Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 18.10.2021 – B 7 K 20.1505
Titel:

Teilrücknahme einer beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis, Zulässigkeit der Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis mit Wirkung für die, Vergangenheit (verneint)

Normenketten:
BayVwVfG Art. 40, 48
WHG § 17
Schlagworte:
Teilrücknahme einer beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis, Zulässigkeit der Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis mit Wirkung für die, Vergangenheit (verneint)
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Urteil vom 15.04.2025 – 8 BV 22.183
Fundstelle:
BeckRS 2021, 59464

Tenor

1.Der Bescheid des Landratsamts ********* vom 23.12.2020 wird aufgehoben.
2.Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
3.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger und die Beigeladene durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger oder die Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages leistet. 4.Die Berufung wird zugelassen.  

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Bescheids des Landratsamts …, mit dem eine ihm erteilte wasserrechtliche Erlaubnis teilweise zurückgenommen wurde.
2
Mit Bescheid vom 12.07.1982 erteilte das Landratsamt … dem Abwasserzweckverband … auf dessen Antrag vom 30.05.1974 hin eine stets widerrufliche Erlaubnis nach Art. 16 BayWG a.F. zur Benutzung der … und des … Die erlaubte Gewässerbenutzung diente der Beseitigung des unbehandelten Mischwassers aus bestimmten Regenüberläufen und war bis zum 31.12.2000 befristet. Mit am 20.12.2000 eingegangenem Schreiben beantragte der Kläger die Verlängerung der Einleitungserlaubnis vom 12.07.1982. Mit Bescheid vom 19.06.2007 wurde verfügt, dass die Erlaubnis vom 12.07.1982 bis zum 31.12.2014 gilt. Ferner wurde dem Bescheid vom 12.07.1982 eine weitere Auflage beigefügt.
3
Aus einer E-Mail des Landratsamts vom 11.03.2015 ergibt sich, dass die Behörde aufgegriffen hat, dass die gehobene Erlaubnis des Klägers aus dem Jahr 1982 am 31.12.2014 abgelaufen und ein Antrag auf Verlängerung bzw. Neuerteilung bislang nicht gestellt worden war. Das Wasserwirtschaftsamt … signalisierte dem Landratsamt, dies mit dem Verbandsvorsitzenden des Klägers anlässlich einer Abnahme abklären zu wollen.
4
Mit Schreiben vom 02.07.2015, beim Landratsamt … eingegangen am 06.07.2015, stellte der Kläger Antrag auf wasserrechtliche Erlaubnis für das Einleiten des bei Regenwetter aus vier Regenentlastungen anfallenden unbehandelten Mischwassers in die … und in den … Entsprechend den Auflagen aus dem vorhergehenden Bescheid habe der Kläger mittlerweile die notwendigen Planungen veranlasst und entsprechende Baumaßnahmen durchgeführt (wurde näher ausgeführt). Nach Ablauf der wasserrechtlichen Erlaubnis am 31.12.2014 werde nun um Verlängerung bzw. Neuerteilung gebeten. Die noch ausstehenden Ertüchtigungsmaßnahmen für die Regenentlastungsbauwerke werde man zügig abschließen.
5
Auf eine entsprechende Anfrage des Landratsamts teilte das Wasserwirtschaftsamt … diesem am 10.07.2015 mit, dass die vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend seien, um eine auf 20 Jahre befristete wasserrechtliche Erlaubnis zu erteilen. Nach einer E-Mail vom 10.07.2015 habe es ein Gespräch zwischen dem Wasserwirtschaftsamt … und dem Kläger gegeben, anlässlich dessen diesem mitgeteilt worden sei, dass es kein Wasserrecht gebe und er Abwasserabgabe zahlen müsse. Mit Schreiben vom 15.07.2015 wandte sich das Landratsamt an den Kläger und bat zur Durchführung des wasserrechtlichen Verfahrens um Vorlage (weiterer) Unterlagen. Mit E-Mail vom 05.11.2015 bat das Wasserwirtschaftsamt … das Landratsamt im Nachgang zu einer Besprechung, auf der Grundlage des Schreibens des Klägers vom 02.07.2015, eine beschränkte Erlaubnis bis 31.12.2017 auszustellen. Begründung des Wasserwirtschaftsamts … sei die jährliche Abwasserabgabe, die sich auf ca. 23.240,00 EUR berechne. Die VG … habe hier diesbezüglich eine dreijährige beschränkte Erlaubnis im letzten Jahr erwirkt. Zu der zu erteilenden beschränkten Erlaubnis wurde gebeten, die Einleitungswerte des alten Bescheides und eine Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts vom 08.02.2011 zugrunde zu legen mit der Auflage, bis 31.12.2016 näher bezeichnete Unterlagen für die Erlangung einer gehobenen Erlaubnis vorzulegen. Die E-Mail schließt mit der Bemerkung, dass sich der Zweckverband rund 50.000,00 EUR sparen würde, die er gut in Sanierungsmaßnahmen investieren könnte.
6
Mit Schreiben vom 12.11.2015 wandte sich das Landratsamt unter Bezugnahme auf das Schreiben des Klägers vom 02.07.2015 an diesen und wies darauf hin, dass, nachdem die Erstellung der vollständigen Antrags- und Planunterlagen zur Erteilung einer längerfristigen gehobenen Erlaubnis nach Mitteilung des Wasserwirtschaftsamts noch einige Zeit in Anspruch nehme, die Möglichkeit bestehe, eine beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis für die Übergangszeit zu erteilen, wenn dies beantragt und zudem bestätigt werde, dass die notwendigen Unterlagen trotz Bemühungen nicht rechtzeitig beigebracht werden könnten. Es sei glaubhaft darzulegen, dass die Unterlagen in einem angemessenen Zeitrahmen vorliegen würden. Weitere Voraussetzung sei, dass das Wasserwirtschaftsamt aufgrund der vorliegenden Unterlagen sowie der eigenen Erkenntnisse zum Betriebszustand der Anlage beurteilen könne, dass die beantragte Erteilung für einen Übergangszeitraum keine gefährlichen Gewässerschädigungen erwarten lasse. Eine entsprechende gutachterliche Stellungnahme sei daher notwendig. Das Wasserwirtschaftsamt erhalte eine Kopie des Schreibens mit der Bitte um Stellungnahme. Es werde um Mitteilung gebeten, wann der Kläger die erforderlichen Unterlagen vorlegen könne. Sofern für den Übergangszeitraum eine beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis erteilt werden solle, werde zudem um entsprechende Antragsstellung bis spätestens 04.12.2015 gebeten.
7
Im Zusammenhang mit der Zuleitung dieses Schreibens an das Wasserwirtschaftsamt führte das Landratsamt per E-Mail aus, dass der Kläger die beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis für die Übergangszeit noch einmal „gezielt beantragen“ und darlegen solle, wann die notwendigen Unterlagen eingereicht werden könnten.
8
Mit Schreiben vom 01.12.2015, eingegangen beim Landratsamt am 02.12.2015, bat der Kläger um Erteilung einer beschränkten Erlaubnis (Übergangs-/Sanierungsbescheid) zur Benutzung der Gewässer … und … durch Einleiten gesammelter Abwässer, da die Planungen und Nachweise zur Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis noch nicht abgeschlossen seien und deren Umsetzung aus finanziellen Gründen noch nicht vollständig möglich gewesen sei. Der Kläger habe in den vergangenen Jahren im zumutbaren wirtschaftlichen Rahmen in enger Zusammenarbeit mit dem Wasserwirtschaftsamt bereits folgende Unterlagen erstellt sowie Maßnahmen zur Sanierung und Ertüchtigung der Regenentlastungsanlagen umgesetzt (wurde näher ausgeführt). Die … Ingenieurgesellschaft aus … sei mit der Erstellung der noch fehlenden Unterlagen beauftragt worden. Die Vorlage aller prüffähigen Unterlagen erfolge bis spätestens 31.12.2016.
9
Das Wasserwirtschaftsamt … übermittelte sein Gutachten im wasserrechtlichen Verfahren zur beantragten beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis des Klägers vom 30.11.2015 mit einem Anschreiben an das Landratsamt …, in dem darauf hingewiesen wurde, dass die Beurteilung auf Grundlage der Überprüfung der vorhandenen Regenentlastungsanlagen vom März 2012 erfolgt und auf die wasserrechtlichen Belange beschränkt sei. Vorgeschlagen für die bescheidsmäßige Behandlung wurde die Erteilung einer beschränkten Erlaubnis bis zum 31.12.2017. Mit dem amtlichen Prüfvermerk versehen war ein Geheft von Unterlagen, das von März 2012 datiert (Überprüfung der vorhandenen Regenentlastungsanlagen - Kurzerläuterung, Tektur von März 2012).
10
Nach weiterem E-Mail-Verkehr zwischen dem Landratsamt und dem Wasserwirtschaftsamt, der sich auf die Abfassung der Nebenbestimmungen in der zu erteilenden wasserrechtlichen Erlaubnis bezog, erteilte das Landratsamt mit Bescheid vom 30.12.2015 dem Kläger eine bis zum 31.12.2017 befristete beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis für die Benutzung der … und des … durch Einleiten gesammelter Abwässer ab dem 06.07.2015. Es wurde verfügt, dass der Erlaubnis die Tektur-Planung zur Überprüfung der bestehenden Regenentlastungsanlagen vom März 2012 des Ingenieurbüros … nach Maßgabe der vom amtlichen Sachverständigen durch Roteintrag vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen zugrunde liegt. Dem Bescheid waren zahlreiche Inhalts- und Nebenbestimmungen beigefügt. In der rechtlichen Würdigung wird u.a. ausgeführt, nachdem zum aktuellen Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 WHG für eine längerfristige gehobene Erlaubnis oder Bewilligung noch nicht vorlägen, sei die Erteilung einer beschränkten Erlaubnis nach Art. 15 BayWG zu prüfen gewesen. Gegen die beantragten Einleitungen von Mischwasser aus den Entlastungsbauwerken bestünden keine Bedenken, wenn die genannten Inhalts- und Nebenbestimmungen bei der weiteren Planung und Bauausführung sowie dem Betrieb der Anlagen berücksichtigt würden. Eine Beeinträchtigung des Wohles der Allgemeinheit sei bei planmäßiger Errichtung und ordnungsgemäßem Betrieb nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik und unter Berücksichtigung der vorgeschlagenen Auflagen nicht zu erwarten. Im Zuge des wasserrechtlichen Verfahrens seien keine Gründe bekanntgeworden, die zur Versagung der beschränkten Erlaubnis führen müssten. Eine erhebliche nachteilige Veränderung der Beschaffenheit des benutzten Gewässers sei nicht zu erwarten. Die allgemeinen Grundsätze der Gewässerbewirtschaftung nach § 6 WHG würden eingehalten. Für die beantragte Gewässerbenutzung habe somit in Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nach § 12 Abs. 2 WHG eine beschränkte Erlaubnis erteilt werden können. Sie sei gemäß § 18 Abs. 1 WHG widerruflich. Die Inhalts- und Nebenbestimmungen seien zum Schutz des Gewässers und des Wohls der Allgemeinheit notwendig und hätten ihre Rechtsgrundlage in § 13 WHG i.V.m. Art. 36 BayVwVfG. Die Befristung entspreche der Übergangszeit, die benötigt werde, um weitere Planunterlagen sowie Nachweise zur Beantragung einer längerfristigen gehobenen Erlaubnis vorzulegen.
11
Der Bescheid vom 30.12.2015 wurde dem Kläger gegen Empfangsbekenntnis am 14.01.2016 zugestellt.
12
Im abwasserabgabenrechtlichen Verfahren ging die Abgabeerklärung der Beigeladenen für das Einleiten von verschmutztem Niederschlagswasser für das Jahr 2015 am 09.03.2016 beim Landratsamt ein. Dem schloss sich ein umfangreicher behördeninterner Schriftverkehr an, an dem u.a. auch die Regierung … und das Bayerische Staatsministerium … beteiligt waren. Mit am 06.07.2020 eingegangenem Schreiben des Klägers wurde u.a. beantragt, die wasserrechtliche Erlaubnis vom 12.07.1982 um den im Jahr 2015 „fehlenden Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 06.07.2015“ nochmals zu verlängern. Mit Schreiben vom 18.08.2020 wandte sich das Landratsamt an den Kläger und teilte mit, dass die wasserrechtliche Erlaubnis vom 12.07.1982 rückwirkend weder für den fehlenden Zeitraum vom 01.01.2015 bis 05.07.2015 erteilt werden könne noch sei diesbezüglich eine Erweiterung der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 30.12.2015 möglich. Zur Begründung bezog sich das Landratsamt auf ein Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (UMS) an die nachgeordneten Behörden vom 10.11.2014. Darin wird unter dem Punkt „Erlass von wasserrechtlichen Erlaubnissen für die Vergangenheit“ Folgendes ausgeführt:
13
Im System der Gewässerbenutzung verbietet der Gesetzgeber grundsätzlich jede wesentliche Einwirkung auf ein Gewässer, sofern sie nicht ausdrücklich zugelassen wird. Der Gesetzgeber hat in § 8 Abs. 1 WHG für Benutzungen der Gewässer eine öffentlich-rechtliche Benutzungsordnung geschaffen, die insoweit jeden Zugriff auf ein Gewässer von einer behördlichen Zulassung abhängig macht (vgl. Beschluss BVerfG vom 15.07.1981). Diesem repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt folgt notwendigerweise, dass vor der beabsichtigten Gewässerbenutzung grundsätzlich die erforderliche Zulassung vorliegen muss. Wir gehen deshalb davon aus, dass eine nachträgliche Zulassung der Gewässerbenutzung für die Vergangenheit aus rechtsystematischen Gründen grundsätzlich nicht vorgesehen ist. Auf die Vorschriften des Ordnungswidrigkeiten- und Strafrechts wird hingewiesen.
14
Möglich erscheint der Erlass einer wasserrechtlichen Erlaubnis für die Vergangenheit allenfalls dann, wenn der vollständige Antrag auf Erlass einer wasserrechtlichen Erlaubnis vor Ablauf der Befristung einer bestehenden Gewässerbenutzung vorliegt und der Bescheid rückwirkend zum Beginn des laufenden Jahres wirksam wird (vgl. Urteil BVerwG vom 16.03.2005). Liegt der vollständige Antrag erst nach Beginn der Gewässerbenutzung bzw. nach Ablauf der Befristung vor, kann die Erlaubnis frühestens ab dem Tag der Antragstellung für das laufende Jahr wirksam werden.
15
Einer weiteren Rückwirkung über das laufende Jahr hinaus steht neben den wasserrechtlichen Bedenken auch das Jährlichkeitsprinzip des Abwasserabgabenrechts entgegen. Veranlagungszeitraum für die Abwasserabgabe ist das Kalenderjahr (§ 11 Abs. 1 AbwAG). Die Abwasserabgabe entsteht folglich mit Ablauf des Kalenderjahrs. Eine Änderung der wasserrechtlichen Zulassung würde insoweit unzulässigerweise in einen bereits abgeschlossenen Abgabetatbestand eingreifen.
16
Nach weiterem Schriftverkehr - u.a. hatte sich die Beigeladene an das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz gewandt, vor allem wegen der Thematik des Vorliegens einer hydraulischen Einheit -, erließ das Landratsamt gegenüber der Beigeladenen am 07.12.2020 einen Abgabebescheid, mit dem für das Jahr 2015 für das Einleiten von verschmutztem Niederschlagswasser eine Abwasserabgabe in Höhe von 90.313,11 EUR festgesetzt wurde, wobei ein Ansatz von 195 Tagen (bis einschließlich 15.07.2015) erfolgte. In der Begründung des Bescheids geht das Landratsamt davon aus, dass der wasserrechtliche Bescheid vom 30.12.2015 zwar erst mit Wirkung vom 16.01.2016 bekanntgegeben worden sei, jedoch diese Gestattung bereits ab dem 06.07.2015 erteilt worden sei, nachdem zu diesem Zeitpunkt vollständige Antrags- und Planunterlagen eingereicht worden seien. Diese Vorgehensweise sei durch das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 10.11.2014 gedeckt (wurde näher ausgeführt).
17
Nach weiterem behördeninternen Schriftverkehr und Anhörung des Klägers erließ das Landratsamt am 23.12.2020, zugestellt am selben Tag, gegenüber dem Kläger den streitgegenständlichen Bescheid. Mit diesem wurde der Bescheid des Landratsamts … vom 30.12.2015, mit dem dem Kläger eine beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis für das Einleiten des unbehandelten Mischwassers aus vier Regenentlastungen in die … und in den … für die Zeit vom 06.07.2015 bis 31.12.2017 erteilt wurde, insoweit zurückgenommen, als nach Buchst. A, Ziffer I., Nr. 1 das Inkrafttreten der 06.07.2015 ist. Buchstabe A, Ziffer I., Nr. 1 wurde folgende Fassung gegeben: „Dem Zweckverband zur Abwasserbeseitigung der …, im Folgenden auch als Antragsteller oder Unternehmensträger bezeichnet, wird die widerrufliche beschränkte Erlaubnis für die Benutzung der … und des … durch Einleiten gesammelter Abwässer ab dem 01.01.2016 erteilt. Die erlaubte Gewässerbenutzung dient der Beseitigung des Mischwassers aus den vier bestehenden Entlastungsbauwerken“.
18
Zur Begründung des Bescheids wurde ausgeführt, Grundlage für die Teilaufhebung der wasserrechtlichen Erlaubnis sei durch den Ablauf der Befristung Art. 48 BayVwVfG bzw. Art. 48 BayVwVfG analog. Die Erlaubnis sei insoweit rechtswidrig, als sie für das abgeschlossene Abgabejahr 2015, also vom 06.07.2015 bis 31.12.2015 ausgesprochen worden sei. Im Weiteren wurden die wesentlichen hier einschlägigen Inhalte des o.g. Schreibens des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 10.11.2014 widergegeben. Lege man dies zugrunde, greife der im Jahr 2016 gegenüber dem Kläger bekanntgegebene Bescheid in unzulässiger Weise in den für das Jahr 2015 bereits abgeschlossenen Abgabentatbestand ein. Eine Rückwirkung wäre nur zulässig gewesen, wenn der Bescheid auch tatsächlich noch im Jahr 2015 bekanntgegeben worden wäre. Eine Aufhebung sei möglich, um zumindest den Rechtsschein des Verwaltungsakts, wonach die Gewässerbenutzung im Abgabenjahr 2015 der Abwasserabgabe rechtmäßig gewesen sei, zu beseitigen. Dies sei unabhängig davon möglich, ob der Verwaltungsakt noch vollziehbar sei. Letztlich gebiete auch Art. 19 Abs. 4 GG die Beseitigung eines möglichen Rechtsscheins eines Verwaltungsakts. In Literatur und Rechtsprechung werde eine Rücknahme von nichtigen Verwaltungsakten als zulässig angesehen, um einen Rechtsschein beseitigen zu können. Das müsse im Ergebnis erst recht für lediglich rechtswidrige Verwaltungsakte gelten, die - wie hier - für einen bestimmten Zeitraum sowohl aus wasser- und abgabenrechtlicher Sicht weiterhin Rechtswirkung entfalteten.
19
Es sei zutreffend, dass die wasserrechtliche Erlaubnis mit Ablauf ihrer Befristung unwirksam geworden sei. Dies könne sich allerdings nur auf den Zeitraum nach Eintritt des Fristablaufs erstrecken. Für den Zeitraum davor würden die Rechtswirkungen der zu diesem Zeitpunkt „wirksamen“ Erlaubnis fortgelten. Ansonsten würde eine zunächst von einer wasserrechtlichen Erlaubnis gedeckte Gewässerbenutzung mit Ablauf der Erlaubnis im Nachhinein unzulässig werden. Lege man dies zugrunde, könne sich die konkret angesprochene wasserrechtliche Erlaubnis jedenfalls für den Geltungszeitraum vom 06.07.2015 bis 31.12.2017 auch nicht erledigt haben. Dieser Bescheid sei damit einer inhaltlichen Korrektur, mit der darin per se enthaltenen Feststellung, dass der Bescheid für diesen Zeitraum nicht mehr wirksam sei, grundsätzlich zugänglich.
20
Die Rücknahme stehe grundsätzlich im Ermessen des Landratsamts … Die Kreisverwaltungsbehörde mache von ihrem Ermessen in der Weise Gebrauch, dass sie den wasserrechtlichen Bescheid vom 30.12.2015 nicht ganz, sondern nur teilweise insoweit aufhebe, als dass das Inkrafttreten auf den 06.07.2015 festgelegt worden sei. Im vorliegenden Fall sei im Rahmen der Abwägung bei Art. 48 Abs. 1, 3 BayVwVfG ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers bzw. der Beigeladenen nicht erkennbar. In diesem Zusammenhang sei insbesondere auf das bei Gewässerbenutzungen geltende repressive Verbot mit Befreiungsvorbehalt hinzuweisen. Dieses vermittle regelmäßig keinen Rechtsanspruch auf Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis, sondern nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Gestattungsantrag. Ziel sei es insbesondere, eine gezielte Ordnung des Wasserhaushalts durch behördliche Lenkung und Überwachung zu ermöglichen. Die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis mit Wirkung für die Vergangenheit sei ferner nicht die Regel, sondern komme nur ausnahmsweise in begründeten Einzelfällen und auch nur unter engen Voraussetzungen in Betracht. Sie sei zu einem Zeitpunkt wirksam ausgesprochen worden, in dem der Abgabentatbestand für das Jahr 2015 bereits abgeschlossen gewesen sei und in dem die Abwasserbeseitigung - mangels fehlender wasserrechtlicher Erlaubnis - in tatsächlicher Hinsicht sowohl formell als auch materiell rechtswidrig erfolgt sei. Ein schutzwürdiges Vertrauen einer Kommune bzw. des Kläranlagenbetreibers, der entgegen der bestehenden Rechtslage ohne wasserrechtliche Erlaubnis Abwasser in ein Gewässer einleite bzw. dies innerhalb seiner hydraulischen Einheit zulasse und in der Folge zur Zahlung der hierfür gesetzlich vorgesehenen Abwasserabgabe herangezogen werde, sei nicht zu erkennen.
21
Im Übrigen bestehe ein öffentliches Interesse daran, dass die geschuldete Abwasserabgabe gezahlt werde. Unabhängig von der Frage des Vertrauensschutzes führe eine rechtswidrige Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis im vorliegenden Fall in der Konsequenz zu einer abgabenrechtlich unzulässigen Besserstellung der Beigeladenen. Die Frage, in welcher Höhe Abwasserabgabe anfalle und wann von ihr befreit werden könne, ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz; insoweit wäre zudem bereits fraglich, ob überhaupt ein Vermögensnachteil bestünde, weil die Abwasserabgabe im Jahr 2015 bereits in voller Höhe angefallen gewesen sei und aufgrund einer rechtswidriger Weise nachträglich erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis zunächst nur teilweise festgesetzt worden sei. Ferner sei zu bedenken, dass Abgabepflichtiger gegenüber dem Freistaat Bayern die Beigeladene sei und die wasserrechtliche Erlaubnis dem Kläger erteilt worden sei.
22
Die Abwasserabgabe für das Jahr 2015 sei demnach angesichts der zum 31.12.2020 eintretenden Festsetzungsverjährung mit einem gesonderten Bescheid in voller Höhe, d. h. für das ganze Jahr, festzusetzen.
23
Mit weiterem Bescheid des Landratsamts … vom 23.12.2020, gerichtet an die Beigeladene, wurde die für das Jahr 2015 zu zahlende Abwasserabgabe um weitere 78.734,51 EUR erhöht und auf insgesamt 169.047,62 EUR festgesetzt.
24
Bereits mit Bescheid vom 12.07.2018 hatte das Landratsamt … dem Kläger auf einen entsprechenden Antrag vom 25.09.2017 rückwirkend zum 01.01.2018 eine bis zum 31.12.2038 befristete stets widerrufliche gehobene Erlaubnis für die Benutzung der Gewässer … und … sowie eines namenlosen Grabens durch Einleiten gesammelter Abwässer erteilt.
25
Mit am 29.12.2020 eingegangenem Schriftsatz erhob der Kläger gegen die mit Bescheid des Landratsamts … vom 23.12.2020 erfolgte Teilrücknahme der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 30.12.2015 Klage.
26
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Bescheid vom 30.12.2015 sei rechtmäßig, da der Kläger am 02.07.2015 eine wasserrechtliche Erlaubnis beim Landratsamt … beantragt gehabt habe. Es seien auch alle Planungen und Baumaßnahmen mitgeteilt worden, die aufgrund der Verlängerung der wasserrechtlichen Erlaubnis mit Bescheid vom 19.06.2007 veranlasst worden seien. Durch die umfangreich notwendigen Abstimmungen mit der Beigeladenen als Kläranlagenbetreiberin, dem Wasserwirtschaftsamt … und dem Ingenieurbüro … hätten die Planungen und Baumaßnahmen einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen. Alle Baumaßnahmen und Planungen seien eng mit der zuständigen Fachbehörde, dem Wasserwirtschaftsamt …, abgestimmt worden. Soweit das Landratsamt davon ausgehe, dass eine nachträgliche Zulassung von Gewässerbenutzungen für die Vergangenheit aus rechtssystematischen Gründen grundsätzlich ausscheide, werde dem ausdrücklich widersprochen. Selbstverständlich könne eine Erlaubnis auch rückwirkend erteilt werden, wenn die hierfür erforderlichen Voraussetzungen bereits ab Beginn des Tatbestands vorgelegen hätten. Es wurde verwiesen auf den früheren Bescheid vom 12.07.1982, der mit Bescheid vom 19.06.2007 bis zum 30.12.2014 rückwirkend verlängert worden sei. Es sei logisch nicht nachzuvollziehen, warum der Bescheid vom 30.12.2015 wegen der verspäteten Bekanntgabe am 13.01.2016 rechtswidrig sein solle. Die zur Begründung angeführten Rechtsfolgen aus dem Abwasserabgabengesetz mit Entstehen der Abgabeschuld am 31.12. könnten einen wasserrechtlichen Bescheid nicht rechtswidrig werden lassen. Die zur Begründung angeführten Ausführungen des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz könnten eine „nachträgliche“ Rechtswidrigkeit des erlassenen Bescheids nicht herbeiführen bzw. begründen. Verwaltungsinterne Schreiben und Richtlinien der Ministerien seien für die Rechtsauslegung nur behördenintern verbindlich. Aus der Verletzung von Verwaltungsvorschriften folge alleine keine Rechtswidrigkeit, es fehle an einem Außenbezug der internen Vorschriften. Eine Rechtswidrigkeit könne sich aber mittelbar aus einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung ergeben, wenn die Behörde sich in vergleichbaren Fällen genau an die Verwaltungsvorschrift zu halten gepflegt habe. Dies sei in … eben nicht der Fall, wie z.B. aus den Bescheiden vom 30.12.2020 und 19.06.2007 ersichtlich sei.
27
Ein begünstigender rechtmäßiger Verwaltungsakt könne nur unter den Voraussetzungen des Art. 49 BayVwVfG widerrufen werden. Der Widerruf dürfe nach Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG nur für die Zukunft erfolgen, ein rückwirkender Widerruf der erteilten Erlaubnis für den streitgegenständlichen Zeitraum scheide deshalb nach den gesetzlichen Vorschriften aus. Auch eine Rücknahme des Verwaltungsakts für den streitgegenständlichen Zeitraum nach Art. 48 BayVwVfG, der nach Auffassung des Klägers hier aber gar nicht einschlägig sei, verletze den Kläger in seinen Rechten. Die nachträgliche Zulassung für Gewässerbenutzungen für die Vergangenheit scheide nicht aus rechtssystematischen Gründen grundsätzlich aus. Hiergegen spreche neben dem allgemeinen Rechtsverständnis auch die gängige Verwaltungspraxis. Nicht zuletzt seien die Ausführungen im Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 10.11.2014 widersprüchlich (wurde näher ausgeführt). Die entsprechende Argumentationskette habe das Landratsamt in der Ermessensausübung zur Änderung des wasserrechtlichen Bescheides übernommen. Die Verquickung aus wasserrechtlichen Erlaubnistatbeständen mit abgaberechtlichen Überlegungen gemäß dem Abwasserabgabengesetz sei ermessensfehlerhaft und nicht zulässig. Es sei nicht ersichtlich, warum ein Bescheid vom 30.12.2015, der ab dem 06.07.2015 eine wasserrechtliche Erlaubnis gewähre, nur deshalb rechtswidrig sein solle, weil er erst am 13.01.2016 bekanntgegeben worden sei. Der Kläger habe keinen Einfluss auf die Schnelligkeit des amtlichen Handelns im Landratsamt … In anderen Fällen sei es dem Landratsamt möglich gewesen, den entsprechenden Bescheid noch am gleichen Tag der Anfertigung persönlich an der Privatanschrift des Verbandsvorsitzenden des Klägers zuzustellen. Zusätzlich sei dieser Bescheid noch am gleichen Tag an den Zweckverband übersandt worden. So hätte ein Telefax am 30.12.2015 auch genügt.
28
Im Rahmen der Ermessensentscheidung sei die Abwägung zwischen dem Vertrauen des Klägers auf den Fortbestand des Bescheides und dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme nicht sachgerecht durchgeführt worden. Offensichtlich sei der Änderungsbescheid nur auf Druck des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz erlassen worden. Das Rücknahmeermessen sei nicht frei ausgeübt worden. Hierfür spreche bereits die Wortwahl im Anhörungsschreiben vom 18.12.2020: „Das Landratsamt ist demnach gehalten, den Bescheid … zurückzunehmen“. Bei der vorliegenden Ermessensentscheidung sei auch zu berücksichtigen, dass der Bescheid vom 30.12.2015 bis zum 31.12.2017 befristet gewesen sei. Einen derart abgeschlossenen Sachverhalt nochmals aufzugreifen, verletze in hohem Maße den Vertrauensschutz des Klägers. Die letztendlich aufgeführten Argumente aus Sicht des Abwasserabgabenrechts rechtfertigten nicht leichtfertig die Vernachlässigung der Ermessensausübung zugunsten des Vertrauensschutzes in den Fortbestand des wasserrechtlichen Bescheids. Die in der Ermessensausübung vorgenommene Verquickung des Abgabenrechts mit dem Wasserrecht sei unzulässig, für die Rücknahme wasserrechtlicher Bescheide sollten in der Ermessenausübung auch nur wasserrechtliche Gründe dargestellt werden. Diese fehlten im angegriffenen Bescheid völlig. Dafür spreche auch ein entsprechende Ministerialschreiben vom 17.12.2020, welches allein aus abgaberechtlicher Sicht das Landratsamt zur Teilaufhebung des Bescheides vom 30.12.2015 aufgefordert habe.
29
Für den Fall der Rücknahme des Verwaltungsakts nach Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG seien dem Kläger die Vermögensnachteile auszugleichen, die durch die Rücknahme des Bescheids entstünden. Hier sei von einem in die Abwägung wohl einzubeziehenden Vertrauensschaden von 77.584,02 EUR auszugehen. Die pauschalen Aussagen im Bescheid vom 23.12.2020 zum Vermögensnachteil seien nicht zielführend. Vielmehr hätte einbezogen werden müssen, dass letztendlich bei einer Bestandskraft des zugehörigen Abgabebescheids der Kläger die volle Abgabensumme an die Beigeladene werde erstatten müssen.
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Nachdem sich die Bevollmächtigten des Klägers bei Gericht angezeigt hatten, machten diese ergänzend geltend, alleine die Tatsache, dass der streitgegenständliche Bescheid vom 30.12.2015 dem Kläger erst am 14.01.2016 förmlich zugestellt worden sei, mache den Bescheid nicht rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Zulassung von Gewässerbenutzungen für die Vergangenheit seien hier gegeben. Der Kläger habe einen vollständigen Antrag auf Erlass einer wasserrechtlichen Erlaubnis gestellt gehabt. Es hätten zweifelsfrei die Voraussetzungen für eine beschränkte Erlaubnis nach Art. 15 BayWG vorgelegen, die eingereichten Unterlagen seien vollständig gewesen und das Landratsamt habe selbst den Hinweis auf die Möglichkeit einer beschränkten Erlaubnis für die Übergangszeit gegeben. Es liege auch die weitere Voraussetzung vor, nämlich, dass der Bescheid rückwirkend zu Beginn des laufenden Jahres wirksam geworden sei. Hier sei zwischen innerer und äußerer Wirksamkeit eines Verwaltungsakts zu unterscheiden (wurde näher ausgeführt). Vorliegend sei der Zeitpunkt der inneren Wirksamkeit auf den Zeitpunkt der Antragstellung am 06.07.2015 datiert. Im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.03.2005 wie auch in dem UMS vom 10.11.2015 werde die innere Wirksamkeit als entscheidendes Element herangezogen. Vorliegend sei Antragsinhalt und Gegenstand der Entscheidung stets nur eine rückwirkende Genehmigung für das laufende Jahr 2015 gewesen. In diesem Jahr sei der Antrag auch beim Landratsamt eingegangen. Dem Kläger könne weder die teilweise lange Verfahrensdauer angelastet werden noch die erst nach dem Jahreswechsel erfolgte Bekanntgabe des rechtzeitig verfassten Verwaltungsakts. Die innere Wirksamkeit sei hier im Jahr der Antragstellung und der innerbehördlichen abschließenden Entscheidung eingetreten. Somit gehe die Annahme des Beklagten fehl, dass eine über das Jahr hinausgehende Rückwirkung vorliege.
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Darüber hinaus habe der Beklagte im Zuge der Rücknahme nach Art. 48 BayVwVfG sein Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Bereits das pauschale Absprechen eines schutzwürdigen Vertrauens des Klägers ohne Berücksichtigung seiner Belange sei ermessensfehlerhaft. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass seitens des Klägers im Zuge des wasserrechtlichen Genehmigungsverfahrens alles Erforderliche getan worden sei, um die wasserrechtliche Gestattung zu verlängern bzw. zu erhalten. Vielmehr sei aufgrund interner Abstimmungen der Behörden des Beklagten die Dauer des Verfahrens in die Länge gezogen worden. Darüber hinaus habe das Landratsamt bereits in der Vergangenheit eine völlig gegenteilige Praxis in Bezug auf wasserrechtliche Fragestellungen walten lassen, als dies nun im streitgegenständlichen Bescheid der Fall sei; es wurde auf die rückwirkende Verlängerung vom 17.06.2007 hingewiesen.
32
Weiter habe das Landratsamt im Rahmen der Gewässeraufsicht auch den Kläger rechtzeitig und ordnungsgemäß darauf hinzuweisen, dass die bisher befristete Erlaubnis nunmehr zeitnah auslaufe und eine erneute wasserrechtliche Erlaubnis notwendig sein werde. All dies sei von Seiten des Landratsamts jedoch nicht passiert und habe somit auch Fakten für die Bildung eines schutzwürdigen Vertrauens geschaffen. Vielmehr habe das Landratsamt in einem Aktenvermerk vom 28.07.2020 selbst niedergeschrieben, dass nicht von einem Ausschluss eines schutzwürdigen Vertrauens des Klägers auszugehen sei. Daneben habe sich der Beklagte auch von Ermessensgesichtspunkten leiten lassen, die gar nicht für die Heranziehung geeignet gewesen seien. Es führe insbesondere zu einer fehlerhaften Ermessensausübung, dass der Bescheid vom 30.12.2015 überwiegend aufgrund von abgabenrechtlichen Gründen teilweise zurückgenommen worden sei. Für die Rücknahme einer wasserrechtlichen Erlaubnis seien insbesondere die nach dem WHG und BayWG maßgeblichen Grundsätze und Zielrichtungen heranzuziehen und nicht die bloßen abgaberechtlichen Zielvorstellungen des Beklagten.
33
Der Kläger beantragt,
1.
Der Bescheid des Landratsamtes … vom 23.12.2020 (Az.: …*) wird aufgehoben.
2.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
34
Mit Schriftsatz vom 20.01.2021 beantragt das Landratsamt … für den Beklagten,
die Klage abzuweisen.
35
Zur Erwiderung auf die Klage wurden zunächst die wesentlichen Inhalte des streitgegenständlichen Bescheids noch einmal wiedergegeben, insbesondere die Inhalte des UMS vom 10.11.2014. Zur Frage der Erledigung des Verwaltungsakts wird ausgeführt, diese trete erst dann ein, wenn der Verwaltungsakt nicht mehr geeignet sei, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innegewohnt habe, nachträglich entfallen sei. Im konkreten Fall sei es zutreffend, dass die wasserrechtliche Erlaubnis mit Ablauf ihrer Befristung unwirksam geworden sei. Dies könne sich allerdings nur auf den Zeitraum nach Eintritt des Fristablaufs erstrecken. Der streitgegenständliche Bescheid sei einer inhaltlichen Korrektur mit der darin per se enthaltenen Feststellung, dass der Bescheid für einen bestimmten Zeitraum nicht mehr wirksam sei, grundsätzlich zugänglich. Die Ermessenserwägungen zum Ob der Rücknahme und zu ihrem zeitlichen Umfang seien im streitgegenständlichen Bescheid ausführlich dargelegt worden. Die Wortwahl im Anhörungsschreiben vom 18.12.2020 sei (noch) nicht entscheidend. Der Kläger habe zu allen maßgeblichen Gesichtspunkten Stellung nehmen können. Eine Heranziehung nur wasserrechtlicher Gründe für die Rücknahme bzw. im vorliegenden Fall Teilrücknahme der wasserrechtlichen Erlaubnis sei bereits aufgrund der Bekanntgabe des wasserrechtlichen Bescheids am 16.01.2016 und der damit formell und materiell rechtswidrigen Abwasserbeseitigung im Jahr 2015 samt damit verbundener abgabenrechtlicher Konsequenzen nicht gegeben.
36
Zur Thematik der Abwasserabgabe wird ausgeführt, der Bundesgesetzgeber gehe davon aus, dass es dem Regelfall entspreche, dass für Niederschlagswasser eine pauschalierte Abgabe erhoben werde. Mit der Aufnahme des Niederschlagswassers in den Abwasserbegriff habe sich der Bundesgesetzgeber dafür entschieden, auch das Einleiten dieser Art des Abwassers grundsätzlich der Abgabepflicht zu unterstellen, er sei dabei davon ausgegangen, dass das auf versiegelten Flächen niedergehende und nicht am Anfallort versickernde Wasser vor allem nach einer längeren Trockenperiode gleich häuslichem Schmutzwasser belastet sein könne und zwar mit Schadstoffen, die nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AbwAG der Abgabenberechnung zugrundzulegen seien. Nachdem jedoch nicht jedes Niederschlagswasser bei Einleiten in ein Gewässer automatisch zu einer Gewässerbelastung führe, bestehe in § 7 Abs. 2 AbwAG ein Ländervorbehalt, wonach die Länder bestimmen könnten, unter welchen Voraussetzungen die nach § 7 Abs. 1 AbwAG bestehende abgabepflichtige Einleitung ganz oder zum Teil abgabefrei bleibe. Hiervon habe Bayern Gebrauch gemacht und in Art. 6 Abs. 1 und 2 BayAbwAG entsprechende Regelungen getroffen, wann die Einleitung von Niederschlagswasser abgabefrei bleibe. Nach Art. 6 Abs. 2 BayAbwAG bleibe das Einleiten von Niederschlagswasser aus einer Kanalisation im Mischsystem unter bestimmten Voraussetzungen (wurde näher ausgeführt) abgabefrei. Das Erfordernis einer wasserrechtlichen Erlaubnis lasse sich bereits dem Wortlaut der Vorschrift entnehmen. Auf die zu Art. 6 Abs. 1 BayAbwAG ergangene Rechtsprechung und Kommentarliteratur wurde hingewiesen. Nur wenn für die gesamte hydraulische Einheit alle notwendigen wasserrechtlichen Erlaubnisse für die Einleitungen vorlägen, komme eine Abgabenfreiheit überhaupt in Betracht. Fehle eine Erlaubnis, falle die Abgabe für alle an die gesamte hydraulische Einheit angeschlossenen Einwohner an. Das Vorliegen einer wasserrechtlichen Erlaubnis für die Gewässerbenutzung und die Einhaltung der darin festgelegten Rahmenbedingungen zum Speichervolumen und die Anforderungen an die Abwasserbehandlung seien Grundvoraussetzung für eine Befreiung. Dadurch werde sichergestellt, dass die aus wasserrechtlicher Sicht notwendigen Standards eingehalten würden. Demnach scheide eine wasserrechtliche Betrachtung losgelöst von abgaberechtlichen Vorschriften entgegen der Klagebegründung aus.
37
Auch sei die Festsetzung der Abwasserabgabe für das Jahr 2015 am 23.12.2020 noch nicht abgeschlossen gewesen, da bis zum Ablauf des 31.12.2020 (Eintritt der Festsetzungsverjährung für das Jahr 2015) eine abweichende Festsetzung rechtlich zulässig gewesen wäre. Im Übrigen bestehe ein öffentliches Interesse daran, dass die geschuldete Abwasserabgabe gezahlt werde. Unabhängig von der Frage des Vertrauensschutzes (auf die vorherigen Ausführungen wurde verwiesen) führe eine rechtswidrige Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis im vorliegenden Fall in der Konsequenz zu einer abgabenrechtlich unzulässigen Besserstellung der Beigeladenen. Die Frage, in welcher Höhe Abwasserabgabe anfalle und wann von ihr befreit werden könne, ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz. Insoweit wäre zudem bereits fraglich, ob überhaupt ein Vermögensnachteil bestünde, wenn die Abwasserabgabe im Jahr 2015 bereits in voller Höhe angefallen gewesen sei und aufgrund einer rechtswidriger Weise nachträglich erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis zunächst nur teilweise festgesetzt worden sei. Ferner sei zu bedenken, dass Abgabepflichtiger gegenüber dem Freistaat Bayern die Beigeladene sei und die wasserrechtliche Erlaubnis dem Kläger erteilt worden sei. Die Abwasserabgabe für das Jahr 2015 sei angesichts der zum 31.12.2020 eingetretenen Festsetzungsverjährung mit gesonderten Bescheiden vom 07.12.2020 und 23.12.2020 in voller Höhe für das gesamte Jahr 2015 mit einer Gesamtsumme von 169.047,62 EUR gegenüber der Beigeladenen festgesetzt worden. Abschließend weise das Landratsamt darauf hin, dass die Beigeladene eigenverantwortlich darüber entscheide, welche Abwassergäste zu welchen Bedingungen zugelassen würden und wie die Verantwortlichkeit im Innenverhältnis bei Verstößen gegen wasserrechtliche Bestimmungen, welche Auswirkungen auf die abgaberechtliche Situation hätten, geregelt würden.
38
Die mit Beschluss des Gerichts vom 30.12.2020 Beigeladene beantragt,
den Bescheid des Landratsamts … vom 23.12.2020 aufzuheben.
39
Inhaltlich wendet sie sich ebenso wie der Kläger gegen den Bescheid des Landratsamts vom 23.12.2020. Soweit der Kläger in der Klageschrift ausführe, dass durch die umfangreichen notwendigen Abstimmungen mit der Beigeladenen als Kläranlagenbetreiberin, dem Wasserwirtschaftsamt … und dem Ingenieurbüro … die Planungen und Baumaßnahmen einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen hätten, werde bestritten, dass - insbesondere im Jahr 2015 - seitens des Klägers mit der Beigeladenen irgendwelche Abstimmungen bezüglich des Wasserrechts des Klägers erfolgt seien. Erst als dem Kläger im Jahr 2018 ein neues Wasserrecht durch das Landratsamt erteilt worden sei, sei die Beigeladene hierbei gehört worden.
40
Zur abwasserabgabenrechtlichen Situation wurde ausgeführt, die Beigeladene betreibe ein eigenes Abwassernetz in … sowie die dortige Klägeranlage. Der Kläger sei Abwassergast der Beigeladenen, der Markt … sei Abwassergast des Klägers. Der Kläger und der Markt … verfügten über keine Kläranlage. Der Markt … leite aus dem durch ihn betriebenen Abwassernetz Abwasser an den Kläger weiter. Der Kläger leite Abwasser aus seinem Kanalnetz an die Beigeladene, damit dieses in der Klägeranlage … behandelt werde.
41
Der Bescheid vom 30.12.2015 sei nicht deshalb rechtswidrig, weil er dem Kläger erst am 14.01.2016 zugestellt worden sei, Geltung jedoch bereits am dem 06.07.2015 entfalte. Erst mit der Bekanntgabe könnten sich aus einem Verwaltungsakt selbst Rechtsfolgen ergeben. Hiervon sei zu unterscheiden, dass der Verwaltungsakt als Vorgang/ Verfahrensabschlusshandlung bereits mit dessen Abgabe in der Welt sei. Auch sei die „Existenz des materiellen Verwaltungsaktes“ nicht mit seiner „(äußeren) Wirksamkeit“ gleichzusetzen. Würden diese Differenzierungen nicht beachtet, entstünden Missverständnisse, so wie vorliegend beim Beklagten. Dieser habe die maßgebliche Abgabe der Willenserklärung ausweislich des Datums des Bescheides am 30.12.2015 vorgenommen. An diesem Tag habe das Landratsamt die Erklärung abgegeben, dem Kläger die wasserrechtliche Erlaubnis ab dem 06.07.2015 zu erteilen. Damit seien Zufälligkeiten der Zustellung, die insbesondere im Zeitraum des Jahreswechsels auftreten könnten, nicht von Relevanz. Darüber hinaus würde die Zugrundelegung der Ansicht des Beklagten bedeuten, dass dieser über die Wahl der Zustellung eines Ende Dezember verfassten Bescheides, Rechtsfolgen hinsichtlich weiterer Tatbestände bewusst auslösen könne bzw. fahrlässig oder vorsätzlich auslöse bzw. nicht auslöse. Der Zeitpunkt der Abgabe des Verwaltungsakts als Willenserklärung sowie die Zustellungsart sei vom Beklagten steuerbar. Lege man die Ansicht des Beklagten zugrunde, sei der Kläger als Empfänger des Bescheids von internen Abläufen beim Beklagten abhängig, ob er im gleichen Jahr der Antragstellung noch einen Bescheid des Beklagten zugestellt bekomme oder nicht. Verfahrensverzögerungen durch Krankheit, Urlaub oder interne Abstimmungen würden nach Ansicht des Beklagten allein vom Kläger zu tragen sein. Wie der hiesige Verfahrensablauf zeige, habe es zwischen dem Wasserwirtschaftsamt … und dem Landratsamt verschiedenen E-Mail- und Schriftverkehr gegeben. Insbesondere sei hier bereits auch intern auf Verzögerungen, verursacht durch das Wasserwirtschaftsamt …, hingewiesen worden.
42
Der Verwaltungsakt habe vor allem materiell-rechtliche Bedeutung. Insoweit sei der materielle Verwaltungsakt vom Verwaltungsakt als Vorgang zu unterscheiden. Die Unterscheidung decke sich mit der aus dem Zivilrecht bekannten Unterscheidung zwischen Rechtsgeschäft (materieller Verwaltungsakt) und Willenserklärung (Verwaltungsakt als Vorgang). Die innere Wirksamkeit des Verwaltungsakts sei von der Bekanntgabe zu unterscheiden und bedeute wie das Inkrafttreten bei einem Gesetz, dass sich die in der Regelung vorgesehenen Rechtswirkungen entfalteten. Auch der Eintritt sonstiger „Wirkungen“ des Verwaltungsakts setze in unterschiedlicher Weise zumindest seine innere Wirksamkeit voraus. Für diese könne es demnach nicht darauf ankommen, wie und wann eine abschließende Bearbeitung in der Behörde und letztendlich eine Zustellung beim Bescheidsempfänger erfolge. Vielmehr sei unter dem Aspekt der Rechtsstaatlichkeit und der Gleichbehandlung auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Ein auf den Zeitpunkt der Antragstellung - wie vorliegend - erteilter Bescheid sei damit rechtmäßig, auch wenn, aus welchen Gründen auch immer, eine Zustellung an den Adressaten erst im folgenden Kalenderjahr erfolge.
43
Zu abgabenrechtlichen Aspekten wird ausgeführt, Ziele des Abwasserabgabengesetzes seien eine wirksamere Reinhaltung der Gewässer und eine gerechte Zuordnung der Kosten für die Vermeidung, die Beseitigung und den Ausgleich der durch die Gewässerverschmutzung verursachten Schäden. Insbesondere solle durch die Abwasserabgabe ein wirtschaftlicher Anreiz geschaffen werden, in erheblich stärkerem Maße als bisher Kläranlagen zu bauen, den Stand der Abwasserreinigungstechnik zu verbessern, abwasserarme oder abwasserlose Produktionsverfahren verstärkt einzuführen und abwasserintensiv hergestellte Güter sparsam zu verwenden. Nach § 11 Abs. 1 AbwAG sei der Veranlagungszeitraum für die Abwasserabgabe das Kalenderjahr. Mit der Bestimmung des Kalenderjahres zum Veranlagungszeitraum werde grundsätzlich festgelegt, dass für die Bemessung der Abwasserabgabe die Verhältnisse im einzelnen Kalenderjahr zugrunde zu legen seien. Dies gelte auch dann, wenn sich wiederkehrend eine Einleitung nur auf bestimmte Zeiträume innerhalb eines Jahres beschränke (z.B. Saisonbetriebe). Ein Nachteil oder ein Vorteil ergebe sich daraus für den Einleiter i.d.R. nicht, weil letzten Endes immer die Jahresschmutzfracht maßgebend für die Abgabe sei. Ob sich aus der Vorschrift des § 11 Abs. 1 AbwAG i.V. m. § 4 Abs. 1 Satz 2 AbwAG („Jahresschmutzwassermenge“) ein das Abwasserabgabenrecht insgesamt kennzeichnender Grundsatz ableiten lasse, erscheine fraglich. Jedenfalls dürften damit nicht andere im Gesetz enthaltene Wertungen überspielt werden, die eine Betrachtung von Teilzeiträumen nahelegten. Durch die Festlegung auf das Kalenderjahr werde auch eine weitgehende Annäherung an die für andere Abgaben maßgebenden Zeiträume erreicht. Hierdurch werde insbesondere bewirkt, dass für die Beurteilung der Grundlagen der Abgabenfestsetzung die im Kalenderjahr bestehenden tatsächlichen Verhältnisse maßgebend seien.
44
Eine wasserrechtliche Erlaubnis, die ab dem 06.07.2015 Geltung entfalte, sei als Grundlage für die Abgabenfestsetzung im Kalenderjahr 2015 heranzuziehen, insbesondere auch, wenn die äußere Wirksamkeit des Bescheids durch Bekanntgabe erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraumes erfolgt sei. Dieses Prinzip sei auch allgemein im Abgaben- und Steuerrecht verhaftet. Eine sich ändernde materielle Grundlage sei - auch rückwirkend - im Rahmen der Abgabenbemessung zu berücksichtigen, auch wenn der Veranlagungszeitraum bereits zeitlich abgeschlossen sei. Das Abgabenrecht folge dem materiellen Recht und nicht umgekehrt.
45
Weiterhin habe der Beklagte sein Ermessen im Rahmen der Rücknahme nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Alleine um die Abwasserabgabe gegenüber der Beigeladenen zu erheben, habe der Beklagte eine Teilrücknahme der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 30.12.2015 erklärt. Um gegenüber der Beigeladenen, die weder die betroffenen Einleitungen in die Gewässer vornehme noch in irgendeiner Art und Weise auf den Zeitablauf der Erteilung und den Inhalt der wasserrechtlichen Erlaubnis Einfluss habe, eine Abwasserabgabenerhebung durchzuführen, habe der Beklagte die wasserrechtliche Erlaubnis vom 30.12.2015 gegenüber dem Kläger für den Geltungszeitraum in 2015 zurückgenommen. Diese zweckwidrigen Ermessenserwägungen stellten einen Ermessensfehlgebrauch dar. Zum einen dürfe die Abwasserabgabenerhebung nicht als Grundlage einer materiellen Entscheidung im Wasserrecht herangezogen werden. Zum anderen zeige die Verquickung der Abwasserabgabenerhebung gegenüber der Beigeladenen im Rahmen der Ermessensausübung, wie abwegig die Rechtsauffassung des Beklagten sei, die Beigeladene für Versäumnisse des Klägers im Jahr 2015 bis zur Antragstellung zur Abwasserabgabe heranzuziehen. Eine fehlerhafte Rechtsauffassung des Beklagten im Rahmen der Bestimmung des Abgabepflichtigen bezüglich der Abwasserabgabe solle nach Ansicht des Beklagten eine Rücknahme einer wasserrechtlichen Erlaubnis gegenüber dem Kläger als Einleiter rechtfertigen, um auch für den Zeitraum ab 06.07.2015 die Abwasserabgabe gegenüber der Beigeladenen zu erheben. Der Beklagte argumentiere von seinem gewünschten Ergebnis aus ohne Rechtsgrundlage. Schließlich habe der Kläger sehr wohl schutzwürdiges Vertrauen in den wasserrechtlichen Bescheid vom 30.12.2015 entfalten können. Er habe seinerseits alles getan, damit ab dem 06.07.2015 eine entsprechende Erlaubnis habe erteilt werden können. Zwischen dem Landratsamt und dem Wasserwirtschaftsamt … hätten unterschiedliche Ansichten bestanden, die zu Verzögerungen geführt hätten. Die Verfahrensdauer gehe zu Lasten des Beklagten.
46
Der Kläger sei Träger der öffentlichen Aufgabe der Abwasserbeseitigung in seinem Verbandsgebiet. Er müsse für die Einwohner und Gewerbetreibenden in seinem Verbandsgebiet die Abwasserentsorgung sicherstellen. Eine Mischwasserkanalisation könne in keinem Fall technisch ohne Regenentlastungen errichtet und betrieben werden. Im Falle von starken Regenereignissen sei dementsprechend immer eine Regenentlastung der Mischwasserkanalisation erforderlich, was wiederum Einleitungen in Gewässer zur Folge haben könne. Diese Einleitungen könnten, müssten jedoch nicht erfolgen. Dies sei insbesondere von der Stärke der Regenereignisse abhängig. Träten stärkere Regenereignisse auf, seien Einleitungen vom verschmutztem Niederschlagswasser in Gewässer nicht zu vermeiden. In diesem Zusammenhang bestehe seitens des Beklagten kein freies Ermessen zur Erteilung einer zwingend notwendigen wasserrechtlichen Erlaubnis zur Einleitung von verschmutztem Niederschlagswasser aus der Mischwasserkanalisation des Klägers, weil sie zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgabe der Abwasserentsorgung erforderlich sei. Dementsprechend könne sich der Beklagte auch nicht im Rahmen der Bewertung des schutzwürdigen Vertrauens darauf berufen, er könne nach freiem Ermessen über die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis entscheiden.
47
Im Rahmen der Gewässeraufsicht des Beklagten müsse dieser einen Überblick über alle durch ihn erteilten Wasserrechte haben. Dass ein Betreiber einer Mischwasserkanalisation die Aufgabe der Abwasserentsorgung dauerhaft erfüllen müsse, sei dem Beklagten ebenso bewusst. Dementsprechend könne und müsse der Beklagte bereits rechtzeitig vor Ablauf einer wasserrechtlichen Erlaubnis in Bezug auf den Betrieb einer Mischwasserkanalisation den jeweiligen Betreiber daran erinnern und ggf. auch auffordern, eine entsprechende wasserrechtliche Erlaubnis verlängern zu lassen oder neu zu beantragen. Im Einzelfall könne er erforderliche Maßnahmen anordnen.
48
Weiterhin gehe auch die Argumentation des Beklagten hinsichtlich der Schutzwürdigkeit der Beigeladenen fehl. Der Beklagte führe aus, die Beigeladene als Kläranlagenbetreiberin könne kein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend entfalten, dass sie ohne wasserrechtliche Erlaubnis Abwasser in ein Gewässer aus „ihrer“ hydraulischen Einheit zulasse und hierfür nicht zur Abwasserabgabe herangezogen werde. Ob eine hydraulische Einheit bestehe, sei umstritten (auf das Verfahren Az. B 4 K 21.8 wurde hingewiesen). Der Beklagte bewerte die Beigeladene als Kläranlagenbetreiberin als Schuldnerin der Abwasserabgabe und durchbreche damit den Zusammenhang zwischen Einleiter und Abwasserabgabe. Es stelle sich die Frage, wie die Beigeladene rechtlich auf Einleitungen des Klägers aus dessen Mischwasserkanalisation einwirken und diese unterbinden solle. Die Beigeladene betreibe weder die Mischwasserkanalisation des Klägers noch dessen Regenentlastungsbauwerke.
49
Die Beigeladene vertraue sehr wohl darauf, nur für Einleitungen aus den von ihr betriebenen Bauwerken verantwortlich zu sein. Auf eine Nicht-Inanspruchnahme für Versäumnisse des Beklagten und auch des Klägers in Bezug auf Einleitungen aus der Mischwasserkanalisation des Klägers habe die Beigeladene ebenso vertraut. Der Teilrücknahmebescheid vom 23.12.2020 sei daher aufzuheben und der Klage zu entsprechen.
50
Im Verfahren Az. B 4 K 21.8 wendet sich die hiesige Beigeladene als Klägerin gegen den Abgabebescheid vom 07.12.2020 und den Änderungsbescheid vom 23.12.2020.
51
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte samt Protokoll über die mündliche Verhandlung und die vorgelegte zusammengefasste Behördenakte (die sich auch auf das Verfahren B 4 K 21.8 bezieht) Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe

52
1. Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Bescheid des Landratsamts … vom 23.12.2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, so dass er aufzuheben ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
53
Die streitgegenständliche, auf Art. 48 BayVwVfG (analog) gestützte Teilrücknahme der beschränkten Erlaubnis vom 30.12.2015 erweist sich als ermessenfehlerhaft (vgl. Art. 40 BayVwVfG) und damit rechtswidrig. Das Landratsamt ist bei seiner Ermessensausübung von unzutreffenden Erwägungen hinsichtlich der Möglichkeit der rückwirkenden Erteilung wasserrechtlicher Erlaubnisse ausgegangen (vgl. zum unzutreffenden Ermessensrahmen Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, VwVfG, § 48, Rn. 77 ff.), insbesondere, dass dem Zeitpunkt des Jahreswechsels 2015/2016 vorliegend eine rechtserhebliche Bedeutung zukomme.
54
a) Die Anordnung der rückwirkenden Geltung eines Verwaltungsakts ist möglich, soweit das materielle Recht dies zulässt (vgl. BVerwG, U.v. 6.6.1991 - 3 C 46.86 - juris). Die Rückwirkung kann kraft Gesetzes ausdrücklich oder nach dem durch das Gesetz gedeckten Sinn der Regelung zulässig sein (vgl. Meermagen in PdK Bu A-15; Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, VwVfG, § 43 Rn. 182, 56). Im Beamtenrecht beispielsweise besteht das Verbot rückwirkender Statusbegründungen und -änderungen als allgemeiner beamtenrechtlicher Grundsatz (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 15.4.2010 - 7 LA 213/08 - juris m.w.N.). Für statusbegründende Verwaltungsakte im Wehrpflichtrecht gilt bzw. galt dies in gleicher Weise (vgl. VG Aachen, U.v. 22.1.2009 - 4 K 1453/17 - juris m.w.N.). Im Ausländerrecht ist dagegen höchstrichterlich anerkannt, dass ein Ausländer bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen beanspruchen kann, eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nach der Antragstellung zu erhalten, wenn er ein schutzwürdiges Interesse daran hat (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.1995 - 1 C 31.93; U.v. 29.9.1998 - 1 C 14.97 - juris).
55
Für den Bereich des Wasserrechts ist bisher kaum Rechtsprechung zu dieser Thematik ersichtlich. Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat in einer das Abwasserabgabenrecht betreffenden Entscheidung vom 28.11.2013 inzident angenommen, dass der dortige Kläger einen Anspruch auf rückwirkenden Erlass des einen Überwachungswert betreffenden Änderungsbescheids zu einer wasserrechtlichen Erlaubnis gehabt hätte. Inmitten stand damit aber nicht die Frage, ob eine wasserrechtliche Erlaubnis als solche rückwirkend erteilt - sei es erstmalig oder nach Ablauf einer früheren Erlaubnis - werden kann, sondern Gegenstand der Entscheidung war die Thematik der rückwirkenden Änderung eines konkreten Parameters zum 01.01. mit einem Bescheid, der am 20.01. bekanntgegeben worden war (U.v. 28.11.2013 - 9 A 166/12 - das Verfahren hat sich nach einem Vermerk bei juris in der 2. Instanz am 09.06.2016 vergleichsweise erledigt).
56
In der vorliegenden Sache geht das Landratsamt zwar im Ansatzpunkt zu Recht davon aus, dass der Gesetzgeber Gewässerbenutzungen von einer behördlichen Zulassung abhängig gemacht hat, von bestimmten Ausnahmen - z. B. im Falle von erlaubnisfreien Benutzungen - einmal abgesehen. Die Konstruktion des repressiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt ist Ausdruck einer gewissen grundsätzlichen Missbilligung eines Verhaltens durch den Gesetzgeber. Dabei ist die behördliche Befreiung von dem Verbot keine bloße Unbedenklichkeitsbescheinigung im Sinne der behördlichen Bestätigung der von Gesetzes wegen bestehenden materiellen Legalität, sondern eine im Einzelfall gewährte Ausnahme bzw. konstitutive Erweiterung des Rechtskreises des Antragstellers, indem ein Verhalten, das grundsätzlich verboten ist, ausnahmsweise erlaubt wird.
57
Nicht zuletzt aus diesem Befund ergibt sich aber ein rechtserheblicher Unterschied beispielsweise zu der im Aufenthaltsrecht gegebenen Ausgangssituation mit der Folge, dass nachträgliche Zulassungen von Gewässerbenutzungen aus rechtssystematischen Gründen ausscheiden. Dem Gesetzgeber ist nicht verborgen geblieben, dass sich im Umweltverwaltungsrecht und insbesondere im Wasserrecht die Entscheidungsfindungsprozesse oftmals langwierig gestalten, nicht zuletzt wegen der vom Gesetz vorgesehenen Förmlichkeiten, aber in der Praxis häufig auch aus anderen Gründen. Der Gesetzgeber hat vor diesem Hintergrund mit der Zulassung des vorzeitigen Beginns nach § 17 WHG jedoch ein Instrument geschaffen, das einerseits dem Gewässerbenutzer eine praktikable Übergangslösung eröffnet und andererseits der Wasserrechtsbehörde den verfahrensökonomischen Vorteil bietet, im eigentlichen Verfahren auf Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung eine vom besonderen Zeitdruck befreite abschließende Entscheidung zu treffen (vgl. Pape in Landmann/Rohmer, UmweltR, WHG, § 17, Rn. 1 ff.). Die gesetzgeberische Konzeption bietet der zuständigen Behörde damit zugleich Raum für die Berücksichtigung des Umstands, dass je nach Konstellation im Einzelfall - die Beteiligten haben in der vorliegenden Sache auf das regelmäßig zwingende Bedürfnis einer Regenentlastung bei einer Mischkanalisation hingewiesen - ein erhebliches (auch öffentliches) Bedürfnis bestehen kann, mit einer beantragten Benutzung nicht zuwarten zu müssen, bis die Erlaubnis oder Bewilligung erteilt oder gar unanfechtbar gewordenen ist (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, § 17, Rn. 1 - 3 mit Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des im Jahr 1976 in Kraft getretenen früheren § 9a WHG). Bei der Zulassung des vorzeitigen Beginns sind derartige Gesichtspunkte nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 WHG ohne Weiteres berücksichtigungsfähig.
58
Das Regime des Wasserechtes bietet damit ein Instrumentarium, das auch den praktischen Bedürfnissen hinreichend Rechnung trägt, wobei es freilich zuvorderst dem Gewässerbenutzer obliegt, eine benötigte wasserrechtliche Zulassung so rechtzeitig zu beantragen, dass mit einem zeitgerechten Abschluss des Verfahrens gerechnet und eben ggf. noch zeitlich adäquat der vorzeitige Beginn zugelassen werden kann. Gegen die Möglichkeit, eine wasserrechtliche Erlaubnis mit Wirkung für die Vergangenheit zu erteilen, spricht nicht zuletzt auch der Umstand, dass im Wasserrecht nicht selten die Belange Drittbetroffener eine Rolle spielen, und sei es auch nur im Rahmen des wasserrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme, das auch bei der Erteilung beschränkter Erlaubnisse zu beachten ist, selbst wenn diese grundsätzlich „unbeschadet der Rechte Dritter“ ergehen (vgl. Johlen/Oerder, MAH Verwaltungsrecht, 4. Auflage, § 13, Rn. 38, 94). Gerade der zuletzt genannte Aspekt unterscheidet die hier in Rede stehenden wasserrechtlichen Konstellationen von Fallgestaltungen aus anderen Rechtsgebieten, in denen das materielle Recht den Erlass von Verwaltungsakten mit Wirkung für die Vergangenheit zulässt.
59
b) Als nicht rechtlich tragfähig und damit im Hinblick auf die streitgegenständliche Teilrücknahme ermessensfehlerhaft erweist sich somit auch die behördliche Annahme, dass die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 30.12.2015 - bezogen auf den Geltungszeitraum 06.07.2015 bis 31.12.2015 - daraus resultiere, dass dieser Bescheid erst am 14.01.2016 bekanntgegeben wurde. Insbesondere bietet die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.03.2005 - 9 C 7/04 -, auf die auch das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 10.11.2014 Bezug nimmt, keine hinreichende Stütze für die Annahme, dass dem Jahreswechsel im vorliegenden Kontext eine rechtserhebliche Bedeutung zukomme.
60
In der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hat der damals zuständige 9. Senat unter Bezugnahme auf eine ältere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ausgeführt, dass es naheliegen möge, für die in § 9 Abs. 5 AbwAG unmittelbar geregelten Fälle des Bescheides nach § 4 Abs. 1 AbwAG und der Erklärung nach § 6 Abs. 1 AbwAG von der Geltung des Jährlichkeitsprinzips auszugehen. Das zwinge aber nicht dazu, dieses Prinzip auch auf die Fälle des § 9 Abs. 6 AbwAG zu übertragen. Denn im Gegensatz zur Heraberklärung nach § 4 Abs. 5 AbwAG seien die Anwendungsfälle des § 9 Abs. 5 AbwAG typischerweise auf Kalenderjährlichkeit angelegt. Das ergebe sich für die Erklärung nach § 6 Abs. 1 AbwAG bereits daraus, dass sie nach dieser Vorschrift für das gesamte Kalenderjahr abzugeben sei, so dass sich die Frage der Gewährung einer Ermäßigung für einen kürzeren Zeitraum von vornherein nicht stellen könne.
61
Weiter bezieht sich das Bundesverwaltungsgericht auf die vom dortigen Beklagten mitgeteilte Praxis dahin, dass sich dieser beim Erlass bzw. der Anpassung des die Abwassereinleitung zulassenden Bescheides vom Grundsatz der Jährlichkeit leiten lasse (vgl. a.a.O., juris-Rn. 22, 34). Der Einleiter könne - und diese folgende Passage bezieht sich eben auf die Praxis beim dortigen Beklagten - durch entsprechende Antragstellung selbst darauf hinwirken, dass derartige Bescheide zum Beginn des folgenden oder (bei Zustimmung des Einleiters) rückwirkend zum Beginn des laufenden Jahres wirksam werden.
62
Wegen dieser Anknüpfung an die Praxis des dortigen Beklagten kann nicht festgestellt werden, dass das Bundesverwaltungsgericht in jenem Urteil mit Blick auf das Kriterium der Jährlichkeit fallübergreifende rechtliche Maßstäbe zur rückwirkenden Erteilung wasserrechtlicher Erlaubnisse aufgezeigt hätte.
63
Möchte man einmal die zuvor dargestellten Erwägungen, die schon ganz grundsätzlich gegen den rückwirkenden Erlass von wasserrechtlichen Erlaubnissen anzuführen sind, ausblenden, so gibt es bei der hier einschlägigen und im Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 10.11.2014 eigens behandelten Konstellation, dass ein vollständiger Antrag erst nach Beginn der Gewässerbenutzung bzw. nach Ablauf einer Befristung vorliegt, keinen schlüssigen rechtlichen Ansatzpunkt dafür, dass die wasserrechtliche Erlaubnis zwar mit Rückwirkung bis zur Antragstellung erteilt werden könne, soweit die Erlaubnis noch im Jahr der Antragstellung bekanntgegeben wird, dass aber im Übrigen der 01.01. des Jahres der Bekanntgabe der Erlaubnis die zulässige Anordnung einer Rückwirkung in zeitlicher Hinsicht begrenzen würde.
64
Aus dem Regelungsregime des Abwasserabgabenrechts ließe sich eine derartige Restriktion jedenfalls nicht überzeugend herleiten. Zwar ist es durchaus geboten, im Rahmen des bei der Erteilung wasserrechtlicher Erlaubnisse auszuübenden Bewirtschaftungsermessens auch solche Interessen des Antragstellers einzubeziehen, die sich aus dem Blickwinkel der zu seinen Lasten ggf. festzusetzenden Abwasserabgabe ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2015 - 9 C 7.04, juris-Rn. 22 a.E.). Es ist aber nicht erkennbar, dass die Regelungen des Abwasserabgabenrechts es gebieten würden, bei der Erteilung von wasserrechtlichen Erlaubnissen dem Jahreswechsel eine rechtserhebliche Bedeutung beizumessen.
65
Mit der Bestimmung des Kalenderjahres zum Veranlagungszeitraum wird grundsätzlich festgelegt, dass für die Bemessung der Abwasserabgabe die Verhältnisse im einzelnen Kalenderjahr zugrunde zu legen sind (vgl. § 11 Abs. 1 AbwAG). Ob sich aus der Vorschrift des § 11 Abs. 1 AbwAG i.V.m. mit § 4 Abs. 1 Satz 2 AbwAG („Jahresschmutzwassermenge“) ein das Abwasserabgabenrecht insgesamt kennzeichnender Grundsatz (Jährlichkeits- oder Annuitätsprinzip) ableiten lässt, wird in der Literatur bezweifelt. Jedenfalls dürfen damit nicht andere im Gesetz enthaltene Wertungen überspielt werden, die eine Betrachtung von Teilzeiträumen nahelegen; beispielsweise hat das Bundesverwaltungsgericht eine Abgabeermäßigung auch für Teilzeiträume des Veranlagungsjahres ausdrücklich anerkannt (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2005 - 9 C 7.04 und hierzu SZDK/Zöllner, AbwAG, § 11, Rn. 4 m.w.N.).
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Soweit der Beklagte als maßgebliches Argument heranziehen möchte, dass das der Bekanntgabe der wasserrechtlichen Erlaubnis vorangehende Abgabejahr (vorliegend das Jahr 2015) bereits abgeschlossen gewesen sei, ist - auch weiterhin unter Ausblendung der bereits grundsätzlichen Unzulässigkeit der rückwirkenden Erteilung wasserrechtlicher Erlaubnisse - nicht erkennbar, dass die sich aus dem Abwasserabgabenrecht ergebenden Implikationen nicht sachgerecht mit dem dort zur Verfügung stehenden Instrumentarium bewältigt werden könnten. Beispielsweise kommt eine Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung in Betracht (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 lit b BayAbwAG i.V.m. § 164 AO). Ein unter einem derartigen Vorbehalt stehender Abgabebescheid kann jederzeit aufgehoben oder geändert werden. Er ist allseitig offen für tatsächliche und rechtliche Korrekturen (vgl. VG Würzburg, U.v. 18.11.1999 - W 1 K 98.961; s. hierzu auch BayVGH, B.v. 17.3.2010 - 22 ZB 09.1047 - juris). Eine nur vorläufige oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgte Festsetzung kommt gerade im Bereich der Abwasserabgabe häufig vor (vgl. Sieder/Zeitler/Zöllner, BayAbwAG, Art. 14, Rn. 3; SZDK/Knopp, AbwAG, § 14, Rn. 6); nicht zuletzt hat das Landratsamt … dem an die Beigeladene gerichteten Abgabebescheid vom 07.12.2020 für das Jahr 2015 einen entsprechenden Zusatz beigefügt. Auf die im Abwasserabgabenrecht bestehende Möglichkeit von Nacherhebungen und nachträglichen Korrekturen (vgl. hierzu näher Sieder/Zeitler/Zöllner, BayAbwAG, Art. 14, Rn. 3b) wird ergänzend hingewiesen.
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c) Die Ermessensfehlerhaftigkeit des Teilrücknahmebescheids vom 23.12.2020 ist in der vorliegenden Sache auch nicht deshalb ausnahmsweise unbeachtlich, weil im konkreten Einzelfall ein Einfluss des Fehlers auf die Entscheidung ausgeschlossen werden könnte (vgl. Wolff in NK-VwGO, § 114, Rn. 198). In diesem Zusammenhang kann insbesondere nicht angeführt werden, dass das Landratsamt für den Fall, dass es im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 23.12.2020 vor Augen gehabt hätte, dass die Erlaubnis vom 30.12.2015 nicht rückwirkend hätte erteilt werden dürfen, dieselbe Ermessenentscheidung zugunsten einer (Teil-)Rücknahme getroffen hätte. Für eine solche Sichtweise könnte zwar sprechen, dass bei Erkenntnis der Rechtswidrigkeit der rückwirkenden Erteilung der Erlaubnis insgesamt, also bezogen auf den Zeitraum bis zur Bekanntgabe der Erlaubnis, die Behörde bei Ausübung ihres Rücknahmeermessens doch (zumindest) zu einer Aufhebung des Bescheids vom 30.12.2015 im streitgegenständlichen Umfang gelangt wäre. Dagegen spricht aber, dass sich in dieser Konstellation unweigerlich Fragen der Gleichbehandlung anderer Gewässerbenutzer auftun, denen aufbauend auf dem Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 10.11.2014 ebenfalls Erlaubnisse mit zeitlicher Rückwirkung erteilt wurden. Ob und in welchem Umfang unter Anlegung der beschriebenen Prämissen aber in einer Mehrzahl von Fällen (Teil-)Rücknahmen erfolgen sollen, erfordert eine dezidierte behördliche Prüfung und Entscheidung. Diese Überlegungen sind im hiesigen Verfahren nicht zu vertiefen. Es kann aber zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte zu einer anderen tragfähigen Ermessensentscheidung als der vorliegend getroffenen gelangt wäre; eine Ermessensreduzierung auf null dergestalt, dass der bestandskräftige Bescheid vom 30.12.2015 zwingend (teilweise) zurückzuzunehmen ist, ist jedenfalls nicht gegeben.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Nachdem die Beigeladene mit der Stellung eines Sachantrages nach § 154 Abs. 3 VwGO ein Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es nach § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit, dem Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.
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3. Die Berufung wird nach § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, nachdem eine obergerichtliche Rechtsprechung zu den hier maßgeblichen Fragen des Erlasses von wasserrechtlichen Erlaubnissen mit Wirkung für die Vergangenheit nicht ersichtlich ist.