Titel:
Haushaltsführungsschaden, Klageerweiterung, Ergänzungsgutachten, Weiteres Schmerzensgeld, Schmerzensgeldzahlung, Schmerzensgeldansprüche, Schmerzensgeldforderungen, Haushaltstätigkeit, Auslagenpauschale, Verdienstausfallschaden, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Unfallbedingtheit, Sachverständigengutachten, Rechtshängigkeit, Klageschrift, Haftungsquote, Fahrtkosten zur Arbeitsstätte, Unfallereignis, Abzug neu für alt, Vorläufige Vollstreckbarkeit
Schlagworte:
Schadensersatz, Schmerzensgeld, Haushaltsführungsschaden, Verdienstausfallschaden, Feststellungsinteresse, Rechtsverfolgungskosten, Prozesszinsen
Fundstellen:
BeckRS 2021, 66822
DAR 2021, 599
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 35.513,15 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.04.2017 sowie weitere Zinsen aus einem Betrag von 9.963,99 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Zeitraum 07.11.2013 bis 31.03.2017 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab 01.04.2017 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 31.08.2012 gegen 14:30 Uhr auf dem D.-platz in W. zu 80% zu ersetzen, soweit kein Übergang auf Sozialleistungsträger oder sonstige Dritte erfolgt ist.
4. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.830,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.03.2014 zu zahlen.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
6. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 43% und der Beklagte 57% zu tragen.
7. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 62.601,87 € bis zum 27.03.2017, auf 131.186,55 € für den Zeitraum 28.03. bis 14.06.2017, auf 116.186,55 € für den Zeitraum ab 15.06.2017 bis zur mündlichen Verhandlung vom 21.09.2020 und seither auf 118.612,35 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens, der ihr bei einem Fahrradunfall entstanden ist, der sich am 31.08.2012 auf dem D.-platz in W. ereignete.
2
Die am … geborene Klägerin war am bezeichneten Tag gegen 14:30 Uhr zusammen mit ihrem Ehemann, … auf der S.-straße Richtung J.-promenade mit dem Fahrrad unterwegs. Dabei fuhren beide im Straßenbahngleisbett, das Teil der Fußgängerzone ist, die aber für den Fahrradverkehr freigegeben ist. Der Beklagte, der gerade in seiner Tätigkeit als Fahrradkurier unterwegs war, näherte sich den beiden von hinten. Er beschleunigte sein Fahrrad und wollte beide überholen.
3
Beim Überholversuch kam es zu einem Zusammenstoß. Der Beklagte stürzte dabei auf die Klägerin, die unter ihrem Fahrrad etwa in der Mitte des Gleisbettes zum Liegen kam.
4
Bei dem Unfall wurde die Klägerin insbesondere am linken Bein verletzt.
5
Die Klägerin wurde zur ambulanten Erstversorgung am 31.08.2012 im J.-spital W. vorstellig. Dort wurde nach einer Röntgenuntersuchung eine Unterschenkelfraktur mit Verdacht auf eine Tibiakopffraktur lateral links sowie der Verdacht auf einen Muskelfaserriss im rechten Oberschenkel diagnostiziert bei oberflächlichen Schürfwunden im Bereich des linken Handgelenkes. Der Klägerin wurde eine Unterarmgehstütze sowie Schmerzmittel verschrieben und eine Mekronschiene angelegt. Wegen starker Schmerzen im linken Kniegelenk stellte sich die Klägerin am 01.09.2012 in der notfallmäßigen Aufnahme des Kreiskrankenhauses A.-W. vor. Dort wurde eine zeitnahe Durchführung einer CT-li. Kniegelenk zum sicheren Ausschluss einer Tibiakopffraktur empfohlen. In der ARCUS Klinik Pforzheim wurde dann am 04.09.2012 ein Impressionsspaltbruch des li. Tibiakopfes diagnostiziert. Er erfolgte noch am gleichen Tage eine operative Versorgung mit dem Einbringen einer Stützplatte. Die Klägerin befand sich vom 04.09. bis 08.09.2012 sowie zur operativen Entfernung der am 04.09.2012 eingebrachten Abstützplatte in Verbindung mit einer diagnostischen Athroskopie vom 01.02. bis 03.02.2013 in stationärer Behandlung. Es erfolgte eine stationäre REHA-Behandlung vom 26.02. bis 22.03.2013.
6
Der Klägerin musste infolge des Unfalls für notwendige physiotherapeutische Behandlungen in der Physiotherapie Trageser (Quittungen Q13-1256, Q13-1255, Q13-1253, Q13-1254, Q13-682, Q13-683, Q13-684, Q13-284, Q13-285, Q13-52, Q13-53, Q12-1652, Q12-1651, Q12-1649, Q12-1648, Q12-1650, Q12-1370, Q12-1369) Zuzahlungen in Höhe von 330,14 € sowie weitere Auslagen und Zuzahlungen in Höhe von 502,77 € leisten, insgesamt also 832,91 €. Hinsichtlich der Einzelheiten der Auslagen und Zuzahlungen in Höhe von gesamt 502,77 € wird auf die Seiten 11 und 12 der Klageschrift vom 07.09.2013 (Bl. 11 und 12 d.A.) verwiesen.
7
Die Klägerin bewohnte mit ihrem Ehemann … gemeinsam das Anwesen auf dem 508 qm großen Grundstück in …. Die Wohnfläche des dort befindlichen Anwesens betrug 124,38 qm, die Nutzfläche 97,60 qm.
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Die Klägerin war infolge des Unfalls arbeitsunfähig. Nach Wegfall der Lohnfortzahlung entstand ihr ein fortlaufender Verdienstausfall. Hierauf hat die Klägerin Drittleistungen in Höhe von 37.795,92 € bis zum 30.04.2015, in Höhe von 2 * 1.178,36 € in der Zeit vom 01.05.2015 bis 31.12.2016, weitere 2 * 1.178,36 €, 8 * 1.203,07 €, 4 * 1.192,28 € und 6 * 1.242,90 € = 62.003,72 € der Rentenversicherung und 16.334,96 € der …, mithin insgesamt 78.338,68 € erhalten.
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Die Haftpflichtversicherung des Beklagten erbrachte vorgerichtlich eine Abschlagszahlung in Höhe von 7.000 € ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und mit Rückzahlungsvorbehalt. Mit Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 29.05.2017 (Bl. 455 d.A.) erfolgte die Verrechnung dieses Vorschusses in Höhe von 200 € auf den Sachschaden Brille (Zeitwert), 20 € auf die Auslagenpauschale, 402,22 € auf die Auslagen und Zuzahlungen gem. Seiten 11 und 12 der Klageschrift, 264,11 € auf die Zuzahlungskosten physiotherapeutischer Behandlungen, 3.113,67 € als Abschlag auf den Verdienstausfallschaden 31.08.2012 bis 31.08.2013 und 3.000,00 € als Abschlag auf den Haushaltsführungsschaden bis 31.08.2013.
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Die Klägerin behauptet:
11
Bei dem Unfall sei der Helm der Klägerin (Specialized Air-8, 60 €), die Fahrradhandschuhe (Roeckel Bike Solar Glove, 29,95 €), die Fahrradsocken (Falke BC Racing, 12,95 €), das T-Shirt (Assos Mumu Jersey, 129,00 €) sowie die Brille der Klägerin (755 €) beschädigt worden. Auch das Fahrrad (Mountainbike Red Bull) sei beschädigt worden, wodurch Reparaturkosten in Höhe von ,190,50 € entstanden seien. Zudem sei ihr Laufcomputer Polar RS 200 im Wert von 150 € beschädigt worden. Der Beklagte habe ihr zudem eine Auslagenpauschale in Höhe von 25 € zu ersetzen.
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Der Klägerin seien zudem im Zusammenhang mit dem Unfallereignis Fahrtkosten in Höhe von 2.312,22 € (7.707,40 km * 0,30 €) entstanden. Sie habe aufgrund des Unfalls ihre Jahreskarte für das L. Schwimmbad in H.-G. mit Gültigkeitszeitraum 10.11.2011 bis 09.11.2012 für 2 Monate nicht nutzen können, so dass ihr anteilige Kosten in Höhe von 23 € zu ersetzen seien. Während der Reha-Krankenhausaufenthalte sei aufgrund der massiv eingeschränkten Mobilität der Klägerin zwingend eine Begleitperson erforderlich gewesen, bereits für die notwendige An- und Abreise. Da ein Verbleib der Begleitperson vor Ort im Endeffekt günstiger gewesen sei, als wenn diese jeweils wieder nach Hause gefahren wäre, habe die Begleitperson jeweils vor Ort übernachtet, wofür erstattungsfähige Kosten in Höhe von 244,80 € entstanden seien.
13
Die Klägerin habe bei dem Unfallereignis darüber hinaus eine komplizierte Zahnfraktur erlitten. Für den notwendigen Zahnersatz sei seitens des behandelnden Arztes … am 21.03.2013 ein entsprechender Heil- und Kostenplan erstellt worden. Letztlich habe man sich für eine Implantatversorgung entschieden. Die hierfür erforderlichen Kosten in Höhe von insgesamt 7.364,04 € habe der Beklagte der Klägerin zu ersetzen.
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Die Klägerin meint, der Beklagte müsse ihr einen Haushaltsführungsschaden in Höhe von 48.576 € ersetzen. Sie könne unfallbedingt die im Einzelnen näher dargelegte Haushaltstätigkeiten mit einem durchschnittlichen Zeitaufwand von 181 Minuten täglich oder 92 Stunden monatlich nicht mehr verrichten. Die Klägerin müsse in ihrem örtlichen Umfeld für eine Ersatzkraft tatsächlich einen Aufwand von 12,00 € pro Stunde aufwenden. Daher stehe ihr ein monatlich ersatzfähiger Haushaltsführungsschaden in Höhe von 92 Stunden * 12,00 € = 1.104,00 € zu. Unter Berücksichtigung der Haftungsquote von 80% ergebe sich hieraus ein Betrag in Höhe von 883,20 €. Seit dem 01.09.2012 sei dieser Schaden mittlerweile bis zum 30.03.2017 auf 55 Monate aufgelaufen, so dass sich der Haushaltsführungsschaden auf 48.576 € belaufe.
15
Hinsichtlich der im Einzelnen näher dargelegten Haushaltstätigkeiten wird auf die Ausführungen auf den Seiten 5-9 des Schriftsatzes vom 31.07.2015 (Bl. 215-219 d.A.) sowie die Seiten 2-6 der Klageerweiterung vom 27.03.2017 (Bl. 435-437 d.A.) verwiesen.
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Die Klägerin meint, der Beklagte habe ihr zudem Verdienstausfall zu ersetzen. Ohne das Unfallgeschehen hätte sie bis zum 01.09.2013 Einkünfte in Höhe von 4.366,45 €, im September 2013 Einkünfte in Höhe von netto 2.356,43 €, im Oktober 2013 Einkünfte in Höhe von 2.356,43 €, im November 2013 Einkünfte in Höhe von 3.659,11 €, im Dezember 2013 Einkünfte in Höhe von 2.356,43 €, im Jahr 2014 Gesamteinkünfte in Höhe von 32.182,77 €, im Jahr 2015 Gesamteinkünfte in Höhe von 31.538,63 €, im Jahr 2016 Gesamteinkünfte in Höhe von 32.523,19 € erzielen können. Mithin hätte sie insgesamt Einkünfte in Höhe von 106.972,99 € gehabt. Hiervon seien die Drittleistungen in Höhe von 78.338,68 € abzuziehen, so dass sich ein Wert von 28.634,31 € errechne. Gem. der Haftungsquote in Höhe von 80% könne die Klägerin daher einen Verdienstausfall in Höhe von 22.907,48 € von dem Beklagten verlangen.
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Die Klägerin habe erhebliche dauerhafte Verletzungsfolgen erlitten. So sei Treppen laufen ohne Abstützen am Geländer nicht möglich. Sie benötige ständig, um überhaupt laufen zu können, das Tragen einer Kniebandage. Sie leide zusätzlich unter einer depressiven Reaktion wegen der Folgen des Unfalls und des langwierigen Heilverlaufs und befinde sich fortlaufend in psychotherapeutischer Behandlung. Die Klägerin meint, ihr stünde daher ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000,00 bei Berücksichtigung der Mithaftungsquote von 20% zu.
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Ursprünglich beantragte die Klägerin in Ziffer 1 der Klageschrift vom 07.09.2013, dass der Beklagte verurteilt wird, der Klägerin 21.710,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und unter Ziffer 2, dass festgestellt wird, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Eigenanteil für die Kosten des unfallbedingt notwendigen Zahnersatz gemäß dem Heil- und Kostenplan von … vom 26.07.2013 zu ersetzen. Mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 27.03.2017 wurde die Klage unter Ziffer 1 der Klage teilweise – soweit in der Klageschrift eine 100% Haftung des Beklagten statt der 80% Haftung angenommen wurde – zurückgenommen, die Feststellungsklage unter Ziffer 2 der Klageschrift geändert in eine Leistungsklage in Höhe von 7.364,04 € (Implantatversorgung) und die Klage in Ziffer 1 erweitert auf eine Zahlbetrag in Höhe von 81.186,55 €. Nachdem die Verrechnung des Vorschussbetrages in Höhe von 7.000 € mit Schriftsatz vom 29.05.2017 (Bl. 455 d.A.) erfolgte und ein weiterer Betrag in Höhe von 8.000 € auf den Schmerzensgeldanspruch erfolgte, haben die Parteien die Hauptsache teilweise in dieser Höhe übereinstimmend für erledigt erklärt.
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Die Klägerin beantragt zuletzt:
- 1.
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Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 76.612,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 2.
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Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 3.
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Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 31.08.2012 gegen 14:30 Uhr auf dem D.-platz in W. zu 80% zu ersetzen, soweit kein Übergang auf Sozialleistungsträger oder sonstige Dritte erfolgt ist.
- 4.
-
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.830,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.03.2014 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt:
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Die Klage wird abgewiesen.
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Der Beklagte trägt im Wesentlichen vor:
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Die Schmerzensgeldforderungen der Klägerin seien deutlichst überhöht.
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Mit Ausnahme des Helmes könne bei sämtlichen Gegenständen nur der Zeitwert ersetzt verlangt werden. Jedenfalls müsse sich die Klägerin bei Neuanschaffung der Brille einen Abzug neu für alt anrechnen lassen.
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Bei der Geltendmachung der Verdienstausfallansprüche müsse nach der Nettolohntheorie Fahrtkosten zur Arbeitsstätte und Steuervorteile für die Fahrt zur Arbeitsstätte genauso in Abzug gebracht werden wie etwaige Steuerersparnisse in Folge der Steuerfreiheit von Krankengeld.
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Die am 13.09.2013 eingegangene Klageschrift (Bl. 1-15 d.A.) wurde dem Beklagten am 06.11.2013 zugestellt. Die 1. Klageerweiterung vom 19.03.2014 (Bl. 67 und 68 d.A.) wurde dem Beklagten am 26.03.2014 zugestellt. Das LG Würzburg erließ am 14.05.2014 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.04.2013 ein Grundurteil (Bl. 98-109 d.A.), in dem festgestellt wurde, dass der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Ersatz des Schadens infolge des Fahrradunfalls vom 31.08.2012 gegen 14:30 Uhr auf dem D.-platz in W. dem Grunde nach zu 80% gerechtfertigt ist. Die Kostenentscheidung sollte dem Schlussurteil vorbehalten bleiben. Mit Urteil und Teilurteil des OLG Bamberg vom 18.11.2014 (Bl. 191 und 192 d.A.) wurden die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 14.05.2014, Az. 24 O 1647/13, mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass gleichzeitig festgestellt wurde, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden zu 80% und immaterielle Schäden unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote von 20%, resultierend aus dem Fahrradunfall vom 31.08.2012 in W., zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht von Gesetzes wegen auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind. Das Gericht hat Beweis erhoben durch schriftliches Sachverständigengutachten vom 15.12.2015 (Bl. 304-317 d.A.) und schriftliches Ergänzungsgutachten vom 24.04.2016 (Bl. 379 und 380 d.A.) des Sachverständigen … Das Gericht hat weiter ein schriftliches Gutachten vom 03.08.2017 (Bl. 464-505 d.A.), schriftliches 1. Ergänzungsgutachten vom 08.01.2018 (Bl. 530-544 d.A.) und ein schriftliches 2. Ergänzungsgutachten vom 27.11.2018 (Bl. 586-590 d.A.) des Sachverständigen … eingeholt. Weiter hat das Gericht das schriftliche psychotraumatologische Zusatzgutachten der Sachverständigen … vom 08.04.2020 (Bl. 646-683 d.A.) eingeholt. Das Gericht hat weiter in der öffentlichen Sitzung vom 11.09.2018 den Zeugen … und in der öffentlichen Sitzung vom 16.03.2021 den Zeugen … uneidlich vernommen. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschriften vom 11.09.2018 (Bl. 569-573) und vom 16.03.2021 (Bl. 707-711 d.A.) verwiesen.
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Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften vom 18.03.2014 (Bl. 59-65 d.A.), 29.04.2014 (Bl. 82-88 d.A.), vom 11.09.2018 (Bl. 569-573), vom 21.09.2020 (Bl. 695-697 d.A.) und vom 16.03.2021 (Bl. 707-711 d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
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Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das LG Würzburg sachlich gem. § 1 ZPO, §§ 71 Abs. 1, 23 GVG und örtlich gem. § 32 ZPO zuständig. Hinsichtlich der begehrten Feststellung besteht das Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs. 1 ZPO, da weitere künftige Folgeschäden infolge des schädigenden Ereignisses nicht ausgeschlossen werden können.
Die Klage ist nur teilweise begründet.
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Die Klägerin kann von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von 35.513,15 € (861,52 € + 2.064,02 € + 10.368 € + 22.219,61 €) sowie ein (weiteres) Schmerzensgeld in Höhe von 8.000 € verlangen.
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Aufgrund des rechtskräftigen Urteils und Teilurteils des OLG Bamberg vom 18.11.2014 in Verbindung mit dem Grundurteil des LG Würzburg vom 14.05.2014 steht fest, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden zu 80% und immaterielle Schäden unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote von 20%, resultierend aus dem Fahrradunfall vom 31.08.2012 in Würzburg, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht von Gesetzes wegen auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
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Nach § 249 Abs. 1 BGB hat der Beklagte den Zustand wiederherzustellen, der bestünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Zustand nicht eingetreten wäre. Nach § 249 Abs. 2 BGB kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen, wenn wegen Verletzung der Person oder wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten ist.
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1. Die Klägerin kann demgemäß von dem Beklagten für die durch den Unfall eingetretenen Sachschäden einen Betrag in Höhe von 861,52 € als Schadensersatz geltend machen.
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Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass der Klägerin infolge des streitgegenständlichen Unfalls die folgenden Sachschäden entstanden sind:
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Fahrradhelm Specialized Air-8 im Wert von 60 €
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Handschuhe Roeckl Bike Solar Glove im Wert von 29,95 €
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Strümpfe Falke BC 6 Racing im Wert von 12,95 €
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Assos Mumu Jersey im Wert von 129 €
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Uhr bzw. Laufcomputer Polar RS 200 im Wert von 150 €
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Fahrrad Montainbike Red Bull mit Reparaturaufwand 190,50 €
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Brille mit Neuanschaffungspreis 755 €,
insgesamt: 1.327,40 €, wobei die Klägerin hiervon mit der Klageschrift vom 07.09.2013 und der Klageerweiterung vom 27.03.2017 lediglich einen Betrag in Höhe von 1.326,90 € klageweise geltend macht.
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Das Gericht hat hierzu den Zeugen … vernommen. Dieser gab zur Überzeugung des Gerichts an, dass die vorgenannten Gegenstände allesamt durch das streitgegenständliche Unfallereignis erheblich beschädigt wurden, so dass sie unbrauchbar geworden sind. Dies wurde zudem durch die Inaugenscheinnahme der beschädigten Gegenstände (mit Ausnahme des Fahrrads) bestätigt. Der Zeuge … gab dabei zudem glaubhaft an, dass die Gegenstände allesamt vor dem Unfall in neuwertigen Zustand gewesen seien, so dass es aus Sicht des Gerichts angemessen erscheint, hinsichtlich des erforderlichen Geldbetrages zur Beschaffung einer gleichwertigen Sache auf den vom Zeugen glaubhaft geschilderten Anschaffungspreis abzustellen, Hinsichtlich des beschädigten Fahrrads hat die Klägerin ein Unfall-Gutachten des … vorgelegt (Anlage 2 zum Protokoll vom 16.03.2021), aus dem sich zur Überzeugung des Gerichts ergibt, dass der Betrag in Höhe von 190,50 € zur Reparatur des durch den Unfall beschädigten Fahrrads erforderlich war. Zur Brille hat die Klägerin die Rechnung vom 19.11.2014 (Anlage 1 zum Protokoll vom 16.03.2021) vorgelegt, wonach der vorgenannte Neuanschaffungspreis bestätigt wird. Ein Abzug neu für alt ist im Hinblick auf die vorgenannten Gegenstände nicht vorzunehmen. Wird eine gebrauchte Sache durch eine neue ersetzt oder durch den Einbau von Neuteilen repariert, kann dies zwar zu einer Werterhöhung führen. Dies setzt aber voraus, dass eine messbare Vermögensmehrung bei dem Geschädigten eingetreten ist, die sich für den Geschädigten wirtschaftlich günstig auswirkt. Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an der messbaren Wertsteigerung. Insbesondere ist im Hinblick auf die beschädigte Brille eine solche Wertsteigerung nicht zu bejahen, da nach den glaubhaften Ausführungen des Zeugen … die beschädigte Brille nicht besonders alt war und diese durch eine fast identische Brille ersetzt wurde, so dass eine messbare Vermögensmehrung diesbezüglich auf Seiten der Geschädigten nicht vorliegt.
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Zu dem vorgenannten Betrag in Höhe von 1.326,90 € ist weiter die geltend gemachte Auslagenpauschale in Höhe von 25 € zu addieren, so dass sich ein Betrag in Höhe von 1.351,90 € ergibt. Hiervon kann die Klägerin von der Beklagten gem. der rechtskräftig festgestellten Haftungsquote 80% beanspruchen, so dass sich ein Betrag in Höhe von 1.081,52 € ergibt. Hiervon in Abzug zu bringen ist der bereits bezahlte Teilbetrag in Höhe von 200 € (Brille) und 20 € (Auslagenpauschale), so dass sich ein noch offener Zahlbetrag für die Sachschäden in Höhe von 861,52 € ergibt.
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2. Die Klägerin kann weiter von dem Beklagten infolge des streitgegenständlichen Unfallereignisses Ersatz der „sonstigen Auslagen“ in Höhe von insgesamt 2.064,02 € (1.849,78 € + 195,84 € + 18,40 €) verlangen.
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a) Dabei sind der Klägerin aufgrund des unstreitigen Sachvortrags Zuzahlungskosten zu den physiotherapeutischen Behandlungen in Höhe von 330,14 € und weitere Auslagen in Höhe von 502,77 € entstanden. Diese Schadensposten hat der Beklagte nicht bestritten. Diese kann die Klägerin unter Berücksichtigung der Haftungsqoute in Höhe 80% in Höhe von 666,33 € von der Beklagten ersetzt verlangen. Da die Beklagte diesen Betrag durch Verrechnung des Vorschusses aber bereits vollständig ausgeglichen hat, kann die Klägerin diesbezüglich keinen weiteren Ausgleich von der Beklagten verlangen.
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b) Die Klägerin kann aber zudem Ersatz der Fahrtkosten für die unfallbedingt erforderlichen Fahrten insbesondere zu den Arztbesuchen, Kliniken und Reha-Aufenthalten von der Beklagten ersetzt verlangen. Für PKW-Fahrten zum Arzt und Apotheker kann der Verletzte Ersatz der Fahrtkosten verlangen, sofern die Fahrten nicht zugleich anderen Zwecken dienen. Auch Fahrtkosten der nahen Angehörigen für Krankenhausbesuche gehören zu den Heilungskosten und damit zu den Kosten, die der Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB zu ersetzen hat (Grüneberg in Palandt, 80. Auflage, § 249 Rn. 9). Der Zeuge … hat dabei glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts geschildert, dass die in der von ihm als Anlage 3 zum Protokoll vom 16.03.2021 übergebene Fahrtkostenaufstellung angefallenen Fahrten tatsächlich stattgefunden haben und auf das streitgegenständliche Unfallereignis zurückzuführen sind. Dabei sind nach Überzeugung des Gerichts jedoch die Fahrten infolge der Zahnfraktur herauszurechnen, da nach den Gutachten des … vom 15.12.2015 (Bl. 304 ff) und 24.04.2016 (Bl. 379 ff) die Zahnfraktur gerade nicht auf das streitgegenständliche Unfallereignis zurückzuführen ist. Die von dem Zeugen … übergebene Fahrtkostenaufstellung (Gesamtaufwand 24.408 km) übersteigt die mit der Klage geltend gemachten Fahrtkosten in Höhe von 2.312,22 € für einen Kilometeraufwand von 7.707,40 km in Höhe von 30 Cent pro Kilometer – auch nach Abzug der Fahrten infolge der Zahnfraktur – bei weitem, so dass die Klägerin aufgrund der unfallbedingten Fahrten von dem Beklagten grundsätzlich Schadensersatz in Höhe von 2.312,22 € für die geltend gemachten, unfallbedingten Fahrten über 7.707,40 km ersetzt verlangen kann. Dabei schätzt das Gericht die Kosten für die Fahrten auf 0,30 € pro Kilometer. Unter Berücksichtigung der Haftungsqoute in Höhe von 80% kann die Klägerin daher von dem Beklagten für die Fahrtkosten den klageweise geltend gemachten Betrag in Höhe von 1.849,78 € verlangen. Da das Gericht dabei an den Antrag des Klägers gebunden ist, war ein weitergehender Betrag nicht zuzusprechen.
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c) Die Klägerin kann zudem dem Grunde nach von dem Beklagten Ersatz der Rechnungsbeträge in Höhe von 136 € für die Hotelübernachtung vom 01.02. bis 03.02.2013 im … in Pforzheim, in Höhe von 36,80 € für die Übernachtung vom 21.03. auf den 22.03.2013 in der … in Bad F. sowie in Höhe von 72 € für die Übernachtungen vom 08.03. bis 10.03.2013 im … in Bad F., insgesamt also 244,80 €, verlangen. Diese stehen nämlich allesamt im Zusammenhang mit der Heilbehandlung infolge des streitgegenständlichen Unfalls. Der Zeuge … hat glaubhaft geschildert, dass er als Begleitperson die Klägerin zu den Reha-Aufenthalten fahren musste und angesichts der Entfernung zum Wohnort die jeweilige Hin- und Rückfahrt am selben Tag für ihn und die Klägerin nicht zumutbar war. Dass die vorgenannten Kosten tatsächlich angefallen sind, hat die Klägerin durch Vorlage der als Anlagen übersendeten Rechnungen nachgewiesen. Allerdings kann die Klägerin wiederum nur den nach der Haftungsqoute anteiligen Betrag in Höhe von 80%, mithin 195,84 €, von dem Beklagten verlangen.
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d) Die Klägerin kann zudem Ersatz der anteiligen Kosten für die Jahreskarte des … in H.-G. von dem Beklagten verlangen. Die von der Klägerin gezahlte Jahresgebühr betrug unstreitig 138 €. Unstreitig konnte die Klägerin die Jahreskarte infolge des streitgegenständlichen Unfalls für die Dauer von 2 Monaten nicht nutzen, so dass sie von der Beklagten den anteiligen Betrag in Höhe von 23 € ersetzt verlangen kann. Das Bestreiten des Beklagten, dass die Klägerin die Jahreskarte auch in diesen 2 Monaten genutzt hätte, ist dagegen unbeachtlich, zumal nach der allgemeinen Lebenserfahrung auszuschließen ist, dass eine Person eine Jahreskarte zur Nutzung eines Schwimmbads kostenpflichtig erwirbt ohne diese nutzen zu wollen. Da das Schwimmbad ein Hallenbad enthält, spricht auch die Jahreszeit nicht gegen die Nutzung des Schwimmbads. Die Klägerin kann aber erneut nur den nach der Haftungsquote ihr zustehenden Anteil von 80% von dem Beklagten verlangen, so dass ihr für die Jahreskarte des Schwimmbads ein Anspruch in Höhe von 18,40 € zusteht.
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e) Die Kosten für die Implantatversorgung in Höhe von 7.364,04 € kann die Klägerin hingegen nicht von dem Beklagten verlangen, da nach den überzeugenden Gutachten des … vom 15.12.2015 (Bl. 304 ff) und 24.04.2016 (Bl. 379 ff) die Zahnfraktur gerade nicht auf das streitgegenständliche Unfallereignis zurückzuführen ist. Diesbezüglich wird auf die Begründung in den vorgenannten Gutachten Bezug genommen.
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3. Die erlittenen Verletzungen rechtfertigen nach Ansicht des Gerichts ein Schmerzensgeld gem. § 253 BGB in Höhe von 20.000 €, wobei die Klägerin nach Berücksichtigung der Mithaftungsquote von dem Beklagten nur 80%, also einen Betrag in Höhe von 16.000 € verlangen kann. Nach Abzug der bereits gezahlten 8.000 € bleibt somit ein noch offener Schmerzensgeldanspruch der Klägerin gegen den Beklagten in Höhe von 8.000 €.
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Bei der Bemessung des angemessenen Schmerzensgeldes sind das Ausmaß und die Schwere der Verletzungen und der Schmerzen, die Dauer der stationären Behandlungen, die Belastungen durch Operationen und Behandlungsmaßnahmen sowie der Verlauf des gesamten Heilungsprozesses zu berücksichtigen. Bei der Bemessung kommt dem Gedanken, dass für vergleichbare Verletzungen ein annähernd gleiches Schmerzensgeld zu gewähren ist, besondere Bedeutung zu (Palandt, BGB, 70. Aufl., § 253 Rn. 15 ff).
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Unter Berücksichtigung von Art und Umfang der Verletzungen, der Heilbehandlungsmaßnahmen und des Verlaufs des Heilungsprozesses sowie der verbliebenen Folgen hält das Gericht ein Schmerzensgeld von 20.000 EUR für angemessen. Dabei hat das Gericht mitberücksichtigt, dass nach den nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Feststellungen der Sachverständigen … zwar keine posttraumatische Belastungsstörung und auch keine mittelgradige Depression bei der Klägerin vorliegen, aber sich eine depressive Reaktion auf die Unfallfolgen zeige, die mit einer Anpassungsstörung am ehesten beschrieben werden könne. Die damit einhergehenden dauerhaften Beeinträchtigung wurden daher bei der Bemessung des Schmerzensgeldes mitberücksichtigt. Des Weiteren sieht das Gericht auch eine ungebührliche Verzögerung der Schadensregulierung des Schädigers bzw. dessen Versicherung. Die Verpflichtung zur Schadensregulierung und Schmerzensgeldzahlung war im vorliegenden Fall aufgrund der unstreitigen Verletzungsfolgen und der mehrfachen operativen Eingriffe infolge des Unfalls für Schädiger und Versicherung ohne weiteres erkennbar. Die bloße Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 7.000 € ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und Vornahme der diesbezüglichen Verrechnung erst im Mai 2017 sowie Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 8.000 € ebenfalls im Mai 2017 und damit mehr als 4 Jahre nach dem Unfallereignis erscheint angesichts der vorliegenden Umstände nicht nachvollziehbar. Spätestens nach der Entscheidung des OLG Bamberg aus dem Jahr 2014 wäre die Beklagtenseite veranlasst gewesen, auf die zumindest unstreitigen Verletzungsfolgen eine Zahlung auf das sich aufdrängte Schmerzensgeld zu erbringen.
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4. Der Klägerin steht zudem ein noch offener Anspruch auf Ersatz des sog. Haushaltsführungsschadens in Höhe von 10.368 € für den Zeitraum vom 01.09.2012 bis 30.03.2017 zu.
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Auszugehen ist hierbei von dem Umfang der Hausarbeiten, die die Verletzte ohne den Unfall tatsächlich erbracht hätte. Eine schematische Betrachtung ist nicht gerechtfertigt. Das Gericht hat hierzu den Zeugen … vernommen. Dieser gab glaubhaft an, dass die Haushaltstätigkeiten für das gemeinsame Anwesen auf dem 508 qm großen Grundstück mit einem Anwesen mit einer Wohnfläche von 124,38 qm vor dem streitgegenständlichen Unfall ganz überwiegend durch die Klägerin erfolgten.
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a) Das Gericht hat hinsichtlich des Umfangs und des Zeitaufwands der Haushaltstätigkeiten den Zeugen … vernommen. Dieser schilderte detailreich und für das Gericht nachvollziehbar, dass die Klägerin vor dem streitgegenständlichen Unfall durchschnittlich 181 Minuten pro Tag für Haushaltstätigkeiten erbrachte. Das Gericht glaubt dabei dem Zeugen … zumal dieser ebenfalls glaubhaft für das Gericht angab, dass er seit dem Unfall die Haushaltstätigkeiten übernommen habe, so dass naheliegt, dass er den Zeitaufwand für die einzelnen Tätigkeiten gut einschätzen kann. Im Einzelnen gab er glaubhaft an, dass die Klägerin für die Arbeiten am Morgen für Frühstück etc. einen Zeitaufwand von mindestens 30 Minuten pro Tag hatte. Für die Einkäufe und das Abendessen zubereiten inklusive Abräumen benötigte die Klägerin danach ungefähr durchschnittlich 43 Minuten pro Tag, für das Staubsaugen und Badezimmer säubern durchschnittlich 13 Minuten pro Tag, Abstauben der Möbel und Reinigen von Küchenfronten durchschnittlich 21,5 Minuten pro Tag, Reinigen des Treppenhauses durchschnittlich 3 Minuten pro Tag, Reinigen der Glasbausteine und Vorhänge/Gardinen durchschnittlich 2,5 Minuten pro Tag, Wohnung feucht wischen durchschnittlich 8,5 Minuten pro Tag, Heizkörper und Keller reinigen durchschnittlich 2 Minuten pro Tag, Wäsche inklusive Bügeln durchschnittlich 30 Minuten pro Tag, Fenster putzen durchschnittlich 4 Minuten pro Tag, Gartenarbeit durchschnittlich mindestens 15 Minuten pro Tag und Grabpflege durchschnittlich mindestens 8,5 Minuten pro Tag. Hieraus errechnet sich ein Gesamtzeitaufwand für die Haushaltstätigkeiten vor dem streitgegenständlichen Unfall von durchschnittlich 181 Minuten pro Tag.
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b) Sodann hat das Gericht geklärt, welche konkrete haushaltsspezifische Behinderung bestanden hat. Wird eine Person durch den Arzt für arbeitsunfähig erklärt, so bedeutet dies nicht, dass er zugleich zu 100% nicht in der Lage ist, Haushaltstätigkeiten zu erbringen. Es ist vielmehr auf den konkreten Grad der Behinderung abzustellen. Das Gericht hat hierzu das fachorthopädische Gutachten des Sachverständigen … vom 25.11.2016,(Bl. 464 ff) sowie das Ergänzungsgutachten vom 08.01.2018 (Bl. 530 ff) eingeholt. Dabei hat der Sachverständige … im Ergänzungsgutachten vom 08.01.2018 jeweils Ausführungen zu den konkreten Beeinträchtigungen der Klägerin im Hinblick auf die jeweils geltend gemachte konkrete Haushaltstätigkeit gemacht. Dabei schätzt der Sachverständige die konkrete Beeinträchtigung der Klägerin je nach Art der Haushaltstätigkeit auf Werte zwischen 10% (beispielsweise für das Kochen) und höchstens 50-60% (Reinigung der Heizkörper). In der Regel liegt der Wert der von ihm geschätzten Beeinträchtigung bei 30%. Für das Gericht nachvollziehbar kommt der Sachverständige abschließend (Bl. 543 d.A.) zu dem Ergebnis, dass der Grad der Beeinträchtigung hinsichtlich der Haushaltsführung infolge der linksseitigen Kniegelenksverletzung aus seiner Sicht mit etwa 30% einzuschätzen ist, so dass das Gericht auch diesen Wert als Grad der konkreten Beeinträchtigung der Haushaltstätigkeiten in der Gesamtheit übernimmt. Es ergibt sich somit für die Berechnung des Haushaltsführungsschadens der Klägerin ein Ausfallzeitraum von geschätzt durchschnittlich 60 Minuten pro Tag (181 Minuten * 0,3 = 54,30 Minuten, aufgerundet: 60 Minuten pro Tag). Das bedeutet für den dem Klageverfahren zugrunde liegenden Zeitraum vom 01.09.2012 bis 30.03.2017 mit insgesamt 1.671 Tagen einen Zeitaufwand von 1.671 Stunden, der von dem Beklagten auszugleichen ist.
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c) Den Stundensatz schätzt das Gericht auf 10 €. Bei der Höhe des Stundensatzes ist bisher eine eindeutige Regelung innerhalb der Rechtsprechung, insbesondere eine Entscheidung des BGH nicht erkennbar. Grundsätzlich wird in der Rechtsprechung ein Stundensatz für einfache Haushaltsarbeiten bei fiktiver Abrechnung von 8,50 Euro netto für angemessen erachtet und man orientiert sich dabei an dem gesetzlichen Mindestlohn. Im vorliegenden Fall ist jedenfalls zu berücksichtigen, dass es sich um einen eher gehobenen Haushalt handelt, so dass davon auszugehen ist, dass auch entsprechende Anforderungen an die Leistungsfähigkeit und Sorgfalt einer Hilfsperson zu stellen sind. Die Klägerin hatte vor dem Unfall eine zentrale Rolle bei der Bewältigung der umfangreichen und abwechslungsreichen Haushaltstätigkeiten inne. Deshalb hält das Gericht in diesem Fall einen Stundensatz von 10 Euro netto für angemessen.
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d) Unter Berücksichtigung eines Stundensatzes von 10 Euro und der dargelegten Tätigkeitszeiten ergibt sich deshalb für das Gericht für den Zeitraum vom 01.09.2012 bis 30.03.2017 ein Haushaltsführungsschaden der Klägerin in Höhe von 16.710 €. Unter Berücksichtigung der Haftungsquote von 80% ergibt sich der Betrag in Höhe von 13.368 €. Hierauf hat der Beklagte mit der Verrechnung des Vorschusses bereits einen Betrag in Höhe von 3.000 € gezahlt, so dass noch ein Betrag in Höhe von 10.368 € verbleibt, den die Klägerin von dem Beklagten ersetzt verlangen kann.
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5. Die Klägerin kann weiter von dem Beklagten den Verdienstausfallschaden für den dem Klageverfahren zugrunde liegenden Zeitraum vom 15.10.2012 bis zum 31.12.2016 in Höhe der noch offenen 22.219,61 € verlangen.
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Das Gericht folgt auch hier den nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen … im Gutachten vom 25.11.2016 sowie den Ergänzungsgutachten vom 08.01.2018 und 27.11.2018. Der Sachverständige hat hierbei ausgeführt, dass aus seiner orthopädischen Sicht die als kniegelenksbelastend einzuschätzende berufliche Tätigkeit als IT-Systemadministrator in hohem Maße infolge der unfallbedingten Kniegelenksverletzung und deren Folgen beeinträchtigt wurde, so dass eine Wiederaufnahme dieser konkreten beruflichen Tätigkeit voraussichtlich nicht möglich sein werde. Das Gericht hat zudem den Zeugen …, den Abteilungsleiter der Hauptverwaltung, bei der die Klägerin in einem Sachgebiet vor dem streitgegenständlichen Unfall beschäftigt war, vernommen. Dieser gab glaubhaft an, dass der Arbeitsplatz der Klägerin ein hohes Maß an Mobilität aufgrund der dortigen Struktur erforderlich machte, weil die Klägerin damals alleine für die IT-Systemadministration verantwortlich gewesen sei und sie gleich eine Vielzahl an Außenstellen betreut habe. Nach seiner Einschätzung sei die Klägerin über 50% außerhalb ihres konkreten Arbeitsplatzes unterwegs gewesen. Dabei kam der Sachverständige … in dem Ergänzungsgutachten vom 27.11.2018 nach Berücksichtigung der Aussagen des Zeugen … weiterhin zu dem Ergebnis, dass aus seiner orthopädischen Sicht die als kniegelenksbelastend einzuschätzende berufliche Tätigkeit als IT-Systemadministrator in hohem Maße infolge der unfallbedingten Kniegelenksverletzung und deren Folgen beeinträchtigt wurde, so dass eine Wiederaufnahme dieser konkreten beruflichen Tätigkeit voraussichtlich nicht möglich sein werde.
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Die Klägerin kann daher gem. § 252 BGB die ihr nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entgangenen Einkünfte aus ihrer abhängigen Tätigkeit nach Abzug der ersparten Aufwendungen von dem Beklagten ersetzt verlangen. Die entgangenen (Netto-)Einkünfte schätzt das Gericht nach § 287 ZPO unter Zugrundelegung der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigungen und (fiktiven) Gehaltsabrechnungen der … auf
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4.366,45 € für den Zeitraum 15.10.2012 bis 31.08.2013
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10.728,40 € für den Zeitraum September 2013 bis Dezember 2013,
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32.182,77 € für den Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2014,
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31.538,63 € für den Zeitraum Januar 2015 bis Dezember 2015 und
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32.523,19 € für den Zeitraum Januar 2016 bis Dezember 2016, insgesamt also 111.339,44 €.
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Hiervon sind die unstreitig erfolgten Drittleistungen in Höhe von 78.338,68 € abzuziehen, so dass ein Betrag in Höhe von 33.000,76 € verbleibt. Ein weiterer Abzug wegen Ersparnissen an Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen und Fahrtkosten zur Arbeitsstätte ist hingegen nicht veranlasst, da sowohl die erhaltenen Lohnersatzleistungen wie auch der zu zahlende Nettoverdienstausfall noch zu versteuern ist. Angesichts der glaubhaften Angabe des Zeugen; … im Termin vom 16.03.2021, dass die Arbeitsstätte der Klägerin nur ca. 4-5 km von ihrem Wohnort entfernt gewesen sei und die Klägerin die Fahrtstrecke überwiegend mit dem Fahrrad zurückgelegt habe, sind auch die ersparten Aufwendungen für Fahrtkosten so geringfügig, dass sie in diesem Rahmen nicht berücksichtigungsfähig sind. Gemäß der Haftungsquote von 80% errechnet sich hieraus den Gesamtbetrag in Höhe von 26.400,61 €. Hierauf hat der Beklagte bereits einen Betrag in Höhe von 3.113,67 € gezahlt, so dass die Klägerin den noch offenen Betrag in Höhe von 23.286,94 € von dem Beklagten ersetzt verlangen kann. Das Gericht ist hierbei wiederum an den Klageantrag aus der Klageerweiterung vom 27.03.2017 nach teilweiser übereinstimmender Erledigterklärung in Höhe von 19.793,81 € (22.907,48 € – 3.113,67 €) gebunden. Allerdings ist zu sehen, dass der Klageantrag aus Ziffer 1 in dem Termin vom 21.09.2021 auf den Zahlbetrag 76.612,35 € (und damit um 2.425,80 €) erhöht wurde, so dass davon auszugehen ist, dass sich die Erhöhung auf den Verdienstausfall bezog. Daher kann die Klägerin gemäß ihres Antrags zumindest einen Betrag in Höhe von 22.219,61 € (19.793,81 € + 2.425,80 €) von dem Beklagten für den geltend gemachten Verdienstausfall beanspruchen.
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6. Der Feststellungsantrag der Klägerin bezüglich künftiger materieller und immaterieller Schäden ist begründet. Bei der Prüfung der Begründetheit sind maßvolle Anforderungen zu stellen. Es genügt eine nicht entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht durch das Auftreten weiterer, bislang nicht erkennbarer und voraussehbarer Leiden. Ob in diesem Sinne mit der Möglichkeit einer späteren Verschlechterung zu rechnen ist, kann sich aus Art und Schwere der Verletzungen ergeben. Bei schwereren Unfallverletzungen trifft dies in der Regel zu; in Fällen dieser Art kann der Feststellungsanspruch nur verneint werden, wenn aus der Sicht des Verletzten bei verständiger Beurteilung kein Grund bestehen kann, mit Spätschäden immerhin zu rechnen (vgl. BGH NJW-RR 1989, 1367). Hiernach ergibt sich die Begründetheit des immateriellen Vorbehalts schon daraus, dass bei der Klägerin nach den Feststellungen der Sachverständigen … und der … von dauerhaften Beeinträchtigung bei der Klägerin, insbesondere in Bezug auf eine Anpassungsstörung auszugehen ist und damit weiter Folgeschäden in Zukunft wahrscheinlich sind.
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7. Die Klägerin kann zudem die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.830,18 € als weiteren Schadensersatzposten von dem Beklagten ersetzt verlangen. Dabei hält das Gericht ebenso wie von Klägerseite beantragt die Erhöhung auf eine 2,1 Gebühr aufgrund des Umfangs und der Schwierigkeit des Verfahrens für angemessen.
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Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten errechnen sich danach wie folgt:
„Gegenstandswert: 62.601,87 €
2,1 Geschäftsgebühr
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2.358,30 €
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Auslagenpauschale
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20,00 €
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Mehrwertsteuer 19%
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451,88 €
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Gesamtbetrag:
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2.830,18 €
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8. Die Klägerin kann zudem die beantragten Prozesszinsen gem. § 291 BGB von dem Beklagten verlangen, wobei hierbei zu sehen ist, dass die konkreten Zahlungsansprüche mit Ausnahme der Sachschäden in Höhe von 861,52 € (vgl. A.II.1), der sonstigen Auslagen in Höhe von 2.064,02 € (vgl. A.II.2), des Haushaltsführungsschadens für den Zeitraum 01.09.2012 bis 31.07.2013 sowie des Verdienstausfalls für den Zeitraum 15.10.2012 bis 31.08.2013 in Höhe von 4.366,45 € überwiegend erst mit der Klageerweiterung vom 27.03.2017 geltend gemacht wurden, die dem Beklagten am 31.03.2017 zugestellt wurde. Lediglich die dem auszusprechenden Betrag in Höhe von 9.963,99 € zugrundeliegenden konkreten Zahlungsansprüche wurden bereits mit der Klageerhebung geltend gemacht und sind daher seit dem 07.11.2013 (Rechtshängigkeit der Klage) zu verzinsen. Dabei wurde hinsichtlich des Haushaltsführungsschadens für den Zeitraum 01.09.2012 bis 31.07.2013 (334 Tage), der sich aus dem zugesprochenen Betrag in Höhe, von 13.368 € für den Zeitraum 01.09.2012 bis 30.03.2017 (1.671 Tage) anteilig ermittelte Betrag (8 € pro Tag) in Höhe von 2.672 € (entspricht 334 * 8 €) berücksichtigt.“
60
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 91a, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Soweit die Parteien die Hauptsache teilweise infolge der Verrechnung des Vorschusses in Höhe von 7.000 € und der Zahlung in Höhe von 8.000 € auf das Schmerzensgeld übereinstimmend für erledigt erklärt haben, entsprach es billigem Ermessen, dem Beklagten die Kosten insoweit aufzuerlegen, da er unterlegen gewesen wäre. Hinsichtlich der teilweisen Klagerücknahme, wobei das Gericht diesbezüglich von einem Streitwert von 4.342,13 € (20% der ursprünglichen Klageforderung in Höhe von 21.710,64 €) ausgeht, trägt nach § 269 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Klägerin die Kosten. Im Übrigen wurde die Kostenquote nach dem jeweiligen Obsiegens der gegnerischen Partei festgesetzt.
61
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
62
Den Streitwert hat das Gericht auf 62.601,87 € für den Zeitraum bis zur Klageerweiterung (mit teilweiser Klagerücknahme), auf 131.186,55 € für den Zeitraum bis zur teilweisen übereinstimmenden Erledigterklärung, danach auf 116.186,55 € und ab der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2020 auf 118.612,35 € festgesetzt. Für den Feststellungsantrag hält das Gericht dabei gem. § 3 ZPO einen Wert in Höhe von 20.000 € für sachgerecht.