Titel:
Umfang der Rechtskraft, Abgestimmte Verhaltensweise, Richterliche Überzeugungsbildung, Feststellungsinteresse, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Preisvereinbarungen, Anderweitige Erledigung, Elektronischer Rechtsverkehr, Kartellrechtswidriges Verhalten, haftungsbegründende Kausalität, Haftungsausfüllende Kausalität, Gesamtschuldnerische Haftung, Aufgabe zur Post, Wettbewerbswidriges Verhalten, Rechtsprechung des BGH, Umfang der Bindungswirkung, Kartellrechtswidrigkeit, Bindende Feststellung, Bußgeldbescheiden
Schlagworte:
Klagezulässigkeit, Sachliche Zuständigkeit, Örtliche Zuständigkeit, Feststellungsinteresse, Bestimmtheit der Klage, Kartellbetroffenheit, Schadensfeststellung, Bindungswirkung, Schadensersatzanspruch, Feststellungswirkung, haftungsausfüllende Kausalität, Aktionsware, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
Fundstelle:
BeckRS 2021, 66895
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 400.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klägerin vertreibt in ca. 1450 Filialen in Deutschland überwiegend Lebensmittel, aber auch Gebrauchsgegenstände, an Endverbraucher.
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Die Beklagte zu 1) vertreibt Kaffee, kaffeehaltige Produkte, Schokolade und schokoladehaltige Produkte, sonstige Nahrungs- und Genussmittel sowie Konsumgüter. Der Beklagte zu 2) war von 2003-2009 Geschäftsführer der Beklagten zu 1).
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Die Beklagte zu 3) ist in den Geschäftsfeldern Instant-Produkte, Schokoladenwaren, diätische Lebensmittel, pharmazeutische Erzeugnisse und Halbfertig-Fabrikate aktiv. Der Beklagte zu 4) ist seit 1998 Prokurist sowie Marketing- und Vertriebsleiter der Beklagten zu 3).
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Die ehemals Beklagte zu 5) produziert und vertreibt Röstkaffee sowie Nahrungs- und Genussmittel, der ehemals Beklagte zu 6) war ihr Hauptabteilungsleiter bis 2009.
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Die Beklagte zu 7) ist in der Herstellung und dem Vertrieb von Nahrung- und Genussmittel tätig, der Beklagte zu 8) war von 2004-2009 Geschäftsführer der Beklagten zu 7), die Beklagte zu 9) ist die Muttergesellschaft der Beklagten zu 7).
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Hinsichtlich des Vorliegens etwaiger kartellrechtswidriger Verhaltensweisen der Beklagten bezieht sich die Klägerin ausschließlich auf die folgenden Bußgeldbescheide:
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Betreffend die Beklagten zu 3) und 4) erging im Jahr 2011 der Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts. Dem Bußgeldbescheid lag der Sachverhalt zugrunde, dass sich der Beklagte zu 4) im Jahr 2007 mit dem Beklagten zu 2) sowie dem Beklagten zu 6) über Höhe und Zeiträume einer Preiserhöhung für sogenannten Family-Cappuccino ausgetauscht hatte. Die Beklagten zu 3), 1) und 5) kündigten folgend eine entsprechende Preiserhöhung dem Lebensmitteleinzelhandel durch Preiserhöhungsschreiben im September und Oktober 2007 an, die Preiserhöhungen wurden am 17.12.2007 (Beklagte zu 1)), 02.01.2008 (Beklagte zu 3)) und 01.02.2008 (ehem. Beklagte zu 5)) wirksam. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bußgeldbescheid Bezug genommen.
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Betreffend die Beklagten zu 1) und 2) erging hinsichtlich desselben Sachverhaltes sowie auch einer weiteren Absprache mit der Beklagten zu 7) über eine Preiserhöhung für Cappuccino im Jahr 2011 der Bußgeldbescheid . Wegen der Einzelheiten wird auf den Bußgeldbescheid Bezug genommen.
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Hinsichtlich der Beklagten zu 8) und 9) erging der ein weiteres Ermittlungsverfahren betreffende Bußgeldbescheid “). Dort wird, soweit für vorliegendes Verfahren relevant, ein Gespräch des Beklagten zu 2) mit dem Beklagten zu 8) über Preiserhöhungen der Beklagten zu 1) und zu 7) bei bestimmten Cappuccinoprodukten festgestellt. Diese Preiserhöhung wurde am 21.01.2008 wirksam. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bußgeldbescheid Bezug genommen.
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Sämtliche Bußgeldbescheide sind mittlerweile rechtskräftig. Die Klägerin, bzw. die mit ihr wirtschaftlich verbundene (im Folgenden: Zedentin), welche der Klägerin ihr zustehende Schadensersatzansprüche abgetreten und diese vorsorglich zu deren Einziehung ermächtigt hatte, bezogen mit Schriftsatz vom 12.10.2017 näher bezeichnete Kaffeeprodukte jedenfalls von den Beklagten zu 1), 3), 7). Die Ausführungen der Klägerin zum Warenbezug betreffen grundsätzlich den Zeitraum 2007 – 2010, wobei nicht in jedem Jahr von jeder Beklagten Waren bezogen wurden. Die Klägerin bzw. die Zedentin bezog in diesem Zeitraum keine Cappuccinoprodukte der Beklagten zu 5). Vortrag zum Zeitpunkt der Vereinbarungen über die Konditionen des Warenerwerbs gibt es seitens der Klägerin nicht. Sämtliche Markenprodukte der Beklagten zu 3) bezog die Klägerin im Zeitraum 2007 bis Herbst 2009 als sog. Aktionsware, hinsichtlich welcher keine Bindung an etwaige Fabrikabgabepreise vorlag. Wegen der Einzelheiten der konkreten Beschaffungsvorgänge wird Bezug genommen auf S. 3 ff. des klägerischen Schriftsatzes vom 12.10.2017 (Bl. 502 ff. d.A.).
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Die Klägerin behauptet, die kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen hätten auch über die in den Bußgeldbescheiden festgestellten Zeiträume hinaus zu Nachwirkungen geführt. Sämtliche geltend gemachten Beschaffungsvorgänge seien von den kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen erfasst. Dies hätte jeweils zu einem Schaden der Klägerin bzw. der Zedentin geführt.
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Die Klägerin nahm bezüglich der Beklagten zu 5) und 6) die Klage zurück.
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Die Klägerin beantragt,
I. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin die der Klägerin und/oder der schon entstandenen oder noch entstehenden Schäden einschließlich des der Klägerin oder der entgangenen Gewinns jeweils einschließlich der Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Eintritt des jeweiligen Schadens zu ersetzen, die auf dem Sachverhalt beruhen, der Gegenstand des beim Bundeskartellamt geführten Bußgeldverfahrens mit dem Aktenzeichen sowie hinsichtlich der Beklagten zu 7, 8 und 9 auch mit dem Aktenzeichen war, soweit das letztgenannte Verfahren sich auf Instant-Cappuccino und/oder Family-Cappuccino bezog, insbesondere darauf, dass die Beklagten im Zeitraum von 2007 bis jedenfalls Juli 2008 die Preise und/oder die Zeitpunkte und den jeweiligen Umfang von Preiserhöhungen insbesondere für Instant-Cappuccino aus dem Bereich „Family Cappuccino“ absprachen und solche Produkte an die Klägerin oder die zu hierdurch bestimmten oder mitbestimmten Preisen verkauften.
II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4584,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.
16
Die Kammer hat keinen Beweis erhoben.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
18
Die Klage ist zulässig.
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I. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist sachlich und örtlich zuständig.
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II. Da die Klage als unbegründet abzuweisen ist (vgl. unten B.), kann dahinstehen, ob vorliegend ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO gegeben ist. Das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist nur für ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 456/16 –, Rn. 16, juris; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 256 ZPO, Rn. 7 a.E. m.w.N.).
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III. Die Klage ist auch hinreichend bestimmt.
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1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruches enthalten. Dafür kommt es nicht darauf an, ob der maßgebende Lebenssachverhalt bereits in der Klageschrift vollständig beschrieben oder der Klageanspruch schlüssig und substantiiert dargelegt worden ist; vielmehr ist es – entsprechend des Zwecks der Klageerhebung, dem Schuldner den Willen des Gläubigers zur Durchsetzung seiner Forderungen zu verdeutlichen – ausreichend, wenn der Anspruch als solcher identifizierbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 – I ZR 295/00 –, Rn. 16, juris). Die gebotene Individualisierung der Klagegründe kann grundsätzlich auch durch eine konkrete Bezugnahme auf andere Schriftstücke erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 – I ZR 295/00 –, Rn. 16, juris). Bei einer Feststellungsklage muss das Rechtsverhältnis, dessen Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt werden soll, so genau bezeichnet werden, dass über dessen Identität und damit über den Umfang der Rechtskraft des begehrten Feststellungsanspruchs keinerlei Ungewissheit herrschen kann (BGH, Urteil vom 04. Oktober 2000 – VIII ZR 289/99 –, Rn. 35, juris).
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2. Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall jedenfalls für den neuen, die Hauptsache betreffenden, Antrag 1) vom 12.10.2017 zu bejahen.
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a. Die Klägerin machte sich den Inhalt aus den in Bezug genommenen Bußgeldbescheiden des Bundeskartellamtes zu eigen. Hierdurch erfolgte die gebotene Individualisierung hinsichtlich der kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen der Beklagten und deren zeitlicher Einordnung.
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b. Durch die jedenfalls konkludente, in der Sache aber eindeutige, Bezugnahme auf die im Schriftsatz vom 12.10.2017 benannten konkreten Beschaffungsvorgänge ist die Bestimmtheit des Antrags hergestellt worden, denn die Klägerin hat zur Begründung ihres Klageanspruchs in Bezug auf eine Vielzahl von Beschaffungsvorgängen im Schriftsatz vom 12.10.2017 hinreichend bestimmt vorgetragen. Hierbei unterschied die Klägerin bei der Auflistung der Warenbezüge von den Beklagten zwischen eigenen Bezügen der Klägerin und Bezügen der Zedentin (vgl. S. 3 ff. des Schriftsatzes vom 12.10.2017, Bl. 502 ff. d.A.). Diese Differenzierung zwischen den jeweiligen Warenbezügen war schon deswegen veranlasst, weil es sich bei Ansprüchen aus eigenem Recht (hier der Klagepartei) und aus abgetretenem Recht (hier der Zedentin) um unterschiedliche Streitgegenstände handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Januar 2010 – IX ZB 281/08 –, Rn. 2, juris).
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Die Klage ist unbegründet, da die Klägerin wegen der mit der Klage geltend gemachten Beschaffungsvorgänge bereits nicht kartellbetroffen ist (II.).
27
I. Zur Beurteilung der Klage sind insbesondere die folgenden rechtlichen Maßstäbe bezüglich des für den geltend gemachten Schadensersatz anwendbaren Rechts (1.), der Kartellbetroffenheit (2.), des Schadens (3.) und zur Bindungswirkung der Bußgeldbescheide (4.) relevant.
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1. Für den Schadensersatzanspruch ist das zum Zeitpunkt der Vertragsschlüsse geltende Recht maßgeblich (BGH, Urteil vom 11.12.2018 – KZR 26/17, Rn. 44 – Schienenkartell).
29
Dies ist für sämtliche verfahrensgegenständlichen Warenbezüge die Vorschrift des § 33 Abs. 3 GWB, die im gesamten relevanten Zeitraum (2007-2010) unverändert geblieben ist.
30
Die Vermutung des § 33a Abs. 2 GWB ist auf die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche nicht anwendbar, weil diese sämtlich vor dem 26.12.2016 entstanden sind (vgl. § 186 Abs. 3 S. 1 GWB).
31
2. Ein Kartellschadensersatz setzt auch nach dem Urteil des BGH vom 28.01.2020 (Az. KZR 24/17 – Schienenkartell II) hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität voraus, dass die Klägerin kartellbetroffen ist, vergleiche § 33 Abs. 1 Satz 1 GWB a.F.
32
Die Darlegungs- und Beweislast für die konkrete Kartellbetroffenheit trägt die Klagepartei.
33
Maßgeblich für die Kartellbetroffenheit ist die Frage, ob dem Anspruchsgegner ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten anzulasten ist, das – vermittelt durch den Abschluss von Umsatzgeschäften oder in anderer Weise – geeignet ist, einen Schaden des Anspruchstellers mittelbar oder unmittelbar zu begründen.
34
Für die Feststellung dieser Voraussetzungen gilt der Maßstab des § 286 ZPO.
35
Nach der Rechtsprechung des BGH wäre die Kartellbetroffenheit jedenfalls erfüllt, soweit die Klägerin von am Kartell beteiligten Beklagten Waren erworben hätte, welche Gegenstand einer Kartellabsprache wären (vgl. BGH, Urteil vom 28.1.2020 – KZR 24/17 –, Rn. 25 – Schienenkartell II). Zur Ermittlung der haftungsbegründenden Kausalität muss hingegen nicht festgestellt werden, ob sich die Kartellabsprache auf den in Rede stehenden Beschaffungsvorgang, auf den der Anspruchsteller sein Schadensersatzbegehren stützt, tatsächlich ausgewirkt hat und das Geschäft damit in diesem Sinn „kartellbefangen“ war (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 –, BGHZ 224, 281-302, Rn. 26).
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3. Im Rahmen der Schadensfeststellung, dem Gegenstand der haftungsausfüllenden Kausalität, muss festgestellt werden, ob der Klägerin aufgrund der Kartellabsprache zwischen den beteiligten Unternehmen überhaupt ein Schaden entstanden ist (vgl. hierzu und zum Folgenden BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 –, BGHZ 224, 281-302, Rn. 27 – 41, juris):
37
a. Der aus einem Verstoß gegen kartellrechtliche Verhaltensnormen folgende Schadensersatzanspruch entsteht unabhängig von der Verletzung eines bestimmten Rechtsguts. Aus diesem Grund ist – im Gegensatz zu deliktischen oder vertraglichen Schadensersatzansprüchen, die die Verletzung eines Rechtsguts voraussetzen – bereits der erste Schaden der haftungsausfüllenden Kausalität zuzuordnen. Die an den Nachweis dieses Schadens zu stellenden Anforderungen richten sich nach dem deutschen Zivilprozessrecht. (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 –, BGHZ 224, 281-302, Rn. 27 f., juris)
38
Für die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises fehlt es sogar bei einem Quoten- und Kundenschutzkartell an der dafür erforderlichen Typizität des Geschehensablaufs (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 –, BGHZ 224, 281-302, Rn. 31, juris).
39
b. Für die Prüfung, ob der Klägerin durch ein kartellrechtswidriges Verhalten der Beklagten ein Schaden entstanden ist, und der sich daran gegebenenfalls anschließenden Prüfung der Höhe des Schadens, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Folgendes zu berücksichtigen:
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aa. Die Feststellung, dass der Preis, den ein an einer Kartellabsprache beteiligtes Unternehmen mit einem Abnehmer vereinbart, höher ist, als er ohne die Kartellabsprache wäre, oder allgemein das Preisniveau, welches sich auf einem von einer Kartellabsprache betroffenen Markt einstellt, über demjenigen Preisniveau liegt, das sich ohne die Absprache eingestellt hätte, kann regelmäßig nur aufgrund von Indizien getroffen werden. Denn nur die tatsächlich vereinbarten Preise und das tatsächliche Preisniveau auf dem betroffenen Markt sind beobachtbar und damit unmittelbar feststellbar, Preise und Preisniveau unter nicht manipulierten Marktbedingungen sind hingegen notwendigerweise hypothetisch. Der Tatrichter kann daher nur unter Heranziehung derjenigen Umstände, die darauf schließen lassen, wie sich das Marktgeschehen ohne die Kartellabsprache wahrscheinlich entwickelt hätte, zu Feststellungen zum hypothetischen Marktpreis gelangen (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 –, BGHZ 224, 281-302, Rn. 34, juris).
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Die danach erforderlichen Feststellungen hat der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu treffen, wobei ihm die Befugnis zur Schadensschätzung nach den Maßstäben des § 287 Abs. 1 ZPO zusteht. Für die richterliche Überzeugungsbildung reicht eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit aus, dass ein Schaden entstanden ist. Im Anwendungsbereich des § 287 Abs. 1 ZPO ist der Tatrichter besonders freigestellt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 –, BGHZ 224, 281-302, Rn. 35, juris).
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Die nach § 287 ZPO vorzunehmende Würdigung hat alle Umstände einzubeziehen, die festgestellt sind oder für die diejenige Partei, die sich auf einen ihr günstigen Umstand mit indizieller Bedeutung für oder gegen einen Preiseffekt des Kartells beruft, Beweis angeboten hat. Der Tatrichter ist jedoch nicht gezwungen, jeden angebotenen Beweis zu erheben. Weil er bei der Behandlung von Anträgen zum Beweis von Indizien freier gestellt ist als bei sonstigen Beweisanträgen, darf und muss er bei einem Indizienbeweis vor der Beweiserhebung prüfen, ob die vorgetragenen Indizien – ihre Richtigkeit unterstellt – ihn von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugten. Führt diese Prüfung zu dem Ergebnis, dass auch der Nachweis der in Rede stehenden Hilfstatsachen die richterliche Überzeugung von der Haupttatsache nicht begründen könnte, dürfen Beweisanträge, die diese Hilfstatsachen betreffen, abgelehnt werden. Dies gilt entsprechend für diejenigen Indizien, die der Gegner der beweisbelasteten Partei vorbringt. Kann der Tatrichter die Überzeugung von der Haupttatsache auch dann gewinnen, wenn er die behaupteten gegenläufigen Indiztatsachen – mit dem vollen Gewicht, das ihnen zukommen kann – als wahr unterstellt, bedarf es auch in diesem Fall keiner Beweiserhebung (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 –, BGHZ 224, 281-302, Rn. 36, juris).
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bb. Insbesondere wird ein solcher Beweis nicht dadurch angetreten, dass für die Entstehung oder das Fehlen eines Schadens Sachverständigenbeweis angeboten wird. Denn auch der Sachverständige wird die Frage, ob der von der Beklagten geforderte Preis einem hypothetischen Marktpreis entsprach, der sich ohne die Kartellabsprache eingestellt hätte, nur aufgrund einer sachverständigen Bewertung der gegebenen Anknüpfungstatsachen und einem darauf beruhenden Schluss von den vorliegenden Indizien auf die unter Beweis gestellte Haupttatsache beantworten können (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 –, BGHZ 224, 281-302, Rn. 37, juris).
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cc. Bei der nach § 287 ZPO vorzunehmenden Würdigung muss der Tatrichter nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Erfahrungssätze berücksichtigen. Insbesondere hat er zu beachten, dass zugunsten des Abnehmers eines an einer Kartellabsprache beteiligten Unternehmens eine auf der hohen Wahrscheinlichkeit eines solchen Geschehens beruhende tatsächliche Vermutung – im Sinne eines Erfahrungssatzes – dafür streitet, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten. Diese Vermutung gewinnt an Gewicht, je länger und nachhaltiger ein Kartell praktiziert wurde und je höher daher die Wahrscheinlichkeit ist, dass es Auswirkungen auf das Preisniveau gehabt hat, das sich infolge der Ausschaltung oder zumindest starken Dämpfung des Wettbewerbs eingestellt hat. Anders als bei Geltung eines Anscheinsbeweises kommt dem Erfahrungssatz kein abstrakt quantifizierbarer Einfluss auf das Ergebnis der Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu. Mit dem Grundsatz der freien richterlichen Überzeugungsbildung wäre dies unvereinbar. Das Gewicht des Erfahrungssatzes hängt vielmehr entscheidend von der konkreten Gestaltung des Kartells und seiner Praxis sowie davon ab, welche weiteren Umstände feststellbar sind, die für oder gegen einen Preiseffekt der Kartellabsprache sprechen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 –, BGHZ 224, 281-302, Rn. 40-41, juris).
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4. Wird wegen eines Verstoßes gegen eine Vorschrift des GWB Schadensersatz begehrt, ist das Gericht insoweit an die Feststellung des Verstoßes gebunden, wie sie in einer bestandskräftigen Entscheidung der Kartellbehörde getroffen wurde, vgl. § 33 Abs. 4 a.F.
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a) Für den Umfang der Bindungswirkung nach § 33 Abs. 4 Satz 1 und 2 GWB a.F. kommt es auf die im Kartellverfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen an (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – KZR 25/14 –, BGHZ 211, 146-171, – Lottoblock II – Rn. 18). Maßgeblich ist hierbei, in welchem Umfang eine Zuwiderhandlung gegen Kartellrecht im Tenor oder in den tragenden Gründen der abschließenden Entscheidung festgestellt worden ist (BGH, a.a.O., Rn. 19; Immenga/Mestmäcker/Emmerich, 5. Aufl. 2014 Rn. 96, GWB § 33 Rn. 85 – 100).
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b) In persönlicher Hinsicht beschränkt sich die Feststellungswirkung kartellbehördlicher und kartellgerichtlicher Entscheidungen nach § 33 Abs. 4 aus rechtsstaatlichen Gründen auf diejenigen Personen, gegen die das betreffende Verfahren geführt wurde und die deshalb auch allein berechtigt waren, gegebenenfalls ein Rechtsmittel einzulegen, und zwar wegen desselben Vorgangs, auf den später die Schadensersatzansprüche gestützt werden. Obwohl § 33 Abs. 4 dies nicht ausdrücklich statuiert, können andere Personen in die Bindungswirkung nicht miteinbezogen werden, selbst wenn ihnen in der fraglichen Entscheidung ebenfalls ein Kartellrechtsverstoß zur Last gelegt wird. Denn da sie nicht die Möglichkeit hatten, sich durch die Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Entscheidung zu wehren, kann diese nicht späteren Entscheidungen über ihre Schadensersatzpflicht zu ihrem Nachteil zugrunde gelegt werden (Art. 103 Abs. 1 GG).
(Immenga/Mestmäcker/Emmerich, 5. Aufl. 2014 Rn. 97, GWB § 33 Rn. 85 – 100 m.w.N.).
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Nach dem soeben dargelegten Maßstab sind die streitgegenständlichen Beschaffungsvorgänge der Klägerin, respektive deren Zedentin, bereits nicht kartellbetroffen im Sinne von § 33 Abs. 1 S. 2 GWB, weil die Klägerin trotz hierauf bezogener rechtlicher Hinweise der Kammer keine Tatsachen vorgetragen hat, nach denen das kartellrechtswidrige Verhalten der Beklagten auch nur geeignet gewesen wäre, einen Schaden der Klägerin oder der Zedentin zu begründen.
49
1. Die Klägerin hat nichts zu den Zeitpunkten vorgetragen, an welchen die Vereinbarungen mit den Beklagten über die Konditionen des Warenerwerbs etwaiger von dem kartellrechtswidrigen Verhalten betroffener Produkte getroffen worden wären. Es ist mithin für das Gericht bereits nicht überprüfbar, ob entsprechende Vereinbarungen, die sich insbesondere auf nach der klägerischen Behauptung überhöhte Einkaufspreise ausgewirkt hätten, vor, während oder nach den streitgegenständlichen kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen der Beklagten getroffen wurden.
50
Wären solche Vereinbarungen vor dem Beginn kartellrechtswidriger Verhaltensweisen der Beklagten getroffen worden, wäre eine Eignung zur Schadensverursachung in jedem Fall zu verneinen; das gleiche gilt für Vereinbarungen nach Ende der Auswirkungen kartellrechtswidriger Verhaltensweisen.
51
a. Vortrag zu den Zeitpunkten der Preisvereinbarungen mit den jeweiligen Beklagten unterblieb vollständig, obwohl das Gericht bereits mit Beschluss vom 26.07.2017 die Klägerin darauf hingewiesen hatte, dass diese nicht hinreichend substantiiert dargelegt habe, dass die von den Beklagten bezogenen Waren unter die in den Bußgeldbescheiden aufgeführten Produkte/Produktgruppen fallen und deshalb von den streitgegenständlichen Verhaltensweisen betroffen wären (vergleiche Blatt 494 der Akte). Zur Substantiierung gehört auch die Mitteilung des Zeitpunktes der Preisvereinbarungen mit den Beklagten.
52
b. Hierauf hat auch die Beklagte zu 3) mit Schriftsatz vom 11.01.2018, dort Seite 12 f. ausdrücklich hingewiesen, und diesen Hinweis in der mündlichen Verhandlung wiederholt, wobei sie zutreffend betonte, dass dieser Vortrag unstreitig geblieben ist.
53
Soweit die Beklagte zu 3) im Schriftsatz vom 20.06.2017, dort Seite 6, punktuell über die Bestellzeitpunkte zweier Aktionswaren vorträgt, ist der Bestellzeitpunkt nicht mit dem Zeitpunkt einer Preisvereinbarungen gleichzusetzen. Bestellungen können aufgrund vorheriger Preisvereinbarungen vorgenommen werden.
54
Auch auf Bl. 161 erwähnt die Beklagte zu 3) nur den regelmäßigen (Rahmen-)Bezugszeitraum; eine Darlegung, wann welche Vereinbarungen mit der Klägerin bzw. der Zedentin erfolgten, liegt auch hierin nicht begründet und es kann auch nicht der Schluss gezogen werden, ob entsprechende Gespräche im Zeitraum vor, während oder nach der Dauer der kartellrechtswidrigen Absprachen lagen.
55
c. Eine Kartellbetroffenheit der Klägerin bzw. der Zedentin kann daher unabhängig davon, ob sie von den in Bezug genommenen Bußgeldbescheiden erfasste Produkte bezogen hat, nicht festgestellt werden, weshalb die Klage bereits aus diesem Grund unbegründet ist.
56
2. Überdies haben weder die Klägerin, noch die Zedentin, von den Bußgeldbescheiden erfasste Waren der Beklagten zu 1), 3), 7) oder 9) bezogen. Schon aus diesem Grund waren die streitgegenständlichen Absprachen nicht geeignet, Schäden bei der Klägerin oder der Zedentin zu verursachen.
57
Hinsichtlich des streitgegenständlichen Sachverhalts hat sich die Klägerin auf die als Anlage K4, K11 und K 26 vorgelegten Bußgeldbescheide beschränkt. Zur Feststellung einer – ohnehin mangels Angabe des Zeitpunkts der Preisvereinbarungen nicht schlüssig vorgetragenen, siehe soeben – Kartellbetroffenheit sind daher zunächst die Bußgeldbescheide hinsichtlich der für das Gericht bindenden Feststellungen auszuwerten (a.). Auf dieser Grundlage hat die Klagepartei keinen Sachverhalt vorgetragen, nach dem die von ihr als streitgegenständlich vorgetragenen Beschaffungsvorgänge hiervon erfasst wären (b.).
58
a. Die Klägerin hat im vorliegenden Verfahren drei Bußgeldbescheide des Bundeskartellamts vorgelegt, sich den dort enthaltenen Sachverhalt durch Bezugnahme zu eigen gemacht und damit vorgetragen. Vorgelegt wurden, dasselbe Ermittlungsverfahren betreffend, (Anlage K4, betreffend die Beklagten zu 3) und 4), siehe sogleich aa.), (Anlage K11, betreffend die Beklagten zu 1) und 2), siehe sogleich bb.) sowie den ein weiteres Ermittlungsverfahren betreffenden Bußgeldbescheid “) (K26, betreffend die Beklagten zu 8) und 9), siehe sogleich cc.).
59
aa. Im Bußgeldbescheid (Anlage K4) wird festgestellt, dass der Beklagte zu 4) im Zeitraum von frühestens März 2007 bis Juli 2008 mit einem Vertretern der Beklagten zu 1) und der ehemals Beklagten zu 5) vorsätzlich dem Verbot einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise zwischen Unternehmen zuwider gehandelt hat, indem er sich mit dem Beklagten zu 2) telefonisch über die Höhe und das Zeitfenster einer Preiserhöhung für Family-Cappuccino austauschte.
60
Die drei beteiligten Unternehmen kündigten dem Lebensmitteleinzelhandel durch Preiserhöhungsschreiben im September und Oktober 2007 eine Preiserhöhung für die betroffenen Cappuccino-Produkte an, die hinsichtlich der Beklagten zu 1) am 17.12.2007 und hinsichtlich der Beklagten zu 3) am 02.01.2008 wirksam wurde. In der Folgezeit stiegen die Einzelhandelsverkaufspreise für die betroffenen Cappuccino-Produkte an. Die Umsetzung der Absprache endete im Juli 2008 (Rn. 26 des Bußgeldbescheids).
61
Wie aus dem Tatvorwurf, sowie der Überschrift III. vor Rn. 16, Seite 9, und Rn. 16, und der Überschrift 3. vor Rn. 43, Seite 17, und Rn. 43 des Bußgeldbescheids folgt, bezog sich die festgestellte kartellrechtswidrige Verhaltensweise lediglich auf die Produktgruppe des sogenannten Family-Cappuccino. Die Family-Cappuccino-Linie unterscheidet der Bußgeldbescheid in Rn. 7 von der eher kaffeeorientierten Cappuccino-Linie dadurch, dass Family-Cappuccino weniger Instant-Kaffee und dafür andere Zusätze wie zum Beispiel Schokolade enthält.
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Hinsichtlich der betroffenen Produkte enthält der Bußgeldbescheid Feststellungen hinsichtlich der Beklagten zu 3) (sogleich (1)) und der Beklagten zu 1) (sogleich (2)).
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(1) In Rn. 19 wird allgemein angeführt, dass die Beklagte zu 3) im Entwurf eines Preiserhöhungsschreibens mit Datum vom 04.09.2007 eine Preiserhöhung für ihr Markensortiment und ihre Handelsmarken zum 02.01.2008 angekündigt habe. Dies wird in den folgenden Randnummern des Bußgeldbescheids konkretisiert: in Rn. 20 wird klargestellt, dass bereits in einem Gespräch vom 11.09.2007 die Kostensteigerung bei der Beklagten zu 3) sich lediglich auf 500 g Beutel/Dose beziehen solle; Rn. 22 stellt hinsichtlich der Umsetzung der abgestimmten Preiserhöhung einschränkend klar, dass sich im Bereich Family-Cappuccino die Erhöhung der Fabrikabgabepreise lediglich auf die Einheit 500 g Beutel bezieht.
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Die Kammer geht daher davon aus, dass vom Bußgeldbescheid hinsichtlich der Beklagten zu 3) mit bindender Feststellungswirkung sachlich nur Produkte aus dem Bereich Family-Cappuccino in der Verpackungseinheit 500 g Beutel erfasst sind.
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Eine Aussage, wie von der Klägerin behauptet, dass aufgrund der allgemeinen Angaben in Rn. 19 sämtliche von der Beklagten zu 3) hergestellten Produkte als „kartellbefangen“ anzusehen wären (vergleiche die entsprechende klägerische Argumentation auf Seite 24 des Schriftsatzes vom 12.10.2017), lässt sich angesichts der hier herausgearbeiteten Konkretisierungen dem Bußgeldbescheid nicht entnehmen.
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(2) Hinsichtlich der Beklagten zu 1) wird in Rn. 18 des Bußgeldbescheids ausgeführt, dass sich die Abstimmung der Preiserhöhung lediglich auf Produkte der Family-Linie bezog. Konkrete Produkte werden in dieser Randnummer nicht genannt. In Rn. 24 des Bußgeldbescheids wird festgehalten, dass die Umsetzung der abgestimmten Preiserhöhung, die mit Schreiben vom 14.12.2007 erfolgte, sich auf bestimmte betroffene Cappuccino-Produkte (Damit sind mit (die Beklagte zu 3 und den Beklagten zu 4) bindender Wirkung im Übrigen auch Produkte erfasst, die inhaltlich nicht zum Bereich Family Cappuccino zu rechnen sind (konkret: und nicht konkret benannte Produkte aus dem Bereich). Nach der Auffassung der Kammer darf angesichts der ausführlich dargelegten Beschränkung der kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen auf Family Cappuccino die Inklusion solcher „überschießender“ Produkte im Bußgeldbescheid allerdings nicht dazu veranlassen, ein jegliches Cappuccino-Produkt vom Bußgeldbescheid als erfasst anzusehen. Im vorliegenden Fall hat dieser Umstand zudem keine konkrete Bedeutung, da die Klägerin nach eigenem Vortrag weder ein Produkt noch bezogen hat.
67
Relevant und aus dem Bußgeldbescheid nicht klar zu entnehmen ist, welche Produkte der von der Preiserhöhung betroffen waren. Der Wortlaut des Bußgeldbescheids in der relevanten Rn. 24 ist jedenfalls nicht so zu verstehen, dass sämtliche Produkte der Produktgruppe erfasst wären. Die noch weitergehende Lesart der Klägerin (vergleiche die entsprechende klägerischer Argumentation auf Seite 20 des Schriftsatzes vom 12.10.2017), die sich auf den Passus lösliche Kaffeespezialitäten in der vorgehenden Randnummer bezieht, ist nach dem insoweit herausgearbeiteten Wortlaut des Bußgeldbescheids ebenso wenig zutreffend wie die Behauptung, bei Rn. 24 handelte es sich lediglich um eine Aussage dazu, welche Produkte aus der Cappuccino-Produktgruppe noch zu Altpreisen bestellt werden konnte. Hiervon ist die Kammer insbesonders aufgrund der folgenden zwei Umständen überzeugt: In Rn. 138 des von der Klägerin als Anlage K 26 vorgelegten Bußgeldbescheides, den sich diese zu eigen gemacht hat, wird der Inhalt des Schreibens am 14.12.2007 konkreter mitgeteilt, nämlich, bezogen auf die, dass hier nur solche im 400 g bzw. 500 g Beutel bzw. in der 500 g Dose erfasst sind. Eine Bestätigung erfährt dieser Umstand überdies durch die von der Beklagten zu 1) vorgelegte Ablichtung des Preiserhöhungsschreibens vom 14.12.2007 (Anlage B1/4), in welchem hinsichtlich der Cappuccinoprodukte lediglich die soeben wiedergegebenen Mengeneinheiten erfasst sind.
68
bb. Im (Kurz-)Bußgeldbescheid (Anlage K11) wird festgestellt, dass der für die Beklagte zu 1) handelnde Beklagte zu 2) im Zeitraum von März bis Ende 2007 telefonisch mit Handelnden der Beklagten zu 7), zu 3) und der ehemals Beklagten zu 5) eine Preiserhöhung für Cappuccino absprach. Die Preiserhöhungsschreiben erfolgten im September und Oktober 2007. Aussagen, welche Produkte betroffen waren, enthält der Bußgeldbescheid nicht.
69
Nach dem oben aufgeführten Maßstab steht damit nicht mit Bindungswirkung gemäß § 33 Abs. 4 GWB fest, welche konkreten Produkte der Beklagten zu 1) betroffen gewesen wären.
70
Die Kammer hat sich aber aus den soeben hinsichtlich der Anlage K4 in Verbindung mit der Anlage K 26 in Verbindung mit der Anlage B1/4 getätigten Ausführungen die Überzeugung gebildet, dass hinsichtlich der Beklagten zu 1) jedenfalls die dort erwähnten Produkte cc. Im Bußgeldbescheid “) (Anlage K26) wird festgestellt, dass am 26.09.2007 zwischen Handelnden für die Beklagte zu 1) und der Beklagten zu 9) eine Preiserhöhung für bestimmte Cappuccino-Produkte besprochen wurde (sogenannte abgestimmte Preiserhöhung, vgl. die Überschrift vor Rn. 134, Seite 46 des Bußgeldbescheides). Von der Erhöhung, die zum 21.01.2008 erfolgte, betroffen waren lediglich die Produkte (Rn. 141, Seite 48). Die diesbezügliche Preiserhöhung wurde zum 21.01.2008 wirksam (Rn. 141, Seite 48).
71
Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 12.10.2007, dort Seite 18, unter Berufung auf Rn. 42 des Bußgeldbescheides ablesen will, dass auch sämtliche übrigen Markenprodukte im Preis erhöht worden wären, ist dem nicht zu folgen. Auch unterstellt, dass die klägerischen Ausführungen die Rn. 142 in Bezug nehmen, sind dort lediglich Ausführungen über eine Vertragsbeziehung von (wobei bereits unklar ist, ob damit die Beklagte zu 7), zu 9) oder ein anderes Unternehmen der- Gruppe gemeint ist) zu zwei – aufgrund der Schwärzung – unbekannten weiteren Unternehmen enthalten. Welche konkrete Vertragsbeziehung bzw. konkreten Produkte hiervon betroffen waren, lässt sich aufgrund umfangreicher Schwärzungen nicht ablesen. Aus der Formulierung, dass die dortige Preiserhöhung im Umfang identisch mit der Preiserhöhung für die Markenprodukte gewesen sei, lässt sich der von der Klägerin begehrte Schluss jedenfalls nicht ziehen; die Markenprodukte beziehen sich nach der Logik des Textes auf die in der unmittelbar vorangehenden Randnummer 141 genannten zwei Produkte.
72
b. Die Klägerin hat unter Berücksichtigung des unter a) dargestellten (und die jeweiligen Betroffenen) bindenden Inhalts der in Bezug genommenen Bußgeldbescheide und trotz eines auf die fehlende Substantiierung der Kartellbetroffenheit bezogenen Hinweises der Kammer vom 26.07.2017 keinen Erwerb der von den Bußgeldbescheiden mit bindender Wirkung erfassten Produkte vorgetragen, weder von der Beklagten zu 3) (aa.), noch von der Beklagten zu 1) (bb.), noch von der Beklagten zu 7) / 9) (cc.) oder der ehemaligen Beklagten zu 5) (dd.).
73
aa. Dem klägerischen Sachvortrag lässt sich hinsichtlich der Beklagten zu 3) kein Bezug von in den Bußgeldbescheiden erfassten Produkte entnehmen.
74
(1) Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche bezogen auf Beschaffungsvorgänge geltend, die von den bindenden Feststellungen der Bußgeldbescheide nicht erfasst sind:
75
(a) Soweit die Klägerin vorträgt, es sei das Produkt Artikelnummer bezogen worden, fällt dieses Produkt bereits hinsichtlich des Gewichtes (nicht 500 g) nicht unter die vom Bußgeldbescheid mit bindender Wirkung festgelegten betroffenen Produkte. Überdies hat die auch insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin für den streitigen Umstand, dass es sich bei diesem Produkt um ein Family-Cappuccino-Produkt handelt, keinen Beweis angeboten.
76
(b) Soweit die Klägerin vorträgt, es sei das Produkt Artikelnummer bezogen worden, fällt dieses Produkt bereits hinsichtlich des Gewichtes (nicht 500 g) nicht unter die vom Bußgeldbescheid mit bindender Wirkung festgelegten betroffenen Produkte. Überdies hat die auch insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin für den streitigen Umstand, dass es sich bei diesem Produkt um ein Family-Cappuccino-Produkt handelt, keinen relevanten Beweis angeboten.
77
Soweit die Klägerin pauschal ein Sachverständigengutachten zur Zugehörigkeit dieses Produktes zu der Kategorie Family Cappuccino anbietet, liegt insoweit ein unzulässiger Ausforschungsbeweis aufgrund Fehlens jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte vor (vgl. BGH, Urteil vom 07. Februar 2019 – III ZR 498/16 –, Rn. 37, juris, m.w.N.). Ein konkreter Sachvortrag wäre der Klägerin, die bereits aufgrund der Inhaltsangabe/Zutatenliste auf der Packung vortragen könnte, ob es sich um ein Produkt mit höherem/niedrigeren Kaffeeanteil und entsprechenden Milch/Schoko-Zusätzen etc. handelt, auch möglich gewesen und wurde gleichwohl unterlassen.
78
(c) Soweit die Klägerin vorträgt, es sei das Produkt Artikelnummer bezogen worden, hat die auch insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht dargelegt, dass dieses Produkt von der ausgeführten Preiserhöhung lediglich betroffenen Verpackungsart Beutel entspricht. Auf den späteren substantiierten Vortrag der Beklagten zu 3), bei den von der Klägerin so bezeichneten Produkten habe es sich um zwei verschiedene Produkte in einer 500 g Dose gehandelt, folgte kein weiterer Vortrag der beweisbelasteten Klägerin, weshalb die Verpackungsart Dose als unstreitig zu behandeln ist (vgl. § 138 Abs. 3 ZPO).
79
(d) Soweit die Klägerin vorträgt, es sei das Produkt Artikelnummer bezogen worden, fällt dieses Produkt bereits hinsichtlich des Gewichtes (nicht 500 g) nicht unter die vom Bußgeldbescheid mit bindender Wirkung festgelegten betroffenen Produkte. Überdies hat die auch insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin für den streitigen Umstand, dass es sich bei diesem Produkt um ein Family-Cappuccino-Produkt handelt, keinen Beweis angeboten.
80
(e) Soweit die Klägerin vorträgt, es sei das Produkt Artikelnummer bezogen worden, fällt dieses Produkt bereits hinsichtlich des Gewichtes (nicht 500 g) nicht unter die vom Bußgeldbescheid mit bindender Wirkung festgelegten betroffenen Produkte.
81
(f) Soweit die Klägerin vorträgt, es sei das Produkt Artikelnummer bezogen worden, fällt dieses Produkt bereits hinsichtlich des Gewichtes (nicht 500 g) nicht unter die vom Bußgeldbescheid mit bindender Wirkung festgelegten betroffenen Produkte.
82
(g) Soweit die Klägerin vorträgt, es sei das Produkt Artikelnummer bezogen worden, fällt dieses Produkt bereits hinsichtlich des Gewichtes (nicht 500 g) nicht unter die vom Bußgeldbescheid mit bindender Wirkung festgelegten betroffenen Produkte.
83
(h) Soweit die Klägerin vorträgt, es sei das Produkt Artikelnummer bezogen worden, fällt dieses Produkt bereits hinsichtlich des Gewichtes (nicht 500 g) nicht unter die vom Bußgeldbescheid mit bindender Wirkung festgelegten betroffenen Produkte.
84
(i) Soweit die Klägerin vorträgt, es sei das Produkt Artikelnummer bezogen worden, fällt dieses Produkt bereits hinsichtlich des Gewichtes (nicht 500 g) nicht unter die vom Bußgeldbescheid mit bindender Wirkung festgelegten betroffenen Produkte. Überdies unterblieb ein Vortrag der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin auf den späteren differenzierten Vortrag der Beklagten zu 3), dass unter dieser Produktkategorie von der Klägerin für das Jahr 2009 auch ein nicht zur Kategorie der Family Cappuccino gehörendes Produkt erfasst worden sei. Insoweit lässt sich nicht feststellen, welche Mengen auf welches Produkt diesbezüglich anfielen.
85
(j) Soweit die Klägerin vorträgt, es sei das Produkt Artikelnummer bezogen worden, fällt dieses Produkt bereits hinsichtlich des Gewichtes (nicht 500 g) nicht unter die vom Bußgeldbescheid mit bindender Wirkung festgelegten betroffenen Produkte. Überdies hat die auch insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin für den bezüglich des Jahres 2010 streitigen Umstand, dass es sich bei diesem Produkt um ein Family-Cappuccino-Produkt handelt, keinen Beweis angeboten.
86
(k) Soweit die Klägerin vorträgt, es sei das Produkt Artikelnummer bezogen worden, fällt dieses Produkt bereits hinsichtlich des Gewichtes (nicht 500 g) nicht unter die vom Bußgeldbescheid mit bindender Wirkung festgelegten betroffenen Produkte. Überdies hat die auch insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin für den bezüglich des Jahres 2010 streitigen Umstand, dass es sich bei diesem Produkt um ein Family-Cappuccino-Produkt handelt, keinen Beweis angeboten.
87
(l) Soweit die Klägerin vorträgt, es sei das Produkt Artikelnummer bezogen worden, fällt dieses Produkt bereits hinsichtlich des Gewichtes (nicht 500 g) nicht unter die vom Bußgeldbescheid mit bindender Wirkung festgelegten betroffenen Produkte.
88
(2) Überdies stützt die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch auf Beschaffungsvorgänge bezogen auf Jahre, welche von der Feststellungswirkung des Bußgeldbescheids nicht erfasst wurden, nämlich 2007 (a) sowie August bis Dezember 2008 und 2009-2010 (b).
89
(a) Es ist bereits nicht möglich, dass eine bezogen auf die Beklagte zu 3) erst ab dem 02.01.2008 wirksame Preiserhöhung sich auf Beschaffungsvorgänge im Jahr 2007 ausgewirkt hätte. Bereits aus diesem Umstand kann die Klägerin bzw. die Zedentin in diesem Jahr insofern nicht kartellbetroffen gewesen sein.
90
(b) Eine Wirkung etwaiger Preisabsprachen/Preiserhöhungen lag nach dem Bußgeldbescheid nur bis Juli 2008 vor. Vortrag dazu, welche Produkte im Jahr 2008 einerseits bis zu diesem Zeitpunkt und andererseits nach diesem Zeitpunkt bezogen wurden, sowie wann insoweit die hierauf bezogenen Preisvereinbarungen getroffen wurden, fehlt.
91
Soweit die Klägerin pauschal von Nachwirkungen der kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen ausgeht, hat die Kammer ausdrücklich darauf hingewiesen, dass hierfür kein relevanter Sachverhalt vorgetragen wurde.
92
Auch von den bindenden Feststellungen der Bußgeldbescheide ist eine Nachwirkung über Juli 2008 gerade nicht erfasst. Allein die Tatsache, dass der Bundesgerichtshof bei einem Quotenkartell eine Nachwirkung von einem Jahr für möglich gehalten hat (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 – KZR 75/10 –, BGHZ 190, 145-172, Rn. 84, GRUR 2012, 291 – ORWI), führt nicht dazu, dass auch in anderen Fällen eine Nachwirkung angenommen werden müsste (vgl. auch LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 16. August 2018 – 19 O 9571/14 –, Rn. 112, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 12. Mai 2020 – 11 U 98/18 (Kart) –, Rn. 316, juris).
93
(3) Schließlich tritt die Klägerin dem Vortrag der Beklagten zu 3) nicht entgegen, dass sie sämtliche bis zum Herbst 2009 ausschließlich als Aktionswaren von der Beklagten bezogen habe und insoweit keine Bindung an Fabrikabgabepreise vorgelegen habe. Damit sind die Feststellungen des relevanten Bußgeldbescheids, die sich hinsichtlich der relevanten Produkte auf die Erhöhung von Fabrikabgabepreisen bezieht, auf diese Bezugsvorgänge nicht anwendbar. Auf diesen Umstand hat die Beklagte zu 3) auch in der letzten mündlichen Hauptverhandlung erneut hingewiesen, ebenso auf den Umstand, dass der zugrunde liegende Sachvortrag unwidersprochen geblieben ist, ohne dass die Klägerin hierauf reagiert hätte.
94
bb. Dem klägerischen Sachvortrag lässt sich hinsichtlich der Beklagten zu 1) kein Bezug von in den Bußgeldbescheiden erfassten Produkte entnehmen.
95
(1) Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche bezogen auf Beschaffungsvorgänge geltend, die von den bindenden Feststellungen der Bußgeldbescheide nicht erfasst sind:
96
(a) Soweit die Klägerin vorträgt, es sei das Produkt Artikelnummer bezogen worden, fällt dieses Produkt bereits hinsichtlich des Gewichtes (nicht 400 g bzw. 500 g) nicht unter die vom Bußgeldbescheid mit bindender Wirkung festgelegten betroffenen Produkte. Überdies erscheint das Produkt auch nicht in der Anlage B1/4, Seite 2, weshalb auch insofern nicht von seiner Erfassung ausgegangen werden kann.
97
(b) Soweit die Klägerin vorträgt, es sei das Produkt Artikelnummer zogen worden, fällt dieses Produkt bereits hinsichtlich des Gewichtes (nicht 400 g bzw. 500 g) nicht unter die vom Bußgeldbescheid mit bindender Wirkung festgelegten betroffenen Produkte. Zur Verpackungsform trägt die Klägerin nichts vor, sodass überdies nicht festgestellt werden kann, ob ein (ausschließlich erfasster) Verkauf im Beutel bzw. in der Dose erfolgte (oder in einer anderen Verpackungsform, wie beispielsweise in einer Schachtel). Überdies tauchen die Produkte auch nicht in der Anlage B1/4, Seite 2, auf, weshalb auch insofern nicht von einer Erfassung der Produkte ausgegangen werden kann. Der ausdrückliche Vortrag der Beklagten zu 1), dass Kaffeepads bereits begrifflich nicht den Instant-Cappuccinoprodukten unterfallen, blieb unstreitig. Die Klagepartei hat lediglich pauschal eine „Kartellbefangenheit“ behauptet. Im Übrigen ist von Bedeutung, dass die Streitparteien in einem Parallelverfahren bezogen auf Röstkaffee und der im dortigen Kartell erfassten Universalpads einen Prozessvergleich geschlossen haben.
98
(2) Überdies stützt die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch auf Beschaffungsvorgänge bezogen auf Jahre, welche von der Feststellungswirkung des Bußgeldbescheids nicht erfasst wurden, nämlich den Zeitraum Mitte 2008 bis Dezember 2008 und 2009-2010.
99
(a) Produktbezug im Jahr 2007 macht die Klägerin nicht mehr geltend.
100
(b) Eine Wirkung etwaiger Preisabsprachen/Preiserhöhungen lag nach den bindenden Feststellungen des Bußgeldbescheids nur bis Mitte 2008 vor. Vortrag dazu, welche Produkte im Jahr 2008 einerseits bis zu diesem Zeitpunkt und andererseits nach diesem Zeitpunkt bezogen wurden, sowie wann insoweit die hierauf bezogenen Preisvereinbarungen getroffen wurden, fehlt.
101
Soweit die Klägerin pauschal von Nachwirkungen der kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen ausgeht, hat die Kammer ausdrücklich darauf hingewiesen, dass hierfür kein relevanter Sachverhalt vorgetragen wurde.
102
Auch von den bindenden Feststellungen der Bußgeldbescheide ist eine Nachwirkung über Juli 2008 gerade nicht erfasst. Allein die Tatsache, dass der Bundesgerichtshof bei einem Quotenkartell eine Nachwirkung von einem Jahr für möglich gehalten hat (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 – KZR 75/10 –, BGHZ 190, 145-172, Rn. 84, GRUR 2012, 291 – ORWI), führt nicht dazu, dass auch in anderen Fällen eine Nachwirkung angenommen werden müsste (vgl. auch LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 16. August 2018 – 19 O 9571/14 –, Rn. 112, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 12. Mai 2020 – 11 U 98/18 (Kart) –, Rn.316, juris).
103
cc. Dem klägerischen Sachvortrag lässt sich hinsichtlich der Beklagten zu 7) oder 9) kein Bezug von in den Bußgeldbescheiden erfassten Produkte entnehmen. Einen Warenbezug von der Beklagten zu 9) behauptet die Klägerin bereits nicht.
104
(1) Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche bezogen auf Beschaffungsvorgänge geltend, die von den bindenden Feststellungen der Bußgeldbescheide nicht erfasst sind. Wie ausgeführt, erfasst der Bußgeldbescheid lediglich zwei konkrete Produkte, nämlich
105
(a) Soweit die Klägerin unter der Überschrift Umsätze im Jahr 2008 offensichtlich hinsichtlich des Jahres 2007 vorträgt, es sei das Produkt Artikelnummer bezogen worden, ist dieses Produkt nicht vom Bußgeldbescheid erfasst. Nach dem unstreitigen Vortrag der Beklagten zu 7) / 9) (vgl. Schriftsatz vom 28.06.2017, Seite 11) ist das Produkt in einer Faltschachtel geliefert worden, nicht in einer Dose. Auch das Gewicht entsprach nicht den vom Bußgeldbescheid erfassten Produkten.
106
(b) Soweit die Klägerin vorträgt, es sei das Produkt Artikelnummer bezogen worden, fällt dieses Produkt bereits hinsichtlich des Gewichtes (nicht 350 g bzw. 400 g) nicht unter die vom Bußgeldbescheid mit bindender Wirkung festgelegten betroffenen Produkte.
107
Zur Verpackungsform trägt die Klägerin nichts vor, sodass überdies nicht festgestellt werden kann, ob ein (ausschließlich erfasster) Verkauf im Beutel bzw. in der Dose erfolgte (oder in einer anderen Verpackungsform, wie beispielsweise in einer Schachtel). Der ausdrückliche Vortrag der Beklagten zu 7) / 9) (vgl. Schriftsatz vom 08.01.2018, Seite 3), dass Kaffeepads bereits begrifflich nicht den Instant-Cappuccinoprodukten unterfallen könnten, sondern der Kategorie Röstkaffee, ist unstreitig geblieben.
108
(c) Soweit die Klägerin vorträgt, es sei das Produkt Artikelnummer bezogen worden, entspricht dieses Produkt bereits dem Gewicht nach nicht den erfassten Produkten, ebenso ist die Verpackungsform seitens der Klägerin nicht angegeben.
109
(d) Soweit die Klägerin vorträgt, es sei im Jahr 2010 das Produkt Artikelnummer ... bezogen worden, entspricht dieses Produkt bereits dem Namen nach ... stellt eine andere Bezeichnung dar als ... nicht dem vom Bußgeldbescheid erfassten Produkt.
110
Auch wird die Verpackungsform seitens der Klägerin nicht angegeben, sodass dem Gericht eine Überprüfung, ob das Produkt in einer Dose verpackt war, nicht möglich ist. Gleiches gilt für das im gleichen Jahr bezogene Produkt Artikelnummer ... , welches zusätzlich auch dem Gewicht nach nicht dem vom Bußgeldbescheid erfassten Produkt entspricht (nicht 350 g).
111
(2) Überdies stützt die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch auf Beschaffungsvorgänge bezogen auf Jahre, welche von der Feststellungswirkung des Bußgeldbescheids nicht erfasst wurden.
112
(a) Es ist bereits nicht möglich, dass eine bezogen auf die Beklagte zu 7) / 9) erst ab dem 21.01.2008 wirksame Preiserhöhung sich auf das Jahr 2007 ausgewirkt hat; hierauf ist die Klägerin mit Schriftsatz der Gegenseite vom 08.01.2018, dort Seite 4, auch zutreffend hingewiesen worden. Bereits aus diesem Umstand können die Klägerin bzw. die Zedentin in diesem Jahr insofern nicht kartellbetroffen gewesen sein.
113
(b) Eine Feststellung über den Wirkungszeitraum der kartellrechtswidrigen Absprachen enthält der diesbezügliche Bußgeldbescheid nicht.
114
Zutreffend ist die hierauf bezogene Auffassung der Beklagten, die im Schriftsatz vom 05.01.2018, dort Seite 16, darauf hingewiesen haben, dass Bezüge im Jahr 2010 außerhalb des Verstoßzeitraums lägen. Soweit die Klägerin pauschal von Nachwirkungen der kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen ausgeht, hat die Kammer ausdrücklich – insbesondere auch für den Bezug der Produkte – darauf hingewiesen, dass hierfür kein relevanter Sachverhalt vorgetragen wurde.
115
Allein die Tatsache, dass der Bundesgerichtshof bei einem Quotenkartell eine Nachwirkung von einem Jahr für möglich gehalten hat (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 – KZR 75/10 –, BGHZ 190, 145-172, Rn. 84, GRUR 2012, 291 – ORWI), führt nicht dazu, dass auch in anderen Fällen eine Nachwirkung angenommen werden müsste (vgl. auch LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 16. August 2018 – 19 O 9571/14 –, Rn. 112, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 12. Mai 2020 – 11 U 98/18 (Kart) –, Rn. 316, juris).
116
(3) Schließlich blieb unstreitig, dass die Klägerin das Produkt ausschließlich als Aktionswaren von der Beklagten bezogen hat und insoweit keine Bindung an Fabrikabgabepreise vorlag. Damit sind die Feststellungen des Bußgeldbescheids (Anlage K26), die sich hinsichtlich der relevanten Produkte auf die Erhöhung von Fabrikabgabepreisen (vergleiche Rn. 141) bezieht, auf diese Bezugsvorgänge nicht anwendbar.
117
dd. Einen Produktbezug von der ehemaligen Beklagten zu 5) behauptet die Klägerin nicht. Der ausdrückliche Vortrag (Schriftsatz vom 31.03.2015, dort Seite 6 und 17) der ehemaligen Beklagten zu 5), es habe keine Lieferungen an die Klägerin gegeben, und es habe bereits keine Geschäftsbeziehung zwischen ihr und der Klägerin bestanden, blieb unstreitig.
118
Es kann im Übrigen dahinstehen, ob – entgegen der Überzeugung der Kammer – neben dem vom Bußgeldbescheid K4 ausdrücklich erwähnten 500g Beutel auch Dosen der gleichen Füllmenge erfasst wären. Für diesen Fall wäre die Klägerin hinsichtlich des Bezugs des Produkts Artikelnummer, vom 02.01.2008 bis 31.07.2008 kartellbetroffen. Jedenfalls ist die Kammer der Auffassung, dass die Klägerin auch insoweit keinen Sachverhalt vorgetragen hat, demgemäß im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität ein Schaden anzunehmen wäre.
119
Ein diesbezüglicher Anscheinsbeweis ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht anzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 –, BGHZ 224, 281-302, Rn. 31 m.w.N.).
120
Die Kammer ist der Auffassung, dass entgegen der Vermutung – im Sinne eines Erfahrungssatzes –, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten (vgl. oben, BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 –, BGHZ 224, 281-302, Rn. 40), im vorliegenden Fall kein Schaden anzunehmen wäre, worauf die Kammer auch ausdrücklich in der letzten mündlichen Verhandlung hingewiesen hat:
121
1. Hinsichtlich des betreffenden Produktes gab es unstreitig keine Preiserhöhung, worauf die Kammer auch ausdrücklich hingewiesen hat. Nach dem ausdrücklichen Vortrag der Klägerin sank sogar im Jahr 2008 der durchschnittliche Einkaufspreis gegenüber dem Jahr 2007 auf durchschnittlich 1,836 € pro Stück (Schriftsatz vom 12.10.2017, Seite 26).
122
2. Sofern man hinsichtlich des Bezugs des Produkts als Aktionsware und der dadurch folgenden Unabhängigkeit des Einkaufspreises von etwaigen Fabrikabgabepreise nicht, wie die Kammer, einen Umstand sieht, der bereits die Erfassung des entsprechenden Produkts vom sich lediglich auf Fabrikabgabepreise beziehenden Bußgeldbescheid negiert, läge hier jedenfalls ein weiteres gewichtiges Indiz dafür vor, dass ein Schaden aufgrund der Erhöhung von Fabrikabgabepreisen bei der Klägerin nicht eintreten konnte.
123
3. Trotz der von der Beklagten zu 1) im Schriftsatz vom 05.01.2018, dort Seite 17 f., substantiiert ausgeführten Rohstoffpreissteigerungen beschränkt sich die Klägerin insoweit auf ein einfaches Bestreiten (zuletzt im Schriftsatz vom 12.10.2017, Seite 21). Ungeachtet der Frage, welche konkreten Preissteigerungen vorgelegen haben und wie sich diese konkret auf die Herstellungspreise ausgewirkt haben können, ist jedenfalls von einem Preisanstieg wesentlicher Rohstoffe (insbesondere Milchpulver, Milcherzeugnisse, Nahrungsfette und Kaffee) im Zeitraum 2006-2007 auszugehen.
124
4. Schließlich liegt weder ein lange, noch ein nachhaltig praktiziertes wettbewerbswidriges Verhalten vor, sondern ein auf wenige Produkte beschränktes Verhalten von zeitlich kurzer Dauer, gerichtet auf eine jeweils einmalige Kommunikation von Fabrikabgabepreisanpassungen an den Lebensmitteleinzelhandel. Auch dies spricht nach der Rechtsprechung des BGH dafür, dass die Wahrscheinlichkeit der Auswirkung auf das Preisniveau als niedriger zu bewerten ist (vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 12. Mai 2020 – 11 U 98/18 (Kart) –, Rn. 256, juris).
125
Auf den Umstand, dass es keine gesamtschuldnerische Haftung sämtlicher Beklagter für deliktische Handlungen unterschiedlicher Tatkomplexe geben kann, hat die Kammer ausdrücklich hingewiesen, ihm kommt aber, mangels Schadensersatzanspruchs bereits dem Grunde nach, keine Bedeutung zu.
126
Mangels Bestehen eines Schadensersatzanspruches ist auch kein Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten oder Zinsen geschuldet.
127
Die Kostentragung richtet sich nach §§ 91, 269 Abs. 3 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 709 ZPO.