Titel:
Zur Kostentragungspflicht eines Widerspruchsverfahrens bei Verfahrensende durch gerichtlichen Vergleich
Normenketten:
BayVwVfG Art. 79, Art. 80 Abs. 1
VwGO § 73 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 162 Abs. 1
BGB § 133, § 157
Leitsätze:
1. Soll ein das Klageverfahren beendender gerichtlicher Vergleich auch Auswirkungen auf das vorhergehende Widerspruchsverfahren und dessen Kosten entfalten, müssen die Parteien eine entsprechende Regelung darüber im Vergleich treffen. (Rn. 11 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Enthält ein Vergleich keine besondere Bestimmung über die Kosten, sieht § 160 VwGO vor, dass die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last fallen und jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aufhebung eines Kostenbescheids, Kosten des Widerspruchsverfahrens, Widerspruchsgebühr, gerichtlicher Vergleich, Feuerwehreinsatz
Fundstelle:
BeckRS 2021, 7784
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Kostenbescheids des Landratsamts S., mit welchem Widerspruchsgebühren festgesetzt wurden.
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1. Mit Bescheid vom 22. Januar 2018 machte der Markt … gegenüber dem Kläger eine Kostenforderung im Rahmen eines Feuerwehreinsatzes in Höhe von 1.011,36 EUR geltend. Hiergegen erhob der Klägerbevollmächtigte Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid des Landratsamts S. vom 10. Mai 2019 zurückgewiesen wurde. Im Widerspruchsbescheid wurde eine Widerspruchsgebühr in Höhe von 106,50 EUR festgesetzt. Eine daraufhin vom Kläger erhobene Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg wurde mit Vergleich (vgl. Beschluss vom 30. September 2020 im Verfahren W 5 K 19.617) beendet. Der Vergleich hatte folgenden Wortlaut:
1. Der Kläger zahlt an den Beklagten einen Betrag von 505,68 EUR.
2. Damit sind die geltend gemachten Forderungen des Beklagten gegenüber dem Kläger aus Anlass des Feuerwehreinsatzes vom 11. Dezember 2017 (Bescheid des Beklagten vom 22.1.2018) aus- und abgegolten.
3. Damit ist das Klageverfahren endgültig und allseitig erledigt.
4. Die Beteiligten sind sich einig, dass die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben werden.
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Nach Beendigung des Klageverfahrens entschied das Landratsamt S. abschließend mit Kostenbescheid vom 6. Oktober 2020 über die Höhe der Widerspruchsgebühr. In dem Bescheid wurde die Festsetzung der Widerspruchsgebühr i.H.v. 106,50 EUR aufgehoben (Ziffer 1). Für den Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2019 wurde eine Gebühr von 53,25 EUR festgesetzt (Ziffer 2). Zur Begründung des Bescheids wurde ausgeführt, dass sich die Behandlung der Kosten des Widerspruchsverfahrens nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts richte; ggf. habe die Widerspruchsbehörde die Kosten zu erstatten. Der verwaltungsgerichtliche Kostenausspruch bestimme die prozessuale Kostenlast und beziehe dabei die Widerspruchskosten mit ein. Die Widerspruchskosten gehörten zu den außergerichtlichen Kosten, nicht zu den Gerichtskosten (§ 162 Abs. 2 VwGO) und würden auf die Beteiligten prozessual verteilt mit der Folge, dass sie an die Widerspruchsbehörde zu zahlen seien. Obsiege der Kläger teilweise und würden die Kosten durch gerichtliche Entscheidung gemäß § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO geteilt, so beziehe sich diese Entscheidung auch auf die notwendigen Aufwendungen der Beteiligten i.S.d. § 162 Abs. 1 VwGO. Obsiege der Kläger teilweise und würden die Kosten gegeneinander aufgehoben, so trügen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Aufwendungen selbst. Nachdem der Kläger im gerichtlichen Vergleich (zu 50 v.H.) teilweise obsiegt habe, seien die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu 50 v.H. zu erheben gewesen, mithin die Kosten auf 50 v.H. aus den ursprünglich festgesetzten 106,50 EUR, also auf 53,25 EUR festzusetzen gewesen. Die ursprüngliche Kostenfestsetzung sei aufzuheben gewesen.
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2. Daraufhin ließ der Kläger am 10. November 2020 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg erheben und beantragen,
Der Kostenbescheid des Beklagten vom 6. Oktober 2020, zugestellt am 12. Oktober 2020, wird aufgehoben.
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Zur Begründung verwies der Klägerbevollmächtigte auf den im Verfahren W 5 K 19.617 protokollierten Beschluss. Der dort geschlossene Vergleich schließe die Geltendmachung von Kosten des Widerspruchsbescheids aus. Jede Partei trage danach ihre Kosten selbst. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens zählten zu den Kosten, die als „aufgehoben“ anzusehen seien; die Kosten habe deshalb der Beklagte selbst zu tragen, wie der Kläger die außergerichtlichen Kosten seines Bevollmächtigten. Der Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2019 sei durch die vergleichsweise Regelung gegenstandslos, entsprechend auch die darin erhobene Kostenforderung.
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3. Das Landratsamt S. beantragte für den beklagten Freistaat Bayern,
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Der Bescheid des Landratsamts S. vom 6. Oktober 2020 sei rechtmäßig. Mit dem Bescheid sei die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheids des Landratsamts vom 10. Mai 2019 (Az. 30-091/8/2-193/12) um die Hälfte reduziert worden. Diese Reduzierung sei aus Gründen der Kulanz in Anlehnung an das Ergebnis des mit Beschluss vom 30. September 2020 (Az. W 5 K 19.617) geschlossenen Vergleichs erfolgt. Mit diesem Beschluss sei die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheids vom 10. Mai 2019 nicht aufgehoben worden, was dazu führe, dass die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheids Bestandskraft erlangt habe und an sich in voller Höhe zur Zahlung fällig gewesen wäre.
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4. Die Beteiligten haben übereinstimmend auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Parteien sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Kostenbescheid vom 6. Oktober 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
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1.1. Der Kostenbescheid vom 6. Oktober 2020, der auf der Grundlage des Art. 80 Abs. 1 S. 2 BayVwVfG i.V.m. Art. 79 BayVwVfG und § 73 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VwGO ergangen ist, kann eine Abänderung des Widerspruchsbescheids vom 10. Mai 2019 und eine Neufestsetzung der Widerspruchsgebühren in Höhe von 53,25 EUR vorsehen. Infolge des Abschlusses des Vergleichs zwischen dem Kläger und dem Markt … entfällt diese Gebührenforderung nicht.
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1.2. Der Grund ist darin zu sehen, dass der mit Beschluss vom 30. September 2020 im Verfahren W 5 K 19.617 geregelte Vergleich den Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2019 unberührt lässt. Der Vergleich trifft hinsichtlich des Widerspruchsverfahrens und des Widerspruchsbescheids keine Regelung. Es sind auch keine sonstigen Umstände ersichtlich, die die Annahme begründen könnten, der Beklagte habe den Widerspruchsbescheid und die damit verbundene Kostenentscheidung aufgehoben, zumal das Landratsamt S. als Vertreter des Beklagten an dem Vergleich, der zwischen dem Kläger und dem Markt … abgeschlossen wurde, überhaupt nicht beteiligt ist.
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Eine Aufhebung bzw. Unbeachtlichkeit der Gebührenforderung aus dem Widerspruchsbescheid ergibt sich insbesondere nicht etwa aus den Bestimmungen in Ziffern 3. und 4. des Vergleichs. Nach der in Ziffer 3. gewählten Formulierung sollte, wie es der eindeutige Wortlaut ergibt, ausschließlich das gerichtliche Klageverfahren sein Ende finden. Dementsprechend kann sich auch die Kostenregelung unter Ziffer 4. nur auf das Klageverfahren beziehen.
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Auch eine Auslegung der darüber hinaus getroffenen Regelungen des Vergleichs führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Nach den auch auf den gerichtlichen Vergleich entsprechend anwendbaren Auslegungsgrundsätzen der zivilrechtlichen Regeln (§§ 133, 157 BGB) ist der Sinn der vertraglichen Regelung unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu erforschen. Dieser entspricht es, dass nach einem ein Klageverfahren beendenden gerichtlichen Vergleich nur dann Auswirkungen auf das Widerspruchsverfahren und dessen Kosten entfaltet, wenn die Parteien eine entsprechende Regelung darüber im Vergleich getroffen haben.
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Das ist vorliegend aber gerade nicht der Fall. Die vom Kläger gewünschte Aufhebung der Kostentragungspflicht aus dem Widerspruchsbescheid ergibt sich nicht aus dem Wortlaut des Vergleichs. Der Beklagte ist - wie bereits ausgeführt - hieran schon gar nicht beteiligt. Auch der Kläger und der Markt … haben bezüglich der Kosten des Widerspruchsverfahrens keine Regelung im Vergleich getroffen. Vielmehr ist in Ziffern 1. und 2. des Vergleichs ausdrücklich nur der Feuerwehreinsatz vom 11. Dezember 2017 und dessen Kosten erfasst.
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1.3. Unzutreffend ist daher die Auffassung des Klägerbevollmächtigten, der Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2019 einschließlich der Kostenforderung sei infolge der vergleichsweisen Regelung gegenstandslos geworden. Vielmehr ist die Gebührenforderung im Widerspruchsverfahren durch eine vom Kläger veranlasste Amtshandlung entstanden, so dass es auch unter allgemeinen gebührenrechtlichen Erwägungen selbstverständlich ist, diesen damit zu belasten (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, B.v. 18.1.2002 - 8 S 155/02 - juris). Aus § 162 Abs. 1 VwGO ergibt sich, dass die Kosten des Vorverfahrens zu den erstattungsfähigen Kosten gehören; diese Vorschrift sagt nichts dazu, wer diese zu tragen hat. Wenn nun - wie im vorliegenden Fall - eine Kostenaufhebung im Vergleich selbst vereinbart wurde, was bedeutet, dass die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last fallen und jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (vgl. § 155 Abs. 1 VwGO; vgl. Kopp/Schenke VwGO, 25. Aufl. 2019, § 155 Rn. 3), so hat der Kläger die Kosten des Widerspruchsverfahrens als Teil seiner außergerichtlichen Kosten zu tragen (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 18.1.2002, a.a.O.).
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Die Kostentragungspflicht des Klägers ergibt sich somit aus der einvernehmlich in Ziffer 4. des Vergleichs vereinbarten Kostenregelung, die eine Kostenaufhebung vorsieht.
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1.4. Diese Regelung führt auch nicht zu einem unbilligen Ergebnis: Eine Aufhebung der Kosten ist vielmehr dann angemessen und entspricht regelmäßig der Billigkeit, wenn sich - wie im vorliegenden Fall (vgl. Kostenforderung des Marktes … im Rahmen des Feuerwehreinsatzes am 11. Dezember 2017; Az. W 5 K 19.617) - mit vertretbarem Aufwand keine Aussage über den Ausgang des Verfahrens machen lässt. Dem folgend entspricht die von den Parteien hier vereinbarte Kostenaufhebung der gesetzlichen Regelung in § 160 VwGO, der für den Fall, dass ein Vergleich keine besondere Bestimmung über die Kosten enthält, ebenfalls vorsieht, dass die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last fallen und jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (BayVGH, B.v. 16.2.2007 - 26 ZB 06.3077 - juris Rn. 6).
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2. Nach allem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.