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SG Landshut, Urteil v. 27.10.2021 – S 14 R 338/20
Titel:

Urlaubsabgeltung, Urlaubsanspruch, Hinzuverdienstgrenzen, Elektronischer Rechtsverkehr, Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Ruhendes Arbeitsverhältnis, Bestehendes Arbeitsverhältnis, Überzahlung, Widerspruchsbescheid, Sozialgerichtsgesetz, Entgeltabrechnungszeitraum, Volle Erwerbsminderung, Lohnsteuerbescheinigung, Kostenentscheidung, Berufungsschrift, Arbeitsunfähigkeit, Aufhebungsvertrag, Rechtsmittelbelehrung, Prozeßbevollmächtigter, Abgeltungsanspruch

Schlagworte:
Klageabweisung, Rente wegen Erwerbsminderung, Hinzuverdienstgrenzen, Urlaubsabgeltung, Arbeitsverhältnis, Rücknahme von Verwaltungsakten, Kostenentscheidung
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Beschluss vom 25.01.2023 – L 6 R 131/22
BSG Kassel, Beschluss vom 25.09.2023 – B 5 R 46/23 B
Fundstelle:
BeckRS 2021, 63789

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1
Zwischen den Beteiligten ist eine Überzahlung in Höhe von 3.556,14 € wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen streitig.
2
Der Kläger war seit 14.05.1982 bei der Firma A. beschäftigt und seit 18.11.2009 arbeitsunfähig krank. Das Arbeitsverhältnis war daher ruhend gestellt Mit Bescheid vom 21.04.2011 wurde ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.06.2010 zunächst befristet bis 31.05.2012, mit Bescheid vom 15.09.2014 bis zum 31.08.2016 und mit Bescheid vom 17.05.2018. auf Dauer gewährt.
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Am 31.08.2018 wurde ein Aufhebungsvertrag geschlossen und das Arbeitsverhältnis beendet.
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Es wurde vereinbart, dass die verbleibenden Resturlaubsansprüche sowie das Restguthaben vom Arbeitszeitkonto zum 31.08.2018 ausbezahlt werden.
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Die Lohnsteuerbescheinigung vom 08.10.2018 wies für 2018 einen Bruttolohn von 10.912,35 € aus.
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Daneben übte der Kläger noch eine geringfügig beim Leistungszentrum für Orthopädietechnik in B-Stadt mit einem Arbeitsentgelt in Höhe von 5.400 € in 2018 aus.
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Mit Bescheid vom 26.08.2019 wurde die Rente neu berechnet, da für das Jahr 2018 der tatsächliche Hinzuverdienst zu berücksichtigt. Es ergab sich eine Überzahlung in Höhe von 3.556,14 €.
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Dagegen wurde Widerspruch eingelegt und begründet, dass sich bei einem Hinzuverdienst von 10.912,35 € laut Hinzuverdienstrechner eine andere Überzahlung ergebe. Im Übrigen sei die Urlaubsabgeltung für die Zeit ab 2009 bis 31.08.2018 durch zehn Jahre zu teilen, sodass sich für jedes Jahr anteilig lediglich ein Betrag in Höhe von 1091,23 € brutto bzw. 950,38 € netto errechne. Geteilt durch zwölf Monate betrage der Hinzuverdienst 90,93 € brutto bzw. 79,20 € netto und stelle damit keinen schädlichen Hinzuverdienst dar.
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Am 22.04.2020 erteilte die Beklagte einen zurückweisenden Widerspruchsbescheid.
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Sie wies u.a. darauf hin, dass der Hinzuverdienst 2018 insgesamt 16312,35 € (10912,35 € + 5400 €) betragen habe. Die Rechtsauffassung, dass eine Aufteilung des Hinzuverdienstes auf 10 Jahre vorzunehmen sei, sei nicht zu folgen.
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Dagegen wurde Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben und weiter vorgetragen, dass es sich bei der Urlaubsabgeltung um einen Anspruch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses handele und nicht um anrechenbares Einkommen aus dem Arbeitsverhältnis. Außerdem habe man die Zahlung fälschlich als Urlaubsabgeltung bezeichnet, tatsächlich handele es sich hierbei um eine Abfindung, die nicht anrechenbar sei.
12
Nach gerichtlicher Ermittlungen beim Arbeitgeber hat sich ergeben, dass der ausgezahlte Betrag keine Überstundenauszahlung beinhalte, die Urlaubsabgeltung für die Jahre 2017 und 2018 gewährt wurde da der Kläger aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit seinen Urlaub nicht „in natura“ nehmen konnte. Es habe sich um Zahlung von Ansprüchen gehandelt bei denen jegliche gesetzliche Urlaubsansprüche abgegolten worden seien.
13
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,
den Bescheid vom 26.08.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2020 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne Abzugs eines Hinzuverdienstes zu bewilligen.
14
Der Beklagtenvertreter beantragt,
die Klage abzuweisen Zur Ergänzung des Tatbestandes und wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
16
Der Bescheid der Beklagten vom 26.08.2019 Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2020 ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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Der Bescheid vom 21.04.2011 wurde korrekt gemäß § 96 Abs. 5 in Verbindung mit § 34 Abs. 3 f Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hinsichtlich der Rentenhöhe aufgehoben und die Überzahlung zurückgefordert.
18
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer ungekürzten Rente wegen Erwerbsminderung in der Zeit vom 01.01.2018 bis 31.12.2018.
19
Gemäß § 96 a Abs. 1 SGB VI wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in voller Höhe nur geleistet, wenn die kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenzen nach Absatz 1c nicht überschritten wird.
20
Gemäß Abs. 1 c Nummer 2 beträgt die Hinzuverdienstgrenzen bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung 6.300 €.
21
Im Bescheid vom 21.04.2011 wurde in der Anlage 19 die Hinzuverdienstgrenzen dargestellt und in den Folgebescheiden jeweils darauf Bezug genommen.
22
Der Kläger hat in 2018 insgesamt Arbeitsentgelte in Höhe von 16.312,35 € erzielt, die als Hinzuverdienst zu berücksichtigen sind.
23
Da das Arbeitsverhältnis bei Rentenbeginn rechtlich noch bestanden hat, ist die Einmalzahlung dem Arbeitsverhältnis zuzurechnen, auch wenn faktisch keine Arbeitsleistung erbracht wurde.
24
Das Bundesarbeitsgericht (BAG, 9 AZR 197/10) hat bereits vor mehreren Jahren darauf hingewiesen, dass im deutschen Recht die Entstehung von Urlaubsansprüchen nicht die Erbringung von Arbeitsleistung zur Voraussetzung hat. Bei ruhenden Arbeitsverhältnissen wie zum Beispiel bei Bezug einer befristeten oder unbefristeten Erwerbsminderungsrente erwirbt der Arbeitnehmer auch in diesen Zeiten sich kumulierende Urlaubsansprüche.
25
Das Bundessozialgericht (BSG, B 13 R 21/15 R) bestätigt, dass einmalige Zahlungen wie z.B. Urlaubsabgeltungen, die nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum erbracht wurden, sich zeitlich der Beschäftigung zuordnen lassen müssen und sich nicht allein auf die Zeit nach dem bestehenden Arbeitsverhältnis beziehen dürfen. Durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat sich der Urlaubsanspruch in einem Abgeltungsanspruch umgewandelt der seinen Umfang und seine Grundvoraussetzung im Arbeitsverhältnis hat., auch wenn er erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Tragen kommt.
26
Die Aufteilung des Hinzuverdienst auf die letzten zehn Jahre ist nicht möglich.
27
Die Urlaubsabgeltungen können nicht den einzelnen Urlaubsjahren zugeordnet werden. Die Urlaubsabgeltung setzt nämlich nicht nur das Entstehen eines Urlaubsanspruches in dem jeweiligen Jahr voraus, sondern vielmehr auch, dass der Urlaubsanspruch im Rahmen der Übertragungsmöglichkeiten noch nicht verfallen ist.
28
Maßgebend für die Einkommensanrechnung ist daher das Jahr der Auszahlung des Abgeltungsanspruchs, also 2018.
29
Nach der eindeutigen Arbeitgeberauskunft der Firma E. vom 20.07.2019 hat der Kläger für 2017 eine Urlaubsabgeltung für 25 Tage und für 2018 eine für 23,5 Tage wegen nicht beanspruchten Urlaub erhalten.
30
Gemäß § 34 Abs. 3 f SGB VI sind die Vorschriften über die Anhörung (§ 24 SGB X) und Rücknahme bzw. Aufhebung eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt (§§ 45,48 SGB X) nicht anzuwenden.
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Klage konnte daher keine Aussicht auf Erfolg haben und war abzuweisen.
32
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).