Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 12.05.2022 – AN 17 K 21.01090
Titel:

Baugenehmigung zur Errichtung einer Stützmauer - Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs

Normenketten:
BayBO Art. 68 Abs. 1 S. 1
BayStrWG Art. 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2
Leitsätze:
1. Art. 24 Abs. 1 BayStrWG schützt den normalen Verkehrsablauf, ohne dass die Wahrscheinlichkeit von Verkehrsunfällen bestehen muss. Erforderlich, aber auch ausreichend ist die erkennbare, in konkreten Ursachen bestehende Möglichkeit, nicht aber die unbedingte Gewissheit, dass das Bauvorhaben den Verkehrsablauf auf einer Kreisstraße beeinträchtigt oder gefährdet. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Verbleibende Zweifel wegen unklarer Baupläne gehen zu Lasten des durch die Genehmigung begünstigten Bauherren. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer Stützmauer (abgewiesen), Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayStrWG ist gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO Teil des Prüfprogrammes im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren (Anschluss an BayVGH, U.v. 7.6.2021 – 9 B 18.1655 – juris Rn. 30), Auswirkungen auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, eingeschränkte Sichtverhältnisse, Verkehrsgefährdung (bejaht), Art. 24 Abs. 1 BayStrWG schützt den normalen Verkehrsablauf, ohne dass die Wahrscheinlichkeit von Verkehrsunfällen bestehen muss. Erforderlich, aber auch ausreichend ist die erkennbare, in konkreten Ursachen bestehende Möglichkeit, nicht aber die unbedingte Gewissheit, dass das Bauvorhaben den Verkehrsablauf auf der Kreisstraße beeinträchtigt oder gefährdet, Kein Bestandsschutz durch bereits erteilter Baugenehmigung hinsichtlich Aufschüttung wegen widersprüchlicher Bauvorlagen, normalen Verkehrsablauf, Bauvorhaben
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 09.01.2023 – 9 ZB 22.1892
Fundstelle:
BeckRS 2022, 18261

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer durch den Beklagten abgelehnten Baugenehmigung zur Errichtung einer Stützmauer entlang ihrer südlichen Grundstücksgrenze.
2
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks mit der Flurnummer (FlNr.) … der Gemarkung … mit der Anschrift …, … Dieses ist nach Süden hin, unterbrochen nur durch einen schmalen, 1,35 m breiten Fußweg, von der A.H1. Straße (Kreisstraße ...) und westlich von der Straße L.…, die wiederum in die A.H1. Straße südlich einmündet, eingefasst. In der südlichen Grundstückhälfte kommt ein etwa 26 m langes und 11 m breites Bürogebäude zum Liegen, welches parallel zur A.H1. Straße ausgerichtet und ebenerdig errichtet ist, wobei das Gelände im weiteren südlichen Verlauf im Übergang zum Fußweg und der A.H1. Straße deutlich abfällt. Der Fußweg und die A.H1. Straße weisen ihrerseits entlang des klägerischen Grundstückes von Westen nach Osten ein Gefälle auf. Für das Bürogebäude liegt eine Baugenehmigung des Landratsamtes … vom 3. Dezember 2012 vor, welche unter I. 1. eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes u.a. hinsichtlich der Baugrenzen und des Sichtdreiecks sowie unter III. 3. die Auflage enthielt, dass an der Einmündung des L.… in die Kreisstraße in 3 m Abstand von deren Fahrbahnrand ein Sichtdreieck auf 70 m Länge - gemessen in der Fahrspurachse der Kreisstraße - von sichtbehindernden Gegenständen aller Art mit einer Höhe von mehr als 0,8 m über den anliegenden Fahrbahnen freizuhalten sei. Vor der südlichen Außenwand des Bürogebäudes befindet sich eine Werbeanlage an der Stätte der Leistung („…“), deren Ansichtstafel im rechten Winkel zur Fahrbahn der A.H1. Straße steht. Diese wurde mit Bescheid des Landratsamtes … vom 26. November 2014 unter Erteilung einer Befreiung von Festsetzungen des Bebauungsplanes (Baugrenze; Sichtdreieck) genehmigt. In Ziffer III. 2. war zusätzlich angeordnet, dass an der FlNr. … (....) in 3 m Abstand vom Fahrbahnrand der Kreisstraße ein Sichtdreieck auf 70 m Länge, gemessen in der Fahrspurachse der Kreisstraße, von sichtbehindernden Gegenständen aller Art mit einer Höhe von mehr als 0,8 m über den anliegenden Fahrbahnen freizuhalten sei.
3
Das klägerische Grundstück ist bis etwa zu seiner Mitte Teil des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplanes Nr. .„…“ der Gemeinde … in der Fassung seiner 1. Änderung, ortsüblich bekannt gemacht am 29. Juni 1992. Dieser setzt hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet fest und zieht hinsichtlich des in seinem räumlichen Geltungsbereich liegenden Teils des Vorhabengrundstückes der Klägerin eine Baugrenze, die nach Süden hin etwa 6 bis 7 m vor der südlichen Grundstücksgrenze der Klägerin enden dürfte sowie nach Osten und Westen hin jeweils etwa 5 m vor dem L.… bzw. der östlichen Grenze des Geltungsbereiches des Bebauungsplanes Halt macht. Zudem verläuft südlich dieser Baugrenze eine „anbaufreie Zone nach Art. 23/1 B. Str.WG und Sichtdreieck“, welche(s) bis hinein in die A.H1. Straße reicht.
4
Die Lage stellt sich wie folgt dar:
Quelle: Auszug aus dem zeichnerischen Teil des B-Plans Nr. … der Gemeinde …
5
Mit Schreiben vom 10. Februar 2015 teilte das Staatliche Bauamt … dem Landratsamt … mit, dass die Straßenbauverwaltung während einer Streckenkontrolle darauf aufmerksam geworden sei, dass im Zuge der Errichtung der Werbeanlage für die Firma … auch eine Stützmauer errichtet worden sei. Bei der örtlichen Begehung am 3. Februar 2015 habe sich gezeigt, dass durch die Natursteinquader die Sicht auf die vorbeiführende Kreisstraße erheblich verschlechtert worden sei. Es liege keine straßenrechtliche Genehmigung vor. Die Anforderungen an die Freihaltung entsprechender Sichtdreiecke im Zuge der Baugenehmigungen aus 2012 und 2014 seien nicht eingehalten worden.
6
Anlässlich einer Baukontrolle des Landratsamtes … am 17. August 2016 wurde in einer Gesprächsnotiz vom 23. August 2016 festgehalten, dass die Stützmauer, die nach der Genehmigung der Werbeanlage errichtet worden sei, eine Beeinträchtigung des Sichtdreiecks darstelle. Mit Schreiben des Landratsamtes vom 23. August 2016 an die Firma …, wurde letzterer mitgeteilt, dass für die Stützmauer keine Baugenehmigung bestehe und sie zudem gegen die Auflage Nr. 3 des Bescheides vom 3. Dezember 2012 und gegen die Auflage Nr. 2 des Bescheides vom 26. November 2014 hinsichtlich der Sichtdreiecke verstoße und somit auch nachträglich nicht genehmigungsfähig sei. Die Stützmauer sei daher bis zum 15. Oktober 2016 zurückzubauen, andernfalls eine kostenpflichtige Anordnung mit Androhung eines Zwangsgeldes ergehen werde.
7
Mit Schreiben der Gemeinde … an das Landratsamt … vom 30. September 2016 teilte diese hinsichtlich der ihr bekannt gewordenen Rückbauaufforderung mit, dass weder durch die Errichtung des Bürogebäudes noch durch die Befestigung der schon immer vorhandenen Böschung die Höhenlage verändert worden sei. Im Gegenteil sei durch die Baumaßnahme die Sichtlage wesentlich verbessert worden.
8
Am 11. November 2016 fand erneut ein Ortstermin des Landratsamtes unter Beteiligung des damaligen ersten Bürgermeisters der Gemeinde …, dem …büro, der PI … und dem Bauunternehmer der Klägerin statt. Im Rahmen der anschließenden Besprechung hat das Landratsamt ausweislich einer E-Mail vom 14. November 2016 u.a. vorgeschlagen, die oberste Steinreihe auf die Hälfte der Länge zwischen der Straßeneinmündung und der Werbeanlage zum Gebäude - bis zur gepflasterten Fläche - zu versetzen und im weiteren Verlauf in dem besonders sichtbeeinträchtigenden Abschnitt zwischen der Werbeanlage und dem Mauervorsprung um eine Steinreihe (ca. 50 cm) abzusenken. Der Vertreter des …büros habe sich hiermit einverstanden erklärt und angegeben, die baulichen Maßnahmen im Frühjahr 2017 durchzuführen.
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Mit Schreiben vom 9. Januar 2018 an das …büro teilte das Landratsamt … mit, dass bei einer Baukontrolle festgestellt worden sei, dass die im Ortstermin am 11. November 2016 besprochene Maßnahme bislang nicht umgesetzt worden sei. Die Stützmauer sei im Rahmen des Gesamtvorhabens zu sehen und unterliege einer baurechtlichen Genehmigungspflicht. Daher sei zur Überprüfung der nachträglichen Genehmigungsfähigkeit bis spätestens 28. Februar 2018 ein Bauantrag einzureichen.
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Weiter findet sich in den Behördenakten eine „Niederschrift“ der … (Briefkopf) vom 1. August 2019 anlässlich einer zweiten Ortsbesichtigung am selben Tag. Die „Niederschrift“ hält fest, dass die Stützmauer entsprechend der Vereinbarung im Ortstermin vom 11. November 2016 umgebaut worden und die erforderliche Sichtweite hergestellt worden sei. Es sei eindeutig festgestellt worden, dass durch die Umbaumaßnahme alle Anforderungen bezüglich der Sichtverhältnisse eindeutig vorhanden seien.
11
Als nächstes ist in den Behördenakten ein Bauantrag der Bauherrin, der Klägerin, vom 12. August 2019 zur Errichtung einer Stützmauer dokumentiert, der beim Landratsamt … am 19. September 2019 eingegangen ist. Im ebenfalls eingereichten Katasterauszug ist die Stützmauer händisch in roter Farbe auf der südlichen Grundstücksgrenze eingezeichnet, wobei sie nach Westen hin die westliche Außenwand des Bürogebäudes etwas überragt. In der beigefügten Planzeichnung ist die Mauer als aus übereinanderliegenden Reihen von Natursteinquadern bestehend und mit einer Länge von 43,60 m und einer Breite von 60 cm eingezeichnet (der sich südlich anschließende Fußweg mit einer Breite von 1,30 m). Wegen des in West-Ost-Richtung höhenmäßig abfallenden Fußweges beträgt die Höhe der Stützmauer vom Fußweg aus gesehen am westlichen Ende 90 cm, erhöht sich sodann auf 1,35 m, weiter auf 1,84 m, weiter auf 2,15 m und endet am östlichen Ende auf einer Höhe von 2,45 m.
12
Die Gemeinde … erteilte zu diesem Bauantrag mit Schreiben vom 17. September 2019 das gemeindliche Einvernehmen. Der Gemeinderat habe in seiner öffentlichen Sitzung vom 16. September 2019 mit 11:0 Stimmen einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. .„…“ hinsichtlich der Höhe der Grundstückseinfriedungen zugestimmt.
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Das Staatliche Bauamt … nahm zu dem Bauvorhaben der Klägerin mit Schreiben vom 16. Dezember 2019 gegenüber dem Landratsamt Stellung und führte aus, dass das Bauvorhaben straßenrechtlich nach Art. 24 Abs. 1 BayStrWG zu beurteilen sei. Das Staatliche Bauamt könne sein Einverständnis nicht erteilen. Es sei als Auflage festgelegt, dass an der Einmündung des L.… in die Kreisstraße in 3 m Abstand vom Fahrbahnrand der Kreisstraße ein Sichtdreieck auf 70 m Länge, gemessen in der Fahrspurachse der Kreisstraße, einzuhalten sei und von sichtbehindernden Gegenständen aller Art mit einer Höhe von mehr als 0,8 m über den anliegenden Fahrbahnen freizuhalten sei. Diese Auflage sei nicht erfüllt. Durch die bereits errichtete Stützmauer sei in Richtung Osten keine ausreichende Sicht vorhanden, um ein sicheres Einfahren auf die Kreisstraße zu ermöglichen, weswegen die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gefährdet sei. Das Staatliche Bauamt könne jedoch sein Einverständnis unter folgenden Bedingungen und Auflagen in Aussicht stellen:
„1. An der Fl.Nr. … (....) ist in 3,00 m Abstand vom Fahrbahnrand der Kreisstraße ein Sichtdreieck auf 70,00 m Länge (gemessen in der Fahrspurachse der Kreisstraße) von sichtbehindernden Gegenständen aller Art, auch Anpflanzungen, mit einer Höhe von mehr als 0,80 m über den anliegenden Fahrbahnen freizuhalten. Eine ausreichende Sichtverbesserung kann erreicht werden, in dem der gepflasterte Weg auf dem Grundstück mit der Flur Nr. … auf ein Mindestmaß zurückgenommen und die Natursteinmauer ab der Werbeanlage „…“ so verschwenkt wird, dass die Vorderkante der Natursteinmauer auf die bestehende Hausecke des Bürogebäudes zuläuft. Die ausreichenden Sichtverhältnisse (Sichtdreieck 3m/70m) sind in einem Lageplan darzustellen.
2. -5. (…)“
14
Mit Schreiben des Landratsamtes … vom 15. Juli 2020 wurde die Klägerin aufgefordert, die vom Staatlichen Bauamt geforderten Planunterlagen bis zum 14. August 2020 einzureichen, nachdem die bereits mit Schreiben vom 14. Januar 2020 gesetzte Frist bis zum 27. März 2020 verlängert worden war. Daraufhin teilte der Planfertiger dem Landratsamt am 20. Juli 2020 telefonisch mit, dass die Bauherrin noch immer auf eine Stellungnahme des Staatlichen Bauamtes warte. Am 29. Januar 2020 habe eine erneute Ortseinsicht mit diesem und der Polizei stattgefunden. Seitdem sei keine Stellungnahme des Staatlichen Bauamtes mehr erfolgt. Er und die Bauherrin würden daher mit diesem nicht mehr reden. Mit einem am 27. Juli 2020 beim Landratsamt eingegangenen Schreiben äußerte die Klägerin, ihr sei unverständlich, wieso noch ein zweiter Rückbau der Natursteinmauer bis zur Pflasterfläche und geänderte Planunterlagen gefordert würden. Sie verweise hierzu auf die klärenden Ortsbesichtigungen vom 11. November 2016, vom 1. August 2019 und vom 29. Januar 2020. Nach der ersten Ortsbesichtigung sei die bestehende Stützmauer wie besprochen umgebaut worden, bei der zweiten Ortsbesichtigung habe es diesbezüglich keine Beanstandung gegeben. Erst bei der dritten Ortsbesichtigung sei durch das Staatliche Bauamt ein zusätzlicher Rückbau gefordert worden. Dies lehne sie ab und werde auch keine geänderten Planunterlagen einreichen.
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Mit weiterem Schreiben des Staatlichen Bauamtes vom 23. Juli 2020 führte dieses gegenüber dem Landratsamt … aus, dass nach ihrem Dafürhalten aus Gründen der Verkehrssicherheit an der Einmündung des L.… in die Kreisstraße ein Sichtdreieck auf 70 m Länge eingehalten werden müsse, was jedoch aufgrund der bereits gebauten Mauer nicht möglich sei.
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In einem weiteren Schreiben vom 2. November 2020 führte das Staatliche Bauamt aus, dass sich der Landrat … in einem Telefongespräch vom 12. Oktober 2020 an das Staatliche Bauamt gewandt und zum Ausdruck gebracht habe, dass er den Vorgang gerne zum Abschluss bringen würde. Aus seiner Sicht sei die Nachbesserung an der Mauer und das vorhandene Verkehrszeichen 206 (Stopp-Schild) ausreichend. Das Staatliche Bauamt sehe jedoch weiterhin Bedenken in Bezug auf die Verkehrssicherheit, da das Sichtdreieck an der Einmündung in die Kreisstraße aufgrund der Stützmauer deutlich nicht eingehalten werden könne. Wegen der fehlenden Anfahrsicht vom L.… nach links in die Kreisstraße sei es nur möglich, sich in die Fahrbahn zu tasten. Fahrzeuge, die sich auf der … befänden, müssten gegebenenfalls abbremsen, um Kollisionen mit einbiegenden Fahrzeugen zu verhindern. Durch ein Versetzen eines Teilmauerstücks würde sich die Problematik beheben lassen.
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Mit Schreiben vom 3. Dezember 2020 teilte das Landratsamt … der Klägerin mit, dass durch die von ihr beabsichtigte Art der Bauausführung eine zu starke Gefährdung des Verkehrs im Sinne des Art. 14 BayBO vorliege. Die straßenrechtliche Genehmigung nach dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz könne daher nicht erteilt werden. Zur Genehmigungsfähigkeit des Bauantrages sei daher die oberste Steinreihe auf die Hälfte der Länge zwischen der Straßeneinmündung und der Werbeanlage zum Gebäude hin bis zur gepflasterten Fläche zu versetzen und im weiteren Verlauf in dem besonders sichtbeeinträchtigenden Abschnitt zwischen der Werbeanlage und dem Mauervorsprung um eine Steinreihe (ca. 50 cm) abzusetzen. Die Pläne seien entsprechend zu ändern und einzureichen bis spätestens 30. Januar 2021.
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Daraufhin entgegnete der nunmehr bevollmächtigte Rechtsanwalt der Klägerin mit Schreiben vom 8. Januar 2021, dass der Bauantrag exakt dem entspreche, was in den mehreren Ortsterminen, speziell am 1. August 2019 unter Beteiligung zweier Mitarbeiter der Straßenmeisterei … festgelegt worden sei. Darüber hinaus habe der aus dem L.… Fahrende eine Stoppstelle und gegenüberliegend einen großen Verkehrsspiegel bezüglich des aus Osten anfahrenden Verkehrs, durch den die Straße nicht nur 70 m, sondern weiter und höher einsehbar sei. Im Bereich der vor der Errichtung der Stützmauer vorhandenen Böschung sei dort sogar noch eine Hecke gestanden, die eine Höhe über 3 m gehabt habe und daher die Sichtbeeinträchtigung noch größer gewesen sei. Selbst bei einem vermeintlichen Abstand von 50 m im innörtlich zulässigen Geschwindigkeitsbereich sei der Brems- und Anhalteweg selbst bei einem hereintastenden Fahrzeug weit geringer als 50 m, daher bestünden keinerlei berechtigte Einwendungen gegen die beantragte Baugenehmigung. Bereits jetzt werde höchst vorsorglich beantragt, Ausnahmen/Befreiungen soweit nötig zu erteilen.
19
In einer E-Mail des Sachgebietes Verkehrswesen an das Bauamt des Landratsamtes … vom 19. Januar 2021 wurde ausgeführt, dass die Maße der Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen (RASt) nicht eingehalten würden. Hinsichtlich der Stopp-Stelle und des Verkehrsspiegels bleibe festzuhalten, dass diese Maßnahmen nur einen Behelf darstellten, die nicht-richtlinienkonforme Ausgestaltung der Einmündung zu entschärfen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass ein Verkehrsspiegel, sofern er wie hier nicht beschlagfrei und beheizt sei, im Winterhalbjahr aufgrund der Witterung eben nicht zur besseren Einsichtnahme in das übergeordnete Straßennetz führe.
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Mit Schreiben vom 15. Februar 2021 teilte das Staatliche Bauamt dem Landratsamt mit, dass es aufgrund der ihm nunmehr bekannt gewordenen Zusagen aus dem Ortstermin vom 11. November 2016 von seiner ursprünglichen Forderung nach vollständiger Freihaltung des Sichtdreiecks Abstand nehme. Es sei aber die im November 2016 vereinbarte Kompromisslösung vollumfänglich durchzusetzen. Jedoch seien die entsprechenden Umbauarbeiten bis heute nicht erfolgt, so dass die Einschränkungen der Sichtbeziehung weiterhin bestehen blieben.
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Mit Schreiben vom 1. März 2021 teilte das Landratsamt … dem Klägerbevollmächtigten mit, dass das Bauvorhaben nicht genehmigungsfähig sei, da es die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs im Sinne des Art. 14 Abs. 2 BayBO gefährde. Hinsichtlich des durch den Klägerbevollmächtigten angesprochenen Ortstermins vom 1. August 2019 seien von den Mitarbeitern der Straßenmeisterei nur spontane Einschätzungen geäußert und darauf verwiesen worden, dass eine finale Aussage nicht getroffen werden könne. Zwar nehme das Staatliche Bauamt … nunmehr Abstand von der ursprünglichen Forderung nach vollständiger Freihaltung des Sichtdreiecks, es sei aber die im November 2016 vereinbarte Kompromisslösung vollumfänglich umzusetzen. Es sei beabsichtigt, den Bauantrag abzulehnen. Dazu könne Stellung genommen werden.
22
Daraufhin äußerte sich der Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 27. April 2021 und führte aus, dass nach seiner Ansicht bezüglich der anbaufreien Zone nach § 23 Abs. 1 BayStrWG, die entsprechenden Sichtdreiecke als Spezialnormierung vorgegeben seien. Bei einer an die H2. straße angebauten Erschließungsstraße sei mit Blick auf die RASt06 in Kapitel 6.3.9.3. geregelt, dass bei der innerörtlichen Regelgeschwindigkeit von 50 km/h die Haltesicht mit 47 m festgelegt sei. Insofern sei eine Entfernung der Mauer nicht gerechtfertigt und es liege keine Gefährdung des Verkehrs gemäß Art. 14 BayBO vor. Es habe sich auch in der zurückliegenden Zeit keine besondere Unfallbedingtheit herausgestellt. Weiterhin werde auf das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 3. August 2017 (M 2 K 16.3853) verwiesen, das die Ansicht der Klägerseite stütze.
23
Mit Bescheid vom 6. Mai 2021 lehnte das Landratsamt … den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer Stützmauer auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, ab. Zur Begründung wurden größtenteils die bereits im Verwaltungsverfahren geäußerten Ansichten erneut wiedergegeben und zusätzlich ausgeführt, dass eine Baugenehmigung nach Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO i.V.m. Art. 24 Abs. 1 BayStrWG nicht erteilt werden könne, da das erforderliche Einvernehmen der Straßenbaubehörde nicht vorliege. Dieses dürfe verweigert werden, soweit dies für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, insbesondere wegen der Sichtverhältnisse und der Verkehrsgefährdung erforderlich sei. Im Übrigen könne die Bauaufsichtsbehörde den Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben im Sinne des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoße, wie hier den Art. 14 Abs. 2 BayBO, nach dem die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs durch bauliche Anlagen und deren Nutzung nicht gefährdet werden dürfe.
24
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 10. Juni 2021 Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach. Zur Begründung führt sie aus, dass ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung bestehe. Die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs werde durch die tatsächliche Ausführung der Mauer nicht beeinträchtigt. Die Mauer sei auch an die getroffene Absprache, dass die untersten, deutlich schmaleren Steine gegen die oberste Steinreihe ausgetauscht würden, angepasst worden. Das Staatliche Bauamt … habe zudem von der ursprünglichen Forderung einer vollständigen Freihaltung des Sichtdreiecks Abstand genommen und die vorhandene Einsichtsmöglichkeit sei völlig ausreichend. Jedenfalls wäre als weniger einschneidende Maßnahme die Baugenehmigung unter den Gegebenheiten der vermeintlichen Kompromisslösung - eine diesbezügliche Absprache könne so nicht bestätigt werden - auszusprechen.
25
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Landratsamtes … vom 6. Mai 2021 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Stützmauer - wie beantragt - auf dem Grundstück …, …, FlNr. … zu erteilen.
26
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
27
Zur Begründung nimmt er zunächst auf die Behördenakten und den streitgegenständlichen Bescheid Bezug und führt darüber hinaus aus, dass das Landratsamt am 29. September 2021 eine Ortseinsicht vorgenommen und Fotos vom Fahrersitz eines Autos aus angefertigt habe (Seite 31 f. der Behördenakte). Daraus werde deutlich, dass eine nicht unerhebliche Einschränkung des Sichtfeldes bestehe, wenn man an der Haltelinie stehe. Vor allem durch die in Richtung Kreuzung befindliche obere Steinreihe werde das Sichtfeld stark eingeschränkt. Soweit sich die Klägerin auf einen Bestandsschutz auf Basis der angeblich erfolgten Zusagen des Staatlichen Bauamtes im Rahmen des Ortstermins am 11. November 2016 berufe, sei festzuhalten, dass es sich um einen Schwarzbau handele. Weder durch das Staatliche Bauamt noch den Beklagten sei eine Zusicherung im Sinne des Art. 38 BayVwVfG getroffen worden, schon da diese einer Schriftform bedurft hätte gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG. Im Übrigen sei die Firma … mit Schreiben vom 9. Januar 2018 aufgefordert worden, einen Bauantrag für die Stützmauer in der oben genannten Ausführung einzureichen. Stattdessen sei die Mauer eigenhändig und in anderer Weise im Jahr 2018 umgestaltet worden. Der Bauantrag sei daraufhin nachträglich am 19. September 2019 eingereicht worden. Die Klägerin habe sich damit sehenden Auges in eine für sie missliche Situation gebracht, da die Mauer nachträglich und erneut ohne Genehmigung verändert worden sei.
28
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Behördenakten und die Gerichtsakte verwiesen. Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung mit Augenscheinseinnahme am 12. Mai 2022 wird auf die Niederschrift sowie die gefertigten Lichtbilder verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Ablehnung der durch die Klägerin beantragten Baugenehmigung durch den Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.
30
1. Die Ablehnung der beantragten Baugenehmigung durch den Beklagten ist gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO rechtmäßig, da das Vorhaben der Klägerin zwar genehmigungspflichtig, jedoch nicht genehmigungsfähig ist.
31
a) Das Vorhaben der Klägerin verstößt gegen Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG), der gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO Teil des Prüfprogrammes im hier anzuwendenden vereinfachten Baugenehmigungsverfahren ist (BayVGH, U.v. 7.6.2021 - 9 B 18.1655 - juris Rn. 30; s.a. VG München, U.v. 30.7.2019 - M 1 K 17.4867 - juris Rn. 37 m.w.N.).
32
Nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayStrWG dürfen baurechtliche Genehmigungen u.a. für die Errichtung baulicher Anlagen längs von Kreisstraßen, hier die A.H1. Straße (....), in einer Entfernung bis zu 30 m - gemessen vom Rand der Fahrbahndecke - nur im Einvernehmen mit der Straßenbaubehörde erteilt werden, welche hier das Staatliche Bauamt … ist (Art. 58 Abs. 2 Nr. 2, Art. 59 Abs. 1 BayStrWG). Die Straßenbaubehörde darf das Einvernehmen gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG nur verweigern oder von Auflagen abhängig machen, soweit dies für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs, besonders wegen der Sichtverhältnisse, Verkehrsgefährdung, Bebauungsabsichten und Straßenbaugestaltung erforderlich ist. Art. 24 Abs. 1 BayStrWG schützt den normalen Verkehrsablauf, ohne dass die Wahrscheinlichkeit von Verkehrsunfällen bestehen muss. Erforderlich, aber auch ausreichend ist die erkennbare, in konkreten Ursachen bestehende Möglichkeit, nicht aber die unbedingte Gewissheit, dass das Bauvorhaben den Verkehrsablauf auf der Kreisstraße beeinträchtigt oder gefährdet (BayVGH, U.v. 7.6.2021 - 9 B 18.1655 - juris Rn. 32; Wiget in Zeitler, BayStrWG, 31. EL September 2021, Art. 24 Rn. 47). Was die in Art. 24 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG genannten Sichtverhältnisse anbelangt, so muss das den Verkehrsteilnehmern verbleibende Sichtfeld in einem Umfang erhalten bleiben, der nach verkehrstechnischen Erfahrungen in Ansehung der durchschnittlichen und abgestellt auf den durchschnittlichen Straßenbenutzer weiterhin die der Verkehrsbedeutung der Straße angemessene sichere Nutzung erlaubt (vgl. Wiget in Zeitler, BayStrWG, 31. EL September 2021, Art. 23 Rn. 84). Eine Verkehrsgefährdung im Sinne der Vorschrift tritt ein, wenn mit dem Anbau an die Straße eine Steigerung der bestehenden Gefahrensituation verbunden ist. Die Gefahrensituation auf der Straße, die bis zu einem gewissen Grad wegen des Vorhandenseins der Straße und des Verkehrs vorgegeben ist, darf durch den Anbau nicht merklich erhöht werden (BayVGH, U.v. 7.6.2021 - 9 B 18.1655 - juris Rn. 32).
33
Nach dem im Rahmen der Inaugenscheinnahme vor Ort gewonnen Eindruck geht die Kammer davon aus, dass es durch die beantragte Stützmauer - welche bereits ohne Baugenehmigung errichtet worden ist - zu einer Beeinträchtigung des normalen Verkehrsablaufes kommt, soweit es die Situation der aus dem L.… links in die A.H1. Straße Einfahrenden und die sich ortsauswärts auf der A.H1. Straße bewegenden Fahrzeuge betrifft. Durch die Stützmauer ergibt sich für ein aus dem L.… links in die A.H1. Straße abbiegendes Fahrzeug eine erhebliche Beeinträchtigung der Sichtverhältnisse hinsichtlich der sich auf der A.H1. Straße ortsauswärts befindlichen Fahrzeuge, noch dazu der Verlauf der A.H1. Straße, blickt man aus dem L.… nach links auf sie, aus dem Sichtfeld heraus verschwenkt ist. Insofern muss sich ein vom L.… links auf die A.H1. Straße ausfahrender Fahrzeugführer gleichsam Stück für Stück in die A.H1. Straße hineintasten, um besser nach links und somit etwa kreuzende Fahrzeuge sehen zu können. Umgekehrt gerät auch für die ortsauswärts auf der A.H1. Straße Fahrenden durch die Stützmauer und der nach rechts verschwenkten Fahrbahn ein sich aus dem L.… heraustastendes Fahrzeug erst vergleichsweise spät in den Blick. Daraus ergibt sich in Folge die auf konkrete Umstände gestützte Möglichkeit einer Beeinträchtigung, ja sogar Gefährdung des Verkehrsablaufs auf der Kreisstraße. Daran ändert die innerorts auf 50 km/h begrenzte Höchstgeschwindigkeit nichts, da sie zwar das Risiko einer Kollision von auf der A.H1. Straße fahrenden und in diese aus dem L.… links einbiegenden Fahrzeuge im Vergleich zum außerörtlichen Bereich reduziert, jedoch nicht unter die Schwelle der durch konkrete Tatsachen gestützte Möglichkeit einer Beeinträchtigung bzw. Gefährdung des Verkehrsablaufs auf der Kreisstraße drückt. Ebenso wenig lässt sich eine signifikante Risikominimierung durch die Haltelinie mit Stopp-Schild an der Einmündung L.…-A.H1. Straße und den gegenüberliegenden Verkehrsspiegel annehmen. Die durch das Stopp-Schild ausgelöste Haltepflicht ändert nichts an den mangelhaften Sichtverhältnissen. Wäre es nicht vorhanden, würde ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer gleichwohl anhalten und sich sodann vortasten (müssen), eben weil er nach links kein hinreichend weites Blickfeld in die A.H1. Straße hat. Der gegenüberliegende Verkehrsspiegel ist nach dem Augenschein nur untergeordnet wahrnehmbar. Fährt man vom L.… an die Einmündung zur A.H1. Straße heran, bietet sich ein unruhiges Panorama: Links gegenüber befindet sich ein Wohnhaus samt dominanten Zwerchgiebel, dessen großflächig verglaste Front eine gewisse Ablenkungswirkung entfaltet. Im Hintergrund des Verkehrsspiegels, der an einem Laternenpfahl angebracht ist, steht ein weiteres, gelb angestrichenes Wohnhaus, welches dessen optische Wahrnehmbarkeit zurückdrängt. Hinzu tritt die insgesamt eher unübersichtliche Kreuzungssituation mit Stopp-Schild, die dem Kraftfahrzeuführer weitere Aufmerksamkeit abverlangt. Davon abgesehen dient der Verkehrsspiegel hier lediglich dazu, behelfsmäßig die durch die unzureichenden Sichtverhältnisse ausgelösten Verkehrsgefahren zu mindern; zu beseitigen vermag er sie nicht. Speziell in den Jahreszeiten Herbst und Winter dürften schließlich die typischerweise zu erwartenden Witterungsverhältnisse die Nutzbarkeit des Verkehrsspiegels einschränken.
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Der Klägerin vermag schließlich auch nicht zum Erfolg zu verhelfen, dass sich das Staatliche Bauamt im Schreiben 15. Februar 2021 damit einverstanden erklärt hat, statt einer vollständigen Freihaltung des Sichtdreiecks die am 11. November 2016 im Rahmen eines Ortstermins vorgeschlagene Kompromisslösung zu akzeptieren, dass die oberste Steinreihe auf die Hälfte der Länge zwischen der Straßeneinmündung und der Werbeanlage zum Gebäude - bis zur gepflasterten Fläche - zu versetzen und im weiteren Verlauf in dem besonders sichtbeeinträchtigenden Abschnitt zwischen der Werbeanlage und dem Mauervorsprung um eine Steinreihe (ca. 50 cm) abzusenken sei. Denn dieser Kompromissvorschlag war nicht Gegenstand des Bauantrages und wurde so auch nicht umgesetzt. Er hätte auch nicht als Auflage im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG festgesetzt werden können, da es sich dann um ein aliud handeln würde.
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b) Die Klägerin kann sich auch nicht auf einen durch die Baugenehmigung vom 3. Dezember 2012 zur Errichtung des Bürogebäudes (....) vermittelten Bestandsschutz berufen, der dem Beklagten die Berufung auf die Belange der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs abgeschnitten hätte. Anders als die Klägerseite meint, wurde mit der Baugenehmigung vom 3. Dezember 2012 keine Geländeauffüllung dergestalt genehmigt, dass die Klägerin bis an die südliche Grundstücksgrenze zum Gehweg heran auf das Bodenniveau des höherstehenden Bürogebäudes hätte aufschütten dürfen.
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Der Inhalt einer Baugenehmigung und damit das genehmigte Vorhaben bestimmen sich nach der Bezeichnung und den Regelungen in der Baugenehmigung, die wiederum durch die in Bezug genommenen und mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen konkretisiert wird. Erforderlich sind daher u.a. die Bezeichnung des Grundstücks, Art und Maß der baulichen Nutzung, überbaubare Grundstücksfläche, Abstandsflächen, Gestaltung, Erschließung und wesentliche Einzelheiten des Bauvorhabens. Da die Baugenehmigung ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt ist, wird ihr Inhalt auch wesentlich durch die Antragstellung mitbestimmt. Die Bauvorlagen haben jedoch gegenüber dem Baugenehmigungsbescheid nur konkretisierende und erläuternde Funktion. Weichen Darstellungen in den mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen vom Genehmigungsbescheid ab, geht letzterer vor. Lässt sich jedoch der Inhalt der Baugenehmigung unter Rückgriff auf die in Bezug genommenen Bauvorlagen und sonstigen Unterlagen nicht eindeutig klären, wird dies bei Widersprüchlichkeit regelmäßig sogar die Nichtigkeit der Baugenehmigung, Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG, zur Folge haben (zum Ganzen Decker in Busse/Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 68 Rn. 251 ff.).
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Dem Baugenehmigungsbescheid vom 3. Dezember 2012 selbst lässt sich zunächst nicht explizit entnehmen, dass der Klägerin eine Aufschüttung bis an die südliche Grundstücksgrenze und bis zur Höhe des Fundaments des Bürogebäudes gestattet worden wäre. Betrachtet man die mit Genehmigungsvermerk versehene „Ansicht von Osten“ (Bauakte Az. … - Errichtung eines Bürogebäudes), so ist in dieser eine gestrichelte Linie „best. Gelände“ eingezeichnet, die Richtung Süden in Richtung eines wohl L-förmigen Sockels abfällt; der sich anschließende Fußweg ist mit einer Höhe von -2,22 m angegeben. Über dem bestehenden Gelände ist weiter eine sich auf Höhe des Fundaments des Bürogebäudes fortsetzende durchgezogene Linie bis zur südlichen Grundstücksgrenze zu sehen, auf der auch ein Baum skizzenartig eingezeichnet ist. Diese Linie endet an der südlichen Grundstücksgrenze etwa auf der Oberkante eines schmalen rechteckigen Gebildes, welches profilgleich auf den L-förmigen, oben genannten Sockel aufsetzt. Daraus ragt wieder ein etwa 1 cm hoher Strich über die durchgezogene Bodenlinie hinaus, der aber schon in dem genannten Aufsatz beginnt. Für die Kammer ist mangels entsprechender Beschreibung nicht nachvollziehbar, was sich genau am südlichen Grundstücksende befindet bzw. befinden soll, nicht zuletzt auch deshalb, weil sämtliche Bauvorlagen konsequent auf die Einhaltung der durch § 8 Abs. 4 i.V.m. Anlage 1 der Bauvorlagenverordnung (BauVorlV) geforderten Farbgebung zur Unterscheidung zwischen Bestand und Planung verzichten. Wenn aber unklar ist, wie das nach Süden abfallende Grundstück der Klägerin zum Fußweg hin abschließt bzw. abschließen soll, kann der „Ansicht von Osten“ auch bei wohlwollender Auslegung keine genehmigte Aufschüttung mehr beigemessen werden. Verbleibende Zweifel wegen unklarer Pläne gehen nämlich zu Lasten des durch die Genehmigung begünstigten Bauherren, hier der Klägerin (Decker in Busse/Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 68 Rn. 254). Davon abgesehen ist die Ansichtszeichnung Ost hier nicht geeignet, eine Aufschüttung über die gesamte Gebäudelänge entlang des Fußwegs bzw. der A.H1. Straße zu belegen, da das Vorhabengrundstück in unterschiedlicher Intensität zur Straße hin abfällt und die „Ansicht von Osten“ insofern nur punktuell die Situation an der östlichen Gebäudeaußenwand betrachtet. Insofern fordert § 8 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b BauVorlV auch die Vorlage des Anschnitts der vorhandenen und geplanten Geländeoberfläche. Zwar ist eine Schnittzeichnung „A-A“ in Nord-Süd-Richtung verlaufend und angesetzt etwa 8,3 m entfernt von der südwestlichen Ecke des Bürogebäudes Teil des Bauantrages vorhanden, jedoch stimmt diese nicht mit der Realität überein. So ist an der an der südlichen Grundstücksgrenze eine schwarz markierte „vorh. Stützwand“ mit daraus aufragendem, etwa 1 cm langem, dünnen Strich sowie das bestehende Gelände von der südlichen Außenwand des damals geplanten Bürogebäudes bis zu dieser Stützwand als weitestgehend eben eingezeichnet. Dies erscheint jedoch angesichts der Aktenlage mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. In der Bauakte zur Baugenehmigung der Werbeanlage vom 26. November 2014 (Az. ...) ist ein Foto des damaligen Ist-Zustandes zu sehen, in dem das Gelände auf Höhe des Schnitts A-A Richtung Fußweg bzw. Straße deutlich abfällt. Zwar datiert die Baugenehmigung des Bürogebäudes vom 3. Dezember 2012 (Schnittzeichnung vom Mai 2012), allerdings erscheint es ausgeschlossen, dass ursprünglich ein nahezu ebenes Vorhabengelände bis zum Fußweg vor der A.H1. Straße vorhanden war und hernach abgegraben wurde. Dagegen spricht auch das Foto auf Seite 15 der Behördenakte …, welches aus dem L.… heraus aufgenommen wurde, bevor das Bürogebäude errichtet war. Es verdeckt zwar den Blick auf die Kreuzung mit der A.H1. Straße aufgrund der ebenfalls abgebildeten Musiker, lässt aber ein zum Fußweg abgeböschtes Grundstück erkennen. Schließlich lässt sich der Bauakte zur Genehmigung der Werbeanlage auch keine vorhandene Stützwand an der besagten Position mit einer Höhe von 1,29 m über dem südlich angrenzenden Fußweg entnehmen.
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Insofern kann der Baugenehmigung vom 3. Dezember 2012 nicht im Wege der Auslegung entnommen werden, dass der Klägerin eine Aufschüttung des Vorhabengeländes bis zum südlich angrenzenden Fußweg auf die Höhe des Fundaments des Bürogebäudes genehmigt wurde. Sie ist diesbezüglich hinsichtlich der Bauvorlagen in sich unklar bis widersprüchlich, was zu Lasten der Klägerin als Bauherrin geht (Decker a.a.O.). Darüber hinaus steht hier sogar, ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankommt, eine (Teil-)Nichtigkeit der Baugenehmigung vom 3. Dezember 2012 gemäß Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG im Raum. Denn würde man anders als oben den Bauvorlagen eine entsprechende Aufschüttung entnehmen, so widerspräche dies diametral der Festsetzung in Ziffer III. 3 des Baugenehmigungsbescheides vom 3. Dezember 2012, die an der Einmündung des L.… in die Kreisstraße in 3 m Abstand vom Fahrbahnrand der Kreisstraße ein Sichtdreieck auf 70 m Länge (gemessen in der Fahrspurachse der Kreisstraße) fordert, das von sichtbehindernden Gegenständen aller Art, auch Anpflanzungen, mit einer Höhe von mehr als 0,80 m über den anliegenden Fahrbahnen freizuhalten ist. Zur Vermeidung der (Teil-)Nichtigkeit könnte man sich nur auf den Standpunkt stellen - und damit wiederum das oben geschilderte Ergebnis erreichen -, dass bei Widersprüchen zwischen der Baugenehmigungsurkunde und den Bauvorlagen erstere Vorrang genießt (Decker in Busse/ Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 68 Rn. 252).
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c) Nach alldem ist die Ablehnung des Antrages auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Stützmauer durch den Beklagten mit Bescheid vom 6. Mai 2021 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da das Bauvorhaben der Klägerin nicht wie beantragt genehmigungsfähig ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Es kommt auch kein Anspruch der Klägerin nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO auf eine Verpflichtung des Beklagten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden in Betracht. Auf die Baugenehmigung besteht im Grundsatz ein Rechtsanspruch, weshalb das Verwaltungsgericht die Verpflichtungsklage grundsätzlich spruchreif zu machen und abschließend über das Klagebegehren zu entscheiden hat (Decker in Busse/Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 68 Rn. 593 ff. auch zu den hier nicht einschlägigen Ausnahmen). Bei der Regelung des Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayStrWG, die dem beantragten Bauvorhaben der Klägerin entgegensteht (s.o.), handelt es sich nicht um eine, die der Baubehörde (im Einvernehmen mit der Straßenbaubehörde) einen Ermessensspielraum einräumt, sondern um eine gebundene Entscheidung. Das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayStrWG unterliegt demzufolge der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, ein reiner Verbescheidungsanspruch scheidet aus (Wiget in Zeitler, BayStrWG, 31. EL September 2021, Art. 24 Rn. 53 f.).
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Schließlich kann die Klägerin auch nicht, wie im schriftsätzlichen Vortrag ihres Bevollmächtigten angedeutet, gleichsam als „Minus“ zum gestellten Klageaantrag verlangen, dass ihr die Stützmauer hilfsweise in der Variante des Kompromisses vom 11. November 2016 bauaufsichtlich genehmigt wird. Hierbei handelte es sich um ein anderes als das beantragte und abgelehnte Vorhaben, weshalb es schon nicht Klagegegenstand ist.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.