Inhalt

VG München, Urteil v. 17.08.2021 – M 16 K 19.3540
Titel:

Widerruf der Gaststättenerlaubnis, Unzuverlässigkeit, Schließungsanordnung, Verwaltungsgebühr

Normenketten:
GastG § 15 Abs. 2
GastG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
GewO § 15 Abs. 2 S. 1
Schlagworte:
Widerruf der Gaststättenerlaubnis, Unzuverlässigkeit, Schließungsanordnung, Verwaltungsgebühr
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 07.11.2022 – 22 ZB 22.278
Fundstelle:
BeckRS 2021, 59066

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2019 (KVR-III/ … …*) wird in Nr. 4 insoweit aufgehoben, als eine Bescheidsgebühr von mehr als 500,- Euro festgesetzt wurde.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf der ihm erteilten gaststättenrechtlichen Erlaubnis für die Gaststätte „…“ durch die Beklagte.
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Dem Kläger wurde auf seinen Antrag hin mit Bescheid vom 26. Mai 2014 die Erlaubnis erteilt, die Schank- und Speisewirtschaft „…“ zu betreiben.
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Aufgrund der Mitteilung des Landratsamts … vom 31. Januar 2019 erlangte die Beklagte Kenntnis vom Urteil des Amtsgerichts … vom … September 2017, wonach der Kläger wegen Steuerhinterziehung in 4 tatmehrheitlichen Fällen, jeweils in Tatmehrheit mit zwei weiteren Fällen der Steuerhinterziehung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt wurde; die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
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Daraufhin holte die Beklagte die gaststättenrechtliche Zuverlässigkeit des Klägers betreffende Auskünfte ein und hörte diesen mit Schreiben vom 24. April 2019 zum beabsichtigten Widerruf der Gaststättenerlaubnis an. Dem Inhalt des Anhörungsschreibens folgend bestünden mit Stand vom 13. März 2019 Gewerbesteuerrückstände beim Kassen- und Steueramt der Beklagten in Höhe von 15.165,50 Euro, mit Stand vom 25. März 2019 Einkommens- und Umsatzsteuerrückstände beim Finanzamt … in Höhe von insgesamt 17.817,85 Euro sowie mit Stand vom 28. März 2019 offene Forderungen bei der Berufsgenossenschaft in Höhe 261,78 Euro. Weiterhin sei die vorgenannte Verurteilung wegen Steuerhinterziehung bekannt geworden.
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Am 9. Mai 2019 legte der Kläger eine vonseiten des Kassen- und Steueramts bewilligte Vollstreckungsbeschränkung vom 19. März 2019 vor und erläuterte im Übrigen die Umstände, die zum Auflaufen der Rückstände geführt hätten.
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Mit Bescheid vom 25. Juni 2019 widerrief die Beklagte die dem Kläger erteilte Erlaubnis zum Betrieb der Gaststätte „…“ vom 26. Mai 2014 (Nr. 1 des Bescheidstenors), verfügte die Einstellung des Gaststättenbetriebs unter Gewährung einer Frist für die Abwicklung der Schließung des Betriebs von zwei Wochen ab Bestandskraft des Bescheids (Nr. 2 des Bescheidstenors) und drohte dem Kläger für den Fall der Nichtbeachtung der Schließungsanordnung unter Nr. 2 des Bescheidstenors die Schließung im Weg des unmittelbaren Zwangs an (Nr. 3 des Bescheidstenors). In Nr. 4 des Bescheidstenors verfügte die Beklagte die Kostentragung des Klägers; die Bescheidsgebühr wurde auf 1.852,49 Euro festgesetzt. Hinsichtlich der Bescheidsgründe wird auf den Inhalt des Bescheids der Beklagten vom 25. Juni 2019 Bezug genommen.
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Gegen den dem Kläger am 28. Juni 2019 zugestellten Bescheid der Beklagten ließ der Kläger am … Juli 2019 Klage erheben.
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Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger geltend, die Verkürzungsberechnung des Finanzamts, die dem Urteil des Amtsgerichts zugrunde lag, beruhe nicht auf einem Nachweis der Nichterfassung der Barumsätze, sondern nur auf einer Schätzung des Finanzamts in der Verkürzungsberechnung. Hierzu sei es gekommen, weil der Kläger zusätzlich zu seiner Kassenbuchführung eine private Excel-Tabelle geführt habe, in der er Entnahmen aus der Kasse aufgelistet habe. Diese Entnahmen habe der Kläger gesammelt, um daraus in bar zu bezahlende Warenlieferungen zu begleichen. Dieses Vorgehen habe zwar nicht den steuerrechtlichen Vorgaben entsprochen, das Finanzamt habe diesen Umstand aber zum Anlass genommen, einen Aufschlag von bis zu 513% auf den Wareneinkauf vorzunehmen und dem Umsatz hinzuzurechnen. Diese hohen Beträge seien damit keineswegs nachgewiesen. Gleichwohl habe der Kläger sämtliche Steuerrückstände beglichen und komme seither sämtlichen Steuerzahlungen pünktlich nach. Die vonseiten der Beklagten herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidungen könnten vorliegend keine Anwendung finden. Auch die Prognose der Beklagten sei danach fehlerhaft, weil sie auf sachfremden Erwägungen beruhe. Der Widerruf der gaststättenrechtlichen Erlaubnis sei zudem unverhältnismäßig, weil er die gesamte Familie des Klägers betreffe. Da dem Kläger mit dem Gewerbemietvertrag vom 15. November 2013 neben den Gewerbeflächen zugleich eine Betriebswohnung mitvermietet wurde, würde der Kläger im Fall der Bestandskraft des angefochtenen Bescheids nicht nur seine Gaststättenräume, sondern auch seine Wohnräume verlieren. Es stehe daher auch im Raum, dass der Kläger mit Familie im Fall der Gewerbeuntersagung obdachlos würde.
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Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2019, Az.: KVR-III/ … …, aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt mit Klageerwiderung vom 3. Dezember 2019,
die Klage abzuweisen.
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Das Urteil des Amtsgerichts … vom … Mai 2017 sei rechtskräftig und vollumfänglich für die Beurteilung der Zuverlässigkeit heranzuziehen gewesen, zumal ein direkter Bezug zur gewerblichen Tätigkeit des Klägers gegeben sei. Dass das Finanzamt aufgrund der Nichtabgabe von Nachweisen Schätzungen in der Verkürzungsberechnung vorgenommen habe, sei bei der Beurteilung nicht relevant gewesen. Der Einwand, die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung nicht vergleichbare Urteile herangezogen, gehe fehl. Die Urteile seien zum Beleg angeführt worden, dass für die Prognose im Rahmen der Beurteilung zur Strafaussetzung nach § 56 StGB ein anderer Maßstab anzulegen sei als in der Zuverlässigkeitsbeurteilung eines Gewerbetreibenden. Das nachträglich ordnungsgemäße Verhalten des Klägers und die von ihm getätigten Zahlungen an das Finanzamt seien offenbar unter dem Druck des Steuerstrafverfahrens erfolgt und auch weitere Zahlungen zur Begleichung öffentlich-rechtlicher Forderungen seien erst nach Einleitung des Erlaubniswiderrufsverfahrens getätigt worden.
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Mit Beschluss vom 28. Juni 2021 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der hierzu beigezogenen Behördenakte der Beklagten sowie auf die Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. August 2021 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagtenpartei nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
15
Die insgesamt zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.
I.
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Die Klage ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Verfügungen und Anordnungen in Nr. 1 bis Nr. 3 des angefochtenen Bescheids vom 25. Juni 2019 richtet. Der Bescheid vom 25. Juni 2019 ist in Nr. 1 bis Nr. 3 des Bescheidstenors rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 Satz 1 VwGO). Auf die zutreffende Begründung des Bescheids vom 25. Juni 2019, der das Gericht folgt, wird insoweit Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
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1. Die Beklagte hat die dem Kläger erteilte gaststättenrechtliche Erlaubnis zu Recht widerrufen (Nr. 1 des Bescheidstenors).
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a) Nach § 15 Abs. 2 GastG ist die Erlaubnis zum Betrieb eines Gaststättengewerbes zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die die Versagung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG rechtfertigen würden. Das ist nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG der Fall, wenn der Betroffene „die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt“ (vgl. BVerwG, U.v. 30.9.1976 – I C 29.75 – juris Rn. 21). Der Begriff der Unzuverlässigkeit im Sinn des § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG stimmt mit dem des § 35 Abs. 1 GewO überein. Die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG besitzt ein Gewerbetreibender danach u.a. nicht, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein (Gaststätten-) Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Unzuverlässigkeit bestehen, abgesehen von den in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG genannten Regelbeispielen, bei einem Gewerbetreibenden mit erheblichen Steuerrückständen sowie Zahlungsrückständen bei den Trägern der Sozialversicherung oder bei Straftaten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung (vgl. BVerwG, B.v. 23.9.1991 – 1 B 96.91 – juris Rn. 4; U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 13 ff. zur Gewebeuntersagung, jeweils m.w.N.).
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Der Entscheidung über den Widerruf der gaststättenrechtlichen Erlaubnis nach § 15 Abs. 2 GastG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG ist eine Prognose, der Gewerbetreibende werde in Zukunft seine beruflichen Pflichten nicht erfüllen und die Gaststätte nicht ordnungsgemäß betreiben, immanent (vgl. BVerwG, B.v. 25.1.1994 – 1 B 212.93 – juris Rn. 6 f. m.w.N.). Die „Prognose“ ist ein aus den vorhandenen tatsächlichen Umständen gezogener Schluss auf wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden (vgl. BVerwG, B.v. 26.2.1997 – 1 B 34.97 – juris Rn. 8). Ob sich die Unzuverlässigkeitsprognose rechtfertigt, ist eine Frage der Würdigung des Einzelfalls (vgl. BVerwG, B.v. 10.1.1996 – 1 B 202.95 – juris Rn. 7). Bei der gerichtlichen Entscheidung über die Klage auf Aufhebung der gaststättenrechtlichen Widerrufsverfügung ist allein auf die Sachlage und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsakts abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 28.7.1978 – I C 43.75 – juris Rn. 25; B.v. 25.1.1994 – 1 B 212.93 – juris Rn. 8; B.v. 7.6.1996 – 1 B 92.96 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 13.11.2015 – 22 C 15.1463 – juris Rn. 7; jeweils m.w.N.). Nachträgliche Veränderungen der Sachlage, insbesondere eine Minderung von Verbindlichkeiten, bleiben außer Betracht. Diese können allenfalls künftig Bedeutung erlangen, wenn sich der Kläger unter Berufung auf eine positive Entwicklung künftig erneut um eine Gaststättenerlaubnis bemühen sollte (vgl. BayVGH, B.v. 1.10.2012 – 22 ZB 12.787 – juris Rn. 16).
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b) Daran gemessen war der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des angefochtenen Bescheids am 28. Juni 2019 im behördlichen Widerrufsverfahren unzuverlässig und war die Prognose der Beklagten gerechtfertigt, dass der Kläger sein Gaststättengewerbe künftig nicht ordnungsgemäß ausüben wird.
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Nach den nicht bestrittenen tatsächlichen Feststellungen, die dem rechtskräftig gewordenen Urteil vom … September 2017 zugrunde liegen, hat der Kläger im Zeitraum 2008 bis 2011 ein …restaurant als Einzelunternehmen betrieben und hieraus einkommen- und gewerbesteuerpflichtige Gewinne sowie umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt. Der Kläger kam seiner Verpflichtung, fünf Monate nach Ablauf des Veranlagungszeitraums Steuererklärungen beim zuständigen Finanzamt abzugeben und darin die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offen zu legen in den Jahren 2008 bis 2011 – wie er wusste – nicht nach, indem er falsche Einkommen-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärungen abgab.
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Der Kläger erläutert sein Vorgehen bei der Abgabe der falschen Steuererklärungen in der Klagebegründung dahin, dass er aus für ihn praktikablen Gründen zur Bereithaltung eines Bargeldvorrats neben seinem Kassenbuch eine private Excel-Tabelle führte, in der er Entnahmen aus der Kasse aufgelistet hatte. Dass diese Art der Kassenbuchführung (bzw. Aufzeichnungen) nicht den steuerrechtlichen Vorgaben entspricht, räumt auch der Kläger ein. Denn die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Aufzeichnung steuerlicher Vorgänge ebenso wie die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Buchführung erfordern die Aufzeichnung jeder Betriebseinnahme und Betriebsausgabe, jeder Einlage und Entnahme in einem Umfang, der einem sachverständigen Dritten in angemessener Zeit eine lückenlose Überprüfung seiner Grundlagen, seines Inhalts, seiner Entstehung und Abwicklung und seiner Bedeutung für den Betrieb ermöglicht (§§ 145 ff. AO). Dass sich der Kläger durch seine nicht ordnungsgemäßen Aufzeichnungen über Jahre hinweg einen erheblichen Steuervorteil verschafft hat, steht für das Gericht außer Frage. Auch das Amtsgericht erkennt im Rahmen der Strafzumessung, dass die Verkürzungsberechnung auf einer Schätzung beruht (und gelangt unter Berücksichtigung des Umstands, dass bereits in der Vergangenheit ein Steuerstrafverfahren gegen den Kläger geführt wurde, das nach § 153a StPO, also unter Auflage und Weisungen, eingestellt wurde, gleichwohl zu einer tat- und schuldangemessenen Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr). Soweit es die Schadenshöhe betrifft, ist zulasten des Klägers zu werten, dass er den Schätzungsfall bewusst und eigenverantwortlich herbeigeführt hat, weil die wahren Besteuerungsgrundlagen aufgrund von nicht ordnungsgemäß aufgezeichneten Bargeldentnahmen des Klägers nicht zu ermitteln waren. Fest steht für das Gericht jedenfalls, dass der Kläger wissentlich falsche Steuererklärungen abgab und sich hierdurch einen Vorteil verschaffte, eben, weil er Barumsätze in größerem Umfang nicht erfasst hatte. Gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen insoweit unrichtig sind, werden mit dem nicht weiter substantiierten Vorbringen, die sehr hohen Beträge hätten sich ausschließlich aus den Hinzuschätzungen in der Verkürzungsberechnung des Finanzamts ergeben, aus Sicht des Gerichts nicht dargetan (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 24.9.15 – 22 ZB 15.1722 – juris Rn. 10 m.w.N.).
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Steuerhinterziehung ist ein gewerbebezogenes und hier – angesichts des verhängten Strafmaßes – nicht nur geringfügiges Vergehen, das für sich die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers begründet. Die seit dem … September 2017 rechtskräftige Verurteilung des Klägers wegen dieser Steuerstraftat ist im Bundeszentralregister eingetragen und war deshalb im Widerrufsverfahren verwertbar (§§ 45 ff., § 51 f. BZRG).
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In der über die Veranlagungsjahre 2008 bis 2011 begangenen Steuerstraftat kommt zum einen ein besonderes Maß an Gleichgültigkeit gegenüber der Erfüllung der steuerlichen Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten zum Ausdruck, das im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids bereits für sich die Prognose zuließ, vom Kläger sei auch künftig keine dahingehende ordnungsgemäße Betriebsführung zu erwarten. Zudem hat es der Kläger über Jahre hinweg unterlassen, seine Einnahmen und Umsätze wahrheitsgemäß festzuhalten und anzugeben, indem er Bargeld entnommen hatte, ohne dies in einer den Anforderungen hinreichenden Weise zu dokumentieren und dies auch anzuzeigen. Dadurch hat der Kläger seine tatsächlichen Einnahmen und Umsätze bewusst verschleiert, um sich auf diese Weise beachtliche wirtschaftliche Vorteile zu Lasten des Steueraufkommens und damit der Solidargemeinschaft verschafft. Wenngleich die Verkürzungsrechnung auf einer Schätzung beruht, bestehen an einer hohen Schadenssumme aus der Nichterfassung seiner Barumsätze in größerem Umfang und der Anzahl an Delikten über einen beachtlichen Zeitraum keine vernünftigen Zweifel. Soweit der Kläger beanstandet, das Finanzamt habe den Verstoß des Klägers gegen steuerrechtliche Aufzeichnungspflichten zum Anlass genommen, einen Aufschlag von bis zu 513% auf den Wareneinkauf vorzunehmen und dem Umsatz hinzuzurechnen, fehlt es dem Vortrag an substantiellen Darlegungen dahin, dass die Schätzung des Finanzamts evident falsch sei. Fest steht damit zur Überzeugung des Gerichts, dass der Kläger einen ungerechtfertigten Steuervorteil in beträchtlicher Höhe erlangt hat und auch erlangen wollte. Sein Verhalten lässt mithin erkennen, dass der Kläger seinen finanziellen Vorteil über seine Pflicht zur Abgabe wahrheitsgemäßer Erklärungen gegenüber dem Finanzamt gestellt hat und nicht willens war, Steuern in ordnungsgemäßer Höhe an den Staat abzuführen.
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Dafür, dass der Kläger im Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids seine Zuverlässigkeit wiedererlangt hätte, bestehen keine tragfähigen Anhaltspunkte. Dass die mit Urteil vom … September 2017 geahndeten steuerrechtlichen Verfehlungen des Klägers länger zurückliegende Veranlagungszeiträume von 2008 bis 2011 betreffen, ist gerade bei Steuerdelikten nicht ungewöhnlich und spricht insbesondere nicht gegen die Heranziehung der Verurteilung bei der Bewertung des Klägers als gewerberechtlich unzuverlässig. Angesichts der über mehrere Veranlagungsjahre hinweg begangenen Fälle der Steuerhinterziehung ist zudem auf den Zeitpunkt letzten Tathandlung abzustellen, hier also auf den Mai 2013. Aus der während und unter dem Druck des anhängigen Strafverfahrens, insbesondere auch während des Bewährungszeitraums, gezeigten Phase des Wohlverhaltens des Klägers kann nicht ohne weiteres auf einen grundlegenden Einstellungswandel geschlossen werden (vgl. BayVGH, B.v. 17.8.2020 – 22 ZB 20.1037 – juris Rn. 11 m.w.N.). Dass die Beklagte die Steuerrückstände des Klägers mit Stand vom 13. und 25. März 2019 in die Beurteilung mit einbezogen hat, ist, insbesondere soweit es die Gewerbesteuerrückstände betrifft (vgl. Bl. 96 ff. der Behördenakte), nicht zu beanstanden. Zwar hatte der Kläger diese im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses bereits beglichen. Für die Prognose, ob beim Kläger in Ansehung seiner Verurteilung wegen Steuerhinterziehung ein Einstellungswandel eingetreten ist, soweit es auch seine Verpflichtung betrifft, Steuerforderungen mit deren Fälligkeit zu begleichen, ist dieser Umstand von Bedeutung. Denn einem Wohlverhalten in der Sondersituation des Drucks eines Widerrufsverfahrens kommt in der Regel ein nur geringerer Indizwert zu (vgl. OVG NW, U.v. 7.5.2015 – 20 A 2670/13 – juris Rn. 87 ff. m.w.N.; OVG LSA, B.v. 31.5.2019 – 1 M 67/19 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 23.10.2012 – 22 ZB 12.888 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 19.12.2007 – 22 CS 07.2995 – juris Rn. 20 m.w.N.). Die Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ist – worauf die Beklagte zu Recht abstellt – zwar für die Prognose von tatsächlichem Gewicht, für die gewerberechtliche Beurteilung aber nicht bindend (vgl. BayVGH, B.v. 2.7.2014 – 22 CS 14.1186 – juris Rn. 16 m.w.N.).
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Hiervon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die seit dem … September 2017 rechtskräftige Verurteilung des Klägers wegen Steuerhinterziehung zum Anlass genommen hat, den Kläger als gewerberechtlich unzuverlässig zu beurteilen. Demnach war der Widerruf der dem Kläger erteilten gaststättenrechtlichen Erlaubnis zum Betrieb der Gaststätte „…“ gerechtfertigt; ein Ermessensspielraum stand der Beklagten insoweit nicht zu.
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In Anbetracht der Umstände zum Vergehen der Steuerhinterziehung war der Widerruf der Gaststättenerlaubnis zum Schutz der Allgemeinheit auch erforderlich. Anhaltspunkte für eine künftig ordnungsgemäße Betriebsführung bestanden wie ausgeführt nicht. Ein grundlegender Einstellungswandel, der eine günstigere Prognose zuließe, lässt sich auch dem Vorbringen des Klägers im behördlichen Verfahren nicht entnehmen. Mildere Mittel, die in gleicher Weise geeignet wären, die bislang ordnungswidrige Betriebsführung durch den Kläger künftig zu verhindern, sind nicht ersichtlich. Dem Kläger bleibt es unbenommen, seinen Lebensunterhalt durch eine abhängige Beschäftigung zu sichern (vgl. BayVGH, B.v. 1.10.2012 – 22 ZB 12.787 – juris Rn. 21). Eine abweichende Bewertung ergibt sich entgegen dem Klägervorbringen nicht daraus, dass mit dem Gewerbemietvertrag vom 15. November 2013 zugleich eine Betriebswohnung vermietet wurde, in der auch die Familie des Klägers wohnt. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen für den Widerruf der Gaststättenerlaubnis – wie hier – vor, ist die Widerrufsentscheidung in aller Regel auch verhältnismäßig. Ein Abweichen von der gesetzlich vorgesehenen Regelfolge ist nur bei extremen Ausnahmefällen geboten (vgl. BayVGH, B.v. 31.5.2021 – 22 CS 21.902 – juris Rn. 36; BVerwG, B.v. 9.3.1994 – 1 B 33.94 – juris Rn. 3 zur Gewerbeuntersagung, jeweils m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall wird nicht schon durch die vorgetragene Gefahr begründet, infolge des Widerrufs könne der Gewerbetreibende seine selbständige Tätigkeit nicht mehr ausüben und damit wegen Wegfalls seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage sozialbedürftig werden (vgl. BVerwG, B.v. 25.3.1991 – 1 B 10.91 – juris Rn. 4 zur Gewerbeuntersagung). Im Hinblick auf den geltend gemachten Verlust der gemeinsam mit den Gewerbeflächen vermieteten Betriebswohnung gilt nichts anderes.
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2. Die Anordnung zur Einstellung des Gaststättenbetriebs innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Bestandskraft des Bescheids ist ebenfalls rechtmäßig (Schließungsanordnung, Nr. 2 des Bescheidstenors).
29
Nach § 31 GastG i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO kann die Fortsetzung des Betriebs von der zuständigen Behörde verhindert werden, wenn ein Gewerbe, zu dessen Ausübung eine Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung (Zulassung) erforderlich ist, ohne diese Zulassung betrieben wird. Auch die Aufhebung einer Zulassung kann mit einer Verfügung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO verbunden werden (vgl. Heß in Friauf, GewO, Stand September 2021, § 15 Rn. 86; Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand Februar 2021, § 15 Rn. 14; Leisner in BeckOK GewO, Stand 1.12.2019, § 15 Rn. 14.2, jeweils m.w.N.). Dies ist nach Auffassung des Gerichts auch zweckmäßig, weil die Widerrufsentscheidung für sich keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Am Erfordernis einer Betriebsschließung und der Rechtmäßigkeit der Maßnahme hat sich im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nichts geändert (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 20.78 – juris Rn. 15). Mit dem Eintritt der Bestandskraft der Widerrufsverfügung entfällt die dem Kläger erteilte gaststättenrechtliche Erlaubnis, der er zum legalen Betrieb seiner Gaststätte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GastG bedarf. Dass die Einstellung des Gaststättenbetriebs erst mit Vollziehbarkeit der Widerrufsentscheidung, hier also mit deren Bestandskraft zu erfolgen hat (§ 80 Abs. 1 VwGO), hat die Beklagte erkannt; dies ergibt sich unmittelbar aus Nr. 2 des Bescheidstenors.
30
Da der Widerruf der gaststättenrechtlichen Erlaubnis den ganzen Betrieb der Gaststätte nach § 2 Abs. 1 GastG erfasst, knüpft die Schließungsanordnung zu Recht an den ganzen vom Kläger bislang ausgeübten Gaststättenbetrieb an (vgl. OVG NW, B.v. 30.4.2020 – 4 B 21/20 – juris Rn. 44 f; BayVGH, B.v. 5.10.2018 – 22 ZB 18.841 – juris Rn. 25 f., jeweils m.w.N.).
31
Ermessensfehler liegen nicht vor. Die dem Kläger eingeräumte Abwicklungsfrist von zwei Wochen nach Bestandskraft ist auch unter Berücksichtigung der dem Kläger mitvermieteten Betriebswohnung angemessen, schon, weil die Betriebsschließung die Wirksamkeit des Gewerbemietvertrags vom 15. November 2013 unberührt lässt.
32
3. Gegen die Androhung des unmittelbaren Zwangs für den Fall, dass der Kläger der Schließungsanordnung nicht fristgerecht nachkommt, bestehen keine rechtlichen Bedenken (Nr. 3 des Bescheidstenors).
II.
33
Die Klage ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Festsetzung einer Verwaltungsgebühr in Nr. 4 des Bescheidstenors in Höhe von 500,- Euro „für den Widerruf der Gaststättenerlaubnis“ richtet.
34
Die behördliche Kostenentscheidung ist hinsichtlich der Verwaltungsgebühr für den Erlaubniswiderruf nicht zu beanstanden. Insbesondere begegnet die Bescheidsgebühr in Höhe von 500 Euro, die sich ausweislich der Bescheidsgründe an der Erlaubnisgebühr orientiert, angesichts eines Gebührenrahmens von 100 Euro bis 2.000 Euro keinen Bedenken (Tarif-Nr. 5.III.7/21 des Kostenverzeichnisses zum Kostengesetz).
35
Auch die vonseiten der Beklagten mit der Kostenentscheidung erhobenen Auslagen in Höhe von 2,49 Euro für die Postzustellungsurkunde sind nicht zu beanstanden; sie beruhen auf Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KG.
III.
36
Die Klage ist begründet, soweit sie sich gegen die Festsetzung einer Verwaltungsgebühr in Nr. 4 des Bescheidstenors in Höhe von 1.350,- Euro „für die Schließungsanordnung“ richtet.
37
Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 KG i.V.m. Tarif-Nr. 5.III.5/3 bemisst sich die Gebühr für eine „Maßnahme nach § 15 Abs. 2 Gewerbeordnung“ anhand eines Gebührenrahmens von 50 bis 1.500 Euro. Soweit die Beklagte hier eine Gebühr innerhalb dieses Rahmens ermittelt hat, die im obersten Bereich angesiedelt ist, erschließt sich schon nicht, welcher Verwaltungsaufwand und welche Bedeutung für den Kläger eine nahezu volle Ausschöpfung des vorgegebenen Rahmens rechtfertigen könnten. Die Gebühr in Höhe von 1.350 Euro beträgt mehr als das Zweieinhalbfache der Verwaltungsgebühr für die hier wesentlich verwaltungsaufwändigere und auch für den Kläger einschneidendere Maßnahme des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 KG).
38
Davon abgesehen dient die in Nr. 2 des Bescheidstenors verfügte Schließungsanordnung allein der Durchsetzung der gesetzlichen Folgen des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis (nur) für den Fall, dass der Kläger seiner Unterlassungspflicht nicht von sich aus nachkommt, und rechtfertigt deshalb vorliegend aus Sicht des Gerichts keine weitere Amtshandlungsgebühr. Mit Bestandskraft des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis treten dessen Rechtswirkungen ein und wird die dem Kläger erteilte Gaststättenerlaubnis unwirksam. Zeitgleich lebt der gesetzliche Erlaubnisvorbehalt nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GastG wieder auf, weshalb es dem Kläger ab Bestandskraft des Widerrufs von Gesetz wegen untersagt ist, seinen Gaststättenbetrieb fortzuführen (vgl. auch § 28 Abs. 1 Nr. 1 GastG; hier wurde dem Kläger eine zweiwöchige Abwicklungsfrist eingeräumt). Da der Widerruf der Gaststättenerlaubnis selbst keinen vollstreckbaren Inhalt hat (vgl. Leisner in BeckOK GewO, Stand 1.12.2019, § 15 Rn. 14.1), verbindet die Beklagte ihre Widerrufsentscheidung mit der Verpflichtung des Klägers, den weiteren Gaststättenbetrieb binnen der behördlich gesetzten Frist von zwei Wochen ab Bestandskraft einzustellen. Für den Fall, dass der Kläger dem nicht nachkommt, hat die Beklagte die Anwendung des unmittelbaren Zwangs angedroht. Beide Maßnahmen, die Schließungsanordnung und die Zwangsmittelandrohung, sichern die gesetzliche Unterlassungspflicht nach Unwirksamkeit der dem Kläger erteilten Gaststättenerlaubnis und bilden die Grundlage für den Vollzug der gesetzlichen Unterlassungspflicht und deren Vollstreckung für den Fall, dass der Kläger ihr nicht binnen der behördlich gesetzten Frist nachkommt. In kostenrechtlicher Hinsicht ist hier die Schließungsanordnung in Nr. 2 des Bescheidstenors mithin nach Auffassung des Gerichts eine Amtshandlung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 KG, die überwiegend im öffentlichen Interesse von Amts wegen vorgenommen wird und hinter dem der Veranlassungsbeitrag des Klägers zurücktritt. Da konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, der Kläger werde seiner gesetzlichen Unterlassungspflicht nach Bestandskraft der Widerrufsentscheidung nicht nachkommen, nicht dargetan sind, ist es unbillig, den Kläger für den Erlass der Schließungsanordnung kostenrechtlich in Anspruch zu nehmen. Auch für die Androhung des unmittelbaren Zwangs werden Verwaltungsgebühren nicht erhoben, weil die Androhung mit dem Verwaltungsakt verbunden wurde (vgl. Tarif-Nr. 1.I.8/1).
39
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.