Titel:
Vorläufige Vollstreckbarkeit, Vorgerichtliche Anwaltskosten, mündlich Verhandlung, Elektronischer Rechtsverkehr, Elektronisches Dokument, Streitwert, Sittenwidrige Schädigung, Deliktischer Anspruch, Nebenforderungen, Klageschrift, Abgasskandal, Abschalteinrichtung, Kostenentscheidung, Anderweitige Erledigung, Nutzungsentschädigung, Kaufentschluss, Außergerichtliche Rechtsverfolgung, Vorbereitender Schriftsatz, Rückgaberecht, Qualifizierte elektronische Signatur
Schlagworte:
Klageabweisung, Kausalität, Täuschung, Fahrzeugkauf, Abgaswerte, Unschlüssigkeit, Nebenforderungen
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 10.12.2021 – 17 U 6076/21
BGH Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2024 – VIa ZR 47/22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 67553
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um Ansprüche nach einem Pkw-Kauf im Zusammenhang mit den in der öffentlichen Berichterstattung als „Abgasskandal“ bekannt gewordenen Vorgängen.
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Die Klagepartei erwarb am 16.10.2013 bei der Hahn Automobile GmbH& Co. KG in Ludwigsburg das Fahrzeug der Marke Audi A 6 3.0 TDI zu einem Kaufpreis von 33.390,00 €. Der Fahrzeugkauf wurde seitens des Klägers finanziert. Das Fahrzeug hat die Fahrgestellnummer …21. Beim Kauf hatte das Fahrzeug einen Kilometerstand von 19.990 km. Am Tag der mündlichen Verhandlung hatte das Fahrzeug einen Kilometerstand von 73.874 km.
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Das Fahrzeug verfügt über einen Dieselmotor.
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Der Kläger behauptet, das Fahrzeug sei vom sogenannten „Abgasskandal“ betroffen. In dem Fahrzeug sei eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut. Hierüber sei der Kläger getäuscht worden, ihm sei daher eine (sittenwidrige) Schädigung, zugefügt worden.
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Auf Seite 105 der Klageschrift behauptet der Kläger noch, er habe sich insbesondere über die Richtigkeit der von dem Fahrzeug auf dem Prüfstand im NEFZ zu erzielenden Schadstoffwerte, insbesondere über den Stickoxidwert geirrt..
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Der Kläger meint, ihm stehen gegen die Beklagte Ansprüche gemäß §§ 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 BGB, 826 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 263 StGB, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV, 831 BGB zu.
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Die Klagepartei beantragt,
- 1.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerpartei 33.390,00 € zuzüglich Finanzierungskosten in Höhe von 2.099,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 4.506,29 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A6 3.0 TDI mit der Fahrgestellnummer …21 zu zahlen.
- 2.
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Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 12.12.2018 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.
- 3.
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Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.832,01 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.12.2018 zu zahlen.
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Die Beklagte bestreitet im wesentlichen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug überhaupt von der sogenannten „Dieselthematik“ betroffen ist. Hinsichtlich einer unzulässigen Abschalteinrichtung sei gar nicht substantiiert genug vorgetragen. Ein Thermofenster sei jedenfalls keine unzulässige Abschalteinrichtung. Die Audi AG sei am Kaufvertragsschluss gar nicht beteiligt gewesen. Eine Täuschung wäre jedenfalls nicht kausal für den Kaufvertragsschluss über das streitgegenständliche Fahrzeug gewesen. Dem Kläger sei kein Schaden entstanden. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei technisch sicher und fahrbereit und verfüge über alle erforderlichen Genehmigungen. Insbesondere habe das Kraftfahrtbundesamt keinen Bescheid in Bezug auf das Emissionsverhalten des streitgegenständlichen Fahrzeugs erlassen. Zudem gebe es für das streitgegenständliche Fahrzeug ein verbrieftes Rückgaberecht. Seitens der Beklagten liege auch keine Täuschung oder ein sonstiges sittenwidriges Verhalten vor.
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Das Gericht hat den Kläger im Termin vom 06.07.2020 persönlich zum Fahrzeugkauf angehört. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird wegen der Angaben des Klägers Bezug genommen.
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Wegen der Einzelheiten wird im Übrigen auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.07.2021 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Ingolstadt aufgrund des Streitwerts sachlich und aufgrund des allgemeinen Gerichtsstands der Beklagten örtlich zuständig.
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Die Klage ist aber nicht begründet, der Klagepartei stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche zu. Nachdem das Fahrzeug nicht direkt bei der Beklagten, sondern von einem am Rechtsstreit nicht beteiligten Händler erworben wurde, bestehen zwischen den Parteien keine vertraglichen Ansprüche, sodass allenfalls deliktische Ansprüche in Betracht kämen.
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Aber auch solche Ansprüche bestehen nicht.
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Es kann vorliegend dahinstehen, ob ein Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung anzusehen ist oder nicht. Es kann auch dahinstehen, ob dem Kläger ein Schaden entstanden ist oder deswegen nicht entstanden ist, weil der Kläger ein verbrieftes Rückgaberecht für das Fahrzeug gehabt hat. Es kann weiter dahinstehen, ob tatsächlich von einer Täuschung seitens der Beklagten ausgegangen werden muss.
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Vorliegend fehlt es jedenfalls am Vortrag bzw. am Nachweis einer Kausalität zwischen einer Täuschung, sollte es eine solche gegeben haben, und dem Kaufentschluss des Klägers. Sämtliche vom Käufer ins Feld geführten Anspruchsgrundlagen würden eine solche Kausalität erfordern.
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Dies folgt aus seinen Angaben im Rahmen der Anhörung durch das Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung.
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Zum Fahrzeugkauf hat der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 06.07.2021 nämlich angegeben, er habe sich gerade nicht über bestimmte Abgaswerte Gedanken gemacht.
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Es sei darum gegangen, dass das Fahrzeug sparsam sei.
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Durch seine Ausführungen setzt sich der Kläger in Widerspruch zu dem Vorbringen in der Klage, dort etwa Seite 105. Dort ist noch explizit ausgeführt, der Kläger habe sich insbesondere über den Stickoxidwert geirrt.
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Maßgeblich ist im Ergebnis, was die Parteien im Rahmen der mündlichen Verhandlung vortragen, was in den vorbereitenden Schriftsätzen ausgeführt ist, tritt demgegenüber zurück.
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Durch sein Vorbringen im Rahmen der mündlichen Verhandlung macht der Kläger seine Klage genau genommen schon unschlüssig, jedenfalls aber unbegründet.
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Das Gericht ist jedenfalls in keiner Weise davon überzeugt, dass der Kläger das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn er um die vorhandene Softwarekonstellation gewusst hätte. Es fehlt daher bereits am Vortrag oder jedenfalls am Nachweis der Kausalität einer – angenommenen – Täuschung seitens der Beklagten für die Motivation, dass der Kläger genau dieses Fahrzeug erworben hat. Nach seinem eigenen Vortrag ging es dem Kläger nur um die Sparsamkeit des Fahrzeugs der habe wirtschaftlich gedacht, das Auto sollte „sauber“ sein, was auch immer unter sauber zu verstehen ist. Selbst wenn hierbei der Umweltaspekt gemeint sein sollte, hat dies noch lange nichts mit konkreten Stickoxidwerten zu tun.
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Es kann daher dahinstehen, ob, wie es die beklagte Partei vorgetragen hat, ein verbrieftes Rückgaberecht bestanden hätte. Bei dieser Sachlage kann sich das Gericht nicht annähernd eine Überzeugung dahingehend bilden, dass der Kläger, hätte er vom Vorhandensein der entsprechenden Softwarekomponenten gewusst, das Fahrzeug nicht erworben hätte.
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Konkrete Abgaswerte konnten gar nicht ausschlaggebend für den Kauf des Fahrzeugs gewesen sein.
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Die Klage war demgemäß abzuweisen.
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Nachdem die Klagepartei in der Hauptsache keine Ansprüche hat, kann sie auch nicht die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten oder die Bezahlung von Zinsen verlangen. Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.