Titel:
Unwirksamer Bebauungs- und Grünordnungsplan - Nichtberücksichtigung möglicher Verkehrszusatzbelastungen
Normenketten:
VwGO § 47
BauGB § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3
Leitsatz:
Ist ein konkretes Vorhaben Anlass für eine Angebotsplanung, muss der Plangeber im Rahmen einer abwägungsrelevanten Verkehrsprognose weitere von den Festsetzungen des Bebauungsplans abgedeckte Nutzungen in seine Prognoseentscheidung einbeziehen, wenn das konkrete Vorhaben, das den Planungsanlass darstellt, die Festsetzungen nicht ausschöpft und deshalb sonstige nach dem Bebauungsplan mögliche Verkehrszusatzbelastungen nicht umfasst. (Rn. 34)
Schlagworte:
Normenkontrollantrag, Bebauungsplan, Ermittlungs- und Bewertungsdefizit, Verkehrsprognose, Nichtberücksichtigung möglicher Verkehrszusatzbelastungen, Erhöhung des Schwerlastverkehrs, Verkehrslärmprognose, Gesamtunwirksamkeit
Fundstellen:
NuR 2023, 281
DVBl 2022, 1278
DÖV 2022, 1007
LSK 2022, 19892
BeckRS 2022, 19892
Tenor
I. Der am 11. November 2021 erneut bekanntgemachte Bebauungs- und Grünordnungsplan Nr. 171/1 „SO Kläranlagen - Flächen für Anlagen der öffentlichen Ver- und Entsorgung“ der Antragsgegnerin (Satzungsbeschlüsse vom 27. April 2020 und vom 20. Oktober 2021) ist unwirksam.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Antragsteller wendet sich gegen den nach Durchführung eines ergänzenden Verfahrens nochmals am 20. Oktober 2021 als Satzung beschlossenen und am 11. November 2021 erneut bekannt gemachten Bebauungs- und Grünordnungsplan Nr. 171/1 „SO Kläranlagen - Flächen für Anlagen der öffentlichen Ver- und Entsorgung“ der Antragsgegnerin. Auf dem überplanten Gelände wird eine seit den 1960er Jahren bestehende Kläranlage betrieben. Der Antragsteller ist Eigentümer des an der für die äußere Erschließung des Plangebiets vorgesehenen I. straße anliegenden Wohngrundstücks FlNr. …5 der Gemarkung I. (I.str. ...).
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Der streitgegenständliche Bebauungsplan setzt auf einer Gesamtfläche von ca. 15 ha durch Planzeichnung und textliche Festsetzungen drei aneinandergrenzende Sondergebietsflächen „SO1“, „SO2“ und „SO3“ im nordöstlichen Stadtgebiet in Donaunähe fest. Er soll den im Jahr 2008 erlassenen Bebauungsplan Nr. 171 „SO Kläranlage - Flächen für Anlagen der öffentlichen Ver- und Entsorgung“ ersetzen.
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Das „SO1“ (zentraler und großflächigster Teil des Plangebiets) betrifft laut Nr.
I. 1.1 der planlichen Festsetzungen und Nr.
II. 1.1 der textlichen Festsetzung „Flächen für Anlagen der öffentlichen Ver- und Entsorgung nach § 11 (2) BauNVO einschließlich Kläranlage mit Klärschlammbehandlung.“ In der textlichen Festsetzung Nr.
II. 1.1 wird die zulässige Art der baulichen Nutzung wie folgt konkretisiert:
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„Auf der Fläche ist eine Kläranlage mit Klärschlammbehandlung mit den zugehörigen Anlagenbestandteilen sowie der Kläranlage zugehörige Betriebs- und Verwaltungsgebäude, Lagerplätze und Nebenanlagen zulässig, außerdem die bereits besteh. Faultürme mit Cosubstratbehandlung einschl. Blockheizkraftwerk, die besteh. Klärschlammtrocknung und Kehrguthalle. Weiterhin ist ein Hochwasserpumpwerk zulässig. Wohnnutzung ist unzulässig.“
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Das „SO2“ (südöstlicher Teil des Plangebiets) betrifft laut Nr.
I. 1.2 der planlichen Festsetzungen und Nr.
II. 1.2 der textlichen Festsetzung „Flächen für Anlagen der öffentlichen Ver- und Entsorgung nach § 11 (2) BauNVO insbesondere Klärschlammverbrennungsanlage.“ Wörtlich heißt es in der textlichen Festsetzung Nr.
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„Auf der Fläche ist eine Klärschlammverbrennungsanlage mit den zugehörigen Anlagenbestandteilen wie Bunker, Trocknung, Verbrennung, Rauchgasreinigung, Kamine sowie der Verbrennungsanlage zugehörige Betriebs- und Verwaltungsgebäude, Lagerplätze und Nebenanlagen zulässig. Wohnnutzung ist unzulässig.“
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Das „SO3“ (nördlicher Teil des Plangebiets) betrifft laut Nr.
I. 1.3 der planlichen Festsetzungen und Nr.
II. 1.3 der textlichen Festsetzung „Flächen für Anlagen der öffentlichen Ver- und Entsorgung nach § 11 (2) BauNVO einschließlich Erweiterungsfläche Kläranlage mit Klärschlammbehandlung.“ In der textlichen Festsetzung Nr.
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„Auf der Fläche ist die Erweiterung der Kläranlage mit Klärschlammbehandlung mit den zugehörigen Anlagenbestandteilen sowie der Kläranlage zugehörige Betriebs- und Verwaltungsgebäude, Lagerplätze und Nebenanlagen zulässig, außerdem die bereits besteh. Faultürme mit Cosubstratbehandlung einschl. Blockheizkraftwerk, die besteh. Klärschlammtrocknung und Kehrguthalle. Wohnnutzung ist unzulässig.“
II. 1.4 der textlichen Festsetzungen heißt es zudem:
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„Innerhalb der Sondergebiete SO1, SO2 und SO3 sind weitere Anlagen der öffentlichen Ver- und Entsorgung zulässig sowie auch die Phosphatrückgewinnung aus der Verbrennung des Klärschlamms sowie weitere Anlagen und Einrichtungen, die der Abwasserbeseitigung und der Energie- und Gasgewinnung (Klärgas, Energieauskopplung) dienen.“
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Nach der Begründung des Bebauungsplans sei die bestehende Nutzung auf der Fläche SO1 durch den Bebauungsplan aus dem Jahr 2008 gedeckt. Die nördlich gelegene Fläche SO3 sei als Erweiterungsfläche vorgesehen. Auf der festgesetzten Fläche für das SO2 soll eine Fläche entwickelt werden, auf der die bauliche Errichtung einer Klärschlammverbrennungsanlage mit den erforderlichen Nebenanlagen möglich werde. Die Planbegründung nimmt zu der von Süden über die I. straße vorgesehenen äußeren Erschließung des Plangebiets auf ein im Planungsverfahren eingeholtes Gutachten der P. … GmbH zur verkehrlichen Situation vom 24. Oktober 2018 sowie hinsichtlich der Verkehrslärmbelastung auf eine schalltechnische Untersuchung der ... GmbH vom 14. Januar 2020 Bezug. Nach Letzterem seien die für Mischgebiete geltenden Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV an der I. straße auch unter Berücksichtigung der zukünftigen Nutzung des Plangebiets um mindestens 4 dB(A) tags und 10 dB(A) nachts unterschritten. Ergänzend verweist die Planbegründung darauf, dass im Laufe des Verfahrens das dem Grundstück des Antragstellers gegenüberliegende Grundstück (I.str. …, FlNr. … der Gemarkung I....) von der Antragsgegnerin mit notariell beurkundetem Vertrag habe erworben werden können. Damit seien auch die asphaltierten, bislang durch den Straßenverkehr in Anspruch genommenen Privatflächen auf der Straßenwestseite ins städtische Eigentum übergegangen. Diese würden mit dem Straßengrund vereinigt werden, sodass die dauerhafte Nutzung für den Straßenverkehr sichergestellt sei. Alternative Möglichkeiten der äußeren Erschließung werden in der Planbegründung sowie im Umweltbericht thematisiert, die vorgesehene Zuwegung über die I. straße aber als vorzugswürdig bewertet.
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Im Rahmen des Verfahrens der Bauleitplanung erhob der Antragsteller über Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 18. Juli 2018 und vom 14. Februar 2019 diverse Einwendungen gegen die Planung. In seiner Sitzung vom 27. April 2020 beschloss der Ferienausschuss der Antragsgegnerin den Bebauungsplan in der Fassung vom 8. Januar 2020 (erstmals) als Satzung, nachdem er sich vorher die von der Stadtverwaltung zu den eingegangenen Einwendungen erstellte Abwägungsvorlage durch Beschluss zu eigen gemacht hatte. Der Satzungsbeschluss wurde am 7. Mai 2020 im Amtsblatt der Antragsgegnerin bekannt gemacht. Am 28. Juli 2020 wurde die Antragsgegnerin als Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … im Grundbuch eingetragen.
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Mit Schreiben vom 28. Juni 2021 teilte die ... GmbH der Antragsgegnerin mit, dass ihr bei Abfassung des Lärmgutachtens vom 14. Januar 2020 die aktualisierten Daten des Verkehrsgutachtens vom 24. Oktober 2018 nicht vorgelegen hätten. Unter Berücksichtigung dieser Daten seien nunmehr ergänzende Berechnungen bei Ansatz der jeweils an der maximalen oberen Grenze liegenden Verkehrszahlen des Gutachtens vom 24. Oktober 2018 erfolgt. Diese Nachberechnungen hätten als Ergebnis erbracht, dass die Beurteilungspegel innerhalb des Tageszeitraums dieselben seien, wie sie im Lärmgutachten vom 14. Januar 2020 dokumentiert seien. Nachts trete im Vergleich zu den Ergebnissen des Lärmgutachtens eine geringfügige Pegelerhöhung von 1 bis maximal 2 dB(A) auf. Der Immissionsgrenzwert der 16. BImSchV werde nachts auch weiterhin in einer Größenordnung von etwa 10 dB(A) unterschritten.
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Am 20. Oktober 2021 trat der Bau- und Planungsausschuss gestützt auf § 214 Abs. 4 BauGB in ein ergänzendes Verfahren ein. In der von der Stadtverwaltung für die Ausschusssitzung verfassten Beschlussvorlage heißt es, das ergänzende Verfahren erfolge aufgrund einer Rüge des Antragstellers hinsichtlich der Zuständigkeit des Ferienausschusses. Laut einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg bestünden Zweifel an der auf ministerielle Handlungsempfehlung erfolgten Praxis, angesichts der sich aufbauenden ersten Welle der Corona-Pandemie unter weitgehender Kontaktvermeidung bis zum Ende der Wahlperiode kurzfristig einen Ferienausschuss nach Art. 32 Abs. 4 GO einzusetzen bzw. die Ferienzeiten eines bestehenden Ferienausschusses hieran anzupassen. Da diese Frage juristisch nicht abschließend geklärt sei, werde proaktiv das Problem über ein ergänzendes Verfahren gelöst. Ohne nochmalige Beteiligungen der Öffentlichkeit sowie der Behörden und der Träger öffentlicher Belange beschloss der Bau- und Planungsausschuss am 20. Oktober 2021 zunächst, die im Rahmen der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung eingegangenen Stellungnahmen zum Bebauungsplanentwurf gemäß der (vormaligen) Abwägungsvorlage vom 8. Januar 2020 zu behandeln. Sodann beschloss der Ausschuss neben der Übernahme der (vormaligen) Entwürfe zur Planbegründung und zum Umweltbericht den streitgegenständlichen Bebauungsplan erneut und inhaltsgleich als Satzung. Nach Ausfertigung durch den Oberbürgermeister am 5. November 2021 wurde der Satzungsbeschluss am 11. November 2021 im Amtsblatt der Stadt S. (Nr. 63) erneut bekannt gemacht.
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Mit Bescheid vom 8. April 2022 erteilte die Regierung von Niederbayern die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Klärschlamm-Monoverbrennungsanlage mit Nebenanlagen auf einem Standort im Bereich des festgesetzten SO2.
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Mit seinem bereits am 3. Mai 2021 erhobenen Normenkontrollantrag macht der Antragsteller die Unwirksamkeit des Bebauungsplans geltend. Das der Planung zugrundeliegende Verkehrsgutachten leide an diversen Mängeln. U.a. sei - was nicht berücksichtigt worden sei - nach den Festsetzungen zum Bebauungsplan jederzeit eine Kapazitätserweiterung der konkret geplanten Monoverbrennungsanlage möglich. Zudem seien nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans im Sondergebiet weitere „Anlagen der öffentlichen Ver- und Entsorgung“ zulässig, die bei der Verkehrsbegutachtung sowie der Verkehrslärmprognose unter Verstoß gegen das Ermittlungs- und Bewertungsgebot unberücksichtigt geblieben seien. Das der Planung zugrundeliegende Erschließungskonzept sei aufgrund der beengten Verhältnisse in der I. straße unzulänglich. Insbesondere sei hier und vor allem im Engstellenbereich beim Antragstellergrundstück mit problematischem - d.h. verkehrsgefährdendem, verkehrsbehinderndem bzw. nur unter Inanspruchnahme von Privatgrund als Ausweichraum abzuwickelndem - Begegnungsverkehr insbesondere bei Lkw-Beteiligung auszugehen. Mit Blick auf die von dem planbedingt ausgelösten zusätzlichen Verkehr ausgehenden Gefahren für Personen- und Sachwerte hätte die Antragsgegnerin Alternativen zur Erschließung des Plangebiets eingehender prüfen müssen. Auch stelle die schalltechnische Untersuchung vom 14. Januar 2020 aus unterschiedlichen Gründen keine geeignete Abwägungsgrundlage dar. Im Verfahren der Bauleitplanung seien zunehmende Geruchsbelastungen durch Transportvorgänge sowie die von dem zusätzlichen Fahrverkehr ausgehenden Erschütterungen und ihre Folgen für die Anlieger nicht hinreichend ermittelt bzw. berücksichtigt worden.
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Der Antragsteller beantragt in der Sache,
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den Bebauungsplan „SO Kläranlage - Flächen für Anlagen der öffentlichen Ver- und Entsorgung“ (Nummer 171/1) der Antragsgegnerin in der Gestalt, die er durch das ergänzende Verfahren gefunden hat, für unwirksam zu erklären.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Nach ihrer Ansicht sei bei der Planung der auf der I. straße zukünftig anfallende Verkehr sachgerecht ermittelt worden. Die Monoverbrennung sei ein wirtschaftlicher Betrieb, der auf einer Auslastung von 120.000 t Originalsubstanz bzw. 40.000 t Trockensubstanz pro Jahr ausgerichtet sei. Die angestrebte immissionsschutzrechtliche Genehmigung sei genau darauf ausgelegt. Auf diese Auslastung bezögen sich auch die angenommenen Lkw-Bewegungen in der der Planung zugrundeliegenden verkehrlichen Stellungnahme. Mit einer darüberhinausgehenden Lkw-Belastung könne nicht gerechnet werden. Dass die im Verkehrsgutachten angesetzten Zahlen in der Sache nach wie vor richtig seien, belegten u.a. die bei der Regierung von Niederbayern im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren eingereichten Antragsunterlagen. Es sei nicht geboten gewesen, die Kapazitäten für die Monoverbrennungsanlage durch eine Festsetzung im Bebauungsplan zu begrenzen. Für eine Kapazitätserweiterung über 120.000 Tonnen Originalsubstanz bzw. 40.000 Tonnen Trockensubstanz pro Jahr hinaus sei eine bauliche Erweiterung der Anlage vonnöten; bloße „effizienzsteigernde Organisationsmaßnahmen“ genügten dafür nicht. Nach den Festsetzungen des Bebauungsplans sei eine Klärschlammverbrennungsanlage jedoch nur im Sondergebiet SO2 zulässig, in den Sondergebieten SO1 und SO3 sei diese Nutzung ausgeschlossen. Das mit Bescheid der Regierung von Niederbayern vom 8. April 2022 immissionsschutzrechtlich genehmigte Vorhaben nutze die zur Verfügung stehende Fläche im SO₂ mit einer benötigten GRZ von 0,65 bereits in einem Umfang aus, dass angesichts der dort maximal zulässigen GRZ von 0,8 keine bedeutenden baulichen Erweiterungen mehr möglich seien. Ein im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eingereichter Außenanlagen- und Verkehrsflächenplan bestätige diese Einschätzung: Aus diesem sei ersichtlich, dass zwischen der baulichen Anlage und der gemäß planlicher Festsetzung Nr.
I. 6.3 zu schaffenden Fläche zur Anpflanzung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen zwar noch eine unbebaute Restfläche in der Mitte des Baugrundstücks vorhanden sei. Diese werde jedoch als Bewegungsfläche zum Anfahren der Annahmehalle benötigt und stehe somit für eine flächige Erweiterung des Bauwerks faktisch nicht zur Verfügung. Eine zusätzliche Konkretisierung der mit textlicher Festsetzung Nr.
II. 1.4 innerhalb der Sondergebiete SO1, SO3 und SO3 zugelassenen „weiteren Anlagen der öffentlichen Ver- und Entsorgung“ sei ebenfalls nicht erforderlich. Die Festsetzung sei einschränkend auszulegen. Aus den Klammerzusätzen bei den planlichen Festsetzungen I. 1.1 bis 1.3 gehe hervor, dass das Tatbestandsmerkmal „weitere“ der textlichen Festsetzung Nr.
II. 1.4. im Kontext mit den jeweiligen Bestimmungen für diese Sondergebiete auszulegen sei. Der Plangeber sei davon ausgegangen, dass „weitere Anlagen“ nur solche seien, die entweder der Kläranlage (SO1 und SO3) oder der Klärschlammverbrennungsanlage (SO2) dienten. Bei der Klärschlammverbrennungsanlage sei eine Verkehrszunahme nur im Falle einer mit baulichen Erweiterungen verbundenen und daher faktisch auszuschließenden Kapazitätserweiterung zu erwarten. Eine Kläranlage verursache als leitungsgebundene Einrichtung - mit Ausnahme des An- und Abfahrtsverkehrs der Bediensteten und der Anlieferung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe - durch ihren Betrieb von Haus aus keinen nennenswerten Verkehr. Dieser werde im vorliegenden Fall im Wesentlichen durch die zusätzliche Annahme von CoSubstraten, Fäkalien aus nicht an das Kanalnetz angeschlossenen Haushalten und Klärschlämmen (vgl. Begründung Seite 20, Ordner 4 Blatt 41) verursacht. Diese Nutzungen seien jedoch bereits über die textlichen Festsetzungen Nr.
II. 1.1. und 1.3. abgedeckt. Da es darüber hinaus keine weiteren in einer Kläranlage zu verwertenden Stoffe gebe, die mittels Lastkraftwagen angeliefert werden müssten, sei auch auszuschließen, dass durch die Festsetzung Nr.
II. 1.4. verkehrserhöhende Nutzungen ermöglicht würden. Zum Vorbringen der Antragsgegnerin zu den weiteren Einwendungen des Antragstellers wird auf deren Schriftsätze im Normenkontrollverfahren vom 1. Juli 2021, 2. September 2021, 9. Februar 2022 und 21. Juli 2022 verwiesen.
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Die Antragsgegnerin hat wenige Tage vor der gerichtlichen Inaugenscheinnahme sowie der mündlichen Verhandlung eine aktualisierte „Schalltechnische Untersuchung (…)“ der ... GmbH vom 13. Juli 2022 vorgelegt, das nunmehr die Verkehrszahlen der Verkehrsuntersuchung vom 24. Oktober 2018 zugrunde legt. Das Gutachten kommt zum Ergebnis, dass für sämtliche untersuchten Immissionsorte in der vorgesehenen Erschließungsvariante über die I. straße die einschlägigen Verkehrslärm-Beurteilungspegel der 16. BImSchV für Mischgebiete (Bebauung I.str. … . und S. Str.) bzw. für Gewerbegebiete (I.str. ...) durch den zu prognostizierenden Verkehr um mindestens 4 dB(A) tagsüber und 8 dB(A) nachts unterschritten seien. Für den Immissionsort am Antragstelleranwesen (I.str. ...) werden konkret Beurteilungspegel von 59 dB(A) tags (entspricht dem Ergebnis der früheren schalltechnischen Untersuchung vom 14. Januar 2020) und 45 dB(A) nachts [um 1 dB(A) höher als nach der schalltechnischen Untersuchung vom 14. Januar 2020] prognostiziert. Auch in Summenbetrachtung mit den Daten des Bestandsverkehrs würden die Immissionsgrenzwerte ebenfalls noch deutlich unterschritten; es trete gegenüber den errechneten Beurteilungspegeln lediglich eine Pegelerhöhung um jeweils etwa 1 dB(A) tagsüber und nachts auf. Die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV würden somit auch weiterhin eingehalten bzw. unterschritten. Bei Berücksichtigung der nunmehr fachtechnisch einschlägigen Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen RLS-19 und der dort vorzunehmenden Differenzierung nach „schweren“ und „leichten“ Lastkraftwagen resultierten im Vergleich mit den vorgenannten ermittelten Werten jeweils geringfügig niedrigere Beurteilungspegel an den Immissionsorten.
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Die Antragsgegnerin hat hierzu mit Schriftsatz vom 21. Juli 2022 ergänzend ausgeführt, es zeige sich bei einer Gegenüberstellung der ursprünglichen und der aktualisierten Fassung der schalltechnischen Untersuchung, dass sich bei der ausgewählten Erschließungsvariante über die I. straße die Beurteilungspegel zur Tagzeit nicht änderten. Zur Nachtzeit errechneten sich nunmehr im Vergleich zur früheren Verkehrslärmbegutachtung an relevanten Immissionsorten um 1 - 2 dB(A) erhöhte Beurteilungspegel. Eine Ergebnisrelevanz i.S. von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB sei zu verneinen. Die tatsächliche Lärmzusatzbelastung, insbesondere am Anwesen des Antragstellers, sei noch von der Schlussabwägung des Bau- und Planungsausschusses vom 20. Oktober 2021 gedeckt. Wie sich aus der maßgeblichen Textpassage auf Seite 30 der Anlage 1 zum Abwägungsbeschluss (Ordner 1 Blatt 78a) ersehen lasse, sei es dem Ausschuss bei seiner Abwägung nur darauf angekommen, dass „(…) im Bereich der I. straße keine unzulässigen [Lärm-] Belastungen zu erwarten“ seien. Dies decke sich auch mit der Feststellung auf Seite 19 der schalltechnischen Untersuchung, die als Anlage zum Umweltbericht ebenfalls Gegenstand der Beschlussfassung gewesen sei. Hiernach seien „die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV (…) auch weiterhin eingehalten bzw. unterschritten“. Ob diese Unterschreitung 8 dB(A) oder 10 dB(A) ausmache, sei nicht ausschlaggebend.
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Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich nicht am Verfahren beteiligt. Der Senat hat nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 31. Mai 2022 eine Inaugenscheinnahme der I. straße und deren Umfeld vorgenommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegten Planungsakten der Antragsgegnerin sowie auf die Protokolle der Inaugenscheinnahme und der mündlichen Verhandlung jeweils am 1. August 2022 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Der Normenkontrollantrag hat in der Sache Erfolg.
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1. Der innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellte Normenkontrollantrag ist zulässig. Insbesondere ist der Antragsteller antragsbefugt.
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Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Da das Wohngrundstück des Antragstellers nicht im Geltungsbereich des streitgegenständlichen Bebauungsplans liegt, kommt es darauf an, ob dieser eine mögliche Verletzung des in § 1 Abs. 7 BauGB normierten Abwägungsgebots geltend machen kann. Das bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privaten Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Es verleiht Privaten ein subjektives Recht darauf, dass ihre Belange in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend abgearbeitet werden. Macht ein Antragsteller im Normenkontrollverfahren die Verletzung des Abwägungsgebots geltend, muss er einen Belang als verletzt bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war. Das sind nur solche Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Nicht abwägungserheblich sind geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren. An die Geltendmachung einer - möglichen - Rechtsverletzung sind dabei keine höheren Anforderungen zu stellen als an die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Es genügt, dass ein Antragsteller substantiiert Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung als möglich erscheinen lassen (zum Ganzen: BVerwG, U.v. 24.9.1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 = juris Rn. 8 ff.; U.v. 16.6.2011 - 4 CN 1.10 - BVerwGE 140, 41 = juris Rn. 12 ff.; B.v. 28.5.2019 - 4 BN 44.18 - ZfBR 2019, 689 = juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 9.3.2020 - 15 N 19.210 - BayVBl 2020, 413 = juris Rn. 15 m.w.N.; B.v. 17.5.2021 - 15 N 20.2904 - BayVBl 2022, 165 = juris Rn. 20; U.v. 15.3.2022 - 15 N 21.1422 - juris Rn. 23).
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Die Antragsbefugnis ist hiernach mit Blick auf die abwägungsrelevante, mit der Erhöhung des Schwerlastverkehrs verbundene Verkehrslärmerhöhung - auch mit Blick auf eine womöglich erhöhte engstellenbedingte, mit Abbrems- und Anfahrten zusammenhängende erhöhte Lärmintensität (vgl. z.B. OVG NW, U.v. 6.2.2014 - 2 D 104/12.NE - BauR 2014, 1914 = juris Rn. 40 ff.) - zu bejahen. Der Antragsteller kann seine Antragsbefugnis darüber hinaus auf sein in der konkreten Planungssituation abwägungsrelevantes Interesse stützen, dass sich die Verkehrssituation in der I. straße auch unter dem Aspekt der Erschließung seines Grundstücks durch eine planbedingte Zunahme des Verkehrs nicht (weiter) verschlechtert. Die Verkehrsverhältnisse auf der I. straße sind - was auch im eingeholten Verkehrsgutachten zum Ausdruck kommt - insbesondere im Bereich der Engstelle, in der auch das Wohngrundstück des Antragstellers liegt, jedenfalls nicht völlig unproblematisch. Es erscheint zumindest als möglich, dass sich die prognostizierte Verkehrszunahme im Bereich der Engstelle spezifisch nachteilig auf die Erschließung des Grundstücks des Antragstellers - und damit abwägungsrelevant - auswirkt (BVerwG, B.v. 6.12.2000 - 4 BN 59.00 - NVwZ 2001, 431 = juris Rn. 7; OVG NW, U.v. 6.2.2014 a.a.O. Rn. 54 ff. m.w.N.).
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2. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Die angegriffene Planung leidet unter Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB an einem gem. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 215 BauGB beachtlichen Ermittlungs- und Bewertungsdefizit. Dieser Mangel begründet die Gesamtunwirksamkeit des streitgegenständlichen Bebauungsplans.
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a) Eine Gemeinde ist im Rahmen der Bauleitplanung verpflichtet, die für die Planung bedeutsamen öffentlichen und privaten Belange (Abwägungsmaterial) zu ermitteln und zu bewerten (§ 2 Abs. 3 BauGB) sowie sie gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (§ 1 Abs. 7 BauGB). Insgesamt unterliegt die Abwägung allerdings nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Gegen das rechtsstaatlich fundierte Gebot gerechter Abwägung wird verstoßen, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet (Abwägungsausfall), wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss (Abwägungsdefizit), wenn die Bedeutung dieser Belange verkannt wird (Abwägungsfehleinschätzung) oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität). Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung des anderen entscheidet. Das Vorziehen und Zurücksetzen bestimmter Belange innerhalb des vorgegebenen Rahmens ist die „elementare planerische Entschließung“ der Gemeinde über die städtebauliche Entwicklung und Ordnung und kein aufsichtlich oder gerichtlich nachvollziehbarer Vorgang (BayVGH, U.v. 18.1.2017 - 15 N 14.2033 - KommJur 2017, 112 = juris Rn. 35 m.w.N; U.v. 4.3.2021 - 15 N 20.468 - BayVBl 2022, 229 = juris Rn. 30). Für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan maßgebend (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB). § 2 Abs. 3 BauGB verlangt, dass allen abwägungsrelevanten Belangen mit der erforderlichen Ermittlungstiefe nachgegangen wird und die so ermittelten Belange zutreffend gewichtet werden. Während vormals die Abwägungsfehlerlehre, die ihrerseits auch Vorgaben für die Ermittlung und die Bewertung enthält, ausschließlich aus dem materiellen Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB) abgeleitet wurde, sieht der Gesetzgeber mit dem durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) vom 24. Juni 2004 (BGBl. I S. 1359 ff.) eingeführten § 2 Abs. 3 BauGB Ermittlungs- und Bewertungsmängel als Verfahrensmängel an (vgl. BVerwG, B.v. 30.6.2014 - 4 BN 38.13 - BauR 2014, 1745 = juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 18.1.2017 a.a.O. Rn. 36). Der Regelung liegt die Erwägung zugrunde, dass die für die konkrete Planungsentscheidung bedeutsamen Belange in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt und bewertet werden müssen, bevor sie gemäß § 1 Abs. 7 BauGB rechtmäßig abgewogen werden können (vgl. BayVGH, U.v. 13.12.2021 - 15 N 20.1649 - juris Rn. 41; U.v. 4.3.2021 a.a.O. Rn. 39; U.v. 17.7.2020 - 15 N 19.1377 - BayVBl 2021, 304 = juris Rn. 30; U.v. 24.11.2017 - 15 N 16.2158 - BayVBl 2018, 814 = juris Rn. 32).
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b) Soweit die Antragsgegnerin zu dem Abwägungsergebnis kommt, dass nach Maßgabe des planbedingt zu prognostizierenden Verkehrs und der insofern bei der Abwägung anzusetzenden Grunddaten auf der I. straße auch in Zukunft trotz Beengtheit hinnehmbare Verkehrsverhältnisse sowie hinnehmbarer Verkehrslärm entstehen, unterlag sie wegen § 2 Abs. 3 BauGB der Pflicht, die diesbezügliche Datenbasis ordnungsgemäß aufzuklären und aufzuarbeiten. Dem wird die Planung nicht hinreichend gerecht.
33
Der Senat hat im Rahmen der durchgeführten Inaugenscheinnahme die Überzeugung gewonnen, dass nicht nur für die Verkehrslärmprognose, sondern auch für die Bewertung der Aufnahmefähigkeit zusätzlichen (insbesondere Lastkraftwagen-) Verkehrs aufgrund bestehender Engstellen in der I. straße - auch und gerade im Bereich des Wohngrundstücks des Antragstellers - der zukünftige Straßenverkehr und damit auch der Umfang der infolge der Umsetzung des angegriffenen Bebauungsplans zu prognostizierenden dortigen Verkehrszunahme abwägungsrelevant war. Dieser musste mithin im Vorfeld der Abwägung mit Blick auf § 2 Abs. 3, § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB ordnungsgemäß ermittelt und für den entscheidungszuständigen Bau- und Planungsausschuss aufgearbeitet werden, um im Rahmen der Abwägung hinreichendes und „richtiges“ Datenmaterial zugrunde legen zu können (vgl. BayVGH, U.v. 13.12.2021 - 15 N 20.1649 - juris Rn. 65 m.w.N.). Verkehrsprognosen unterliegen nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Sie sind lediglich daraufhin zu überprüfen, ob sie methodisch einwandfrei erarbeitet worden sind, ob sie nicht auf unrealistischen Annahmen beruhen, ob der ihnen zugrundeliegende Sachverhalt zutreffend ermittelt wurde und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 4.4.2012 - 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 = juris Rn. 59; B.v. 28.11.2013 - 9 B 14.13 - UPR 2014, 141 = juris Rn. 7; B.v. 17.12.2019 - 4 B 53.17 - juris Rn. 36; U.v. 18.6.2020 - 3 C 2.19 - UPR 2021, 94 = juris Rn. 74; U.v. 23.6.2021 - 7 A 10.20 - NVwZ 2021, 1696 = juris Rn. 28). Der Senat kann vorliegend dahinstehen lassen, ob die Verkehrsprognose bereits deshalb den vorgenannten Maßstäben nicht genügt, weil in dem der Planung zugrundeliegenden Verkehrsgutachten vom 24. Oktober 2018 nicht im Einzelnen dargelegt wird, aufgrund welcher genauen sachverständigen Bewertungen aus den Ergebnissen der Verkehrszählungen an den beiden Zähltagen im September 2018 (vgl. die Grafiken auf Seite 2 des Gutachtens) auf die angesetzten Verkehrsbestandswerte in der Im. straße pro Tag (vgl. Tabelle Seite 4 des Gutachtens) geschlossen wird (zur grundsätzlichen Möglichkeit, eine Verkehrsprognose plausibel aus einer Verkehrszählung zu entwickeln, vgl. BayVGH, U.v. 10.12.2020 - 1 N 16.682 u.a. - BayVBl 2021, 813= juris Rn. 31; HessVGH, U.v. 13.10.2016 - 4 C 962/15.N - juris Rn. 116 ff.; OVG NW, U.v. 6.2.2014 - 2 D 104/12.NE - BauR 2014, 1914 = juris Rn. 84 ff.). Vorliegend fehlt es dem der Planung zugrunde gelegten Prognoseergebnis jedenfalls deshalb an Plausibilität, weil durch den Bebauungsplan eröffnete Nutzungsmöglichkeiten mit ggf. zusätzlicher (abwägungsrelevanter) Verkehrsbelastung von vornherein nicht berücksichtigt worden sind. Die Antragsgegnerin ist hier den Ermittlungs- und Bewertungsanforderungen des § 2 Abs. 3 BauGB nicht gerecht geworden, weil sie für die Prognose des planungsbedingt zunehmenden Verkehrs auf der I. straße neben dem Istzustand des Verkehrs auf den zusätzlichen Verkehr bei Umsetzung der konkret geplanten (zwischenzeitlich immissionsschutzrechtlich genehmigten) Klärschlammverbrennungsanlage abgestellt hat, ohne zu berücksichtigen, dass der angegriffene Bebauungsplan neben im Plangebiet bestehenden Nutzungen und der genehmigten Klärschlammverbrennungsanlage weitere Nutzugsmöglichkeiten eröffnet, die mit nicht unerheblichem Zusatzverkehr einhergehen können.
34
Dient ein Angebotsbebauungsplan als planungsrechtliche Grundlage für ein konkretes Vorhaben - wie hier die konkret geplante und zwischenzeitlich immissionsschutzrechtlich genehmigte Klärschlammverbrennungsanlage -, begegnet es jedenfalls grundsätzlich keinen durchgreifenden Bedenken, wenn die planende Kommune vor allem dieses Vorhaben zur realitätsnahen Abschätzung der absehbar planbedingten Verkehre und der planbedingten Lärmimmissionen heranzieht. Wählt eine Kommune das Instrument der „normalen“ Angebotsplanung, darf sie aber bei der Bewertung des Abwägungsmaterials nicht allein das konkrete Vorhaben betrachten, welches Anlass zu der Planung gegeben hat, sondern muss grundsätzlich von der maximalen Ausnutzung der Festsetzungen des Bebauungsplans ausgehen (NdsOVG, B.v. 4.1.2011 - 1 MN 130/10 - ZfBR 2011, 154 = juris Rn. 79). Ist ein konkretes Vorhaben Anlass für eine Angebotsplanung, muss der Plangeber im Rahmen einer abwägungsrelevanten Verkehrsprognose weitere von den Festsetzungen des Bebauungsplans abgedeckte Nutzungen in seine Prognoseentscheidung einbeziehen, wenn das konkrete Vorhaben, das den Planungsanlass darstellt, die Festsetzungen nicht ausschöpft und deshalb sonstige nach dem Bebauungsplan mögliche Verkehrszusatzbelastungen nicht umfasst (vgl. OVG NW, U.v.16.9.2016 - 2 D 46/14.NE - BauR 2017, 676 = juris Rn. 90; U.v. 6.2.2014 - 2 D 104/12.NE - BauR 2014, 1914 = juris Rn. 90). Letzteres wurde vorliegend nicht beachtet.
35
aa) Es ist insoweit bereits problematisch, dass die Antragsgegnerin die planungsrechtliche Zulässigkeit einer Klärschlammverbrennungsanlage im SO2 nicht durch einschränkende Regelungen - etwa im Rahmen der Nr.
II. 1.2 textlichen Festsetzungen - auf die Einsatzkapazitäten der derzeit konkret geplanten Anlage begrenzt hat, auf die sich die Verkehrsprognose vom 24. Oktober 2018 konkret bezogen hat, um (künftigen) Mehrverkehr verursachende Kapazitätserweiterungen auszuschließen. Der Plangeber hat auf Basis der Festsetzungsbefugnis nach § 11 BauNVO grundsätzlich die Möglichkeit, die Art der baulichen Nutzung näher zu konkretisieren und zu diesem Zweck die Merkmale zu bestimmen und zu begrenzen, die ihm am besten geeignet erscheinen, um das konkret verfolgte Planungsziel zu erreichen (vgl. BVerwG, U.v. 28.2.2002 - 4 CN 5.01 - NVwZ 2002, 1114 = juris Rn. 21; B.v. 21.12.2012 - 4 BN 32.12 - ZfBR 2013, 279 = juris Rn. 8; B.v. 9.2.2011 - 4 BN 43.10 - ZfBR 2011, 374 = juris Rn. 12, B.v. 25.11.2021 - 4 BN 13.21 - ZfBR 2022, 259 = juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 1.4.2015 - 1 N 13.1138 - BayVBl 2016, 852 = juris Rn. 21; U.v. 4.8.2015 - 15 N 12.2124 - juris Rn. 25; U.v. 28.6.2022 - 2 N 20.757 = juris Rn. 13; VGH BW, U.v. 8.5.2012 - 8 S 1739/10 - ZfBR 2012, 590 = juris Rn. 83 ff.). Bei einer hier erfolgten Festsetzung ohne Begrenzung der Einsatzkapazitäten, kann nicht selbstverständlich davon ausgegangen werden, dass sich künftige Nutzungsmöglichkeiten auf Dauer auf das konkret von der Antragsgegnerin geplante Vorhaben begrenzen. Auch wenn nach dem Vortrag der Antragsgegnerin die konkret geplante und zwischenzeitlich immissionsschutzrechtlich genehmigte Klärschlammverbrennungsanlage auf die genannten Kapazitäten bezogen ist und es zutreffen sollte, dass eine Kapazitätserweiterung der genehmigten Anlage u.a. mit Blick auf die festgesetzte Grundflächenzahl nicht ohne weiteres möglich ist, erscheint es jedenfalls bis zur Umsetzung des Vorhabens nicht völlig ausgeschlossen, dass dieses etwa auf Basis eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungs- / Änderungsverfahrens nochmals Umplanungen unterzogen wird, die eine Kapazitätserweiterung baulich ermöglichen. Zudem kann für die Zukunft nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass die Anlage nach ihrer Errichtung und nach womöglich mehrjährigem Betrieb z.B. auf Basis von § 15 BImSchG oder einer neuen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung größeren Umbauten / Umplanungen mit entsprechenden Kapazitätserweiterungen unterzogen wird.
36
bb) Unabhängig von den voranstehenden Erwägungen, ist die Antragsgegnerin im Rahmen der der Planung zugrundeliegenden Verkehrsprognose jedenfalls mit Blick auf die umfangreich eröffneten Nutzungsmöglichkeiten gem. Nr.
II. 1.4 der textlichen Festsetzungen nicht von der maximalen - mit möglichem Verkehr auf der I. straße einhergehenden - Ausnutzung der Festsetzungen des Bebauungsplans ausgegangen. Nach der textlichen Festsetzung Nr.
II. 1.4 sind - neben der Phosphatrückgewinnung aus der Verbrennung des Klärschlamms sowie Anlagen und Einrichtungen, die der Abwasserbeseitigung und der Energie- und Gasgewinnung (Klärgas, Energieauskopplung) dienen - in einem ganz allgemeinen und daher weit zu verstehenden Sinn w e i t e r e Anlagen der öffentlichen Ver- und Entsorgung zulässig.
37
In den festgesetzten Sondergebieten sind schon nach Nr. I 1.1 bis 1.3 der planlichen Festsetzungen, die die für § 11 Abs. 2 BauNVO notwendige Zwecksetzung festschreiben, allgemein „Anlagen der öffentlichen Ver- und Entsorgung“ zulässig, wobei die umschreibenden Zusätze für die drei Sondergebiete (beim SO1 „einschließlich Kläranlage mit Klärschlammbehandlung“, beim SO2 „insbesondere Klärschlammverbrennungsanlage“ sowie beim SO3 „einschließlich Erweiterungsfläche für Kläranlage mit Klärschlammbehandlung“) ergänzend klarstellen, dass dort sogar - aber eben nicht ausschließlich - jeweils neben allgemeinen auch besondere Formen von Anlagen der Ver- und Entsorgung möglich sein sollen. Während unter Nr.
II. 1.1 bis 1.3 der textlichen Festsetzungen speziell Nutzungen thematisiert werden, die mit dem Betrieb der Kläranlage und der Klärschlammverbrennungsanlage in Zusammenhang stehen, stellt Nr.
II. 1.4 der textlichen Festsetzungen klar, dass auch darüber hinaus - neben der „Phosphatrückgewinnung aus der Verbrennung des Klärschlamms“ sowie „weiteren Anlagen und Einrichtungen, die der Abwasserbeseitigung und der Energie- und Gasgewinnung (Klärgas, Energieauskopplung) dienen“ - auch „weitere Anlagen der öffentlichen Ver- und Entsorgung“ zulässig sein sollen. Die im Einzelnen detailliert aufgezählten Nutzungen mit Bezug zum Kläranlagen- und zum Verbrennungsanlagenbetrieb wären praktisch überflüssig, wenn in der auch regelungssystematisch als erweiternde Festsetzung zu verstehenden Nr.
II. 1.4 „weitere Anlagen der öffentlichen Ver- und Entsorgung“ nur solche Anlagen (ohne weiteres Verkehrsaufkommen) wären, die der Kläranlage (SO1 und SO3) oder der Klärschlammverbrennungsanlage (SO2) dienten. Eine Einschränkung der Festsetzung ergibt sich im Übrigen auch nicht aus sonstigen Planungsunterlagen, die Gegenstand der Abwägung waren. Insbesondere wird weder in der Planbegründung noch im Umweltbericht umschrieben oder thematisch eingegrenzt, was „weitere Anlagen der öffentlichen Ver- und Entsorgung“ sind. In der Planbegründung (S. 25 f.) heißt es sowohl für den „Bereich Kläranlage und Erweiterungsfläche Kläranlage“ (SO1 und SO3) als auch für den „Bereich Klärschlammverbrennungsanlage“ (SO2) insofern - den Inhalt der textlichen Festsetzung Nr.
II. 1.4 wiederholend - ebenso in einem weit zu verstehenden Wortsinn, dass innerhalb der drei Sondergebiete „weitere Anlagen der öffentlichen Ver- und Entsorgung (…) sowie auch die Phosphatrückgewinnung aus der Verbrennung des Klärschlamms sowie weitere Anlagen und Einrichtungen, die der Abwasserbeseitigung und der Energie- und Gasgewinnung (Klärgas, Energieauskopplung) dienen“, zulässig sind. Vor diesem Hintergrund lässt der Bebauungsplan mit erheblichem inhaltlichen Spielraum hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung weitere Nutzungen - wie etwa einen Abfallentsorgungsbetrieb, eine Sammelstelle für Grünabfall oder einen Wertstoffhof - zu, die mit nicht unerheblichem zusätzlichem Pkw- und Lkw-Verkehr verbunden sein können. Letzteres fand aber keinen Eingang in die - insoweit mithin unvollständige - Verkehrsprognose.
38
c) Der Ermittlungs- und Bewertungsmangel ist gem. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 215 BauGB als beachtlich anzusehen.
39
aa) Die Antragsgegnerin hat - wie gesehen - einen von der Planung berührten, abwägungserheblichen und damit i.S. von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB wesentlichen Belang nicht hinreichend ermittelt und bewertet. Die Offensichtlichkeit des Fehlers ergibt sich unmittelbar aus den Bebauungsplanakten, maßgeblich aus dem Verkehrsgutachten, der Begründung und dem Umweltbericht zum Bebauungsplan sowie den Unterlagen zur Schlussabwägung (vgl. die zuletzt mit Beschluss des Bau- und Planungsausschuss vom 20. Oktober 2021 übernommene Abwägungsvorlage vom 8. Januar 2020). Der Mangel im Planungsvorgang ist schließlich auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen. Hiervon ist schon dann auszugehen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne ihn die Planung anders ausgefallen wäre (zum Ganzen vgl. BayVGH, U.v. 18.1.2017 - 15 N 14.2033 - KommJur 2017, 112 = juris Rn. 42; B.v. 3.3.2017 - 15 NE 16.2315 - NVwZ-RR 2017, 558 = juris Rn. 28; U.v. 28.4.2017 - 15 N 15.967 - juris Rn. 53; Urteil Teilflächennutzungsplan; U.v. 17.7.2020 - 15 N 19.1377 - BayVBl 2021, 304 = juris Rn. 48; U.v. 4.3.2021 - 15 N 20.468 - BayVBl 2022, 229 = juris Rn. 50). Vorliegend kann nicht festgestellt werden, dass der für die Abwägung und den Satzungsbeschluss zuständige Bau- und Planungsausschuss in jedem Falle den Satzungsbeschluss mit demselben Inhalt erlassen hätte. Es steht die bislang gerade nicht untersuchte Frage im Raum, wie im Fall der Berücksichtigung möglicher Mehrverkehre bei umfassender Ausnutzung der Festsetzungsmöglichkeiten des Bebauungsplans die Verkehrszunahme in den Engstellen der I. straße sowie ein deswegen höherer Verkehrslärm zu beurteilen ist und ob der Ausschuss im Fall der Berücksichtigung einer diesbezüglich vollständigen Datenlage sich ebenfalls für denselben Bebauungsplan bzw. für den Bebauungsplan in derselben Variante der äußeren Erschließung entschieden hätte. Insbesondere ist offen, zu welcher konkreten Konfliktlösung der Bau- und Planungsausschuss bei grundsätzlichem Festhalten an der Planung im Falle der Konfrontation mit einer höheren Verkehrsbelastung aufgrund bislang nicht berücksichtigter Mehrverkehre gekommen wäre. So bestünde einerseits die Möglichkeit, dass dieser unter ordnungsgemäßer Aufarbeitung und Bewertung der aus erweiterten Nutzungsmöglichkeiten ergebenden Zusatzverkehre denselben Bebauungsplan ebenso beschlossen hätte. Alternativ besteht aber auch die Möglichkeit, durch eindeutige, hinreichend bestimmte (einschränkende) Festsetzungen diejenigen Nutzungen, die mit Mehrverkehren einhergehen können, auszuschließen (etwa indem die allgemeine Zulässigkeit „weiterer Anlagen der öffentlichen Ver- und Entsorgung“ nicht wie bislang eröffnet wird und / oder durch eine einschränkende Regelung in Nr.
II. 1.2 der textlichen Festsetzungen die Kapazitäten für die Monoverbrennungsanlage begrenzt werden). Damit fehlt es an einer hinreichenden Informationsbasis, die den Schluss zuließe, dass der Gemeinderat denselben Bebauungsplan auch bei Kenntnis einer ordnungsgemäß aufgearbeiteten Datenlage beschlossen hätte. Es ist zudem nicht Sache des Normenkontrollgerichts, etwa über ein Sachverständigengutachten eine diesbezüglich unterbliebene ordnungsgemäße Sachverhaltsermittlung für die Antragsgegnerin nachzuholen.
40
bb) Der Mangel im Abwägungsvorgang ist nicht gem. § 215 Abs. 1 BauGB präkludiert.
41
Erfolgt in einem ergänzenden Verfahren gem. § 214 Abs. 4 BauGB ein neuer Satzungsbeschluss, setzt sich der - insoweit als Einheit anzusehende - Bebauungsplan aus zwei Teilnormgebungsakten zusammen. Mit Abschluss des ergänzenden Verfahrens soll der „ursprüngliche“ Bebauungsplan zusammen mit dem geänderten Bebauungsplan insgesamt als e i n Bebauungsplan Wirksamkeit erlangen. Soweit das ergänzende Verfahren mit einem neuen Satzungsbeschluss abgeschlossen wird, entsteht mit dem neuen Satzungsbeschluss ein neuer Plan, der Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens sein kann. In diesem Fall existiert der Bebauungsplan in der vormals als Satzung beschlossenen und bekannt gemachten Fassung nicht mehr, sondern nur noch in der - nach Durchführung des ergänzenden Verfahrens - neu als Satzung beschlossenen und diesbezüglich neu bekanntgemachten Fassung (vgl. BayVGH, U.v. 15.6.2021 - 15 N 20.398 - juris Rn. 15 m.w.N.). Die Gemeinde - hier die Antragsgegnerin - setzt beim ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB das von ihr ursprünglich eingeleitete Verfahren an der Stelle fort, an der ihr der zu korrigierende Fehler unterlaufen ist. Die bisherigen Verfahrensschritte bleiben unberührt. Auf bisherige, im ergänzenden Verfahren nicht zu wiederholende Verfahrensschritte bezogene Rügemöglichkeiten nach § 215 Abs. 1 BauGB, die bereits verfristet sind, werden durch die erneute Bekanntmachung des Plans nach der Fehlerbehebung nicht neu eröffnet. Allerdings werden hinsichtlich der neu durchgeführten Verfahrensschritte die Rügemöglichkeiten nach § 215 Abs. 1 BauGB durch die erneute Bekanntmachung des Plans insoweit neu eröffnet. Das gilt hier auch für die Schlussabwägung und den Satzungsbeschluss, die vorliegend - wenn auch inhaltsgleich - im heilenden Verfahren vollumfänglich wiederholt worden sind (vgl. BVerwG, B.v. 6.12.2018 - 4 B 11.18 - ZfBR 2019, 274 = juris Rn. 4 m.w.N.; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Oktober 2021, § 215 Rn. 39b; Külpmann, jurisPR-BVerwG 16/2017 Anm. 3 m.w.N.). Daher begann die Präklusionsfrist des § 215 Abs. 1 BauGB mit der erneuten Bekanntmachung am 11. November 2021 für alle potenziellen Fehler zur Schlussabwägung und zum Satzungsbeschluss neu zu laufen. Für den Beginn des Laufs der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 BauGB ist daher nicht auf die Bekanntmachung des ersten Satzungsbeschlusses (vom 27. April 2020), sondern auf die am 11. November 2021 erfolgte Bekanntmachung des „heilenden“ Satzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2021 abzustellen. Die Jahresfrist war daher zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (1. August 2022) noch nicht abgelaufen. Die Kontrollbefugnis des Senats ist mithin gem. § 215 Abs. 1 BauGB von vornherein nicht eingeschränkt (BayVGH, U.v. 24.5.2022 - 15 N 21.2545 - juris Rn. 25 m.w.N.). Im Übrigen ist jedenfalls innerhalb noch laufender Frist (die mit der Neubekanntmachung im November 2021 neu zu laufen begann) der hier festgestellte Ermittlungs- und Bewertungsmangel vom Antragsteller mit entsprechender Anstoßwirkung schriftsätzlich gerügt worden (zur Möglichkeit einer rechtzeitigen Rüge über einen Schriftsatz im Normenkontrollverfahren vgl. BVerwG, U.v. 14.6.2012 - 4 CN 5.10 - BVerwGE 143, 192 = juris Rn. 27; BayVGH, U.v. 17.7.2020 - 15 N 19.1377 - BayVBl 2021, 304 = juris Rn. 49 m.w.N.).
42
d) Der Ermittlungs- und Bewertungsmangel bezieht sich von vornherein auf den gesamten Bebauungsplan - nämlich auf dessen äußere Erschließung im Ganzen - und begründet damit dessen Gesamtunwirksamkeit.
43
3. Aufgrund der zur Gesamtunwirksamkeit führenden Erwägungen zu 2. sind die weiteren vom Antragsteller erhobenen Einwendungen nicht entscheidungserheblich. Mit Blick auf ein eventuelles (weiteres) ergänzendes Verfahren (§ 214 Abs. 4 BauGB) bzw. auf ein neues Verfahren der Bauleitplanung weist der Senat - ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne abschließende rechtliche Bewertung - darauf hin, dass der Bebauungsplan folgende weitere Abwägungs-, Ermittlungs- und / oder Bewertungsmängel (soweit diese nicht bereits oben unter 2. angesprochen worden sind) aufweisen könnte:
44
- Möglicherweise wurde mit Blick auf den in § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB relevanten Entscheidungszeitpunkt der Ist-Zustand der Verkehrsbelastung nicht hinreichend erfasst, weil zwischenzeitliche Änderungen mit (möglicher) Verkehrsrelevanz wegen städtischen Erwerbs und neuer Nutzung des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung I. (I.str. ...) im Rahmen der Schlussabwägung vor dem erneuten Satzungsbeschluss nicht berücksichtigt worden sind.
45
- Es spricht Vieles dafür, dass aufgrund der ausdrücklich vom Antragsteller diesbezüglich im Verfahren der Bauleitplanung erhobenen Einwendung nicht auszuschließender zusätzlicher Schwerlastverkehr in der I. straße in seltenen, dann aber wochen- bzw. monatelang anhaltenden Sondersituationen der kommunalen Notfall- bzw. Nachbarschaftshilfe (Referenzfall Havarie der Kläranlage … 2018 / 2019) als Belastung der Anlieger der I. straße im Rahmen der Planung - und zwar unabhängig vom verkehrlichen „Normalzustand“ - ermittelt, bewertet und in die Abwägung eingestellt hätte werden müssen, wobei im Rahmen der Abwägung Belastungen der Anlieger in derartigen Sondersituationen mit Blick auf das Allgemeininteresse in Notfalllagen sowie auf die Seltenheit und zeitliche Begrenzung der Belastungslage wohl eher als zumutbar bewertet werden können als in Zeiten des Normalverkehrs.
46
- Womöglich hätten - wie in der mündlichen Verhandlung thematisiert - im Rahmen der Abwägung weitere Alternativen für die äußere Erschließung des Planbereichs in Betracht gezogen werden können.
47
- Nach Maßgabe einzelner gerichtlicher Entscheidungen (vgl. OVG NW, U.v. 6.2.2014 - 2 D 104/12.NE - BauR 2014, 1914 = juris Rn. 100 ff.; SächsOVG, U.v. 13.3.2008 - 1 D 6/07 - BRS 73 Nr. 24 - juris Rn. 40) hätten in der Verkehrslärmprognose ggf. auch engstellen- / wartebedingte Anhalte- und Beschleunigungsvorgänge ermittelt, bewertet und in der Abwägung berücksichtigt werden müssen.
48
- Die in der Schlussabwägung erfolgte Behandlung möglicher transportbedingter Geruchsimmissionen dürfte sich mit der Argumentation der Antragsgegnerin im gerichtlichen Normenkontrollverfahren nicht decken.
49
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
50
5. Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Ziffer I. der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen, wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre.