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LArbG München, Urteil v. 17.03.2022 – 7 Sa 588/21
Titel:

Leistungskürzung, Teilzeitbeschäftigter, Benachteiligungsverbot

Normenketten:
BetrAVG § 1
TzBfG § 4 Abs. 1
AGG § 1, § 3 Abs. 2, § 7
Leitsätze:
Bei der Beklagten besteht ein Versorgungswerk, wonach bei Teilzeitbeschäftigten für die Rentenberechnung das Beschäftigungsvolumen der letzten 10 Dienstjahre maßgeblich ist. Die Klägerin war ab 1984 in Vollzeit beschäftigt und ab 2005 mit 17,5 Stunden/Woche. Sie hat erfolglos gemeint, dass die Regelung, die ihre Vollzeitbeschäftigung unberücksichtigt lässt, gegen das Benachteiligungsverbot des § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG verstößt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine solche Regelung vielmehr zulässig und unionsrechtskonform. Eine Diskriminierung wegen des Geschlechts lag im Übrigen auch nicht vor. (Rn. 27 – 30)
Die Regelung in einer Versorgungsordnung, nach der bei einer Teilzeitbeschäftigung der "Festrentenbetrag" durch den Beschäftigungsgrad reduziert wird und dabei auf die letzten 10 Jahre der Beschäftigungszeit astellt, ist zulässig. Mit einer derartigen Regelung für die Ermittlung des rentenfähigen Arbeitsverdienstes bei teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern wird ein repräsentativer Zeitraum festgelegt und dies ist ein Zeitraum, in dem sich der durch den Arbeitsverdienst geprägte Lebensstandard verfestigt. Dieser soll durch die Altersrente gesichert werden. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
betriebliche Altersversorgung, Leistungskürzung, Teilzeitbeschäftigter, Benachteiligungsverbot
Vorinstanz:
ArbG Regensburg, Endurteil vom 12.05.2021 – 1 Ca 1781/20
Rechtsmittelinstanz:
BAG Erfurt, Urteil vom 20.06.2023 – 3 AZR 221/22
Fundstellen:
LSK 2022, 15506
NZA-RR 2022, 548
BeckRS 2022, 15506

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 12.05.2021 - 1 Ca 1781/20 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Höhe der betrieblichen Altersversorgung der Klägerin.
2
Die am ... 1964 geborene Klägerin war ab ... 1984 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin in Vollzeit am Standort S. beschäftigt. Ab dem ...2005 reduzierte die Klägerin ihre regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 35 auf 17,5 Stunden. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete zum 30.09.2020 aufgrund eines Aufhebungsvertrags vom 15.06.2020 (Bl. 73 - 81 d.A.).
3
Eine Rechtsvorgängerin der Beklagten wandte für die am Standort S. Beschäftigten eine Richtlinie vom 14.12.1995 für die Gewährung von Versorgungsleistungen (Bl. 36 - 48 d.A.) an, die nach einer zwischen der Beklagten und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat abgeschlossenen Betriebsvereinbarung vom 30.06.1998 (Bl. 49 d.A.) weiter galt.
4
Die Richtlinie lautet auszugsweise wie folgt:
㤠2 Versorgungsberechtigte
1. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter des Unternehmens - ausgenommen jedoch die nachfolgend in Ziffer 2 genannten Mitarbeiter/-innen - erwirbt mit dem Beginn seines Arbeitsverhältnisses, frühestens jedoch mit Vollendung des 20. Lebensjahres, eine Anwartschaft auf betriebliche Versorgungsleistungen; dieser Zeitpunkt ist der Zeitpunkt der Versorgungszusage gemäß § 1 Absatz 4 Satz 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19.12.1974 (BetrAVG).
[…]
§ 4 Unverfallbare Anwartschaften
1. Vor Eintritt des Versorgungsfalles ausgeschiedene Mitarbeiter/-innen, behalten gemäß § 1 BetrAVG ihre Anwartschaft auf Versorgungsleistungen, sofern sie bei ihrem Ausscheiden mindestens das 35. Lebensjahr vollendet haben und
- entweder die Versorgungszusage mindestens 10 Jahre bestanden hat oder […] Höhe der Renten
§ 10 Höhe der Alters-, Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente
1. Rentenformel
Die monatliche Alters-, Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente errechnet sich aus der Formel … …ℎ^^ Bei vorzeitiger Altersrente wird ein versicherungsmathematischer Abschlag vorgenommen.
2. Festrentenbetrag
a) Der Festrentenbetrag wird errechnet nach der Formel
…äℎ^^ … …
[…]
c) Rentenfähiges Einkommen ist ein Zwölftel folgender Beträge, die der Mitarbeiter, die Mitarbeiterin im letzten Kalenderjahr vor Eintritt des Versorgungsfalles (§§ 6 bis 9 dieser Richtlinien) bzw. dem vorzeitigen Ausscheiden (§ 4 dieser Richtlinien) bezogen hat.
[…]
5. Teilzeitbeschäftigung
Für einen Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin, der/die innerhalb der letzten 10 anrechnungsfähigen Dienstjahre vor dem Eintritt des Versorgungsfalles bzw. dem vorzeitigen Ausscheiden ganz oder teilweise teilzeitbeschäftigt war, verändert sich der Festrentenbetrag in dem Verhältnis, in dem die durchschnittliche Arbeitszeit des Mitarbeiters während der letzten 10 Dienstjahre zu seiner Arbeitszeit innerhalb des Kalenderjahres vor dem Eintritt des Versorgungsfalles bzw. dem vorzeitigen Ausscheiden gestanden hat.
..“
5
Mit Schreiben vom 15.04.2020 (Bl. 9 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sich die Berechnung der voraussichtlichen Altersversorgungsleistungen nach § 10 Nr. 5 der Richtlinie richte, wonach bei Teilzeitbeschäftigung der Beschäftigungsgrad nur der letzten zehn anrechnungsfähigen Dienstjahre berücksichtigt werde.
6
Vor dem Arbeitsgericht hat die Klägerin geltend gemacht, dass bei der Berechnung des Festrentenbetrages der Beschäftigungsgrad der gesamten Beschäftigungszeit berücksichtigt werden müsse. Sie hat dazu auch darauf verwiesen, dass sie ansonsten viel weniger Betriebsrente erhielte, als wenn sie das Arbeitsverhältnis 2005 einfach beendet hätte. Durch die Schließung des Standorts habe auch festgestanden, dass sie ihr Arbeitsverhältnis nie mehr in Vollzeit fortsetzen werde. Die Beschränkung auf einen Zehnjahreszeitraum für die Berechnung der Betriebsrente hätte auch eine Benachteiligung aufgrund einer Teilzeitbeschäftigung dargestellt und letztlich seien verdiente Anwartschaften aus 243 Monaten Vollzeitbeschäftigung im Nachhinein auf die Hälfte gekürzt worden. Bei einer bloßen Berücksichtigung der letzten zehn Jahre habe sich eine unverfallbare Anwartschaft iHv.99,77 € ergeben, während bei Berücksichtigung der Gesamtbeschäftigungszeit sich eine Anwartschaft iHv. 155,19 € ergeben würde.
7
Vor dem Arbeitsgericht hat die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin bei Eintritt des Versorgungsfalls eine Betriebsrente zu berechnen und zu bezahlen, unter Veränderung des Festrentenbetrags in dem Verhältnis, in dem die durchschnittliche Arbeitszeit der Klägerin während der gesamten zugrunde gelegten Dienstzeit zu ihrer Arbeitszeit im letzten Kalenderjahr vor ihrem vorzeitigen Ausscheiden gestanden hat.
hilfsweise festzustellen, dass der Klägerin gegenüber der Beklagten eine Anwartschaft auf Betriebsrente in Höhe von 155,19 € monatlich zusteht.
8
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.
9
Die Beklagte hat gemeint, dass es sei zulässig sei, für die Rentenberechnung den Beschäftigungsgrad der letzten zehn Jahren zugrunde zu legen. Eine Diskriminierung habe nicht vorgelegen, denn die betriebliche Altersversorgung würde nur im Verhältnis der anteiligen Arbeitszeit gekürzt und dies lasse die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu.
10
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass die Beklagte nicht verpflichtet sei, bei der Berechnung des Festrentenbetrages die durchschnittliche Teilzeitquote aus dem gesamten Arbeitsverhältnis zugrunde zu legen. § 10 Nr. 5 der Richtlinie habe in zulässiger Weise auf den Beschäftigungsgrad der letzten zehn Dienstjahre abgestellt und eine Diskriminierung nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz habe nicht vorgelegen. Das Arbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgeführt, dass nach § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden dürfe als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigten. Nach § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG sei einem in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspreche. Diese Regelungen beruhten auf dem allgemeinen Prinzip, dass die Höhe des Entgelts bei Teilzeitbeschäftigten quantitativ vom Umfang der Beschäftigung abhänge. Teilzeitarbeit unterscheide sich von der Vollzeitarbeit nur in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht. Eine geringere Arbeitszeit dürfe daher grundsätzlich auch nur quantitativ, nicht aber qualitativ anders abgegolten werden als Vollzeitarbeit. Eine Ungleichbehandlung wegen Teilzeitarbeit liege vor, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium darstelle, an das die Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen anknüpfe. Dies habe auch zu gelten, wenn sich dies lediglich mittelbar ergebe. Der proratatemporis-Grundsatz, also die Gewährung von Arbeitgeberleistungen entsprechend dem Arbeitszeitanteil eines Teilzeitarbeitsnehmers, habe eine unterschiedliche Abgeltung von Teilzeit- und Vollzeitarbeit in quantitativer Hinsicht erlaubt, indem er dem Arbeitgeber gestatte, das Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung für Teilzeitkräfte entsprechend der gegenüber vergleichbaren Vollzeitkräften verringerten Arbeitszeit anteilig zu kürzen. Ein Arbeitnehmer, der Teilzeitarbeit leiste, könne nicht die gleiche Vergütung verlangen wie ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. Diese Grundsätze gölten auch für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung aus einer Leistungsordnung und auch dort sei es zulässig, solche Leistungen anteilig nach dem Beschäftigungsumfang zu erbringen. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass § 10 Nr. 5 der Richtlinie keine unzulässige Anknüpfung an die Teilzeitarbeit enthalte. Danach verändere sich der Festrentenbetrag bei Mitarbeitern, die in der letzten 10 Jahren (vor dem Versorgungsfall bzw. Ausscheiden) teilzeitbeschäftigt waren, im Verhältnis der (durchschnittlichen) Teilzeitquote der letzten 10 Jahre zur (durchschnittlichen) Teilzeitquote aus dem letzten Jahr. Der „Festrentenbetrag“ stelle dabei den Geldfaktor zur Berechnung der betrieblichen Altersversorgung dar (vgl. § 10 Nr. 1 der Richtlinie). Individueller Bemessungsfaktor des Festrentenbetrags wiederum sei das „rentenfähige Einkommen“ (§ 10 Nr. 2 lit. a der Richtlinie), welches einem durchschnittliche Bruttomonatseinkommen aus dem letzten Beschäftigungsjahr entspreche (§ 10 Nr. 2 b der Richtlinie). Dieses Bruttomonatseinkommen stehe im unmittelbar synallagmatischen Verhältnis zur Arbeitsleistung, mithin zum Umfang der regelmäßig geschuldeten Arbeitszeit und je geringer der individuelle Anteil der Arbeitszeit im Verhältnis zum vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten ausfalle, desto geringer sei das Bruttomonatseinkommen und in der Folge die betriebliche Altersversorgung. Eine solche proportionale Leistungskürzung werde durch § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG explizit erlaubt und stelle damit keine verbotene Diskriminierung dar und um einen verfälschenden Effekt von Arbeitszeitveränderungen im letzten Beschäftigungsjahr zu vermeiden, schreibe § 10 Nr. 5 der Richtlinie eine Korrektur um den Grad der Abweichung von der Beschäftigungsquote aus den letzten zehn Jahren vor. Mit dieser Regelung werde für die Ermittlung des Geldfaktors bei teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern ein repräsentativer Zeitraum festgelegt und eine solche Regelung sei nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 03.11.1998 - 3 AZR 432/97 zulässig, denn es sei grundsätzlich nicht sachwidrig, auf den Beschäftigungsumfang während der letzten zehn Jahre des Arbeitsverhältnisses abzustellen, denn dies sei ein Zeitraum, in dem sich der durch den Arbeitsverdienst geprägte Lebensstandard verfestigt habe. Dieser solle durch die Altersrente gesichert werden. Die Regelung in § 10 Nr. 5 der Richtlinie habe auch keine unzulässige Altersdiskriminierung iS. der §§ 1, 3 Abs. 1 und 3, 7 Abs. 1 AGG bewirkt. Eine unmittelbare Diskriminierung des Alters habe nicht vorgelegen, da § 10 Nr. 5 der Richtlinie nicht an das Lebensalter anknüpfe. Die Begrenzung des Rückbetrachtungszeitraums habe aber auch nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Alters geführt, denn diese Regelung habe gerade nicht zur Folge, dass Arbeitnehmer eines bestimmten Alters hiervon besonders nachteilig betroffen wären. Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, dass - aus dem Kreis der Normunterworfenen - ältere Arbeitnehmer häufiger in deren letzten 10 Beschäftigungsjahren Teilzeit gearbeitet hätten, als dies bei jüngeren Beschäftigten der Fall gewesen wäre.
11
Die Klägerin hat gegen dieses Urteil vom 12.05.2021, das ihr am 09.08.2021 zugestellt wurde, mit einem beim Landesarbeitsgericht am 01.09.2021 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit einem am 05.10.2021 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
12
Die Klägerin hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für rechtsfehlerhaft. Grundsätzlich sei es zwar richtig, dass geldwerte Leistungen für Teilzeitkräfte entsprechend des Anteils ihrer verringerten Arbeitszeit gekürzt werden könnten, doch in § 10 Nr. 5 der Richtlinie liege eben gerade keine stringente Anwendung des proratatemporis Grundsatzes.
13
Durch die Anwendung der Zehn-Jahresregel würden die Proportionen so verschoben, dass die Klägerin derart gestellt werde, als hätte sie durchgehend in Teilzeit gearbeitet und damit erfolge eine überproportionale Leistungskürzung für Teilzeitbeschäftigte. Darin liege eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der Teilzeitbeschäftigten im Verhältnis zu den Vollzeitbeschäftigten. Rechtsfehlerhaft sei auch die Annahme, dass sich in dem Zeitraum der Teilzeitbeschäftigung ein durch den Arbeitsverdienst geprägter Lebensstandard verfestigt habe. Dadurch werde jedenfalls mittelbar die Klägerin aufgrund ihrer Teilzeittätigkeit diskriminiert. Im Übrigen fehlten auch Ausführungen zur Diskriminierung wegen des Geschlechts, weil nach wie vor überwiegend Frauen von Teilzeitarbeit und schlechterer Altersversorgung betroffen seien.
14
Die Klägerin beantragt,
Das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 12.05.2021 - Az. 1 Ca 1781/20 -, zugestellt am 09.08.2021, wird abgeändert und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin bei Eintritt des Versorgungsfalls eine Betriebsrente zu berechnen und zu bezahlen unter Veränderung des Festrentenbetrags in dem Verhältnis, in dem die durchschnittliche Arbeitszeit der Klägerin während der gesamten zugrunde gelegten Dienstzeit zu ihrer Arbeitszeit im letzten Kalenderjahr vor ihrem vorzeitigen Ausscheiden bestanden hat.
Hilfsweise:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 12.05.2021 - Az. 1 Ca 1781/20 -, zugestellt am 09.08.2021, wird abgeändert und festgestellt, dass der Klägerin gegenüber der Beklagten eine Anwartschaft auf Betriebsrente in Höhe von 155,19 € monatlich zusteht.
15
Die Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
16
Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Sie kann keine Diskriminierung der Klägerin aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung erkennen. Das Arbeitsgericht stelle in zutreffender Weise auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 03.11.1998 - 3 AZR 432/97 - und vom 17.04.2012 - 3 AZR 280/10 - ab. Hieraus ergebe sich, dass es zulässig sei, hinsichtlich des Beschäftigungsgrades auf die letzten fünf oder zehn Jahre abzustellen. Das Prinzip aus der streitgegenständlichen Richtlinie für die Gewährung von Versorgungsleistungen sei auch in anderen Bereichen des Arbeitsrechts ein gängiges und von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkanntes Prinzip. Die Klägerin stelle bei dem Berufen auf eine Diskriminierung auf das Prinzip der gesetzlichen Rentenversicherung ab, lasse aber außer Acht, dass bei der gesetzlichen Rentenversicherung die Klägerin für den Zeitraum ihrer Vollzeittätigkeit höhere Beiträge eingezahlt hätte und damit im Zeitpunkt ihres Wechsels von der Vollzeit in die Teilzeit bereits ein Anspruch auf die bestimmte Rentenleistung erwirtschaftet hätte. Eine Diskriminierung wegen des Alters oder des Geschlechts sei ebenfalls nicht erkennbar.
17
Zum weiteren Vorbringen der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 04.10.2021 (Bl. 154 - 157 d. A.), 05.11.2021 (Bl. 164 - 177 d. A.), 02.12.2021 (Bl. 183 - 185 d. A.) und vom 09.02.2022 (Bl. 187 - 190 d. A.) Bezug genommen. Des Weiteren wird insbesondere auch zur Prozessgeschichte auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Sitzungsniederschriften vom 18.02.2022 (Bl. 192 - 194 d. A.) und vom 17.03.2022 (Bl. 197 - 198 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
18
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
19
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf dessen Ausführungen verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf die Berufungsangriffe ist das Folgende veranlasst:
20
1. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG ist einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Diese Regelung beruht auf dem allgemeinen Prinzip, dass die Höhe des Entgelts bei Teilzeitbeschäftigten quantitativ vom Umfang der Beschäftigung abhängt (vgl. BAG, 28.05.2013 - 3 AZR 266/11). Teilzeitarbeit unterscheidet sich von der Vollzeitarbeit nur in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht. Eine geringere Arbeitszeit darf daher grundsätzlich auch nur quantitativ, nicht aber qualitativ anders abgegolten werden als Vollzeitarbeit (BVerfG 27.11.1997 - 1 BvL 12/91; BAG 28.05.2013 - 3 AZR 266/11). Eine Ungleichbehandlung wegen Teilzeitarbeit liegt vor, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium darstellt, an das die Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen anknüpft (BAG,22.10.2019 - 9 AZR 71/19; 26.01.2017 - 6 AZR 450/15). Das gilt auch, wenn sich dies lediglich mittelbar ergibt (vgl. etwa BAG, 10.02.2015 - 9 AZR 53/14 (F)).
21
a) Der Proratatemporis-Grundsatz, also die Gewährung von Arbeitgeberleistungen entsprechend dem Arbeitszeitanteil eines Teilzeitarbeitnehmers, erlaubt eine unterschiedliche Abgeltung von Teilzeit- und Vollzeitarbeit in quantitativer Hinsicht, indem er dem Arbeitgeber gestattet, das Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung für Teilzeitkräfte entsprechend ihrer gegenüber vergleichbaren Vollzeitkräften verringerten Arbeitsleistung anteilig zu kürzen. Ein Arbeitnehmer, der Teilzeitarbeit leistet, kann nicht die gleiche Vergütung verlangen wie ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer (vgl. BAG, 19. 04.2016 - 3 AZR 526/14; 28.05.2013 - 3 AZR 266/11).
22
b) Diese Grundsätze gelten auch für Leistungen aus einem Pensionsplan. Teilzeitkräfte können keine gleich hohen Leistungen aus einem Pensionsplan bzw. keine gleich hohe betriebliche Altersversorgung fordern wie Vollzeitkräfte. Vielmehr ist es zulässig, solche Leistungen anteilig nach dem Beschäftigungsumfang im Vergleich zu einem Vollzeitarbeitnehmer mit gleicher Dauer der Betriebszugehörigkeit zu erbringen (vgl. BAG, 21.01.2020 - 3 AZR 565/18; 19.04.2016 - 3 AZR 526/14).
23
c) Eine Berechnung der Altersversorgung nach dem Proratatemporis-Grundsatz ist nach der Rechtsprechung des EuGH auch unionsrechtskonform. Die Berücksichtigung des Umfangs der von einem Teilzeitbeschäftigten während seines Berufslebens tatsächlich geleisteten Arbeit im Vergleich zum Umfang der Arbeitsleistung eines Beschäftigten, der während seines gesamten Berufslebens in Vollzeit gearbeitet hat, stellt ein objektives Kriterium dar, das eine proportionale Kürzung der Altersversorgung des Teilzeitbeschäftigten zulässt (vgl. EuGH 13.07.2017 - C-354/16 - [Kleinsteuber] Rn. 30 mwN).
24
d) § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG regelt kein absolutes Benachteiligungsverbot. Eine proportionale Kürzung von Leistungen aus einem Pensionsplan bzw. der Altersversorgung des Teilzeitarbeitnehmers ist grundsätzlich zulässig (vgl. BAG, 21.01.2020 - 3 AZR 565/18; 28.05.2013 - 3 AZR 266/11). Die Vorschrift verbietet eine Abweichung vom Proratatemporis-Grundsatz zum Nachteil von Teilzeitkräften, wenn dafür kein sachlicher Grund besteht. Eine Schlechterstellung von Teilzeitarbeitnehmern kann sachlich gerechtfertigt sein, wenn sich ihr Grund aus dem Verhältnis von Leistungszweck und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten lässt. Die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung hat sich am Zweck der Leistung zu orientieren (vgl. BAG 22.10.2019 - 9 AZR 71/19).
25
e) Bei der betrieblichen Altersversorgung und entsprechend gestalteten Leistungen ist dabei zu berücksichtigen, dass das Versorgungsniveau nicht durch bestimmte Dienstjahre erdient ist, sondern durch die Betriebszugehörigkeit im gesamten Arbeitsverhältnis. Dies erlaubt es, Kürzungen des erreichbaren Versorgungsniveaus nach den Verhältnissen während der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses vorzunehmen (vgl. BAG, 19.04. 2016 - 3 AZR 526/14; 19.05.2015 - 3 AZR 770/13). Eine solche Regelung verstößt weder gegen das Verbot der Benachteiligung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer in § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG noch gegen § 75 Abs. 1 BetrVG (vgl. BAG,19.05.2015 - 3 AZR 770/13; vgl. zum Ganzen BAG, 03.06.2020 - 3 AZR 480/18).
26
2. Daran gemessen ist die Regelung in § 10 Nr. 5 mit § 4 Abs. 1 TzBfG vereinbar.
27
Die Regelung entspricht dem Proratatemporis-Grundsatz. Sie stellt in zulässiger Weise darauf ab, dass bei einer Teilzeitbeschäftigung der „Festrentenbetrag“ durch den Beschäftigungsgrad reduziert wird. Dass dabei auf die letzten 10 Jahre der Beschäftigungszeit abgestellt wird mit der Folge, dass vorherige Zeiten ggf. einer Vollzeitbeschäftigung unberücksichtigt bleiben, ist grundsätzlich zulässig, denn das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass es nicht sachwidrig ist, wenn bei der Berechnung des durchschnittlichen Beschäftigungsgrades nur die letzten 120 Kalendermonate berücksichtigt werden (vgl. BAG, 17.04 2012 - 3 AZR 280/10; 03.11.1998 - 3 AZR 432/97). Mit dieser Regelung für die Ermittlung des rentenfähigen Arbeitsverdienstes bei teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern wird ein repräsentativer Zeitraum festgelegt und dies ist ein Zeitraum, in dem sich der durch den Arbeitsverdienst geprägte Lebensstandard verfestigt. Dieser soll durch die Altersrente gesichert werden (vgl. BAG, 17.04 2012 - 3 AZR 280/10). Insofern ist es unerheblich, dass die Klägerin vor über einem Jahrzehnt einen höheren Lebensstandard auf der Grundlage einer Vollzeitbeschäftigung hatte, denn dieser hat sich durch die Zeit ihrer Teilzeitbeschäftigung, die im Übrigen für die letzten 15 Jahre ihrer Beschäftigung maßgeblich war, ganz erheblich und nachhaltig verändert und hieran muss sich die Klägerin messen lassen. Dies findet seien Berechtigung auch darin, dass die Klägerin, anders als bei der gesetzlichen Rentenversicherung, keine Beiträge in die betriebliche Altersversorgung zu leisten hatte und wenn ein Arbeitgeber ein solches Instrument der Altersversorgung einseitig schafft, wozu er nicht verpflichtet ist und diese mit finanziellen Mitteln ausgestaltet, dann steht es ihm auch frei, entsprechenden Leistungskonditionen bzw. Einschränkungen festzulegen, soweit diese nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen.
28
3. Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich aus § 10 Nr. 5 der Richtlinie auch keine nach §§ 1, 3 Abs. 2, § 7 AGG unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nicht vor, da sie nicht an das Kriterium des Geschlechts anknüpft und es ist auch keine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts gegeben.
29
a) Nach § 3 Abs. 2 AGG ist eine mittelbare Benachteiligung gegeben, wenn dem An schein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes - ua. wegen des Geschlechts - gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich (vgl. BAG, 03.06.2020 - 3 AZR 480/18; 28.05.2013 - 3 AZR 266/11).
30
b) Eine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts iSd. § 3 Abs. 2 AGG liegt nicht darin, dass möglicherweise -ein Sachvortrag der Klägerin liegt hierzu nicht vordie Mehrzahl der Teilzeitarbeitnehmer der Beklagten weiblichen Geschlechts sind und daher in besonderer Weise von der Bildung eines Beschäftigungsquotienten nach § 10 Nr. 5 der Richtlinie betroffen sind. Eine mittelbare Diskriminierung scheidet insoweit bereits deshalb aus, weil der Proratatemporis-Grundsatz gewahrt ist. Es fehlt daher an einer Benachteiligung iSd. § 3 AGG (vgl. BAG, 03.06.2020 - 3 AZR 480/18; 28.05.2013 - 3 AZR 266/11).
III.
31
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
32
Die Kammer sieht sich veranlasst, die Revision zuzulassen. Auf die folgende Rechtsmittelbelehrungwird verwiesen.