen aufgewiesen, d.h. es war keine durchgehende beidseitige konstruktive Abgrenzung der Straße zu den anliegenden Grundstücksflächen mittels Randsteinen oder Entwässerungsrinnen vorhanden mit der Folge, dass eine gezielte Oberflächenwasserableitung im Straßenbereich nicht durchgängig erfolgen konnte. Das bloße Abfließen des Regenwassers in die anliegenden Bankett- bzw. Seitenstreifen aufgrund einer Deckenwölbung der Straße genügt aber auch unter Berücksichtigung der damaligen geringeren Anforderungen zur Erfüllung der satzungsmäßig festgelegten Merkmale für die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage nicht (BayVGH, B.v. 15.11.2018 - 6 ZB 18.1516 - juris Rn. 7; B.v. 12.6.2014 - 6 CS 14.1077 - BeckRS 2014, 52922; B.v. 6.3.2006 - 6 ZB 03.2961 - BeckRS 2009, 37088). Erforderlich waren auch bereits in den 1960er Jahren Entwässerungsleiteinrichtungen, wie Randsteine oder Gerinne (BayVGH, U.v. 5.11.2007 - 6 B 05.2551 - juris; Matloch/Wiens a.a.O.). Die hier bis zum jetzigen Ausbauzustand vorhandene Art der Entwässerung durch das partielle auf bloße Teilstrecken der Straße beschränkte Ableiten des Oberflächenwassers mittels Rinnbordsteinen und einer Abflusseinrichtung (Sinkkasen, Straßeneinlauf) und das gefällebedingte Abfließen des Oberflächenwassers auf die seitlichen Straßenbankettbereiche bzw. in benachbarte (Privat-)Grundstücke in den übrigen Bereichen erfüllte selbst die (geringen) Anforderungen an eine Ortsstraße einer ländlichen Gemeinde nicht (s. hierzu auch BVerwG, U.v. 11.7.2007 - 9 C 5.06 - juris Rn. 40; BayVGH, B.v. 6.3.2006 - 6 ZB 03.2961 - BeckRS 2009, 37088).
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Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass nach Maßgabe der RAS-Ew 1987 bzw. des vorher zur Anwendung gekommenen Merkblatts für die Entwässerung von Straßen aus dem Jahr 1971 in Einzelfällen eine ordnungsgemäße Straßenentwässerung über den Straßenseitenraum ohne Durchführung weiterer baulicher Maßnahmen vorliegen kann (so etwa NdsOVG, U.v. 9.8.2015 - 9 LC 29/15 - juris Rn. 28 ff.; VG Lüneburg, U.v. 18.2.2021 - 3 A 696/17 - juris Rn. 30), setzt dies zumindest voraus, dass diese Art der Straßenentwässerung gezielt geplant und das Ablaufen des Regenwassers in den Seitenstreifen durch eine entsprechende Wölbung bzw. Querneigung der Straße bautechnisch gewährleistet wird (VG Lüneburg a.a.O.). Dies ist aber weder durch die Vorlage von entsprechenden Planungsunterlagen belegt, noch wird dies aus den vorliegenden Fotos zum Straßenzustand vor der Durchführung der Ausbauarbeiten ausreichend erkennbar.
37
Auch aus den sonstigen Darlegungen der Klägerin lässt sich nicht entnehmen, dass es sich beim ... bis zur Durchführung der Straßenbaumaßnahmen in den Jahren 2014/2015 um eine bereits erstmalig endgültig hergestellte Straße gehandelt hat. Aus der vorgelegten „Soll- und Hebeliste für Anschlussgebühren“ aus dem Jahr 1971 für die heutigen Anwesen ..., ... und ... und das Erheben einer straßenbezogenen Anschlussgebühr in Höhe von 500 bzw. 1.000 DM (S. 27/28 der Behördenakte) mittels Rechnung (als Beispiel wurde die Rechnung vom 15.4.1971 an ... vorgelegt, S. 17 der Gerichtsakte) ergibt sich nicht in der notwendigen Eindeutigkeit, dass es sich beim ... um eine erstmalig endgültig hergestellte Straße gehandelt hat. Ob es sich bei den erhobenen „Anschlussgebühren“ wegen der glatten Beträge von 500 bzw. 1.000 DM und der Tatsache, dass nur von einigen an die Straße angrenzenden Grundstückseigentümern die Leistung einer Anschlussgebühr verlangt wurde, um zeittypische Zahlungen mit dem Charakter eines vorläufigen Vorfinanzierungsinstruments in der Art von Vorauszahlungen gehandelt hat, kann dahinstehen, da damit jedenfalls nicht die Erhebung von Erschließungsbeiträgen erfolgte. Die Art und Weise der Erhebung, der Umstand des Vorhandenseins einer erst seit 1. November 1969 geltenden Erschließungsbeitragssatzung und die Bezeichnung als „Anschlussgebühr“ lassen zur Überzeugung des Gerichts erkennen, dass die Gemeinde ... im Jahr 1971 offensichtlich selbst nicht vom Vorliegen einer endgültig hergestellten und abrechenbaren Erschließungsanlage ausgegangen ist.
38
Soweit von Klägerseite geltend gemacht wird, dass es sich zumindest bei dem Teil des ... im Bereich der Anwesen ..., ... und 11 um eine erstmalig hergestellte Erschließungsanlage gehandelt habe, steht dem entgegen, dass - wie oben dargelegt - auch in diesem Bereich die Straßenentwässerung nicht den zu stellenden Anforderungen entsprochen hat und über das Stadium eines Provisoriums nie hinausgelangt ist. Im Übrigen stellt der genannte Bereich - wie sich selbst noch aus der topographischen Karte von 1978 (S. 22 der Gerichtsakte) ersehen lässt - in der Zeit der Straßenarbeiten von 1969 keinen Ortsteil, sondern eine aus wenigen Gebäuden bestehende unorganische Streubebauung, d.h. eine nicht am Bebauungszusammenhang des „Ortskerns“ von ... teilnehmende „Splittersiedlung“ im Sinn von § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB dar mit der Folge, dass die damals erfolgten Straßenbauarbeiten jedenfalls nicht zur Herstellung einer zum Anbau bestimmten Erschließungsanlage gedient haben.
39
Ergänzend wird zur weiteren Begründung auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Bescheid der Regierung von ... vom 30. März 2021 verwiesen.
40
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
41
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
42
Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 bzw. Nr. 4 VwGO).