Inhalt

LG München I, Urteil v. 30.11.2021 – 29 KLs 231 Js 203332/18
Titel:

Strafbarkeit eines Rechtsanwalts wegen Nichtauskehrung vereinnahmter Vergleichszahlungen und Rückzahlungen von Gerichtskosten

Normenketten:
StGB § 53, § 70, § 263 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 3, § 266 Abs. 1, Abs. 2
BGB § 401, § 667, § 675, § 812
VVG § 86
BRAO § 114 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ein Anwalt, der mit der Führung eines bürgerlich-rechtlichen Rechtsstreits beauftragt wird, unterliegt einer Vermögensbetreuungspflicht, wenn der Auftrag erteilt wurde, eine nicht unbeträchtliche Forderung geltend zu machen und wenn besondere Sachkunde, Weisungsungebundenheit und eine Ermächtigung zu einem Vergleichsschluss vorliegen (BGH BeckRS 1982, 980). (Rn. 418) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Rechtsanwalt, der sich im Rahmen eines bestehenden Anwaltsvertrages zur Weiterleitung bestimmte Fremdgelder auf sein Geschäftskonto einzahlen lässt und weder uneingeschränkt bereit noch jederzeit fähig ist, einen entsprechenden Betrag aus eigenen flüssigen Mitteln auszukehren, kann sich der Untreue in der Variante des Treubruchtatbestandes gegenüber dem Berechtigten strafbar machen (stRspr BGH BeckRS 2019, 42094); dies gilt auch dann, wenn der Rechtsanwalt Mittel nicht von einem Dritten zur Auskehrung an den Mandanten erhalten, sondern dieser ihm Gelder zur Ausführung eines Auftrags überlassen hat (BGH BeckRS 2003, 9869). (Rn. 427 und 450) (redaktioneller Leitsatz)
3. Mangels Rechtsbeziehungen aus einem Prozessfinanzierungsvertrag besteht keine Vermögenbetreuungspflicht des Rechtsanwalts gegenüber einem Prozessfinanzierers. (Rn. 429 und 430) (redaktioneller Leitsatz)
4. Mit Tilgung privater oder geschäftlicher Verbindlichkeiten, die keinen Zusammenhang mit Zahlungseingängen von Fremdgeldern aufweisen, ist mit dem kompensationslosen Verlust des Fremdgeldes ein endgültiger Vermögensschaden eingetreten (BGH BeckRS 2019, 42094). (Rn. 433) (redaktioneller Leitsatz)
5. Eine cessio legis findet beim Prozessfinanzierer nicht ebensowenig statt wie ein Forderungsübergang nach § 401 BGB. (Rn. 437 und 438) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtsanwalt, Insolvenzverwalter, Prozessfinanzierung, Vergleich, Insolvenzmasse, Fremdgeld, Gerichtskosten, Vermögensbetreuungspflicht, Treubruch, Vermögensschaden, Forderungsübergang
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 22.09.2022 – 1 StR 171/22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58413

Tenor

I. Der Angeklagte Dr. … B…, geboren am … in …, ist schuldig der Untreue in 44 tatmehrheitlichen Fällen.
II. Der Angeklagte wird deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
3 Jahren 6 Monaten
verurteilt.
III. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Angewendete Vorschriften:
§§ 266 Abs. 1, Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, Nr. 2, 53 StGB

Entscheidungsgründe

A. Vorbemerkung
1
Der … Angeklagte war Rechtsanwalt. Er war auf die Zusammenarbeit mit Insolvenzverwaltern spezialisiert und realisierte in deren Auftrag in ganz Deutschland Forderungen zu Gunsten der Insolvenzmasse. Der Angeklagte war ein guter Verhandler und erzielte regelmäßig Vergleiche zur Zufriedenheit der Mandanten. Die kleine Kanzlei des Angeklagten lief zunächst gut und generierte jährlich steigende Umsätze.
2
Allerdings pflegte der Angeklagte einen Lebensstil, der mit hohen Privatentnahmen einherging und der die Rückzahlung von Verbindlichkeiten und die Bildung von Rücklagen vernachlässigte. Dies führte spätestens Anfang 2017 zu einer Situation, in der der Angeklagte in Schwierigkeiten geriet, seine Verbindlichkeiten zu bedienen.
3
Der Angeklagte lieh sich Anfang 2017 Geld von einem Freund und schloss eine Vereinbarung mit einer Factoring-Gesellschaft, der R… Rechtsanwaltsgesellschaft. Diese finanzierte Honorarrechnungen des Angeklagten gegen eine prozentuale Gebühr vor, insbesondere in Teilen eine hohe, umstrittene Forderung gegen den Mandanten Rechtsanwalt P… (als Insolvenzverwalter). Beides führte dazu, dass der Angeklagte kurzfristig wieder über liquide Mittel verfügte. Schon ab Juli 2017 war der Angeklagte jedoch in einer Situation, in der er fällige Verbindlichkeiten zeitweise nicht mehr begleichen konnte und sich veranlasst sah, (wie bereits seit 2015) weitere Darlehen von Verwandten und Freunden aufzunehmen. Diese Darlehen machten nur einen Bruchteil der Verbindlichkeiten des Angeklagten aus, und der Angeklagte bewerkstelligte deren Rückzahlung teilweise bereits nicht mehr mit eigenen Mitteln. Er griff auf Mittel zurück, die ihm jeweils als Vergleichssumme aus zwei Rechtsstreiten zugunsten der jeweiligen Insolvenzmasse auf ein Geschäftskonto (über ein Anderkonto verfügte er nicht) überwiesen worden waren und veruntreute diese.
4
So hatte der Angeklagte seit 2015 Schadensersatzprozesse für Rechtsanwältin R… als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der r… GmbH (Tatkomplex C.II.) und Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG (Tatkomplex C.III.) geführt. Die Prozessführung der Insolvenzverwalter war jeweils durch eine Prozessfinanzierungsgesellschaft, die L… AG, vorfinanziert worden. Der Angeklagte konnte beide Rechtsstreite jeweils mit Vergleichen zu Gunsten der Insolvenzmasse abschließen; zugunsten der Insolvenzverwalterin R… im Sommer 2017, zugunsten des Insolvenzverwalters M… im maßgeblichen Teil im Dezember 2017.
5
1. Aufgrund seiner Rolle als prozessführender Anwalt und aufgrund einer E-Mail des Angeklagten überwies im Tatkomplex C.II. (R…) eine der Vergleichsparteien, die Al… (eine Versicherung), den ihr obliegenden Anteil an der Vergleichssumme in Höhe von 787.578,75 Euro auf ein vom Angeklagten zu diesem Zweck eingerichtetes Geschäftskonto. Die Insolvenzverwalterin R… erhielt hiervon erst im Nachhinein Kenntnis. Außerdem wurde dem Angeklagten durch die Landesjustizkasse M… ein Gerichtskostenvorschuss, der der Insolvenzverwalterin R… zustand, in Höhe von 71.872,00 Euro auf dieses Konto rückerstattet. Die so in seinen Verfügungsbereich gelangten Geldmittel kehrte der Angeklagte nur zum Teil an die Insolvenzverwalterin aus. Einen Großteil nutzte er zur Tilgung von eigenen Verbindlichkeiten, insbesondere zum Ausgleich der durchgehend hohen Negativsalden auf seinen Privat- und Geschäftskonten. Auf diese Weise veruntreute der Angeklagte zwischen dem 07.09.2017 und dem 19.10.2017 durch elf Taten einen Betrag in Höhe von insgesamt 433.046,16 Euro.
6
Im Tatkomplex C.III. (M…) wurde dem Angeklagten eine Vergleichssumme in Höhe von 798.500,00 Euro auf eines seiner Geschäftskonten überwiesen; diesmal aufgrund ausdrücklicher Weisung des Insolvenzverwalters M…, der dem Angeklagten zu diesem Zweck eine Geldempfangsvollmacht ausgestellt hatte. Diese Geldmittel kehrte der Angeklagte nicht an den Insolvenzverwalter aus, sondern verbrauchte sie ausschließlich zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten. Auf diese Weise veruntreute der Angeklagte zwischen dem 25.01.2018 und dem 06.06.2018 durch 33 Taten einen Betrag von insgesamt 743.300,18 Euro.
7
Insgesamt veruntreute der hoch verschuldete Angeklagte durch 44 Einzeltaten einen Betrag von 1.176.346,34 Euro.
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Der Angeklagte wurde im November 2018 aufgrund der verfahrensgegenständlichen Straftaten inhaftiert, gab im Dezember 2018 seine Zulassung als Rechtsanwalt zurück und meldete Insolvenz an.
9
Er verteidigt sich im Wesentlichen damit, dass die Nichtauskehrung der Gelder an die Insolvenzverwalter zwar ein schwerer Verstoß gegen standesrechtliche Pflichten gewesen sei, aber keine Verletzung einer strafbewehrten Treuepflicht vorliege. Es handele sich lediglich um die Verletzung einer „einfachen“ Schuldnerpflicht, zumal das „Prozessmandat“ nach Vergleichsschluss bzw. Eingang der Zahlung jeweils beendet gewesen sei. Die (Schadensersatz-)Forderungen der Insolvenzmassen, auf die jeweils die Vergleichszahlung geleistet wurde, seien an die Prozessfinanzierungsgesellschaft sicherungsabgetreten gewesen. Dies führe dazu, dass die eingegangenen Gelder nicht „Vermögen“ der jeweiligen Insolvenzverwalter, seiner Mandanten, gewesen seien, sie hätten vielmehr der Prozessfinanziererin, der L… AG, gehört.
10
Im Tatkomplex C.II. (R…) habe überdies keine Geldempfangsvollmacht der Insolvenzverwalterin für den Angeklagten vorgelegen. Die Überweisung des Vergleichsbetrags auf sein Konto sei als Fehlüberweisung zu behandeln und habe bereits deshalb das „Vermögen“ der Insolvenzverwalterin nicht betreffen können. Wenn die Insolvenzverwalterin, wie sich abzeichne, die Vergleichssumme mangels Erfüllung erneut von der Al… fordern könne, sei ihr durch die Fehlüberweisung auch kein Schaden entstanden.
11
Im Tatkomplex C.III. (M…) sei ein möglicher Schaden des Insolvenzverwalters von vornherein auf seinen (endgültigen) Anteil am Vergleichserlös begrenzt: Aufgrund des Vorab-Anspruchs der Prozessfinanzierungsgesellschaft auf Kostenerstattung und Erlösbeteiligung sei zwischen Insolvenzverwalter und Prozessfinanzierungsgesellschaft eine Innengesellschaft entstanden. Der Anspruch des Insolvenzverwalters auf Auskehr bzw. Herausgabe gegen den Angeklagten sei von vornherein auf seinen Anteil an dieser Innengesellschaft beschränkt gewesen, dessen Größe sich nach den Regeln des Prozessfinanzierungsvertrags bestimme.
12
Die Kammer hat sich in der mehrtägigen Hauptverhandlung ausführlich mit der finanziellen Situation des Angeklagten und seinem Vorstellungsbild zu den Zeitpunkten der Abverfügungen der Gelder beschäftigt und kam in rechtlicher Hinsicht zu dem Schluss, dass die Handlungen des Angeklagten die Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten gegenüber den jeweiligen Mandanten verletzten, er weder uneingeschränkt bereit noch jederzeit fähig war, die entsprechenden Beträge aus eigenen flüssigen Mitteln auszukehren, ein - wie der Angeklagte jeweils wusste - unmittelbarer Schaden entstanden und damit eine Strafbarkeit gegeben ist.
13
Die Staatsanwaltschaft München I hat mit Datum vom 28.05.2019, eingegangen bei Gericht am 31.05.2019, unter dem Aktenzeichen 231 Js 203332/18 Anklage gegen den Angeklagten erhoben (betrifft die nunmehr verurteilten Taten). Mit Datum vom 28.05.2020, eingegangen bei Gericht am 04.06.2020, hat die Staatsanwaltschaft München I unter dem Aktenzeichen 231 Js 149833/19 eine weitere Anklage gegen den Angeklagten erhoben (betrifft weitere Vorwürfe). Die Verfahren wurden mit Beschluss der Kammer vom 30.07.2020 zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung verbunden. Mit Eröffnungsbeschluss vom 03.08.2021 wurden die beiden Anklagen unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen.
14
Mit Beschluss vom 16.11.2021 hat die Kammer auf Antrag der Staatsanwaltschaft folgende Vorwürfe aus rein verfahrensökonomischen Gründen gem. § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt:
aus der Anklageschrift vom 28.05.2019, Ziffer 1. (Insolvenzverwalterin R…):
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Tat vom 22.11.2017 (1.000,00 Euro an L…)
-
Tat vom 28.11.2017 (579,84 Euro an B…)
aus der Anklageschrift vom 28.05.2019, Ziffer 2. (Insolvenzverwalter M…):
-
Tat vom 07.06.2018 (3.618,20 Euro an B…)
-
Taten vom 14.06.2018 (24.902,27 Euro und 20.000,00 Euro je an B…)
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Tat vom 02.07.2018 (10.000,00 Euro an B…)
-
Tat vom 09.07.2018 (524,21 Euro an B…)
sämtliche Taten aus der Anklageschrift vom 28.05.2020, d.h.
-
Ziffer 1. (Untreuevorwürfe zum Nachteil des Insolvenzverwalter Dr. D…/L…),
-
Ziffer 2. (Untreuevorwürfe zum Nachteil des Insolvenzverwalter Dr. D…/W…) und
-
Ziffer 3. (Betrugsvorwürfe zum Nachteil des R… Rechtsanwaltsgesellschaft mbH)
15
Das Urteil beruht nicht auf einer Verständigung im Sinne des § 257 c StPO.
16
Im Einzelnen hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:
B. Persönliche Verhältnisse
I. Familiäre Verhältnisse
II. Werdegang
III. Alkohol- und Drogenkonsum, Gesundheitszustand
IV. Strafrechtliches Vorleben, Haft
C. Festgestellter Sachverhalt
I. Anwaltliche Tätigkeit und wirtschaftliche Verhältnisse
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Bereits früh in seiner beruflichen Tätigkeit beschäftigte sich der Angeklagte mit der Führung von Prozessen auf Seiten der Insolvenzverwalter und war damit einer der wenigen in Deutschland, die sich auf derartige Mandate spezialisiert hatte. Der Angeklagte übernahm Mandate für Insolvenzverwalter im ganzen Bundesgebiet. Ein wichtiger Auftraggeber war der Mx.er Insolvenzverwalter Rechtsanwalt P…, der ihn regelmäßig mit vorwiegend kleinen und mittleren Mandaten versorgte.
18
Dem Angeklagten war bekannt, dass die Anspruchsverfolgung insbesondere in massearmen Insolvenzverfahren oftmals nur auf Prozesskostenhilfebasis betrieben werden konnte. Ihm war bewusst, dass dies insbesondere in Verfahren gegen wirtschaftlich überlegene Prozessgegner einen gravierenden Nachteil bedeuten konnte, da sich die Prüfung der Erfolgsaussichten in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert. Der Angeklagte beschäftigte sich daher auch mit der Möglichkeit, Rechtsstreitigkeiten durch eine Prozessfinanzierungsgesellschaft (vor-)finanzieren zu lassen. Eine der großen Gesellschaften, die Prozessfinanzierung betrieb, war die D… Prozessfinanzierung (ab 2011 umbenannt und im Folgenden L… AG genannt).
1. Zusammenarbeit des Angeklagten mit der L… AG
19
Bei der L… AG kannte der Angeklagte Rechtsanwalt H…, den er bis 2007 selbst beschäftigt hatte. Er kannte auch dessen Vorgesetzten bei der L… AG, Rechtsanwalt Dr. B…. Dieser hatte von 2007 bis 2011 auf dem Briefkopf der Bürogemeinschaft B…/W…/B… gestanden, die freiberufliche Tätigkeit aber lediglich in minimalem Umfang ausgeübt, da er bei der L… AG als Syndikusrechtsanwalt tätig war.
20
Im Jahr 2007/2008 schloss der Angeklagte mit der L… AG (damals noch D…) einen Rahmenvertrag ab. Dieser Vertrag sah vor, dass der Angeklagte mögliche Ansprüche von Insolvenzverwaltern gegen Dritte (vor-)prüft und dafür von der L… AG ein Stundenhonorar von 200,00 Euro netto, gedeckelt auf maximal 3.000,00 Euro, erhält. Die L… AG entschied auf Grundlage der Vorprüfung des Angeklagten und aufgrund eigener Expertise, ob sie bereit war, den Rechtsstreit zu finanzieren. Im Falle einer Finanzierung schloss die L… AG mit dem jeweiligen Insolvenzverwalter einen Prozessfinanzierungsvertrag. Kam es dann zur erfolgreichen Realisierung von Ansprüchen, war dem Angeklagten unter bestimmten Voraussetzungen eine „unverbindliche“ Leistungsprämie in Aussicht gestellt. Diese betrug bis zu 2,0 Gebühren aus dem Streitwert, gedeckelt auf 10 % vom Erlös (Gewinn), der der L… AG aus dem Rechtsstreit zustand (§ 1 Abs. 5 des Rahmenvertrages). Die Prämie wurde erst fällig mit Zufluss des Erlöses bei der L… AG, nach entsprechender Rechnungsstellung durch die Rechtsanwälte. Der Rahmenvertrag wurde 2015 leicht modifiziert und bestand bis in das Jahr 2018 hinein fort.
21
Zwischen 2005 und Ende 2018 betrieb der Angeklagte insgesamt etwa 19 prozessfinanzierte Verfahren für Insolvenzverwalter mit der Unterstützung der L… AG, die dort ganz überwiegend durch Rechtsanwalt H… betreut wurden. Diese Verfahren liefen überwiegend erfolgreich für die L… AG, welche im Erfolgsfalle, wie vom Prozessfinanzierungsvertrag vorhergesehen, eine Kostenerstattung und eine prozentuale Erlösbeteiligung von den Insolvenzverwaltern einforderte.
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Die aus den vorstehend beschriebenen prozessfinanzierten Rechtsstreitigkeiten (meist infolge eines Vergleichs) fließenden Erlöse wurden ausnahmslos und ohne Beanstandung der Insolvenzverwalter auf Konten des Angeklagten gezahlt, der in der Folge nach Maßgabe einer Abrechnung der L… AG die Gelder an Insolvenzverwalter und Prozessfinanzierer auszahlen sollte. Diese Handhabung stand regelmäßig den vertraglichen Vereinbarungen in den Prozessfinanzierungsverträgen zwischen Insolvenzverwaltern und der L… AG entgegen. Diese sahen in der Regel (bei nicht massearmen Verfahren) vor, dass der (Vergleichs-)Erlös auf das (sichere) Insolvenzanderkonto fließt und der Insolvenzverwalter den Anteil der L… AG an diese ausbezahlt. In jedenfalls drei dieser Verfahren, darunter dem hier gegenständlichen Insolvenzverfahren Rechtsanwalt Rainer M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e AG (Tatkomplex C.III.) kam es dazu, dass es die L… AG war, die nachträglich ausdrücklich veranlasste, dass die Zahlung aus dem Vergleich auf das Konto des Prozessanwalts, des Angeklagten, floss.
2. Kanzleistruktur, Kanzleitätigkeit, Lebensstil, Zahlungsverzögerungen
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Die Kanzlei des Angeklagten war klein. Die Sekretariatsarbeit bestritt der Angeklagte mit Angestellten auf 450-Euro-Basis. Er beschäftigte wiederholt frisch zugelassene Rechtsanwälte auf freiberuflicher Basis, oft nur für kurze Zeit. Auch Rechtsanwältin Daniela D… und Rechtsanwältin Joanna K… hatten direkt nach dem Rechtsreferendariat bei dem Angeklagten angefangen. Rechtsanwältin Joanna K… arbeitete seit 2012 bis Anfang 2018 als freiberufliche Rechtsanwältin für den Angeklagten und bearbeitete vorwiegend kleinere Mandate selbstständig, während der Angeklagte sich um größere Mandate kümmerte. Rechtsanwältin Daniela D… war mit Unterbrechungen von November 2012 bis März 2017 für den Angeklagten tätig.
24
Der Angeklagte war leicht für neue „Projekte“ zu begeistern und stellte darüber mitunter andere Aspekte der Kanzleiführung zurück. So mussten ihm Mitarbeiter oft „hinterherlaufen“, um technische oder bürokratische Fragestellungen lösen zu können. Es gab wiederholt Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit der Abrechnung nicht verbrauchter Gerichtsgebühren sowie anderen Geldern in einzelnen Mandaten, da die (freien) Mitarbeiter keinen Einblick in die Konten der Kanzlei hatten und mithin auch die Akten nicht ohne Hilfe des Angeklagten schließen konnten. Daher richtete der Angeklagte 2016 ein Konto bei der F… Privatbank ein, welches ausschließlich der Abwicklung solcher Mandantengelder diente und auf das die Mitarbeiter Zugriff hatten. Dies verbesserte die Abläufe in der Kanzlei.
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Die Kanzlei des Angeklagten war erfolgreich und der Angeklagte konnte die Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit von knapp 500.000,00 Euro im Jahr 2012 kontinuierlich auf knapp 800.000,00 Euro im Jahr 2016 (jeweils ohne Umsatzsteuer) steigern. Für das Jahr 2017 stellte der Angeklagte seine Buchhaltung von Einnahmen-Überschuss-Rechnung auf Bilanzierung um. Auch bedingt hierdurch sanken die Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit auf etwa 750.000,00 Euro ab.
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Der betriebliche Gewinn der Kanzlei nach Steuern und vor Privatentnahmen hatte im Jahr 2012 einen Betrag von 231.960,65 Euro erreicht, im Jahr 2013 einen Betrag von 350.412,04 Euro, im Jahr 2014 einen Betrag von 390.314,60 Euro, im Jahr 2015 einen Betrag von 400.127,30 Euro, im Jahr 2016 einen Betrag von 415.909,42 Euro und im Jahr 2017 einen Betrag von 129.927,02 Euro.
27
Der Angeklagte pflegte einen Lebensstil, der mit hohen Privatentnahmen einherging, welche sich im Laufe der Zeit steigerten, dies unabhängig von Einnahmerückgängen. Er ging mit seiner Frau fast jeden Abend in gehobenen Restaurants essen und machte ihr häufig Geschenke (Mäntel, Handtaschen …), die selten einen Wert von 1.000,00 Euro unterschritten. Der Angeklagte pflegte in den Familienurlauben in Luxusherbergen unterzukommen. Der Angeklagte war der Alleinverdiener in der Familie; er finanzierte bis 2015 das Jurastudium seiner Frau. Immobilien erwarb der Angeklagte nicht.
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Die Privatentnahmen der Kanzlei hatten in den Jahren 2012 bis 2014 im Schnitt etwa 230.000,00 Euro jährlich betragen; sie stiegen im Jahr 2015 auf 345.592,50 Euro, im Jahr 2016 auf 489.741,14 Euro und im Jahr 2017 auf 542.116,42 Euro an. Waren in den Jahren 2013 und 2014 vom betrieblichen Gewinn nach Steuern abzüglich Privatentnahmen noch 123.177,22 Euro bzw. 156.195,89 Euro übriggeblieben, sank dieser Überschuss (Liquidität) für das Jahr 2015 auf 54.534,80 Euro und 2016 auf minus 73.831,72 Euro. Für das Jahr 2017 sank die Liquidität auf minus 412.189,40 Euro. Die kumulierte Liquidität für die Jahre 2012 bis 2017 betrug damit minus 157.239,73 Euro, das heißt das Ergebnis dieser sechs Jahre Kanzleitätigkeit war - unter Berücksichtigung der Privatentnahmen - negativ.
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Am 01.09.2015 nahm der Angeklagte ein Privatdarlehen bei dem Unternehmen seines Bruders, der Ma. B… GmbH, in Höhe von 15.000,00 Euro auf, rückzahlbar bis 01.10.2015, das er zurückführte.
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Ebenfalls im September 2015 mieteten der Angeklagte und seine Frau eine Ferienwohnung in Kitzbühel/Österreich für eine monatliche Miete in Höhe von etwa 1.200,00 Euro, die sie bis zum Februar 2018 behalten sollten. Die Kosten für die Miete des mit der Familie bewohnten Hauses in Mx. betrugen im September 2015 etwa 3.400,00 Euro monatlich (siehe oben, B.I.) und jene für die Kanzleiräumlichkeiten in der P.straße etwa 4.600,00 Euro monatlich.
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Die Abrechnung der prozessfinanzierten Verfahren mit der L… AG gestaltete sich regelmäßig so, dass die L… AG nach dem Abschluss des jeweiligen Verfahrens eine Abrechnung erstellte, die auch ihren Kostenerstattungs- und Erlösanteil enthielt und diese an den Angeklagten übersandte. Dieser nahm dann die Auszahlung der (Vergleichs-)Erlöse vor, die sich auf seinen Konten befanden. Ab 2016 kam es zu wiederholten Verzögerungen in der Auszahlung solcher Erlöse durch den Angeklagten. So äußerte der Angeklagte wiederholt innerhalb einzelner Mandate den Wunsch gegenüber der L… AG, dass bestimmte Auslagen in eine Rechnung eingearbeitet werden sollten, was zu Verzögerungen führte. Es kam in mindestens drei Fällen zu starken Verzögerungen bei der Auskehr, die von der üblichen Handhabung deutlich abwichen. In einem dieser Fälle wurde eine Forderung der L… AG in Höhe von 10.000,00 Euro, die Ende 2016 auskehrungsreif war, erst am 20.10.2017 (Anweisungsdatum 19.10.2017) durch den Angeklagten ausgekehrt. Dies geschah unter Rückgriff auf Gelder aus der Vergleichszahlung der Al… (siehe unten C.II.2., Tat Nr. 11), obwohl keine Verbindung zwischen beiden Verfahren bestand. Dass der Angeklagte über kein Anderkonto verfügte, wussten weder die L… AG noch die Mandanten.
3. Liquiditätskrise zu Beginn des Jahres 2017
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Zu Beginn des Jahres 2017 hatte der Angeklagte zeitweise Schwierigkeiten, seine Verbindlichkeiten gegenüber Dritten zu bedienen.
33
Am 02.01.2017 erhielt der Angeklagte ein zinsloses Privatdarlehen von dem Zeugen … S… (dem geschäftsführenden Gesellschafter eines in Südbayern ansässigen großen … unternehmens), das bis heute nicht zurückbezahlt ist. Der Angeklagte hatte dem Zeugen S… berichtet, er habe einen kurzfristigen Liquiditätsengpass wegen Rechnungen, die ihm nicht bezahlt worden seien. Hierauf überwies dieser dem Angeklagten am 02.01.2017 einen Betrag in Höhe von 50.000,00 Euro als zinsloses Darlehen auf dessen Konto bei der H.-Vereinsbank bzw. U. Bank (im Folgenden: H.-Vereinsbank), Verfügungsberechtigte Dr. O… und S… B…, Kontonummer .... Das Konto hatte zu Beginn des 02.01.2017 einen Sollsaldo (negativen Saldo) von 33.477,87 Euro aufgewiesen.
34
Am 13.01.2017 schloss der Angeklagte mit der D… AG und der R… Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (im Folgenden einheitlich: R… Rechtsanwaltsgesellschaft) einen Vertrag über Honorarfactoring. Dies ermöglichte es dem Angeklagten, gegen eine prozentuale Gebühr Forderungen gegen Mandanten bei der R… Rechtsanwaltsgesellschaft einzureichen und von dieser ausbezahlt zu bekommen. Der Angeklagte trat im Gegenzug die Forderungen an die R… Rechtsanwaltsgesellschaft ab und verpflichtete sich, seine Honorarrechnungen unter eigenem Briefkopf, aber mit der Kontonummer der R… Rechtsanwaltsgesellschaft, an die Mandanten zu verschicken. Die Mandanten hatten keine Kenntnis von der Abtretung (sogenanntes „stilles Factoring“).
35
Der Angeklagte erhoffte sich durch die Factoring-Vereinbarung neben der Verbesserung seines Einzugsmanagements auch frische Liquidität; insbesondere erhoffte er sich Vorschüsse auf ein großes insolvenzrechtliches Anfechtungsmandat mit dem Rechtsanwalt Pohlmann, von dem er Zahlungen erwartete.
4. Honorarstreit mit Rechtsanwalt P… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der R… GmbH, Einkommensteuerbescheid 2015
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Der Angeklagte wartete zu Beginn des Jahres 2017 auf ein Honorar des Insolvenzverwalters Rechtsanwalt P…. Der Angeklagte war im Dezember 2015 von Rechtsanwalt P… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der R… GmbH beauftragt worden, im Zusammenhang mit einem Umsatzsteuerkarussell Anfechtungsansprüche der R… GmbH gegen die D… AG geltend zu machen. Der Streitwert der Ansprüche bewegte sich im zweistelligen Millionenbereich. Der Angeklagte hatte unter großem Zeitdruck eine Klageschrift erarbeitet, die verjährungshemmend Ende 2015 eingereicht worden war. Hierfür hatte ihm der Insolvenzverwalter im Januar 2016 unter anderem ein Honorar in Höhe von 141.903,81 Euro überwiesen. Der Angeklagte hatte das Mandat mit der freiberuflich in seiner Kanzlei tätigen Rechtsanwältin D… vor allem in der ersten Jahreshälfte 2016 weiterbearbeitet und war mit ihr wiederholt nach Frankfurt am Main geflogen, um dort einen Strafprozess im Zusammenhang mit dem Umsatzsteuerkarussell zu beobachten. Er erhoffte sich, dadurch Informationen für das Zivilverfahren zu gewinnen. Im Dezember 2016 hatte der Angeklagte im Zusammenhang mit dem Verfahren weitere 130.966,16 Euro von Rechtsanwalt P… (Verfahrensgebühr vor dem Oberlandesgericht) erhalten.
37
Ende 2016/Anfang 2017 kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Angeklagten und Rechtsanwalt P… bezüglich der Abrechnung dieses Mandats sowie eines Folgemandats. Der Angeklagte hatte alles abgerechnet, was ihm nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) möglich erschien, was Rechtsanwalt P… verärgert hatte. Der Angeklagte beanspruchte neben den ihm im Mandat R GmbH gegen die D… überwiesenen Summen etwa weitere 60.000,00 Euro netto insbesondere für die vorgenannte Prozessbeobachtung, die er nach Stundenhonorar abrechnete (insgesamt etwa 50.000,00 Euro netto), sowie eine „Aufarbeitungsgebühr“.
38
Desweiteren war der Angeklagte der Auffassung, in einem anderen Teilkomplex des Umsatzsteuerkarussells (Insolvenzverwalter W… gegen die V… GmbH) von Rechtsanwalt P… mandatiert worden zu sein und beanspruchte insoweit etwa 410.000,00 Euro netto insbesondere für Verfahrens-, Termins- und Vergleichsgebühren sowie eine Insolvenzverfahrensgebühr. Rechtsanwalt P… hielt den Forderungen des Angeklagten unter anderem entgegen, dass nach seiner Auffassung für die Prozessbeobachtung lediglich ein Tagegeld nach RVG und kein Stundenhonorar für den Angeklagten vereinbart worden sei. Er war der Ansicht, dass er den Angeklagten in der Angelegenheit Insolvenzverwalter W… gegen V… GmbH gar nicht mandatiert habe.
39
In der Folge reichte der Angeklagte aus seiner Sicht offene Honorarrechnungen gegenüber Rechtsanwalt P… als Insolvenzverwalter der R… GmbH in Höhe von etwa 500.000,00 Euro netto bei der R… Rechtsanwaltsgesellschaft ein. Der Angeklagte wusste, dass diese Rechnungen im Streit standen und dass er insbesondere keinen schriftlichen oder textlichen Nachweis dafür hatte, dass Rechtsanwalt P… ihn in der Angelegenheit Insolvenzverwalter W… gegen die V… GmbH mandatiert hatte. Er setzte die R… Rechtsanwaltsgesellschaft detailliert darüber in Kenntnis, dass und warum die eingereichten Rechnungen in Streit standen.
40
Die R… Rechtsanwaltsgesellschaft finanzierte die Honorarforderungen des Angeklagten nicht in voller Höhe vor, sondern bezahlte dem Angeklagten in der ersten Jahreshälfte 2017 dafür einen Betrag in Höhe von etwa 175.000,00 Euro.
41
Rechtsanwalt P… teilte dem Angeklagten in einer E-Mail am 28.03.2017 mit, dass es keine Einigung bezüglich der Forderungsangelegenheit Insolvenzverwalter W… gegen die V… GmbH gäbe; er sei der Auffassung, dass eine Mandatierung in dieser Sache nicht erfolgt sei und er keine Grundlage sehe, diesbezüglich eine Geschäfts- oder Einigungsgebühr zu begleichen.
42
Im Mai 2017 beauftragte der Angeklagte einen damals befreundeten Rechtsanwalt, den Zeugen Dr. Konrad K… von der Kanzlei S… & P…, mit der Erstellung eines Kurzgutachtens zur Frage, ob die Abrechnung der umstrittenen Forderungen korrekt sei. Das Kurzgutachten wurde am 31.05.2017 an den Angeklagten übersandt. Es ging von der Prämisse aus, dass der Angeklagte durch Rechtsanwalt P… mandatiert worden sei. Es kam zu dem Schluss, dass die Abrechnung mit Ausnahme einer zu niedrig angesetzten Vergleichsgebühr korrekt gewesen sei. Rechtsanwalt P…, der ein Gutachten von neutraler Seite zur Berechtigung der Honoraransprüche angeregt hatte, blieb bei seiner Meinung in der Honorarfrage, da er die Prämisse des Gutachtens (Beauftragung des Angeklagten) nicht teilte.
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Rechtsanwalt P… zog sich, auch bedingt durch den Honorarstreit, aus der Zusammenarbeit mit dem Angeklagten zunehmend zurück, sodass der Angeklagte im Laufe des Jahres 2017 immer weniger Mandate von Rechtsanwalt P… erhielt. Ein nennenswerter Einfluss auf die Betriebseinnahmen des Angeklagten war damit nicht verbunden.
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Am 18.05.2017 erging ein Einkommensteuerbescheid für den Angeklagten und seine Ehefrau für den Veranlagungszeitraum 2015, der Nachzahlungen und Säumniszuschläge in Höhe von etwa 15.000,00 Euro anordnete, sowie eine Nachzahlung auf die Einkommensteuervorauszahlungen 2016 in Höhe von etwa 7.000,00 Euro (bislang waren für das Jahr 2016 in Summe 141.006,00 Euro festgesetzt und bezahlt worden). Für das Jahr 2017 ordnete der Bescheid eine sofortige Zahlung einschließlich Säumniszuschlag in Höhe von etwa 38.000,00 Euro an, sowie drei weitere Vorauszahlungen in Höhe von jeweils etwa 40.000,00 Euro im Laufe des Jahres 2017. In einer E-Mail vom März 2021 an den Angeklagten teilte eine Mitarbeiterin der Kanzlei S… & P… dem Angeklagten mit, dass laut telefonischer Auskunft des Finanzamts die Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag für das Jahr 2017 bei insgesamt 160.835,00 Euro gelegen hätten.
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Mit „Endkostennoten“ vom 24.07.2017 machte der Angeklagte im Zusammenhang mit der R… GmbH aus seiner Sicht offene Ansprüche in Höhe von 473.294,75 Euro netto gegenüber Rechtsanwalt P… als Insolvenzverwalter der R… GmbH geltend. Mit Schreiben an den Angeklagten vom 14.08.2017 positionierte sich Insolvenzverwalter P… weiterhin dahingehend, dass der Angeklagte in der Angelegenheit W… gegen die V… GmbH nicht mandatiert worden sei und dass er allenfalls bereit sei, sich innerhalb eines Rahmens von 56.159,53 bis 82.978,67 Euro netto mit dem Angeklagten zu einigen.
5. Liquiditätskrise im Sommer 2017, USA-Reise des Angeklagten
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Im Juli 2017 geriet der Angeklagte in eine Lage, in der er nicht mehr alle fälligen Verbindlichkeiten begleichen konnte. Ihm war zu diesem Zeitpunkt bewusst, dass er eigentlich Insolvenz anmelden müsste. Der Angeklagte sah sich veranlasst, mehrere Privatdarlehen aufzunehmen, um Verbindlichkeiten, insbesondere Steuerverbindlichkeiten, erfüllen zu können. Der Angeklagte hatte hohe Sollsalden auf seinen Geschäftskonten. Er wusste, dass seine Aussichten, diese Kreditlinien (Kontokorrents) weiter auszudehnen zu können, in seiner Situation mit mehrwöchigen Verhandlungen mit den Banken und mit zweifelhaftem Ausgang verbunden gewesen wären.
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Anfang Juli 2017 beauftragte der Angeklagte Rechtsanwalt Dr. K… mit der gerichtlichen Geltendmachung der Honoraransprüche gegen Rechtsanwalt P….
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Am 10.07.2017 schloss der Angeklagte mit der Ma. B… GmbH (der Gesellschaft seines Bruders) einen Vertrag über ein Kurzzeitdarlehen in Höhe von 40.000,00 Euro ab, rückzahlbar bis spätestens 14.07.2017. Der Betrag wurde am 10.07.2017 auf ein Konto des Angeklagten bei der C… (IBAN … ...6) überwiesen. Der Angeklagte überwies am selben Tag nach Eingang der Zahlung 40.000,00 Euro an H… Rechtsanwälte. Die Rückzahlung des Darlehens veranlasste der Angeklagte am 26.07.2017 durch zwei Überweisungen in Höhe von zwei Mal 20.000,00 Euro an Ma. B… vom vorgenannten Konto bei der C… mit den Endziffern 58406. Die Rückzahlung war dem Angeklagten möglich, da er am selben Tag zuvor einen Geldeingang in Höhe von 60.246,00 Euro auf dem vorgenannten Konto verbucht hatte. Es handelte sich um eine Vergütung der L… AG im Insolvenzverfahren R… als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der r… GmbH. Den Rest der Einzahlung überwies der Angeklagte auf andere eigene Konten, sodass das Konto am Ende des 26.07.2017 wieder über einen Saldo von 0 Euro verfügte.
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Am 03.08.2017 schloss der Angeklagte mit seinem Freund, dem Zeugen Ma2. H… (Vorstandsvorsitzender der …), einen Vertrag über ein Kurzzeitdarlehen in Höhe von 30.000,00 Euro ab, rückzahlbar bis spätestens 30.08.2017. Der Betrag wurde am 04.08.2017 auf einem Konto des Angeklagten bei der C… (IBAN … ...7) gutgeschrieben. Nach Eingang der Zahlung überwies der Angeklagte von diesem Konto am selben Tag einen Betrag in Höhe von 25.000,00 Euro an das Finanzamt Mx.. Der Angeklagte führte das Darlehen am 13.09.2017 mit Zahlungen von seinem Konto bei der C… (IBAN … ...0) in Höhe von 20.172,60 Euro und 10.000,00 Euro zurück. Zeitlich vor dieser Rückführung hatte der Angeklagte den Stand des vorbenannten Kontos mit einer Zahlung am 07.09.2017 in Höhe von 25.000,00 Euro aus Mitteln der Rechtsanwältin R… aufgebessert (siehe C.II.2., Nr. 1).
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Am 04.08.2017 schloss der Angeklagte mit seiner Tante R… einen Vertrag über ein Kurzzeitdarlehen in Höhe von 30.000 Euro, rückzahlbar bis spätestens 30.08.2017. Der Betrag wurde am 07.08.2017 auf einem Konto des Angeklagten bei der C… (IBAN … ...7) gutgeschrieben. Nach Eingang der Zahlung überwies der Angeklagte von diesem Konto am selben Tag 20.000,00 Euro (zwei Tranchen zu 10.000,00 Euro) an das Finanzamt Mx.. Der Angeklagte führte das Darlehen am 21.09.2017 von seinem Kreditkartenkonto bei der L… (Servicekartennummer 2...2) an seine Tante zurück und bezahlte hierfür ein Überweisungsentgelt in Höhe von 750,00 Euro. Das Kreditkartenkonto war zuvor mit Mitteln der Insolvenzverwalterin R… auf einen Saldo von 0 zurückgeführt worden (vgl. C.II.2, Nr. 4).
51
Ende August 2017 informierte der Angeklagte den Zeugen Rechtanwalt Dr. K…, dass er einen Factoring-Vertrag mit der R… Rechtsanwaltsgesellschaft abgeschlossen habe, die Forderungen im Honorarstreit an diese abgetreten seien und die Klage gegen Rechtsanwalt P… nunmehr im Namen der R… Rechtsanwaltsgesellschaft erhoben werden solle. Zugleich übermittelte der Angeklagte ein Einverständnis der R… Rechtsanwaltsgesellschaft mit der Klageerhebung an Rechtsanwalt Dr. K…, der im Anschluss eine Vollmacht von der R Rechtsanwaltsgesellschaft erhielt.
52
Im Oktober und November 2017 unternahm der Angeklagte, der eine große Leidenschaft für die Vereinigten Staaten von Amerika und insbesondere Kalifornien hat, mit seiner Familie eine sechswöchige Reise in die USA.
53
Der Angeklagte hatte ein erbrechtliches Mandat zum Anlass genommen, diese Reise durchzuführen. Er war im Frühjahr 2017 auf eine Empfehlung hin von der Zeugin Gertraude K…, der Ehefrau eines ehemaligen Polizeibeamten, beauftragt worden, einen Anteil an einer Erbschaft in den USA geltend zu machen. Die Zeugin hatte bereits unter der Führung eines anderen Prozessbevollmächtigten eine Zahlung in Höhe von etwa einer Million Dollar erreichen können, einen weiteren Teilbetrag sollte der Angeklagte realisieren. Der Angeklagte war der Ansicht, dass er die zahlungsunwillige Haupterbin in den USA auffinden müsse. Der Angeklagte vereinbarte mit den Eheleuten K… als Vergütung neben RVG-Gebühren eine Erfolgsbeteiligung; so sollte er 10 % jenes Betrages erhalten, der einen von ihm herbeigeführten Vergleichswert von (weiteren) zwei Millionen Dollar übersteige. Eine Anfrage des Angeklagten an die L… AG, den Rechtsstreit zu finanzieren, hatte diese im Vorfeld abschlägig beschieden.
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Der Angeklagte fand die Haupterbin in den USA, fotografierte Immobilien, die zur Erbschaft gehörten und trat in Vergleichsverhandlungen mit der Haupterbin ein. Zu einem Vergleichsschluss kam es unter Federführung des Angeklagten allerdings nicht. Gertraude K… konnte sich später und unter Heranziehung eines Rechtsanwalts mit einer Zulassung in den USA mit der Haupterbin einigen, sodass Frau K… weitere knapp zwei Millionen Dollar vereinnahmen konnte, von denen etwa eine Million für Erbschaftssteuer abzuziehen waren.
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Für das Tätigwerden in der Sache hatte der Angeklagte im Mai 2017 ein Honorar in Höhe von 11.900,00 Euro von Frau K… vereinnahmt und ließ sich später, Anfang 2018, weitere 10.000,00 Euro in bar übergeben, von denen er gegenüber den Eheleuten K… angab, dass die Hälfte für den Anwalt in den USA sei.
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Im Zusammenhang mit dem USA-Aufenthalt hatte der Angeklagte bereits im Mai 2017 von einem seiner Konten einen Betrag in Höhe von etwa 13.000,00 Euro für die sechswöchige Miete eines Hauses im Campusviertel von Los Angeles an A… überwiesen. Im Zusammenhang mit dem USA-Aufenthalt des Angeklagten und seiner Familie wurden zwischen dem 11.10.2017 und dem 20.11.2017 von den Kreditkartenkonten des Angeklagten etwa 15.000,00 Euro abgebucht.
6. Weitere Entwicklung des Honorarstreits mit Rechtsanwalt P…, weiteres Darlehen H…, Ende der Zusammenarbeit mit der R… Rechtsanwaltsgesellschaft, nicht realisierte Partnerschaft bei S… & P…, Partnerschaft bei W… Rechtsanwälte
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Im November 2017 reichte die R… Rechtsanwaltsgesellschaft vor dem Landgericht München I eine Klageschrift gegen Rechtsanwalt P… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der R… GmbH ein und begehrte aus abgetretenem Recht einen Betrag in Höhe von 563.863,55 Euro nebst Zinsen von dem Insolvenzverwalter, namentlich die streitigen Honorarforderungen, die der Angeklagte beansprucht hatte (siehe oben C.I.4.). Der Angeklagte und die R… Rechtsanwaltsgesellschaft hatten den Gerichtskostenvorschuss jeweils hälftig bei der Kanzlei S… & P…, die die R… Rechtsanwaltsgesellschaft vertrat, eingezahlt. Zu einer Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses bei Gericht und einer Zustellung der Klage kam es nicht, da die Zustellung zunächst nicht aktiv betrieben werden sollte, um einen Vergleich mit Rechtsanwalt P… voranzutreiben.
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Am 10.12.2017 schloss der Angeklagte mit seinem Freund Ma2. H… einen Vertrag über ein Kurzzeitdarlehen in Höhe von 30.000 Euro ab, rückzahlbar bis spätestens 11.01.2018. Der Betrag wurde am 11.12.2017 auf einem Konto des Angeklagten bei der C… (IBAN … ...7) gutgeschrieben. Nach Eingang der Zahlung überwies der Angeklagte am selben Tag von diesem Konto einen Betrag in Höhe von 30.000 Euro an das Finanzamt Mx.. Die Rückführung des Darlehens erfolgte durch zwei Überweisungen am 30.01.2018 in Höhe von jeweils 15.000,00 Euro mit Mitteln des Insolvenzverwalters M… (siehe C.III.2., Nr. 3).
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Zu Beginn des Jahres 2018 war die R… Rechtsanwaltsgesellschaft nicht mehr bereit, die Finanzierung von Honorarforderungen für den Angeklagten weiterzuführen, da diese sich gehäuft als uneinbringlich erwiesen hatten. Die uneinbringlichen Forderungen wurden jeweils, da der Angeklagte keine Informationen zur Forderungsbeitreibung durch die R… Rechtsanwaltsgesellschaft beibrachte, vertragsgemäß nach drei Monaten ausgebucht und dem Angeklagten als sogenannter Sollsaldo in Rechnung gestellt. Die R… Rechtsanwaltsgesellschaft hatte im Jahr 2017 Forderungen in Höhe von etwa 1.000.000,00 Euro (vor)finanziert. Zum Ende des Jahres 2017 war der Sollsaldo auf einen Betrag von über 400.000,00 Euro angewachsen. Am 19.01.2018 einigte sich der Angeklagte mit der R… Rechtsanwaltsgesellschaft auf eine monatliche Rückführung des Sollsaldos in Raten und unterzeichnete ein selbstständiges Schuldanerkenntnis mit dem Inhalt, dass er der R… Rechtsanwaltsgesellschaft 429.270,89 Euro schulde. Er verzichtete auf Einwendungen jeglicher Art hinsichtlich des Grundes und der Höhe der Schuld und erkannte das Anerkenntnis ausdrücklich als konstitutives Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB an.
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Ende Januar/Anfang Februar 2018 schlossen Rechtsanwalt P… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der R… GmbH, B… Rechtsanwälte und J… Rechtsanwälte eine Meditationsvereinbarung im Zusammenhang mit dem Honorarstreit R… GmbH. Der Angeklagte und Rechtsanwalt P… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der R… GmbH beauftragten den in Mx. ansässigen und wegen der Bearbeitung großer Insolvenzverfahren bundesweit bekannten Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Dr. Michael J…, im vorgenannten Honorarstreit als Mediator zu fungieren. In diesem Zusammenhang teilte der Angeklagte Rechtsanwalt P… mit, dass die Forderungen, die der Angeklagte im Honorarstreit geltend mache, nicht mehr ihm gehörten, sondern an die R… Rechtsanwaltsgesellschaft abgetreten seien.
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Im Frühjahr 2018 kam es auf Initiative von Rechtsanwalt Dr. Konrad K… zu einer Partnerversammlung bei S… & P… mit dem Thema, den Angeklagten als Leiter des Mx.er Standorts der Kanzlei als Partner zu gewinnen. Dr. Konrad K… hatte dies mit dem Angeklagten vorbesprochen. Die Gespräche waren weit gediehen, Mitte Mai 2018 lagen unterschriftsreife Verträge vor. Nach den Berechnungen von S… & P… hätte der Angeklagte voraussichtlich zwischen 300.000,00 Euro netto und 400.000,00 Euro netto im Jahr verdient. Der Angeklagte sagte S… & P… allerdings im Juli 2018 ab, da er ein aus seiner Sicht besseres Angebot der Kanzlei W… erhalten hatte. Er unterschrieb im Juli 2018 einen Beitrittsvertrag mit der Kanzlei W… und firmierte ab Oktober 2018 als Partner von W…, ohne dass er zu diesem Zeitpunkt Anspruch auf Zahlungen seitens W… hatte. Er konnte aufgrund der Besonderheiten des Beitrittsvertrags erst im Jahr 2019 mit einer Auszahlung eines möglichen Gewinnanteils für das vierte Quartal 2018 rechnen. Der Angeklagte hätte bei W… seinen Angaben zufolge etwa zwischen 400.000,00 Euro bis 700.000,00 Euro im Jahr verdient.
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Im Oktober 2018 kam es zu einer mündlichen Vereinbarung zwischen Rechtsanwalt P… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der R… GmbH, dem Angeklagten und der in die Vereinbarung einbezogene R… Rechtsanwaltsgesellschaft, in der sich Rechtsanwalt P… verpflichtete, zur Abgeltung aller Honoraransprüche aus Mandatsverhältnissen im Insolvenzverfahren R… GmbH an B… Rechtsanwälte einen Betrag in Höhe von 200.000,00 Euro nebst Umsatzsteuer zu bezahlen. Das Vergleichsergebnis wurde durch Rechtsanwalt P… schriftlich festgehalten und an die Parteien geschickt. Dort war festgehalten, dass die Zahlung an „B… Rechtsanwälte“ erfolgen sollte, allerdings auf das Konto der R… Rechtsanwaltsgesellschaft bei der Kreissparkasse Köln. Vereinbarungen zu der Aufteilung dieser Summe im Innenverhältnis zwischen der R… Rechtsanwaltsgesellschaft und dem Angeklagten enthielt die Vereinbarung nicht.
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Der Angeklagte und die R… Rechtsanwaltsgesellschaft unterzeichneten die Vereinbarung, Rechtsanwalt P… unterzeichnete nicht und leistete auch keine Zahlung auf die Vereinbarung.
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Mit Datum vom 17.12./18.12.2018 sowie Ergänzungsvereinbarung vom 21.12.2018 schloss Rechtsanwalt P… einen Vergleich mit R… Rechtsanwälte. Dieser Vergleichsvereinbarung wurde zugrunde gelegt, dass sämtliche Forderungen in dem Honorarstreit der R… Rechtsanwaltsgesellschaft gehörten. Der Insolvenzverwalter P… verpflichtete sich, zur Abgeltung dieser Forderungen einen Betrag in Höhe von 120.000,00 Euro zuzüglich Umsatzsteuer an die R… Rechtsanwaltsgesellschaft zu bezahlen und tat dies auch.
7. Krisenrunde und Verhaftung des Angeklagten, Insolvenzverfahren
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Am Samstag, den 24.11.2018, (zwei Tage vor der Verhaftung des Angeklagten) kam es im … Restaurant in … zu einer Krisenrunde, in der der Angeklagte den Anwesenden eröffnete, dass er einen kurzfristigen Finanzbedarf von etwa einer Million Euro habe, den er zu einem Anteil von 400.000,00 Euro selbst auftreiben werde können. Zu diesem Zeitpunkt war dem Angeklagten bereits bekannt, dass Rechtsanwältin R… Strafanzeige gegen den Angeklagten wegen der verfahrensgegenständlichen Veruntreuung von Geldern erstattet hatte. An der Runde waren der Angeklagte, dessen Steuerberater (der Zeuge K…), der Bruder des Angeklagten (B…) sowie die Zeugen H… (ein alter Freund des Angeklagten) und der Zeuge … (genannt) S… anwesend, denen er nichts von der Verwendung von fremden Geldern im Herbst 2017 im Zusammenhang mit der Insolvenzverwalterin R… und im Frühjahr 2018 im Zusammenhang mit dem Insolvenzverwalter M… in Höhe von mehr als einer Million Euro zu eigenen Zwecken berichtete. Die Runde teilte sich auf in diejenigen, die in Aussicht gestellt hatten, dem Angeklagten jeweils einen Betrag von 15.000,00 bis 30.000,00 Euro zur Verfügung zu stellen, sowie den Zeugen S….
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Der Zeuge S… stellte in Aussicht, dass er dem Angeklagten möglicherweise Mittel in Höhe von 400.000,00 Euro zur Verfügung stellen könnte, wenn die Familie des Angeklagten ihrerseits Sicherheiten für Herrn S… einbringen könne. Als mögliche Sicherheit diskutierte die Runde ein Aktiendepot der Familie des Angeklagten im Wert von etwa 100.000,00 Euro. Das Treffen ergab, dass seitens der Familie des Angeklagten keine Bereitschaft bestand, Sicherheiten zu stellen. Die darüber hinaus verbleibende Lücke und die möglichen Beiträge der anderen Beteiligten wurde deshalb nicht weiter thematisiert. Die Beteiligten kamen zu keinem Ergebnis und vertagten sich.
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Am Montag, den 26.11.2018, wurde der Angeklagte verhaftet. Am 19.12.2018 stellte er Insolvenzantrag beim Amtsgericht München. Am 20.12.2018 gab er seine Zulassung als Rechtsanwalt zurück.
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Das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen des Angeklagten wurde mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 08.01.2019 (Az. 1501 IN 3404/18) eröffnet und der sachverständige Zeuge Rechtsanwalt Dr. Hubert A… als vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 06.06.2019 (1501 IN 3404/18) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Angeklagten wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet und Rechtsanwalt Dr. Hubert A… als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Angeklagten bestellt.
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Im November 2021 befanden sich im Insolvenzverfahren des Angeklagten etwa 406.000,00 Euro Guthaben auf den Konten, davon 61.000,00 Euro auf einem Treuhandkonto, deren Zuordnung streitig ist. Für den Veranlagungszeitraum 2018 rechnet der Insolvenzverwalter mit einer Steuererstattung in Höhe von mehreren zehntausend Euro. Dem stehen zur Tabelle angemeldete Forderungen in Höhe von 2.691.077,58 Euro gegenüber, darunter insbesondere festgestellte Forderungen in Höhe von 1.194.430,79 Euro (darunter die des Insolvenzverwalters M… in Höhe von 851.740,06 Euro, siehe unten C.III.3.), vorläufig bestrittene Forderungen in Höhe von 1.266.221,01 Euro sowie nachträglich angemeldete und ungeprüfte Forderungen in Höhe von 126.003,56 Euro.
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Die vorläufig bestrittenen Forderungen enthalten Anmeldungen der Rechtsanwältin R… als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der r… GmbH (siehe unten C.II.) in Höhe von 782.653,77 Euro, eine Anmeldung der R… Rechtsanwaltsgesellschaft in Höhe von 371.451,07 Euro sowie eine Anmeldung eines Insolvenzverwalters Dr. D… in Höhe von 85.109,35 Euro.
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Die Anmeldung der Forderung von Insolvenzverwalterin R… in Höhe von 782.653,77 Euro setzt sich zusammen aus einer Hauptforderung in Höhe von 594.672,71 Euro (der Angeklagte hatte an die Insolvenzverwalterin einen Betrag in Höhe von 268.368,44 Euro ausgekehrt), eine Gerichtskostenerstattung in Höhe von etwa 75.000 Euro (diese steht nicht in Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Tatvorwürfen), Zinsen und weitere Forderungen in Höhe von etwa 50.000,00 Euro sowie Anwaltsgebühren in Höhe von etwa 68.000,00 Euro sowie Kosten der Erstattung der Strafanzeige (siehe hierzu auch C.II.3.).
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Der Angeklagte informierte den Insolvenzverwalter Dr. A… dahingehend, dass von der angemeldeten Forderung der R… Rechtsanwaltsgesellschaft (nur) noch etwa 239.000,00 Euro offen seien, da die R… Rechtsanwaltsgesellschaft einen Teil bei Drittschuldnern realisieren habe können. Dies ist ein Grund, warum die Forderung der R… Rechtsanwaltsgesellschaft durch den Insolvenzverwalter bestritten wurde.
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Der Insolvenzverwalter Dr. A… und seine Mitarbeiter gehen nicht davon aus, dass der Angeklagte weitere Ansprüche gegen Rechtsanwalt P… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der R… GmbH hat. Der Sachbearbeiter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Angeklagten, der sachverständige Zeuge Rechtsanwalt P…, geht davon aus, dass unter günstigen Bedingungen eine Quote von bis zu 80 % erreicht werden kann.
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Die Steuererklärung für das Jahr 2017 wurde nach der Inhaftierung des Angeklagten durch den sachverständigen Zeugen Dr. A… erstellt.
II. Tatkomplex Rechtsanwältin R… als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der r… GmbH (Anklageschrift vom 28.05.2019, Ziffer 1)
1. Vortatgeschehen
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Rechtsanwältin R… war Insolvenzverwalterin über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin r… GmbH. Der Angeklagte war ihr durch einen anderen Insolvenzverwalter als Fachmann für schwierige Verfahren empfohlen worden. Sie beauftragte den Angeklagten im Jahr 2015, Ansprüche gegen vier (faktische) Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin in Höhe von knapp 9,5 Millionen Euro außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen und zu realisieren. Während des Laufs der außergerichtlichen Verhandlungen schlug der Angeklagte der Insolvenzverwalterin vor, die L… AG als Prozessfinanzierer einzubinden. Die Insolvenzverwalterin war damit einverstanden. Nach einer Vorprüfung durch den Angeklagten schlossen die L… AG und die Insolvenzverwalterin mit Datum vom 26.11.2015/07.01.2016 einen Prozessfinanzierungsvertrag ab.
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Die L… AG verpflichtete sich in dem Vertrag, die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Gerichtskosten vorzufinanzieren. Im Gegenzug sollte die L… AG im Erfolgsfall vorrangig vor den Massegläubigern die von ihr getragenen notwendigen und vereinbarten Kosten erstattet bekommen (§ 5 Ziffer 2 des Prozessfinanzierungsvertrages). Ihr sollte darüber hinaus eine Beteiligung an dem (Vergleichs-)Erlös in Höhe von 30 % bis zu einem Betrag von 3.000.000,00 Euro zustehen (§ 5 Ziffer 3). Die Gläubigerversammlung der Insolvenzschuldnerin genehmigte den Abschluss des Prozessfinanzierungsvertrags.
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Nach den Regelungen des Prozessfinanzierungsvertrags war die Insolvenzverwalterin verpflichtet, einen etwaigen Erlös selbst auf das Insolvenzanderkonto einzuziehen (§ 5 Ziffer 6) und hieraus die L… AG (vorrangig vor der Insolvenzmasse) für die verauslagten Kosten und deren Erlösanteil zu befriedigen (§ 5 Ziffern 1, 2, 3). Der Anspruch der L… AG auf Kostenerstattung und Zahlung der Erlösbeteiligung waren fällig, sobald der Erlös der finanzierten Rechtsdurchsetzung der Insolvenzverwalterin oder dem von ihr beauftragten Rechtsanwalt zufloss (§ 5 Ziffer 4).
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Die Ansprüche, die die Insolvenzverwalterin gegen die Anspruchsgegner geltend machte („streitige Ansprüche“), trat die Insolvenzverwalterin in dem Vertrag an die L… AG ab, ebenso sämtliche Ansprüche auf Prozesskostenerstattung gegen die Anspruchsgegner und Dritte. Die L… AG nahm die Abtretung an (jeweils § 6). Die Abtretung war zur Sicherung der Erstattungsansprüche der L… AG im Sinne des § 5 Ziffer 2 nachrangig zur Sicherung des Erlösanspruchs im Sinne des § 5 Ziffer 3 vereinbart und sollte die gegenüber der L… AG eingegangene Masseverbindlichkeit bzw. Neumasseverbindlichkeit vorrangig vor weiter vorhandenen Massegläubigern und Neumassegläubigern sowie auch vor den Gläubigern der Massekosten im Erfolgsfall befriedigen.
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Die Insolvenzverwalterin hatte gemäß § 6 ein Recht auf Freigabe der abgetretenen Forderungen, wenn die vorstehend genannten Erstattungsansprüche der L… AG vollständig befriedigt waren, neue Erstattungsansprüche im weiteren Verlauf des finanzierten Verfahrens nicht mehr entstehen konnten und keine Schadensersatzansprüche der L… AG gegen die Insolvenzverwalterin bestanden. Die Freigabe sollte bis zur Höhe der weiterhin zu sichernden Ansprüche der L… AG auf Erlösbeteiligung nach § 5 Ziffer 3 des Vertrages erfolgen.
80
Zum Abschluss eines Vergleichs über die streitigen Ansprüche war die Insolvenzverwalterin nur mit Zustimmung der L… AG berechtigt (§ 8).
81
Der Angeklagte führte in der Folge eigenständig Vergleichsverhandlungen mit den Verfahrensbeteiligten und berichtete der Insolvenzverwalterin gelegentlich. Er war maßgeblich an der Ausarbeitung des späteren Vergleichstextes beteiligt. Das gerichtliche Verfahren zwischen der Insolvenzverwalterin und den Geschäftsführern endete mit einer Vergleichsvereinbarung vom 10.08./18.08./23.08.2017 zwischen Rechtsanwältin R… als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der r… GmbH einerseits sowie den Versicherungen A… AG (im Folgenden: A…) und Al… Europe Limited, Direktion Deutschland (im Folgenden: Al…) andererseits. Der Vergleich wurde durch die L… AG und die Gläubigerversammlung der Insolvenzschuldnerin gebilligt. A… und Al… verpflichteten sich jeweils, 787.578,75 Euro auf ein - so der Vergleichstext - „von der Insolvenzverwalterin zu benennendes Bankkonto“ zu überweisen.
82
Mit Anschreiben datiert auf den 09.08.2017 übersandte die Insolvenzverwalterin R… postalisch drei von ihr unterzeichnete Exemplare der Vergleichsvereinbarung an den Angeklagten. Dies war begleitet von einem Anschreiben, in dem die Insolvenzverwalterin den Angeklagten die Kontodaten des von ihr gemäß Vergleichsvereinbarung zu benennenden Bankkontos mitteilte, namentlich das Insolvenzanderkonto der r… GmbH bei der N. Bank E., IBAN … …8. Der Angeklagte war zum Zeitpunkt des Eingangs der Vergleichsvereinbarung nicht im Büro und erhielt von seinem Sekretariat lediglich die eingescannte Vergleichsvereinbarung ohne das Anschreiben per E-Mail übermittelt. Er verlangte sogleich, entsprechend der üblichen Handhabung in früheren Prozessfinanzierungsfällen (siehe oben C.I.), per E-Mail vom 16.08.2017 von den anwaltlichen Vertretern der A… und der Al… die Zahlung des jeweiligen Vergleichsbetrags auf ein von ihm zu diesem Zweck errichtetes „Fremdgeldkonto B…/R…“ bei der C…, IBAN … …8. Bei dem vom Angeklagten benannten Konto handelte es sich nicht um ein Anderkonto, sondern um ein Unterkonto seines Geschäftskontos, für das er die alleinige Verfügungsbefugnis hatte.
83
Der Prozessvertreter der A… forderte den Angeklagten mit E-Mail vom 18.08.2017 auf, Geldempfangsvollmacht beizubringen. Zur Vorlage einer solchen Vollmacht kam es nicht. Der Angeklagte informierte in der Folge den Vertreter der A… per E-Mail darüber, dass die Zahlung auch auf das Insolvenzanderkonto der R…/r… AG geleistet werden könne. Er ging davon aus, dass aufgrund der bisher dominierenden Rolle der A… in den Vergleichsverhandlungen („Poolführerschaft“) deren Vertreter die E-Mail an den Vertreter der Al… weiterleiten würde. Die A… überwies den ihr obliegenden Anteil in Höhe von 787.578,75 Euro auf das vorgenannte Konto der Insolvenzmasse.
84
Die Al… überwies unter dem Buchungstext „[…] VERGL R… IV RA. GG BR.FU.A“ 787.578,75 Euro auf die vom Angeklagten in der E-Mail vom 16.08.2017 genannte Kontoverbindung bei der C… (Kontonummer ... bei der C…, „Klassik-Geschäftskonto“; Angeklagter als Inhaber und wirtschaftlich Berechtigter; in der Folge: Konto bei der C… mit den Endziffern ...8). Die Zahlung, die der Insolvenzverwalterin R… zustand, wurde dort am 04.09.2017 gutgeschrieben. Am 13.09.2017 ging eine weitere Zahlung in Höhe von 71.872,00 Euro auf diesem Konto ein. Es handelte sich um die Erstattung wegen Vergleichsschlusses nicht verbrauchter Gerichtsgebühren im Verfahren R… als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der r… GmbH, die die Landesjustizkasse M. entsprechend der üblichen Handhabung auf das Konto des prozessführenden Anwalts, des Angeklagten, überwiesen hatte. Das Geld stand der Insolvenzverwalterin R… zur Weiterleitung an die L… AG zu. Weitere Eingänge auf dem vorbenannten Konto fanden bis einschließlich 21.11.2017 nicht statt.
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Mit Schreiben vom 08.10.2017 rechnete der Angeklagte gegenüber der Insolvenzverwalterin R… nach Maßgabe der Aufstellung ab, die die L… AG erstellt und dem Angeklagten zur Verfügung gestellt hatte. Demnach betrug der an die Insolvenzverwalterin auszuzahlende Betrag 268.380,44 Euro. Der Angeklagte hatte am 28.09.2017 einen Betrag in Höhe von 268.368,44 Euro auf das Insolvenzanderkonto der Insolvenzverwalterin angewiesen; das Geld wurde dort gutgeschrieben. Infolge eines Versehens wurde der Differenzbetrag in Höhe von 12 Euro nicht überwiesen. In dem Schreiben vom 08.10.2017 informierte der Angeklagte die Insolvenzverwalterin R… wahrheitswidrig darüber, dass er einen Betrag in Höhe von 663.415,65 Euro an die L… AG überwiesen hatte, ohne aber zu diesem Zeitpunkt vorgehabt zu haben, den gesamten Betrag für sich zu verwenden.
86
Die Insolvenzverwalterin R… war überrascht, dass die Vergleichszahlung der Al… auf dem Konto des Angeklagten eingegangen war. Sie sprach den Angeklagten darauf an und monierte diesen Umstand, gab dem Angeklagten aber zu verstehen, dass die Gelder (vorläufig) auf seinem Konto verbleiben könnten.
2. Tatgeschehen
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Der Angeklagte veruntreute durch zahlreiche Überweisungen an insgesamt elf Tagen zwischen dem 07.09.2017 und dem 19.10.2017 von seinem Konto bei der C… mit den Endziffern ...8 einen Betrag in Höhe von insgesamt 433.046,16 Euro aus dem Vermögen seiner Mandantin R….
Die Situation des Angeklagten während des vorgenannten Tatzeitraums stellte sich wie folgt dar:
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Aufrechnungsfähige Ansprüche des Angeklagten gegen die Insolvenzverwalterin bestanden nicht. Einen Honoraranspruch in Höhe von etwa 49.000 Euro hatte er sich bereits berechtigt selbst überwiesen.
89
Der Angeklagte wusste, dass er die bei ihm eingegangenen Zahlungen nur im Sinn seiner Mandantin R… verwenden durfte und dass er eine herausgehobene Pflicht aus dem Anwaltsvertrag gegenüber seiner Mandantin R… verletzte, wenn er die Gelder angreifen würde und nahm in Kenntnis dieser Umstände dennoch bewusst die Abverfügungen vor. Er wusste, dass die Zahlungen der Al… und der Landesjustizkasse Mainz auf seine Rolle als Prozessanwalt im streitigen Verfahren und die erstgenannte Zahlung auch auf seine E-Mail vom 16.08.2017 zurückzuführen waren. Er wusste, dass die Zahlung der Al… der Erfüllung des Vergleichs der Al… mit der Insolvenzverwalterin R… dienen sollte. Er wusste, dass die Gelder aus der Vergleichszahlung seiner Mandantin zustanden, auch wenn im Verhältnis R… - L… AG ein Teil davon für die Erstattung von Auslagen und den Erlösanteil der L… AG dienen sollte. Der Angeklagte wusste, dass er nicht der L… AG gegenüber verpflichtet war, sondern ausschließlich seiner Mandantin. Der Rahmenvertrag zwischen dem Angeklagten und der L… AG (siehe oben C.I.) sah für die Phase des streitigen Verfahrens keine Primärpflichten des Angeklagten gegenüber der L… AG vor und gewährte ihm im Erfolgsfall unter bestimmten Voraussetzungen lediglich eine „unverbindliche“ Leistungsprämie, wie der Angeklagte wusste.
90
Der Angeklagte wusste, dass er mit einzelnen Abverfügungen von seinem Konto bei der C… mit den Endziffern ...8 seiner Mandantin R… einen unmittelbaren Vermögensnachteil zufügen würde und verwendete dennoch die Gelder bewusst zu eigenen Zwecken. Der Angeklagte kannte die Prozessfinanzierungsverträge, die die L… AG mit den Insolvenzverwaltern abschloss, gut. Er wusste, dass die L… AG seine Mandantin R… wegen ihrer Kostenerstattungs- und Erlösansprüche direkt aus dem Prozessfinanzierungsvertrag in Anspruch nehmen könnte und die Mandantin R… in diesem Fall auf die Masse zugreifen müsste, um die Freigabe der abgetretenen Forderungen (§ 6 des Prozessfinanzierungsvertrages, s.o. C.II.1.) nicht zu gefährden. Der Angeklagte wusste, dass die überwiesenen Gelder in dem Maße, in dem er sich an ihnen bediente, der Insolvenzmasse fehlen würden. Der Angeklagte ging nicht davon aus, dass die Al… auf eine (erneute) Anforderung der Vergleichszahlung durch die Insolvenzverwalterin eine Zahlung leisten würde. Er ging vielmehr davon aus, dass die Insolvenzverwalterin R… einen etwaigen mangels Geldempfangsvollmacht fortbestehenden Anspruch auf den Vergleichsbetrag höchstwahrscheinlich gegenüber der Al… gerichtlich erstreiten würde müssen. Der Angeklagte entschied sich in Kenntnis dieser Folgen gleichwohl dafür, sich die Gelder einzuverleiben.
91
Der Angeklagte ging davon aus, dass er keine herausgehobene Pflichtenstellung gegenüber der L… AG hatte. Ihm war es aber gleichgültig und gegenüber seinem Interesse, an Geld zu kommen, nachrangig, wenn er etwaige Vermögensbetreuungspflichten gegenüber der L… AG verletzte und dieser einen Schaden zufügte.
92
Der Angeklagte hatte keine konkrete Aussicht eines baldigen Ausgleichs der abverfügten Gelder mit eigenen Mitteln. Ihm war, auch aus vorhergehenden Zahlungsengpässen, bewusst, dass seine Konten mehrere hunderttausend Euro im Minus waren und der Versuch, seine Kreditlinien weiter auszudehnen, sich als wenig aussichtsreich erweisen würde.
93
Die Geschäfts- und Privatkonten des Angeklagten in den Jahren 2017/2018 waren zum einen vier Konten bei der C…, die er als alleiniger Inhaber und Verfügungsberechtigter führte, namentlich das Konto mit der IBAN … 0...0 (im Folgenden: Konto bei der C… mit den Endziffern ...0), ein Konto mit der IBAN ...4 (im Folgenden: Konto bei der mit den Endziffern ...4), ein Konto mit der IBAN … ...6 (im Folgenden: Konto bei der C… mit den Endziffern ...6) und ein Konto mit der IBAN … ...8 (im Folgenden: Konto bei der C… mit den Endziffern ...8). Der Angeklagte hatte weiterhin zwei Konten bei der H…, namentlich das Konto mit der Kontonummer … (Inhaber und Verfügungsberechtigter Dr. Oliver B…, im Folgenden: Konto bei der H… mit den Endziffern ...3) und das Konto mit der Kontonummer … (Inhaber und Verfügungsberechtigter Oliver und Sarah B…, im Folgenden: Konto bei der H… mit den Endziffern ...1). Der Angeklagte hatte weiterhin ein Kreditkartenkonto bei der D… mit der Servicekartennummer 2...2 (im Folgenden Kreditkartenkonto „L…“) sowie ein Kreditkartenkonto bei der T… mit der Kartenkontonummer … (im Folgenden: Kreditkartenkonto T…).
94
Am Abend des 06.09.2017 wiesen die vorbenannten Konten des Angeklagten negative Kontostände (im Folgenden: Sollsalden) in Höhe von insgesamt etwa 350.000,00 Euro auf. Im Übrigen hatte der Angeklagte untergeordnete Konten, auf denen sich keine nennenswerten Guthaben zur freien Verfügung des Angeklagten befanden. So hatte der Angeklagte ein altes Kanzleigründungsdarlehen bei der Raiffeisenbank K…, er verfügte auch über ein Girokonto bei I… AG und bei der F… Privatbank. Das letztgenannte Konto diente ausschließlich dazu, vorgestreckte (Gerichts-)Gebühren abzurechnen, darauf befanden sich ausschließlich Mandantengelder. Anderweitige Rücklagen hatte der Angeklagte - wie er wusste - nicht.
95
Der Angeklagte erhoffte zwar, dass er in absehbarer Zeit größere Honorareingänge verbuchen würde können, aber er wusste auch, dass offen war, ob und wann sich diese verwirklichen würden. So hoffte der Angeklagte in dem Honorarstreit gegen Rechtsanwalt P… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der R… GmbH auf eine Zahlung in Höhe von bis zu 473.000,00 Euro netto. Er wusste, dass er sich hiervon durch die R… Rechtsanwaltsgesellschaft bereits einen Betrag von etwa 175.000,00 Euro vorfinanzieren hatte lassen (siehe oben C.I.3.). Er wusste, dass sich Rechtsanwalt P… seit Anfang 2017 beharrlich weigerte, auf die streitigen Ansprüche eine Zahlung an den Angeklagten zu leisten. Er wusste, dass Rechtsanwalt P… bestritt, ihn für eine Teilforderung in Höhe von 410.000,00 Euro netto überhaupt mandatiert zu haben, und dass er ihm in einem vorhergehenden Schreiben mitgeteilt hatte, allenfalls Ansprüche in Höhe von etwa 56.000,00 Euro netto bis 83.000 Euro netto als berechtigt anzusehen. Der Angeklagte wusste, dass er keinen textlichen oder schriftlichen Beleg für eine Mandatserteilung hatte.
96
Der Angeklagte hoffte auch darauf, dass er in der Erbschaftsangelegenheit der Mandantin Gertraude K… einen Vergleich mit der Haupterbin in den USA erzielen und damit eine anteilige Erfolgsbeteiligung vereinnahmen würde können, möglicherweise mehrere hunderttausend Euro. Er wusste aber auch, dass ein solcher Vergleich nicht vor dem Antritt seiner USA-Reise am 11.10.2017 zustande kommen würde, zumal der Angeklagte, neben anderen Vorarbeiten, erst die Adresse der Haupterbin herausfinden musste. Er wusste, dass ein Vergleichsschluss mitnichten gesichert war, zumal er, wie er wusste, ohne Zulassung in den USA selbst keine Klage vor US-Gerichten würde erheben können und dies seine Verhandlungsposition schwächte. Er wusste weiterhin, dass seine prozentuale Erfolgsbeteiligung erst ab einem Vergleichswert von zwei Millionen Dollar greifen würde (siehe oben C.I.5.).
97
Der Angeklagte konnte auch nicht darauf vertrauen, dass er im Zusammenhang mit dem Vergleichsschluss im Verfahren R… als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der r… GmbH eine Leistungsprämie aus dem Rahmenvertrag mit der L… AG (siehe oben C.I.1.) vereinnahmen würde können, da er der L… AG nicht den ihr zustehenden Anteil zukommen ließ, dies aber eine Bedingung für die Leistungsprämie war. Weitere nennenswerte Honorareingänge erwartete der Angeklagte nicht. Steuerrückerstattungen für vergangene Veranlagungszeiträume waren, so lange keine Steuererklärung abgegeben war, nicht zu erwarten, wie der Angeklagte wusste. Der Angeklagte wusste, dass er mit Hans S… (dem Gesellschafter eines …) und Ma2. H… (dem Vorstandsvorsitzenden einer …) wohlhabende Freunde hatte. Er vertraute indes nicht darauf, dass diese ihm (erneut) Geld leihen würden, zumal bei Hans S… noch 50.000,00 Euro Schulden (siehe oben C.I.3.) offenstanden.
98
Der Angeklagte nahm die nachstehenden Abverfügungen „scheibchenweise“ vor, nämlich dann, wenn er einen entsprechenden Geldbedarf bei sich feststellte. Obwohl er hoffte, die ihm überwiesenen Gelder so weit wie möglich für eine spätere bestimmungsgemäße Auskehr zur Verfügung halten zu können, kam es ihm von Beginn an darauf an, sich bei Auftauchen eines entsprechenden Geldbedarfs weitere Teile der durch die Al… überwiesenen Gelder seinem eigenen Vermögen einzuverleiben. Er handelte bei allen nachstehenden Überweisungen, um sich eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu erschließen.
99
Der Angeklagte nahm vom Konto bei der C… mit den Endziffern …8, auf dem sich ausschließlich der Geldeingang der Al… und später noch die Gerichtskostenerstattung der Landesjustizkasse Mainz befand, zum Ausgleich der eigenen Konten und zur Befreiung von eigenen privaten und geschäftlichen Verbindlichkeiten folgende Überweisungen vor. Die Überweisungen auf eigene oder fremde Konten standen in keinem Zusammenhang mit den Zahlungseingängen. Alle Überweisungen an einem Tag beruhten jeweils auf einem Tatentschluss.
100
1. Am 07.09.2017 überwies der Angeklagte insgesamt 75.000,00 Euro auf eigene Konten.
101
Der Angeklagte tätigte zwei Überweisungen in Höhe von jeweils 10.000,00 Euro und eine Überweisung in Höhe von 5.000,00 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0. Dieses Konto wies zu Beginn des 07.09.2017 einen Sollsaldo von 66.724,99 Euro auf und nach Eingang der vorbenannten Zahlung in Höhe von 25.000,00 Euro sowie einer Abbuchung in Höhe von 200,00 Euro einen Sollsaldo von 41.924,99 Euro am Ende des 07.09.2017.
102
Der Angeklagte tätigte am 07.09.2017 weitere fünf Überweisungen in Höhe von jeweils 10.000,00 Euro auf sein Konto bei der H… mit den Endziffern ...3. Dieses Konto wies vor Eingang der Überweisungen einen Sollsaldo von 172.694,31 Euro auf, nach Eingang dieser Zahlungen am 08.09.2017 einen Sollsaldo von 122.694,31 Euro. Sodann überwies der Angeklagte am selben Tag von dort aus 27.300,00 Euro auf sein Konto bei der H… mit den Endziffern ...1, welches zu diesem Zeitpunkt einen Sollsaldo von 29.431,10 Euro aufwies. Unter Berücksichtigung einer weiteren Abbuchung in Höhe von 5,00 Euro wies das Konto bei der H… mit den Endziffern ...3 am Ende des 08.09.2017 einen Sollsaldo von 149.999,31 Euro auf.
103
2. Am 14.09.2017 überwies der Angeklagte insgesamt 5.384,03 Euro an einen Dritten und auf ein eigenes Konto.
104
Der Angeklagte überwies 2.704,87 Euro an „Sy.“ sowie 2.679,16 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0. Das Konto wies vor Eingang der Zahlung einen Sollsaldo von 66.403,68 Euro auf (Sollsaldo bei Tagesbeginn 65.903,58 Euro abzüglich eines Abflusses von 500,00 Euro). Nach einer Überweisung in Höhe von 2.767,00 Euro an Wolfgang R… sowie einer weiteren Abbuchung in Höhe von 200,00 Euro wies das Konto 58400 am Ende des 14.09.2017 einen Sollsaldo von 66.691,42 Euro auf.
105
3. Am 15.09.2017 überwies der Angeklagte 71.872,00 Euro an B… Rechtsanwälte, Darlehenskonto bei der Raiffeisenbank K…, Bankleitzahl ...5.
106
Die Zahlung erfolgte zum Ausgleich des aufgenommenen Darlehns für die Kanzleigründung.
107
4. Am 18.09.2017 überwies der Angeklagte insgesamt 149.864,99 Euro an einen Dritten und auf eigene Konten.
108
Der Angeklagte überwies 71.906,94 Euro an die R… Rechtsanwaltsgesellschaft.
109
Weiterhin überwies der Angeklagte insgesamt 77.958,05 Euro (in Tranchen zu 36.737,68 Euro, 35.929,67 Euro und 5.290,70 Euro) auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0. Dieses Konto wies vor Eingang der Zahlungen am 18.09.2017 einen Sollsaldo von 66.691,42 Euro auf. Nach Eingang von 77.958,05 Euro auf diesem Konto tätigte der Angeklagte am selben Tag von dort aus eine Überweisung in Höhe von 3.684,84 Euro an die R… Rechtsanwaltsgesellschaft, eine Überweisung in Höhe von 1.250,00 Euro an Johanna und Tobias K… und insgesamt 74.030,42 Euro (zwei Mal 25.000,00 Euro sowie 24.030,42 Euro) auf sein Kreditkartenkonto „L…“, sodass das Konto mit den Endziffern ...0 am Ende des 18.09.2018 einen Sollsaldo von 67.698,63 Euro aufwies.
110
Das vorbenannte Kreditkartenkonto „L…“ wies vor Eingang der Überweisung einen Sollsaldo in Höhe von 74.030,42 Euro auf, der durch die vorstehenden Überweisungen auf 0 Euro zurückgeführt wurde. Der Angeklagte überwies am 21.09.2017 von diesem Kreditkartenkonto „L…“ 30.000,00 Euro an seine Tante Renate H…, um einen privaten Kredit zu tilgen (s.o. C.I.) und zahlte hierfür eine Überweisungsgebühr von 750,00 Euro. Wegen Mahngebühren in Höhe von 5,00 Euro wies das Kreditkartenkonto am Ende des 21.09.2017 einen Sollsaldo von 30.755,00 Euro auf, bei einem Verfügungsrahmen von 30.000,00 Euro.
111
5. Am 22.09.2017 überwies der Angeklagte insgesamt 24.086,86 Euro auf eigene Konten.
112
Der Angeklagte überwies 10.474,98 Euro auf sein Konto bei der H… mit den Endziffern ...3. Dieses Konto wies vor Eingang der Zahlung am Montag, 25.09.2017 einen Sollsaldo von 149.569,46 Euro auf und nach Eingang der Zahlung sowie einer Abbuchung in Höhe von 67,47 Euro und einer Umbuchung auf sein Konto bei der H… mit den Endziffern ...1 einen Sollsaldo von 149.961,95 Euro am Ende des 25.09.2017.
113
Das Konto bei der H… mit den Endziffern ...1 wies am Beginn des 25.09.2017 einen Sollsaldo von 12.045,96 Euro auf und nach Eingang der vorbenannten Umbuchung in Höhe von 10.800,00 Euro und einer weiteren Abbuchung von 79,91 Euro einen Sollsaldo von 1.325,87 Euro am Ende des 25.09.2017.
114
Desweiteren überwies der Angeklagte 13.611,88 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0. Das Konto ...0 wies vor Eingang der Zahlung am 22.09.2017 einen Sollsaldo von 67.835,48 Euro auf. Im Anschluss an den Eingang von 13.611,88 Euro überwies der Angeklagte vom Konto 58400 einen Betrag von 10.056,43 Euro an Bernd B…, so dass das Konto am Ende des 22.09.2017 einen Sollsaldo von 64.280,03 Euro aufwies.
115
6. Am 02.10.2017 überwies der Angeklagte insgesamt 12.036,28 Euro (in Tranchen zu 9.617,01 Euro und 2.419,27 Euro) auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0.
116
Zu Beginn des 02.10.2017 hatte dieses Konto einen Sollsaldo von 68.624,29 Euro aufgewiesen, nach Eingang der vorstehenden Zahlung und Abflüssen einen Sollsaldo von 67.061,77 am Ende des 02.10.2017.
117
7. Am 06.10.2017 überwies der Angeklagte insgesamt 30.490,03 Euro auf eigene Konten.
118
Der Angeklagte überwies 10.000,00 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0, das zu diesem Zeitpunkt einen Sollsaldo von 67.408,31 Euro und nach Eingang der Zahlung und Abflüssen (darunter einem Abfluss in Höhe von 2.000,00 Euro auf sein Konto bei der H… mit den Endziffern ...1 sowie einem weiteren Abfluss auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0 in Höhe von 500,00 Euro) am Ende des 06.10.2017 einen Saldo von - 66.998,37 Euro aufwies.
119
Der Angeklagte tätigte eine weitere Überweisung in Höhe von 20.490,03 Euro auf sein Konto bei der H… mit den Endziffern ...3. Bei Eingang der Überweisung am 06.10.2017 wies dieses Konto einen Sollsaldo von 169.395,40 Euro (Sollsaldo am Tagesbeginn 169.351,43 Euro, abzüglich einer Abbuchung in Höhe von 43,97 Euro) auf, nach Eingang der Überweisung sowie einer Abbuchung in Höhe von 1.000,00 Euro einen Sollsaldo von 149.905,37 Euro am Ende des 06.10.2017.
120
8. Am 09.10.2017 überwies sich der Angeklagte insgesamt 4.600,00 Euro (in zwei Tranchen zu 2.000,00 Euro und 2.600,00 Euro) auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0.
121
Zu Beginn des 09.10.2017 wies das Konto einen Sollsaldo von 66.998,37 Euro auf, nach Eingang der Zahlungen und Abflüssen einen Sollsaldo von 68.128,37 Euro am Ende des 09.10.2017.
122
9. Am 11.10.2017 überwies der Angeklagte insgesamt 15.711,97 Euro auf eigene Konten.
123
Der Angeklagte überwies 10.000,00 Euro auf sein Kreditkartenkonto bei der T…. Dieses hatte bei der monatlichen Abrechnung am 20.09.2017 einen Sollsaldo von 26.311,95 Euro aufgewiesen und bei der monatlichen Abrechnung vom 22.10.2017 einen Sollsaldo von 24.904,47 Euro.
124
Des Weiteren überwies der Angeklagte 5.711,97 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0, das zu diesem Zeitpunkt einen Sollsaldo von 68.128,37 Euro aufwies und nach Eingang der Zahlung und Abflüssen einen Sollsaldo von 65.929,40 Euro am Ende des 11.10.2017.
125
10. Am 12.10.2017 überwies der Angeklagte 34.000,00 Euro auf sein Konto bei der H… mit den Endziffern ...3.
126
Dieses Konto wies zum Zeitpunkt des Zahlungseingangs auf dem Konto zu Beginn des 13.10.2017 einen Sollsaldo von 183.520,10 Euro auf und nach Eingang der Überweisung einen Sollsaldo von 149.520,10 Euro am Ende des 13.10.2017.
127
11. Am 19.10.2017 überwies der Angeklagte 10.000,00 Euro mit dem Buchungstext „D... IV Wicht. P. TZ 1“ an die L… AG.
3. Nachtatgeschehen
128
Im Oktober/November 2017 unternahm der Angeklagte eine sechswöchige USA-Reise mit seiner Familie (siehe oben, C.I.).
129
Die L… AG mahnte in losen Abständen eine Auskehr des von ihr beanspruchten Anteils bei dem Angeklagten an, so in einer E-Mail von Rechtsanwalt H… an den Angeklagten vom 13.04.2018. Mit E-Mail vom 11.05.2018 erbat er eine Abschlagszahlung in Höhe von 600.000,00 Euro. Am 24.05.2018 „leitete“ der Angeklagte an Rechtsanwalt H… eine E-Mail vom 24.05.2018 „weiter“, die er angeblich an eine Mitarbeiterin der Insolvenzverwalterin R… geschrieben hatte. In dieser „weitergeleiteten“ E-Mail kam zum Ausdruck, dass die L… AG einer zeitnahen Abschlagszahlung in Höhe von 500.000,00 Euro bis 600.000,00 Euro entgegensehe. Tatsächlich hatte der Angeklagte ein solches Begehren nicht an die Mitarbeiterin der Insolvenzverwalterin gerichtet und den entsprechenden Absatz lediglich in die für den Zeugen H… bestimmte Version eingefügt, zumal der Angeklagte mit dem Schreiben vom 08.10.2017 der Insolvenzverwalterin mitgeteilt hatte, er habe einen Betrag in Höhe von 663.415,65 Euro bereits an die L… AG ausgekehrt.
130
Nach einem Telefonat Ende Juni 2018 sagte der Angeklagte Rechtsanwalt H… zu, die Zahlung in der ersten Juliwoche zu tätigen. Am 10.07.2018 schrieb der Zeuge H… dem Angeklagten eine E-Mail, dass das Geld nicht eingegangen sei. Der Angeklagte antwortete am selben Tag, dass das Geld unterwegs sei. In einem Telefonat am 17.07.2018 teilte der Angeklagte dem Zeugen mit, die Überweisung sei schief gegangen, er werde sich selbst darum kümmern.
131
Im August 2018 wurde die Sachbearbeitung bei der L… AG aufgrund der Hinhaltetaktik des Angeklagten Rechtsanwalt Dr. B…, dem unmittelbaren Vorgesetzten von Rechtsanwalt H…, übertragen.
132
Auf eine E-Mail vom 07.08.2018, dass das Geld immer noch nicht da sei, rief der Angeklagte den Zeugen H… am 19.08.2018 an und teilte ihm mit, die Überweisung sei schief gegangen; der Überweisungsträger (der Angeklagte machte online-banking) sei per Post übersandt worden und die Post der Kanzlei von jenem Tag sei verloren gegangen. Bereits am 14.08.2018 hatte Rechtsanwalt Dr. B… dem Angeklagten eine letzte Zahlungsfrist bis 24.08.2018 gesetzt, die dieser prompt bestätigt hatte. In einem Telefonat am 23.08.2018 erinnerte Rechtsanwalt Dr. B… den Angeklagten, dass am Folgetag die Zahlungsfrist für die etwa 663.000,00 Euro ende, die die L… AG beanspruchte, woraufhin der Angeklagte erwiderte ‚Die kommen morgen pünktlich an‘. Nach Beendigung des Telefonats übersandte der Angeklagte an Rechtsanwalt Dr. B… kommentarlos den Scan eines handschriftlich ausgefüllten Überweisungsträgers in der vorbenannten Höhe zu Gunsten der L… AG. Ein Überweisungsträger wurde durch den Angeklagten nicht bei der Bank eingereicht. Eine Zahlung erfolgte nicht.
133
Ende August informierte Rechtsanwalt Dr. B… die Leiterin der Stabsstelle Compliance, Rechtsanwältin S…, dass es in einem Mandat mit dem Angeklagten ein Problem mit der Auszahlung gebe. Mit einem vom Vorstand der L… gezeichneten Schreiben setzte die L… AG dem Angeklagten eine letzte Zahlungsfrist bis zum 31.08.2018, die der Angeklagte bestätigte.
134
Am 03.09.2018 kam es auf Wunsch des Angeklagten zu einem Besprechungstermin mit einem Vorstandsmitglied der L… AG und der Zeugin S…. Der Angeklagte gab an, dass der Grund für die noch nicht erfolgte Zahlung ein Streit mit der Insolvenzverwalterin sei. Er sei einem Bereicherungsanspruch der Al… ausgesetzt, aber er habe bereits einen Teil des vereinnahmten Geldes an die Insolvenzverwalterin weitergeleitet. In welcher Höhe dies erfolgt sei, teilte er nicht mit. Die Zeugin S… bot an, den Angeklagten zu einem bereits angesetzten Treffen mit der Insolvenzverwalterin R… in Darmstadt zu begleiten. Der Angeklagte bat, davon Abstand zu nehmen, da Frau R… „auf Krawall gebürstet“ sei. Wenn sie jetzt noch vom Prozessfinanzierer „angeschossen“ werde, wolle sie gar nicht mehr mit ihm reden. Die Zeugin S… nahm das hin und setzte dem Angeklagten eine Frist von 48 Stunden, den Sachverhalt zu dem etwaigen Entscheidungskonflikt schriftlich zu übermitteln, nebst einem Beleg, dass die Gelder noch da seien. Der Angeklagte willigte ein. Ein Beleg (Kontoauszug) wurde nicht übersandt.
135
Am 05.09.2018 suchten der Angeklagte und sein jetziger Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. N…, die Zeugin R… in Bensheim auf und setzten der Zeugin auseinander, dass der Prozessfinanzierungsvertrag zwischen ihr und der L… AG möglicherweise sittenwidrig sei und dass die Vergleichszahlung der Al… möglicherweise keine Erfüllungswirkung gehabt habe. Es habe sich um eine Fehlüberweisung gehandelt und die Insolvenzverwalterin könne den Betrag (nochmals) von der Al… fordern. Dass er einen Großteil des eingegangenen Geldes in der Zwischenzeit für eigene Zwecke verwendet hatte, verschwieg der Angeklagte.
136
Am selben Tag rief die Zeugin S… den Angeklagten an, um zu erfahren, was in dem Gespräch mit Rechtsanwältin R… herausgekommen sei. Er teilte mit, dass er keine Einigung habe erzielen können, dass die Insolvenzverwalterin aber erwäge, ihren Erlösanteil bei der Al… einzufordern. Auf die Frage der Zeugin S…, wieviel Geld noch auf dem Konto vorhanden sei, antwortete der Angeklagte, er dürfe hierzu wegen seiner anwaltlichen Schweigepflicht keine Angaben machen.
137
Rechtsanwalt Dr. B… schrieb am 07.09.2018 die Insolvenzverwalterin R… zum ersten Mal direkt an und teilte ihr mit, dass die L… AG aus der Vergleichszahlung bisher gar keine Zahlung erhalten habe. Dies war der Insolvenzverwalterin neu, zumal ihr mit Schreiben des Angeklagten vom 08.10.2017 von diesem mitgeteilt worden war, er habe aus dem eingenommenen Geld 663.415,65 Euro an die L… AG überwiesen. Dr. B… hatte mit einer direkten Kontaktaufnahme mit der Insolvenzverwalterin auch deshalb zugewartet, weil sie ihm durch den Angeklagten im Jahr 2018 als „schwierig“ und als „auf Krawall gebürstet“ geschildert worden war. Am 13.09.2018 kam es zu einer Besprechung zwischen der Insolvenzverwalterin R… und Dr. B…, in der auch zutage trat, dass die E-Mail des Angeklagten vom 24.05.2018 an Rechtsanwalt H… (siehe oben) von jenem manipuliert worden war.
138
Am 18.10.2018 erstattete Rechtsanwältin R… als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der r… GmbH Strafanzeige gegen den Angeklagten bei der Staatsanwaltschaft München I. Am selben Tag leitete die Insolvenzverwalterin auch ein Arrestverfahren gegen den Angeklagten vor dem Landgericht München I ein. Im Zuge des Arrestverfahrens erfuhr der Angeklagte auch, dass Strafanzeige wegen Untreue gegen ihn erstattet worden war.
139
Der Angeklagte leistete weder an die L… AG, die einen Anteil an der Vergleichssumme in Höhe von etwa 663.000,00 Euro beanspruchte, noch an die Insolvenzverwalterin R… eine Zahlung. Die L… AG zahlte an den Angeklagten keine Erfolgsprämie gemäß Rahmenvertrag (siehe oben C.I.).
140
Mit Vereinbarung vom 12.06./24.06.2019 verpflichtete sich die Insolvenzverwalterin R… gegenüber der L… AG, zur Abgeltung aller Ansprüche der L… AG im Zusammenhang mit dem Prozessfinanzierungsvertrag einen Betrag in Höhe von 418.246,50 Euro an die L… AG zu zahlen, davon 243.246,50 Euro verauslagte Kosten und Gebühren und 175.000,00 Euro Erlösbeteiligung. Die L… AG hat sämtliche weitere Forderungen im Zusammenhang mit der Sache R… als Insolvenzverwalterin der r… GmbH abgeschrieben.
141
Die Insolvenzverwalterin R… klagte die Vergleichsforderung gegen die Al… vor dem Landgericht Frankfurt am Main ein. Mit (nicht rechtskräftigem) Endurteil vom 18.10.2021 verurteilte dieses die Al… und eine weitere Beklagte, die Vergleichssumme in Höhe von 787.578,75 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 23.02.2019 an die Insolvenzverwalterin zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Erstattung eines Betrages in Höhe von 192.815,94 Euro an die Insolvenzmasse des Angeklagten.
142
Die R… Rechtsanwaltsgesellschaft erhielt von ihrer Vertrauensschadenshaftpflichtversicherung etwa 160.000,00 Euro im Zusammenhang mit den für den Angeklagten vorfinanzierten Rechnungen erstattet. Diese Zahlung erfolgte unter dem Vorbehalt, dass eine strafrechtliche Verurteilung des Angeklagten im Zusammenhang mit Betrugsvorwürfen gegen den Angeklagten erfolge (Ziffer 3 der Anklageschrift vom 28.05.2020; eingestellt gem. § 154 Abs. 2 StPO).
III. Tatkomplex Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG (Anklageschrift vom 28.05.2019, Ziffer 2)
1. Vortatgeschehen
143
Rechtsanwalt M… war Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG. Er verfolgte im Jahr 2014 unter anderem Ansprüche gegen die N… AG in Höhe von 500.000,00 Euro wegen fehlerhafter Sachkapitalerhöhung und gegen die M… GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bzw. deren Haftpflichtversicherer in Höhe von bis zu 1.000.000,00 Euro wegen fehlerhafter Prüfung einer Sachkapitalerhöhung. Die interne Sachbearbeitung teilte sich Rechtsanwalt M… mit den Rechtsanwälten Dr. K und R…. Über Kanzleikollegen erfuhr Rechtsanwalt M…, dass der Angeklagte für das Verfahren ein geeigneter Prozessanwalt sei und auch im Vorfeld prüfen könne, ob für das Verfahren eine Prozessfinanzierung in Betracht komme. Masse zur Finanzierung eines möglichen Prozesses war nicht vorhanden.
144
In der Folge beauftragte Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG den Angeklagten mit der erforderlichenfalls gerichtlichen Geltendmachung und Realisierung der vorstehenden Ansprüche. Der Angeklagte vermittelte dem Insolvenzverwalter einen Kontakt zur L… AG und am 26.11./16.12.2014 kam es zum Abschluss eines Prozessfinanzierungsvertrags zwischen Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG und der L… AG.
145
Die Bestimmungen dieses Prozessfinanzierungsvertrags waren weitgehend identisch mit jenen im Prozessfinanzierungsvertrag zwischen der Insolvenzverwalterin R… und der L… AG (siehe oben C.II.1.), mit Ausnahme der Höhe der Erlösbeteiligung der L… AG: diese betrug im Prozessfinanzierungsvertrag mit Rechtsanwalt M… 25 % des (Vergleichs-)Erlöses bis zu einem Betrag von 500.000,00 Euro, zusätzlich 20 % aus den über 500.000,00 Euro hinausgehenden Beträgen.
146
Die maßgeblichen Bestimmungen des Vertrages werden daher im Folgenden vor allem der Verständlichkeit halber (erneut) aufgeführt und, soweit für den hiesigen Tatkomplex erstmals von Interesse, ergänzt.
147
Die L… AG verpflichtete sich in dem Vertrag mit Rechtsanwalt M…, die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Gerichtskosten vorzufinanzieren. Im Gegenzug zu der Vorfinanzierung sollte die L… AG im Erfolgsfall vorrangig vor den Massegläubigern die von ihr getragenen notwendigen und vereinbarten Kosten erstattet bekommen (§ 5 Ziffer 2 des Prozessfinanzierungsvertrages). Ihr sollte darüber hinaus eine Beteiligung am (Vergleichs-)Erlös in Höhe von 25 % bis zu einem Betrag von 500.000,00 Euro zustehen, zusätzlich 20 % aus den über 500.000,00 Euro hinausgehenden Beträgen.
148
Nach den Regelungen des Prozessfinanzierungsvertrags war der Insolvenzverwalter (zunächst) verpflichtet, einen etwaigen Erlös selbst auf das Insolvenzanderkonto einzuziehen (§ 5 Ziffer 6) und hieraus die L… AG vorrangig vor der Insolvenzmasse für die verauslagten Kosten und den Erlösanteil zu befriedigen (§ 5 Ziffer 1, 2, 3). Der Anspruch der L… AG auf Kostenerstattung und Zahlung der Erlösbeteiligung waren fällig, sobald der Erlös der finanzierten Rechtsdurchsetzung dem Insolvenzverwalter oder dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt zufloss (§ 5 Ziffer 4).
149
Die Ansprüche, die der Insolvenzverwalter gegen die Anspruchsgegner geltend machte („streitige Ansprüche“), trat der Insolvenzverwalter an die L… AG ab, ebenso sämtliche Ansprüche auf Prozesskostenerstattung gegen die Anspruchsgegner und Dritte. Die L… AG nahm die Abtretung an (jeweils § 6). Die Abtretung war zur Sicherung der Erstattungsansprüche der L… AG im Sinne des § 5 Ziffer 2, nachrangig zur Sicherung des Erlösanspruchs im Sinne des § 5 Ziffer 3 vereinbart und sollte die gegenüber der L… AG eingegangene Masseverbindlichkeit bzw. Neumasseverbindlichkeit vorrangig vor weiter vorhandenen Massegläubigern und Neumassegläubigern sowie auch vor den Gläubigern der Massekosten im Erfolgsfall befriedigen. Der Insolvenzverwalter hatte gem. § 6 ein Recht auf Freigabe der abgetretenen Forderungen, wenn die vorstehend genannten Erstattungsansprüche der L… AG vollständig befriedigt waren, neue Erstattungsansprüche im weiteren Verlauf des finanzierten Verfahrens nicht mehr entstehen konnten und keine Schadensersatzansprüche der L… AG gegen den Anspruchsinhaber bestanden. Die Freigabe sollte bis zur Höhe der weiterhin zu sichernden Ansprüche der L… AG auf Erlösbeteiligung nach § 5 Ziffer 3 des Vertrages erfolgen.
150
Mit dem Prozessfinanzierungsvertrag erteilte der Insolvenzverwalter dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt, mithin dem Angeklagten, Vollmacht, Erklärungen der L… AG bezüglich des Prozessfinanzierungsvertrages gegenüber dem Insolvenzverwalter entgegenzunehmen (§ 1 Ziffer 8).
151
Zum Abschluss eines Vergleichs über die streitigen Ansprüche war der Insolvenzverwalter nur mit Zustimmung der L… AG berechtigt. Empfahl diese den Abschluss eines Vergleichs, weil sie diesen unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage für angemessen hielt, war der Insolvenzverwalter hierdurch in seiner Entscheidung nicht gebunden. Nahm der Insolvenzverwalter einen angebotenen Vergleich nicht an, obwohl die L… AG dies empfohlen hatte, so war die L… AG zur unverzüglichen Kündigung des Vertrages berechtigt und der Insolvenzverwalter musste die L… in diesem Fall so stellen, wie sie bei Abschluss des empfohlenen Vergleichs gestanden hätte (§ 8).
152
In der Folge erhob Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG, vertreten durch den Angeklagten, Klage vor dem Landgericht Augsburg, die sich insbesondere gegen die vorgenannten Anspruchsgegner richtete.
153
Bereits im Jahr 2015 kam es zu einem Vergleich zwischen Insolvenzverwalter M… und einer der Beklagten, der N… AG, in dem sich diese unter anderem verpflichtete, 75.000,00 Euro an die Insolvenzmasse auf ein Konto des Angeklagten zu zahlen; die Summe wurde bezahlt. Zu einer Auskehr dieses Betrages kam es nicht, da der Angeklagte, Rechtsanwalt M… und Rechtsanwalt Dr. K… sich einigten, dass die Beträge aus dem Insolvenzverfahren „gesammelt“ werden sollten, bevor es zu einer Abrechnung komme. Die L… AG erhob keine Einwände gegen dieses Vorgehen.
154
Als sich im September 2017 eine weitere Einigung, nun mit der M… GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft abzeichnete, kam es zu einem Telefonat zwischen dem zuständigen Sachbearbeiter bei der L… AG, Rechtsanwalt H…, und dem Angeklagten. In dem Telefonat kam zur Sprache, dass der Insolvenzverwalter M… ein „schwieriger Typ“ sei. Diese Überlegung veranlasste den Zeugen H…, für die L… AG entgegen der Regelung im Prozessfinanzierungsvertrag darauf zu bestehen, dass die Vergleichszahlung auf ein Konto des Angeklagten fließen solle. Im zeitlichen Zusammenhang mit dem Telefonat schrieb Rechtsanwalt H… am 21.09.2017 eine E-Mail an den Angeklagten, dass die L… AG einem Vergleichsschluss wie abgestimmt zustimmen könne, wenn die Zahlung der Vergleichssumme auf das Konto des Angeklagten erfolge.
155
Der Angeklagte gab die Information, dass der Vergleichsbetrag auf ein Konto des Angeklagten fließen solle, an Rechtsanwalt M… weiter. Dieser billigte die Handhabung und wies den Angeklagten an, entsprechend zu verfahren.
156
Ein Mandatsverhältnis zwischen der L… AG und dem Angeklagten bestand, wie der Angeklagte wusste, nicht.
157
Das gerichtliche Verfahren gegen die M… GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (der Beklagten zu 4) endete am 22.12.2017 mit einer Vergleichsvereinbarung zwischen Rechtsanwalt M als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG und der Beklagten zu 4. Die Beklagte zu 4 verpflichtete sich, 800.000,00 € an den Kläger, Rechtsanwalt M…, zu bezahlen.
158
Da die Zahlung auf das Konto des Angeklagten gehen sollte, verlangte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 4 eine Geldempfangsvollmacht des Rechtsanwalts M… für den Angeklagten. Mit E-Mail vom 09.01.2018 gab Rechtanwalt Dr. K… dieses Begehren an Rechtsanwalt M… weiter und forderte eine Geldempfangsvollmacht für den Angeklagten an. Rechtsanwalt M… erteilte dem Angeklagten am 09.01.2018 Geldempfangsvollmacht und ließ sie an den Vertreter der Beklagten zu 4 übersenden. Eine etwaige Erteilung einer Geldempfangsvollmacht des Angeklagten für die L… AG wurde nicht thematisiert; und die L… AG erteilte auch keine.
159
Die Haftpflichtversicherung der M… GmbH überwies zur Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Vergleich einen Betrag in Höhe von 798.500,00 Euro, der am 22.01.2018 auf dem Konto des Angeklagten bei der C… mit den Endziffern ...4 einging. Das Konto hatte vor der Einzahlung einen Saldo von 0 Euro aufgewiesen. Weitere Eingänge auf dem Konto (mit Ausnahme einer abgebuchten und dann zurückgebuchten Fehlbuchung) bis einschließlich 06.06.2018 gab es nicht.
160
Der Angeklagte kehrte in der Folge keinerlei Gelder an Rechtsanwalt M… oder die L… AG aus.
2. Tatgeschehen
161
Der Angeklagte veruntreute durch zahlreiche Überweisungen an insgesamt 33 Tagen zwischen dem 25.01.2018 und dem 06.06.2018 von seinem Konto bei der C… mit den Endziffern ...4 einen Betrag in Höhe von insgesamt 743.300,18 Euro aus dem Vermögen seines Mandanten M….
162
Die Situation des Angeklagten während des vorgenannten Tatzeitraums stellte sich wie folgt dar:
163
Aufrechnungsfähige Ansprüche des Angeklagten gegen den Insolvenzverwalter M… bestanden nicht.
164
Der Angeklagte wusste, dass er die bei ihm eingegangene Zahlung aus dem Vergleich mit der M… GmbH nur im Sinn seines Mandanten M… verwenden durfte und dass er eine herausgehobene Pflicht aus dem Anwaltsvertrag gegenüber seinem Mandanten M… verletzte, wenn er die Gelder angreifen würde und nahm dennoch bewusst die Abverfügungen vor. Er wusste, dass die Gelder aus der Vergleichszahlung seinem Mandanten zustanden, auch wenn im Verhältnis M… - L… AG ein Teil davon für die Erstattung von Auslagen und den Erlösanteil der L… AG dienen sollte. Der Angeklagte wusste, dass er nicht der L… AG gegenüber, sondern ausschließlich seinem Mandanten verpflichtet war. Der Rahmenvertrag zwischen dem Angeklagten und der L… AG (siehe oben C.I.) sah für die Phase des streitigen Verfahrens keine Primärpflichten des Angeklagten gegenüber der L… AG vor und gewährte ihm im Erfolgsfall lediglich gegebenenfalls eine „unverbindliche“ Leistungsprämie, wie der Angeklagte wusste.
165
Der Angeklagte wusste, dass er mit einzelnen Abverfügungen seinem Mandanten M… einen unmittelbaren Vermögensnachteil zufügen würde und verwendete dennoch die Gelder bewusst zu eigenen Zwecken. Der Angeklagte kannte die Prozessfinanzierungsverträge, die die L… AG mit den Insolvenzverwaltern abschloss, gut. Der Angeklagte wusste, dass die überwiesene Zahlung in dem Maße, in dem er sich an ihr bediente, der Insolvenzmasse fehlen würde. Er wusste, dass die L… AG seinen Mandanten M… wegen ihrer Kostenerstattungs- und Erlösansprüche direkt aus dem Prozessfinanzierungsvertrag in Anspruch nehmen könnte und Rechtsanwalt M…, soweit er diese Ansprüche nicht erfüllen würde können, auch nicht die Freigabe der abgetretenen Forderungen (§ 6 des Prozessfinanzierungsvertrages, s.o. C.II.2.) erreichen konnte. Der Angeklagte setzte sich in Kenntnis dieser Folgen über all dies hinweg, um sich die Gelder einzuverleiben. Der Angeklagte ging davon aus, dass er keine herausgehobene Pflichtenstellung gegenüber der L… AG hatte. Ihm war es aber gleichgültig und gegenüber seinem Interesse, an Geld zu kommen, nachrangig, wenn er etwaige Vermögensbetreuungspflichten gegenüber der L… AG verletzte und dieser einen Schaden zufügte.
166
Der Angeklagte hatte keine konkrete Aussicht eines baldigen Ausgleichs der abverfügten Gelder mit eigenen Mitteln. Er wusste, dass er bereits aus der Zahlung der Al… mehrere hunderttausend Euro für sich behalten hatte (C.II.2.) und deren Ausgleich schuldete. Ihm war bewusst, dass seine Konten mehrere hunderttausend Euro im Minus waren. Er hatte am 19.01.2018 eine Vereinbarung unterzeichnet, in der er anerkannt hatte, der R… Rechtsanwaltsgesellschaft etwa 430.000,00 Euro zu schulden (siehe oben C.I.).
167
Am Abend des 24.01.2018 wiesen die maßgeblichen Konten (siehe oben C.II.2.) des Angeklagten Sollsalden in Höhe von etwa 350.000,00 Euro auf. Auf anderen Konten befanden sich keine nennenswerten Guthaben zur freien Verfügung des Angeklagten. Rücklagen hatte der Angeklagte - wie er wusste - nicht.
168
Der Angeklagte hoffte in dem Honorarstreit gegen Rechtsanwalt P… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der R… GmbH (s.o., C.I. und C.II.2. zur subjektiven Tatseite im Jahr 2017) weiterhin auf eine Zahlung und erhoffte sich durch das Mediationsverfahren (siehe oben C.I.) neue Impulse. Anfang 2018 war allerdings weiter offen, ob und mit welchem Inhalt Rechtsanwalt P… bereit wäre, sich zu einigen. Weiterhin war offen, welchen Anteil an einem möglichen Vergleichserlös der Angeklagte vereinnahmen würde können: Der Angeklagte wusste, dass er in dem Mediationsverfahren über Ansprüche verhandeln würde, die ihm nicht mehr gehörten. Er hatte - wie er wusste - die möglichen Honorarforderungen gegen Rechtsanwalt P… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der R… GmbH bereits 2017 an die R… Rechtsanwaltsgesellschaft abgetreten (siehe oben C.I.). Er hatte mit der R… Rechtsanwaltsgesellschaft über die Aufteilung eines möglichen Vergleichserlöses keine klare Regelung getroffen, und wusste daher nicht, welchen Anteil er letztendlich für sich beanspruchen würde können.
169
Weitere nennenswerte Honorareingänge erwartete der Angeklagte nach Eingang der Vergleichszahlung nicht. Die Hoffnung auf ein hohes Honorar durch die Erbschaftssache K… (siehe oben C.I. und C.II.2. zur inneren Tatseite) hatte sich zerschlagen. Eine Verschmelzung seiner Kanzlei mit S… & P… hatte noch nicht stattgefunden. Der Angeklagte erkannte, dass auch ein mögliches Jahreseinkommen bei S… & P…, wie oben ausgeführt (C.I.), nicht hinreichen würde, eine Rückführung abverfügter Gelder aus eigenen Mitteln in absehbarer Zeit zu ermöglichen. Zahlungen aus einer möglichen Partnerschaft bei W… Rechtsanwälte (siehe oben C.I.) waren zu keinem der Tatzeitpunkte absehbar. Mit der Leistungsprämie aus dem Rahmenvertrag mit der L… AG (C.I.) konnte der Angeklagte nicht rechnen, so lange der L… AG den ihr zustehenden Anteil am Vergleichserlös im Teilvergleich mit der M… GmbH nicht zukommen würde. Steuerrückerstattungen für vergangene Jahre waren, so lange keine Steuererklärung abgegeben war, nicht zu erwarten, wie der Angeklagte wusste. Der Angeklagte vertraute nicht darauf, Geld durch Freunde, z.B. Hans S… oder Ma2. H… (siehe oben C.II.2.), geliehen zu bekommen.
170
Der Angeklagte nahm die nachstehenden Abverfügungen „scheibchenweise“ vor, nämlich dann, wenn er einen entsprechenden Geldbedarf bei sich feststellte. Obwohl er hoffte, die ihm überwiesenen Gelder so weit wie möglich für eine spätere bestimmungsgemäße Auskehr zur Verfügung halten zu können, kam es ihm von Beginn an darauf an, sich bei Auftauchen eines entsprechenden Geldbedarfs weitere Teile der überwiesenen Gelder seinem eigenen Vermögen einzuverleiben. Er handelte bei allen nachstehenden Überweisungen, um sich eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu erschließen.
171
Der Angeklagte nahm vom Konto bei der C… mit den Endziffern ...4 zum Ausgleich der eigenen Konten und zur Befreiung von eigenen privaten und geschäftlichen Verbindlichkeiten folgende Überweisungen vor. Die Überweisungen auf eigene oder fremde Konten standen in keinem Zusammenhang mit den Zahlungseingängen. Alle Überweisungen an einem Tag beruhten jeweils auf einem Tatentschluss.
(Die Nummerierung erfolgt in Fortführung der Nummerierung der Taten zum Nachteil der Insolvenzverwalterin R…, C.II.2.).
172
12. Am 25.01.2018 überwies der Angeklagte insgesamt 40.068,70 Euro auf eigene Konten und an Dritte.
173
Der Angeklagte tätigte drei Überweisungen (18.380,74 Euro, 9.892,47 Euro, 10.910,10 Euro) auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0. Dieses Konto wies zu Beginn des 25.01.2018 einen Sollsaldo von 68.244,58 Euro auf, nach Eingang der Zahlungen und weiterer Kontobewegungen (darunter zwei Zahlungen an seine freie Mitarbeiterin Rechtsanwältin Joanna K… in Höhe von 4.658,85 Euro und 6.747,30 Euro) am Ende des 25.01.2018 einen Sollsaldo von 58.754,48 Euro.
174
Desweiteren überwies der Angeklagte 349,70 Euro an „Reisswolf“, 235,32 Euro an die A… sowie 300,37 Euro an B….
175
13. Am 26.01.2018 überwies der Angeklagte insgesamt 111.488,71 Euro auf eigene Konten.
176
Der Angeklagte tätigte vier Überweisungen in Höhe von zwei Mal 25.000,00 Euro, 13.492,37 Euro und 2.996,34 Euro jeweils auf sein Kreditkartenkonto „L…“. Am 10.01.2018 war auf diesem Konto ein Sollsaldo von 63.492,37 Euro aus dem Vormonat vorgetragen worden, der durch die vorstehenden Überweisungen (die letztgenannte Überweisung in Höhe von 2.996,34 Euro wurde nicht auf den Saldo angerechnet), auf 0 zurückgeführt worden wäre (wäre nicht zwischenzeitlich am 11.01.2018 eine Mahngebühr in Höhe von 5,00 Euro abgebucht worden). Bei der Abrechnung am 08.02.2018 wies das Konto erneut einen Sollsaldo von 21.339,62 Euro auf, der unter anderem durch eine Abbuchung am 30.01.2018 in Höhe von 10.067,73 Euro an Bernd B…, Buchungstext „Rz V1...17“, zustande gekommen war.
177
Der Angeklagte tätigte am 26.01.2018 zwei weitere Überweisungen in Höhe von 25.000,00 Euro und 20.000,00 Euro auf sein Konto bei der H… mit den Endziffern ...3. Dieses Konto wies bei Eingang der Gelder einen Sollsaldo von 168.889,98 Euro auf (Sollsaldo bei Tagesbeginn des 26.01.2018 168.784,49 Euro abzüglich Abflüsse in Höhe von 98,50 Euro und 6,99 Euro). Am Ende des 26.01.2018 wies das Konto mit den Endziffern ...3 einen Sollsaldo von 123.367,36 Euro auf.
178
14. Am 30.01.2018 überwies der Angeklagte insgesamt 40.000,00 Euro an einen Dritten und auf ein eigenes Konto.
179
Der Angeklagte überwies 30.000,00 Euro (zwei Mal 15.000,00 Euro) an Ma2. H… zur Rückzahlung des Kurzdarlehns. Desweiteren überwies er 10.000,00 Euro auf sein Konto bei der H… mit den Endziffern ...1. Dieses wies zu diesem Zeitpunkt einen Sollsaldo von 10.785,98 Euro auf, der nach der Überweisung auf 785,98 Euro verringert war.
180
15. Der Angeklagte überwies am 01.02.2018 insgesamt 46.000,00 Euro auf eigene Konten.
181
Der Angeklagte tätigte zwei Überweisungen in Höhe von jeweils 14.000,00 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...6, das zu diesem Zeitpunkt einen Saldo von 0 Euro aufwies. Der Angeklagte tätigte von diesem Konto aus noch am selben Tag eine Überweisung in Höhe von 28.000,00 Euro an „Henrik S…/B…“, sodass das Konto am Ende des 01.02.2018 wieder einen Saldo von 0 Euro aufwies.
182
Desweiteren überwies der Angeklagte 18.000,00 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0, das bei Eingang der Zahlung am 01.02.2018 einen Sollsaldo von 68.174,83 Euro aufwies (Sollsaldo zu Tagesbeginn 68.179,73 Euro abzüglich einer Abbuchung von 4,90 Euro). Am Ende des 01.02.2018 wies das Konto nach mehreren Kontobewegungen einen Sollsaldo von 66.484,63 Euro auf.
183
16. Am 07.02.2018 überwies der Angeklagte 7.651,58 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0.
184
Dieses Konto wies zu Beginn des 07.02.2018 einen Sollsaldo von 66.534,29 Euro auf und nach mehreren Kontobewegungen sowie Eingang der vorgenannten Zahlung am Ende des 07.02.2018 einen Sollsaldo von 66.519,93 Euro.
185
17. Am 13.02.2018 überwies der Angeklagte insgesamt 85.000,00 Euro auf ein eigenes Konto und einen Dritten.
186
So tätigte er zwei Überweisungen (10.000,00 Euro und 25.000,00 Euro) auf sein Konto bei der H… mit den Endziffern ...3. Dieses Konto wies zu Beginn des 13.02.2018 einen Sollsaldo von 129.894,61 Euro auf, nach Abfluss von 21.339,62 Euro sowie weiteren 53,55 Euro sowie Eingang der vorgenannten Zahlungen einen Sollsaldo von 116.287,78 Euro am Ende des 13.02.2018.
187
Desweiteren tätigte der Angeklagte zwei Überweisungen an das Finanzamt Mx. in Höhe von jeweils 25.000,00 Euro.
188
18. Am 15.02.2018 überwies der Angeklagte 11.200,00 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0.
189
Dieses Konto wies vor Eingang der Zahlung am selben Tag einen Sollsaldo von 68.097,09 Euro auf. Direkt im Anschluss überwies der Angeklagte von diesem Konto 7.000,00 Euro auf sein Konto bei der Raiffeisenbank K…, 2.000,00 Euro auf sein Konto bei der I… AG, 1.100,00 Euro auf sein Konto bei der H… mit den Endziffern ...1, sowie 1.200,00 Euro auf sein Konto bei der H… mit den Endziffern ...3. Weitere Transaktionen auf dem Konto bei der C… mit den Endziffern ...0 fanden an diesem Tag nicht statt; der Sollsaldo belief sich am Ende des 15.02.2018 auf 68.197,09 Euro.
190
19. Am 20.02.2018 überwies der Angeklagte 4.800,00 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0.
191
Dieses Konto wies bei Eingang der Zahlung einen Sollsaldo von 68.197,09 Euro auf sowie, nach einer Abbuchung in Höhe von 100,44 Euro, am Ende des 20.02.2018 einen Sollsaldo von 63.497,53 Euro.
192
20. Am 27.02.2018 überwies der Angeklagte 13.049,47 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0.
193
Dieses Konto wies zu Beginn des Tages einen Sollsaldo von 65.061,14 Euro auf und am Ende des Tages nach mehreren Eingängen, darunter die vorbenannte Überweisung, einen Sollsaldo von 41.361,67 Euro.
194
21. Am 02.03.2018 überwies der Angeklagte 18.000,00 Euro auf sein Konto bei der H… mit den Endziffern ...3.
195
Dieses Konto wies bei Eingang der Zahlung einen Sollsaldo von 120.169,78 Euro (Sollsaldo bei Tagesbeginn 120.003,06 Euro abzüglich eines Abflusses in Höhe von 166,72 Euro) auf und nach Eingang der Zahlung am Ende des 02.03.2018 einen Sollsaldo von 102.169,78 Euro.
196
22. Am 05.03.2018 überwies der Angeklagte 8.741,54 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0.
197
Dieses Konto wies zu diesem Zeitpunkt einen Sollsaldo von 67.935,28 Euro auf (Sollsaldo zu Tagesbeginn 67.238,81 Euro, abzüglich Abflüsse in Höhe von 505,00 Euro, 87,57 Euro, 33,90 Euro und 70,00 Euro) und am Ende des 05.03.2018 nach weiteren Abflüssen einen Sollsaldo von 64.633,74 Euro.
198
23. Am 07.03.2018 überwies der Angeklagte 12.228,00 Euro an „P…“.
199
24. Am 09.03.2018 überwies der Angeklagte an Dritte insgesamt 9.337,68 Euro, namentlich 4.965,78 Euro an „S… Rechtsanwälte“ und 4.371,90 Euro an „M…“.
200
25. Am 14.03.2018 überwies der Angeklagte insgesamt 34.000,00 Euro (in zwei Tranchen zu 18.000,00 Euro und 16.000,00 Euro) auf sein Konto bei der H… mit den Endziffern ...3.
201
Das Konto wies zu Beginn des 14.03.2018 einen Sollsaldo von 143.297,15 Euro auf und nach einem Abfluss von 367,82 Euro sowie Eingang der vorbenannten Zahlungen einen Sollsaldo von 109.664,97 Euro am Ende des 14.03.2018.
202
26. Am 15.03.2018 überwies der Angeklagte 10.000,00 Euro an RA R….
203
27. Am 19.03.2018 überwies der Angeklagte 3.779,44 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0.
204
Das Konto wies zu diesem Zeitpunkt einen Sollsaldo von 68.241,65 Euro auf und nach Eingang dieser Zahlung und mehreren Abflüssen am Ende des Tages einen Sollsaldo von 66.724,71 Euro.
205
28. Am 20.03.2018 überwies der Angeklagte 5.281,20 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0.
206
Das Konto wies bei Eingang der Zahlung einen Sollsaldo von 67.231,21 Euro auf (Sollsaldo 66.724,71 Euro zu Beginn des 20.03.2018 abzüglich eines Abflusses von 506,50 Euro), nach Eingang der Zahlung und Abflüssen am Ende des 20.03.2018 einen Sollsaldo von 64.100,01 Euro.
207
29. Am 28.03.2018 überwies der Angeklagte 6.517,93 Euro auf sein Konto des bei der C… mit den Endziffern …0.
208
Das Konto wies zu diesem Zeitpunkt einen Sollsaldo von 68.245,96 Euro auf und am Ende des Tages einen Sollsaldo von 61.728,03 Euro.
209
30. Am 03.04.2018 überwies der Angeklagte 23.865,00 Euro auf sein Konto bei der H… mit den Endziffern …3.
210
Dieses Konto wies zu Beginn des 03.04.2018 einen Sollsaldo von 117.865,31 Euro auf und nach mehreren Abflüssen sowie Eingang der vorgenannten Zahlung einen Sollsaldo von 100.141,40 Euro am Ende des 03.04.2018.
211
31. Am 04.04.2018 überwies der Angeklagte einen Betrag in Höhe von 16.150,50 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern …0.
212
Dieses Konto wies zu Beginn des 04.04.2018 einen Sollsaldo von 65.743,98 Euro auf und nach mehreren Kontobewegungen einschließlich der vorstehenden Zahlung einen Sollsaldo von 61.245,76 Euro am Ende des 04.04.2018.
213
32. Am 05.04.2018 überwies der Angeklagte insgesamt 41.915,45 Euro an Dritte und auf ein eigenes Konto.
214
Der Angeklagte überwies 4.518,00 Euro an die Landesjustizkasse Mainz und 12.397,45 Euro an das Finanzamt Mx.. Er überwies 25.000,00 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0, das zu Beginn des Tages einen Sollsaldo von 61.245,76 Euro aufgewiesen hatte und nach mehreren Kontobewegungen einschließlich des vorgenannten Zahlungseingangs sowie eines Abflusses in Höhe von 6.747,30 Euro an seine freie Mitarbeiterin, Rechtsanwältin K…, am Ende des 05.04.2018 einen Sollsaldo von 48.972,56 Euro aufwies.
215
33. Am 13.04.2018 überwies der Angeklagte 21.000,00 Euro auf sein Konto bei der H… mit den Endziffern ...3.
216
Dieses Konto hatte zu Beginn des 13.04.2018 einen Sollsaldo von 131.421,70 Euro aufgewiesen und wies nach Abfluss von 367,82 Euro, einem Zufluss von 11.000,00 Euro sowie dem vorgenannten Geldeingang einen Sollsaldo von 99.789,52 Euro am Ende des 13.04.2018 auf.
217
34. Der Angeklagte überwies am 17.04.2018 insgesamt 31.000,00 Euro (in drei Tranchen zu 22.000,00 Euro, 6.000,00 Euro und 3.000,00 Euro) auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0.
218
Das vorbenannte Konto wies zu Beginn des 17.04.2018 einen Sollsaldo von 67.526,24 Euro auf. Nach Eingang der vorgenannten Zahlungen sowie mehrerer Abflüsse, insbesondere einer Zahlung in Höhe von 15.000,00 Euro an die R… Rechtsanwaltsgesellschaft, wies das Konto am Ende des 17.04.2018 einen Sollsaldo von 68.191,20 Euro auf.
219
35. Am 24.04.2018 überwies der Angeklagte insgesamt 6.961,75 Euro (in drei Tranchen zu 1.578,98 Euro, 2.368,10 Euro und 3.014,67 Euro) auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0.
220
Das Konto wies zu Beginn des 24.04.2018 einen Sollsaldo von 68.246,90 Euro auf und nach Eingang der vorgenannten Zahlungen sowie mehrerer Abflüsse, einen Sollsaldo von 67.779,39 Euro am Ende des 24.04.2018.
221
36. Am 02.05.2018 überwies der Angeklagte insgesamt 31.090,25 Euro auf eigene Konten.
222
Der Angeklagte überwies 13.348,25 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0, das zu diesem Zeitpunkt einen Sollsaldo von 69.486,50 Euro aufwies und nach Eingang der Zahlung und mehreren Abflüssen am Ende des 02.05.2018 einen Sollsaldo von 62.643,99 Euro. Des Weiteren überwies der Angeklagte 17.742,00 Euro auf sein Konto bei der H… mit den Endziffern ...3, das zu diesem Zeitpunkt einen Sollsaldo von 99.983,23 Euro aufwies und nach Eingang der Zahlung und anderen Kontobewegungen einen Sollsaldo von 82.756,26 Euro am Ende des 02.05.2018.
223
37. Am 04.05.2018 überwies der Angeklagte 8.912,00 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0.
224
Dieses Konto wies bei Eingang der Zahlung einen Sollsaldo von 66.778,33 Euro und am Ende des 04.05.2018 einen Sollsaldo von 57.866,33 Euro.
225
38. Am 15.05.2018 überwies der Angeklagte insgesamt 34.815,00 Euro (in zwei Tranchen zu 23.900,00 Euro und 10.915,00 Euro) auf sein Konto bei der H… mit den Endziffern ...3.
226
Dieses Konto wies am Beginn des 15.05.2018 einen Sollsaldo von 123.038,54 Euro auf und nach Eingang der Zahlungen am Ende des 15.05.2018 einen Sollsaldo von 88.223,54 Euro.
227
39. Am 17.05.2018 überwies der Angeklagte 15.933,51 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0.
228
Dieses Konto wies bei Eingang der Zahlung einen Sollsaldo von 68.069,45 Euro auf und nach Eingang der Zahlung sowie einer Überweisung in Höhe von 15.000,00 Euro an die R… Rechtsanwaltsgesellschaft am Ende des 17.05.2018 einen Sollsaldo von 67.135,94 Euro.
229
40. Am 24.05.2018 überwies der Angeklagte 10.004,93 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0.
230
Dieses Konto wie bei Eingang der Zahlung einen Sollsaldo von 67.689,89 Euro auf und nach Eingang und Abflüssen einen Sollsaldo von 61.524,97 Euro am Ende des 24.05.2018.
231
41. Am 28.05.2018 überwies der Angeklagte 9.200,00 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0.
232
Dieses Konto wies zu Beginn des 28.05.2018 einen Sollsaldo von 61.524,97 Euro auf und nach dem Eingang der Zahlung und mehreren Abflüssen einen Sollsaldo in Höhe von 65.416,66 Euro am Ende des 28.05.2018.
233
42. Am 01.06.2018 überwies der Angeklagte 5.537,96 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0.
234
Dieses Konto wies zu Beginn des 01.06.2018 einen Sollsaldo von 68.650,43 Euro auf und nach mehreren Kontobewegungen einschließlich der vorgenannten Zahlung einen Sollsaldo von 66.397,52 Euro am Ende des 01.06.2018.
235
43. Am 05.06.2018 überwies der Angeklagte insgesamt 14.565,01 Euro auf eigene Konten.
236
Er überwies 10.115,00 Euro auf sein Konto bei der H… mit den Endziffern ...3. Dieses Konto wies zu Beginn des 05.06.2018 einen Sollsaldo von 89.606,09 Euro auf und nach Eingang der vorbenannten Zahlung einen Sollsaldo von 79.491,09 Euro am Ende des 05.06.2018.
237
Des Weiteren überwies er 4.450,01 Euro auf sein Konto bei der C… mit den Endziffern ...0. Dieses Konto wies bei Eingang der Zahlung einen Sollsaldo von 68.069,61 Euro auf (Sollsaldo zu Beginn des 05.06.2018 66.397,52 Euro zuzüglich einer Gutschrift in Höhe von 27,91 Euro und abzüglich einer Überweisung in Höhe von 1.700,00 Euro) und nach Eingang der Zahlung am Ende des 05.06.2018 einen Sollsaldo von 63.619,60 Euro.
238
44. Am 06.06.2018 überwies der Angeklagte 5.204,57 Euro auf sein Kreditkartenkonto bei der T….
239
In der Abrechnung des Kreditkartenkontos vom 20.06.2018 wurde ein Sollsaldo von der letzten Abrechnung in Höhe von 30.275,41 Euro vorgetragen, sodass sich unter Berücksichtigung von Belastungen in Höhe von 2.930,14 Euro, der vorbenannten Gutschrift in Höhe von 5.204,57 Euro und Sollzinsen in Höhe von 382,78 Euro ein neuer Endsaldo (Soll) von 28.383,76 Euro ergab, bei einem Verfügungsrahmen von 29.991,00 Euro.
3. Nachttatgeschehen
240
Nach Eingang des Vergleichsbetrages bei dem Angeklagten schickte Rechtsanwalt H… von der L… AG Ende April 2018 den Entwurf einer Endabrechnung an den Angeklagten, mit der Bitte, diesen noch nicht an Rechtsanwalt M… weiter zu leiten. Ende Juni 2018 schickte Rechtsanwalt H… eine Abrechnung, nach der die L… AG insgesamt etwa 282.000,00 Euro beanspruchte (etwa 66.000,00 Euro Kostenerstattung und etwa 216.000,00 Euro Erlösbeteiligung) und einen Erlös für Rechtsanwalt M… in Höhe von etwa 649.000,00 Euro netto und eine Vergütung für den Angeklagten in Höhe von etwa 28.000,00 Euro netto berechnet hatte. In der Folge drängte die L… AG zunehmend auf eine Zahlung, gegebenenfalls in Form einer Abschlagszahlung. Der Angeklagte wollte hingegen eine Zahlung möglichst hinauszögern, um das noch vorhandene Geld für eigene Zwecke zur Verfügung zu haben bzw. die bereits erfolgten zweckwidrigen Verwendungen zu vertuschen. Es kam in den darauffolgenden Wochen zu einem regelmäßigen Austausch zwischen dem Angeklagten, den Rechtsanwälten H… und Dr. B… von der L… AG und Rechtsanwalt Dr. K… betreffend eine Abschlagszahlung. Der Angeklagte teilte der L… AG regelmäßig mit, dass Rechtsanwalt M… keine Abschlagszahlung wünsche.
241
Am 01.10.2018 bat Rechtsanwalt H… auf Anweisung von Rechtsanwältin S… aus der Compliance-Abteilung der L… AG den Angeklagten per E-Mail, er möge sich bei ihm am 02.10.2018 melden. Am 02.10.2018 teilte der Angeklagte Rechtsanwalt H… mit, dass Rechtsanwalt M… keinen Vorschuss für die Insolvenzmasse wünsche und sich noch nicht entschieden habe, ob er eine Abschlagszahlung für die L… AG gutheiße.
242
Am 04.10.2018 kontaktierte die L… AG Rechtsanwalt M… erstmals direkt und begehrte eine Abschlagszahlung in Höhe von 200.000,00 Euro. Rechtsanwalt M… erklärte sich hiermit am 09.10.2018 einverstanden, wenn man sich einige, dass etwaige Überzahlungen ausgeglichen würden. Weder Rechtsanwalt M… noch die Verantwortlichen bei der L… AG wussten, dass die Gelder aus der Vergleichssumme bereits vollständig durch den Angeklagten verbraucht worden waren.
243
Mit Schreiben vom 09.10.2018 teilte Rechtsanwalt M… dem Angeklagten mit, dass er sich mit der L… AG dahingehend geeinigt habe, dass von dem bei dem Angeklagten vorhandenen Guthaben ein Teilbetrag in Höhe von 600.000,00 Euro an die Insolvenzmasse gezahlt werden sollen und 200.000,00 Euro an die L… AG. Die Beteiligten hätten sich wechselseitig verpflichtet, etwaige Überzahlungen auszugleichen. Er wies den Angeklagten an, die Überweisungen auf ein näher bezeichnetes Sonderkonto der Insolvenzschuldnerin zu tätigen.
244
Der Angeklagte schickte am 19.10.2018 ein Schreiben an Rechtsanwalt M…, in dem er ausführte, dass der Prozessfinanzierungsvertrag nichtig sein könnte und damit die Auszahlung an die L… AG mit rechtlichen Risiken verbunden sei. Er bat Rechtsanwalt M…, vor diesem Hintergrund zu prüfen, ob die gewünschte Abschlagszahlung tatsächlich ausgereicht werden solle. Rechtsanwalt M… konnte sich auf dieses Schreiben, das ausschließlich der Vertuschung der kriminellen Handlungen des Angeklagten diente, keinen Reim machen.
245
Am 19.10.2018 kam es zu einem Telefonat zwischen Rechtsanwalt M… und der Leiterin der Stabsstelle Compliance der L… AG, Rechtsanwältin S…, in dem beide einander darüber informierten, dass sie jeweils noch kein Geld erhalten hatten.
246
Am 23.10.2018 wurde der Insolvenzverwalter Rechtsanwalt M… von dem jetzigen Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Dr. N…, und dem Angeklagten aufgesucht. Der Angeklagte behauptete wahrheitswidrig, die C… habe seine Auszahlungsansprüche mit eigenen Ansprüchen gegen ihn verrechnet. Dies bedauere er, aber man habe bereits eine Lösung mitgebracht. Er könne zeitnah eine Zahlung in Höhe 300.000,00 Euro leisten und im Anschluss sechs jährliche Raten in Höhe von 50.000,00 Euro. Als Rechtsanwalt M… danach fragte, was mit den weiteren 200.000,00 Euro sei, die dann noch offen seien, legten der Angeklagte und Rechtsanwalt Dr. N… ihm nahe, dass diese Summe ja etwa dem Anteil der L… AG entspräche, der aufgrund des nichtigen Prozessfinanzierungsvertrags nicht bezahlt werden müsse. Als Rechtsanwalt M… hierauf entgegnete, dass es in diesem Falle ja dann wohl Geld sei, das der Masse zustehe, fragte der Angeklagte zurück, wo da der Sanierungsgedanke bleibe.
247
Rechtsanwalt M… verlangte daraufhin als Bedingung für einen Vergleichsabschluss mit dem Angeklagten, dass der Angeklagte in der nächsten Woche 300.000,00 Euro und einen Beleg, dass die Mittel aus der Vergleichszahlung noch vorhanden seien, beibringe, sowie eine Auskunft über die Vermögensverhältnisse des Angeklagten.
248
Der Angeklagte übersandte Anfang November 2018 per E-Mail eine Vermögensauskunft an Rechtsanwalt M…. Im Anschreiben teilte der Angeklagte mit, dass die zugesagte Vermögensauskunft „alle relevanten Daten“ enthalte „mit Ausnahme der aktuell benannten beiden Fremdkontenfälle“ (gemeint waren R… und M…). Aus der Vermögensauskunft ging insbesondere hervor, dass der Angeklagte über Geschäftsinventar im Wert von bis zu 3.000,00 Euro verfüge, sowie ein Leasing-Fahrzeug Jaguar F-Pace, das monatlich 500,00 Euro koste. Er gab an, über keine Grundstücke, grundstücksgleichen Rechte oder Rechte an Grundstücken zu verfügen. Er verfüge über eine Risikolebensversicherung ohne Rückkaufswert sowie einen Genossenschaftsanteil an der Raiffeisenbank K… in Höhe von 100,00 Euro.
249
Der Angeklagte teilte mit, dass er derzeit vier Mandantenforderungen offen habe, zwei davon gab er in Höhe von etwa 45.000,00 Euro an, die nicht bezahlt würden wegen anderer Streitigkeiten bzw. weil sie nach Höhe und RVG-Ansatz bestritten seien. Der Angeklagte gab weiter an, dass er möglicherweise 10.000,00 Euro bis 20.000,00 Euro als Erfolgshonorar für einen noch offenen Rechtsstreit in den USA erhalte. Die Höhe der Forderung bemesse sich aus 10 % des Eingangs, der zwei Millionen US-Dollar überschreite. Des Weiteren nannte der Angeklagte eine weitere Forderung in Höhe von etwa 10.000 Euro, die fällig werde, wenn ein Vergleich nicht widerrufen werde. Weitere Vermögensgegenstände nannte die Aufstellung nicht.
250
Der Angeklagte benannte, dass er eigene Forderungen an Dritte abgegeben habe, im Jahr 2017/05 (Factoring) und ergänzte dies mit: „Vergleichswert aktuell: EUR 240 TSD“.
251
Unter dem Stichwort „Gläubiger- und Forderungsverzeichnis“ gab der Angeklagte folgende Forderungen gegen sich an: U… AG, Darlehen, 151.127,99 Euro („gestundet, teilw. nicht fällig“), C… AG, Darlehen, 73.729,87 Euro („Dispolinie, nicht fällig“), Raiffeisenbank K… eG, Darlehen, 5.047,52 Euro („fällig“), D…, Kreditkarte L…, 73.561,57 Euro („gestundet“ […]), T… Kreditkarte, 31.696,61 Euro (fällig), Finanzamt Mx., offene Steuer, „derzeit noch“ 102.916,03 Euro („aber Ausgleich durch Erstattungsanspruch in Bearbeitung“), R… Rechtsanwaltsgesellschaft, Factoring, „bis EUR 173.382,90“ („gestundet, genaue Höhe von Vergleich P… abhängig“), S… & P… GbR, Beratung/Prozess, 19.248,27 Euro („gestundet […]“), Bayerische Versorgungskammer, Anwaltsversorgung, 6.075,19 Euro, Martin B…, Darlehen, 23.920,00 Euro zzgl. Zinsen („gestundet […]“), Johannes S…, Darlehen, 50.000,00 Euro („gestundet“).
252
Daneben gab der Angeklagte „Kleinforderungen bis zu 5.000,00 Euro nach bestem Wissen“ an, die sich laut gesonderter Excel-Tabelle auf etwa 17.500,00 Euro beliefen. Angaben zu Verbindlichkeiten gegenüber Rechtsanwältin R… oder Rechtsanwalt Dr. D… (Ziffern 1 und 2 der Anklageschrift vom 28.05.2020; eingestellt gem. § 154 Abs. 2 StPO) enthielt die Übersicht nicht.
253
Gegenüber Rechtsanwalt M… erwähnte der Angeklagte im Zusammenhang mit der Übermittlung der Vermögensübersicht erstmals, dass wohlhabende Freunde möglicherweise einspringen und die Forderung des Insolvenzverwalters gegen den Angeklagten erwerben könnten. Einen Beleg für das Vorhandensein der Vergleichssumme legte der Angeklagte nicht vor.
254
Zahlungen des Angeklagten erfolgten auch in der Folgezeit nicht, weder an Rechtsanwalt M… noch an die L… AG. Die L… AG zahlte dem Angeklagten keine Erfolgsprämie aus dem Rahmenvertrag.
255
Am 05.11.2018 erstattete Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG Strafanzeige gegen den Angeklagten. Er hatte einen solchen Schritt am 01.11.2019 gegenüber dem Angeklagten dahingehend angedeutet, dass er, falls er bis morgen die Kontoauszüge nicht erhalte, das zu veranlassen, was ihm richtig erscheine. Der Angeklagte erfuhr von der Strafanzeige erst mit seiner Verhaftung.
256
Im Insolvenzverfahren gegen den Angeklagten meldete Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG aus eigenem Recht Forderungen in Höhe von 875.000,00 Euro aus dem Forderungsgrund „vorsätzliche unerlaubte Handlung“ an. Im Prüfungstermin widersprach der Angeklagten dem Bestehen der Forderung und dem Forderungsgrund.
257
Am 17.07.2019 schlossen die L… AG und Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e eine Vereinbarung, die zum Gegenstand hatte, dass die L… AG die gem. § 6 des Prozessfinanzierungsvertrags sicherungshalber abgetretenen Ansprüche an den Insolvenzverwalter „rechtlich endgültig“ zurück abtrat. Die L… AG hat sämtliche Forderungen im Zusammenhang mit dem Tatkomplex „Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG“ abgeschrieben.
258
In der Folge nahm Rechtsanwalt M… den Antrag auf Feststellung zur Tabelle teilweise zurück und es wurden 851.740,06 Euro zur Tabelle festgestellt. Der Widerspruch des Angeklagten gegen den Forderungsgrund blieb aufrechterhalten.
259
In einer Vereinbarung vom 14.09./15.09.2020 kamen die L… AG und Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG vorsorglich und ergänzend zu der Abtretungsvereinbarung vom 17.07.2019 überein, dass die L… AG sämtliche ihr gegen Dr. Oliver B… zustehende Ansprüche im Zusammenhang mit dem zweckwidrig verwendeten Geldbetrag in Höhe von 851.740,06 Euro an Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG abtrete.
260
Mit Endurteil vom 02.02.2021 im Verfahren Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG gegen Dr. Oliver B… stellte das Landgericht München I fest, dass der im Insolvenzverfahren gegen den Angeklagten vom Kläger angemeldeten und zur Insolvenztabelle festgestellten Forderung in Höhe von 851.740,06 Euro eine vorsätzliche unerlaubte Handlung zugrunde liege. Hiergegen legte der Angeklagte Berufung ein. Am 21.10.2021 erließ das Oberlandesgericht München einen Beschluss mit dem Inhalt, dass es beabsichtige, die Berufung gegen das Urteil gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Angeklagte ließ Fristverlängerung zur Stellungnahme bis Mitte Dezember beantragen. Zum Ende der Hauptverhandlung lag keine Entscheidung des Oberlandesgerichts München vor.
IV. Sonstige Feststellungen
261
Der Angeklagte war bei Begehung der Taten voll schuldfähig.
262
Nach der Verhaftung des Angeklagten unterstützten mehrere Freunde die Familie des Angeklagten mit kleineren Geldbeträgen. So beglich der Zeuge S… Rechnungen der Familie in Höhe von etwa 10.000,00 bis 15.000,00 Euro (Kindergarten, Handwerker …). Der Zeuge K…, Steuerberater des Angeklagten, unterstützte die Familie mit kleineren Geldbeträgen, insgesamt etwa 1.000,00 bis 1.500,00 Euro. Eine Rückzahlung ist bislang nicht erfolgt. Der Zeuge Dr. K… stellte der Familie ein Fahrzeug unentgeltlich zum Gebrauch zur Verfügung, welches bei einem Unfall zerstört wurde.
263
Der Angeklagte hat noch Ausstände in Höhe von etwa 5.000,00 Euro gegenüber seiner früheren freien Mitarbeiterin, Rechtsanwältin Joanna K…, die diese nicht zur Insolvenztabelle angemeldet hat.
D. Beweiswürdigung
I. Beweiswürdigung bezüglich der persönlichen Verhältnisse
264
Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen, zum Werdegang und zu Alkohol- und Drogenkonsum sowie zum Gesundheitszustand beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung. Sie wurden in einzelnen Punkten durch die Zeugen bestätigt.
265
Der Zeuge Rechtsanwalt Dr. B… bestätigte die Zusammenarbeit in der Kanzleigemeinschaft B…/W…/B… in den Jahren 2007 bis 2011. Der Zeuge Rechtsanwalt Dr. K… konnte glaubhaft bestätigen, dass der Angeklagte in den Jahren 2017/2018 mit S… & P… in Verhandlungen stand und die Aufnahme des Angeklagten als Partner maßgeblich daran gescheitert war, dass der Angeklagte einen Rückzieher gemacht hatte. Dass das vom Angeklagten angemietete Haus in Pu., wie von diesem in der Hauptverhandlung angegeben, als künftiger Mx.er Standort von S… & P… fungieren hätte sollen, verneinte der Zeuge glaubhaft und überzeugend. Der Zeuge machte detaillierte Angaben, die auch belastbar waren, da der Zeuge für den betreffenden Zeitpunkt als „Bereichsleiter Recht“ bei S… & P… tätig war. Der Zeuge schilderte glaubhaft, dass die Kanzlei S… & P… mit dem Konzept eines umfassenden Dienstleistungsspektrums in Mx.-Mo. wirtschaftlich keinen Erfolg gehabt habe. Die Wiederbelebung des Mx.er Standorts hätte mit einer „kleinen und feinen“ repräsentative Niederlassung in exklusiver Lage in Mx. einhergehen sollen, um das Nischenprodukt „Dienstleistungen für Insolvenzverwalter“ herausgehoben anbieten zu können. Ein Standort in Pu. wäre mit diesem Konzept nicht in Einklang zu bringen.
266
Die Feststellungen zur Zusammenarbeit der Kanzlei W… mit dem Angeklagten beruhen auf dessen glaubhaften Angaben.
267
Die Feststellungen zum (fehlenden) strafrechtlichen Vorleben beruhen auf der verlesenen Auskunft aus dem Bundeszentralregister.
II. Beweiswürdigung bezüglich des Sachverhalts
268
Die Sachverhalt steht fest aufgrund der geständigen Einlassung des Angeklagten, der in tatsächlicher Sicht eingeräumt hat, die Gelder in Kenntnis seiner Pflichten als Rechtsanwalt für eigene Zwecke verwendet zu haben und insbesondere im Rahmen der polizeilichen Vernehmung eingeräumt hatte, dass er zu einem Ausgleich der abverfügten Gelder mit eigenen Mitteln nicht in der Lage war. Diese Angaben hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung im Wesentlichen bestätigt. Der Angeklagte verwies in der Hauptverhandlung indes neben den rechtlichen Argumenten nunmehr (im Gegensatz zu den Angaben bei der Polizei) wiederholt auf von ihm zum Zeitpunkt der Taten erwartete Einnahmen, die sich - für ihn teilweise nicht vorhersehbar - dann nicht realisiert hätten.
269
Eine Gesamtbetrachtung der finanziellen Situation des Angeklagten, maßgeblich die Auswertung der Bewegungen und Salden der privaten und Geschäftskonten des Angeklagten, welche im Wege des Selbstleseverfahrens, der Verlesung und der Vernehmung der mit der Auswertung beschäftigten Polizeibeamten EKHK P… und KHKin S… eingeführt wurden, ergab indes, dass der Angeklagte im Vorfeld der Taten, ab 2015 punktuell, aber besonders ab Anfang 2017 bereits Liquiditätsengpässe hatte und mit neu eingehenden Geldern umgehend „Löcher stopfte“. Zum Zeitpunkt der Taten ab September 2017 erwies sich die finanzielle Situation des Angeklagten dann als prekär. Im Sommer 2017 hatte er (erneut) mehrere Privatdarlehen aufgenommen, wie auch die Einvernahme des Zeugen H… aus dem privaten Umfeld des Angeklagten bzw. die Verlesung entsprechender Darlehensverträge bestätigte.
270
Der Angeklagte wäre, als er die Taten beging, zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen, die von ihm abverfügten Gelder zeitnah aus eigenen Mitteln zurückzuführen und er wusste dies auch. Soweit der Angeklagte Geldquellen aus Mandaten (Rechtsanwalt P…, K…) oder infolge des Zusammenschlusses seiner Kanzlei mit einer größeren Einheit (S… & P…, W…) in den Raum gestellt hatte, hat die Kammer die Beweise erhoben, den Sachverhalt ausgeleuchtet und kam jeweils zu dem Schluss, dass sich die Geldquellen im Zeitpunkt der Tatbegehung als nicht (mehr) tragfähig erwiesen und für den Angeklagten offensichtlich nicht geeignet waren, seine Zahlungsfähigkeit auch nur kurzfristig wieder herzustellen. Einen konkreten Plan, wie der Angeklagte die von ihm abverfügten Gelder ersetzen hätte wollen, brachte der Angeklagte der Kammer nicht zur Kenntnis.
271
Zum Abschluss der Factoring-Vereinbarung mit R… Rechtsanwälte hat die Kammer insoweit ein ehemaliges (J… P…) und ein aktuelles (S… R…) Vorstandsmitglied gehört. Die sachverständigen Zeugen Rechtsanwalt Dr. A und Rechtsanwalt P… konnten insbesondere die Entwicklung der Kanzleieinnahmen und -ausgaben sowie den Stand des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Angeklagten darstellen.
272
Zu den verfahrensgegenständlichen Untreuetaten hat die Kammer neben den Insolvenzverwaltern Rechtsanwältin R… und Rechtsanwalt M… Zeugen der L… AG (Rechtsanwalt Dr. B…, Rechtanwalt H…, Rechtsanwältin Gabriela S…) gehört und hat durch diese ein umfassendes Bild insbesondere zur Vorgeschichte und zum Nachtatgeschehen gewonnen. Sämtliche Zeugen bestätigten, dass der Angeklagte nach den Taten durch Hinhalten und durch je unterschiedliche Angaben gegenüber unterschiedlichen Beteiligten möglichst lange versuchte, das Verschwinden der Gelder zu vertuschen.
1. Einlassung des Angeklagten
a. Angaben bei der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung
273
Der Angeklagte wurde am 12.02.2019, als er sich noch in Untersuchungshaft befand, von der kriminalpolizeilichen Sachbearbeiterin KHKin S… im Beisein seiner Verteidiger, Rechtsanwalt R… und Rechtsanwalt Dr. N…, vernommen. Die Polizeibeamtin gab gegenüber der Kammer an, dass dem Angeklagten die Vorwürfe gegen ihn eröffnet worden war, namentlich im Tatkomplex R… als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der r… GmbH einen Betrag veruntreut zu haben, den die Polizei zu diesem Zeitpunkt auf 663.415,65 Euro bezifferte, sowie im Tatkomplex M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG einen Betrag veruntreut zu haben, den die Polizei zu diesem Zeitpunkt auf 875.000,00 Euro bezifferte.
274
Die Zeugin berichtete glaubhaft, dass der Angeklagte angegeben habe, die Verwendungszwecke für die Überweisungen von jenen Konten, auf denen sich das Geld befunden hatte, fingiert zu haben. Der Angeklagte habe die Betreffs der jeweiligen Überweisungen rein willkürlich gewählt, um die Überweisungen für die Buchhaltung plausibel zu machen. Der Angeklagte gab ihr gegenüber an, dass acht Überweisungen am 07.09.2017 in Höhe von insgesamt 75.000,00 Euro aus dem Grund gestückelt worden waren, weil das Online-Banking zu diesem Zeitpunkt keine größeren Überweisungen zuließ. Die Zeugin schilderte, dass der Angeklagte am 13.09.2017 eine Überweisung in Höhe von 71.782,00 Euro auf ein Geschäftskonto der Raiffeisenbank K getätigt hatte und ihr gegenüber eingeräumt hatte, dass ihm das Geld nicht zugestanden habe. Er habe die Überweisung getätigt, um das Konto auszugleichen.
275
Der Angeklagte habe ihr gegenüber eingeräumt, dass ihm abverfügte Gelder in Höhe von 433.535,53 Euro (nach damaliger Berechnungsweise der Polizei) in der Sache R… nicht zugestanden hätten. So seien 787.578,75 Euro eingegangen und später die Gerichtskostenerstattung in Höhe von 71.872,00 Euro eingegangen und er habe alle Abflüsse, mit Ausnahme der Auskehr an die Insolvenzverwalterin in Höhe von 268.368,44 Euro, eines gegengerechneten Honoraranspruchs in Höhe von etwa 49.000,00 Euro sowie einer weiteren Zahlung an die Insolvenzverwalterin R… in Höhe von etwa 107.000 Euro ungerechtfertigt verursacht. Der Angeklagte gab gegenüber KHKin S… an, dass er die Zahlung der Al… in Höhe von 787.578,75 Euro darauf zurückführe, dass er am 16.08.2017 eine E-Mail an die Anwälte der Versicherer geschickt gehabt habe, in der er beide aufgefordert habe, die jeweils anteiligen Vergleichszahlungen auf sein Konto zu leisten. Der Angeklagte erklärte gegenüber KHKin S…, dass es in den letzten Jahren immer so gewesen sei, dass Vergleichszahlungen über sein Konto abgewickelt worden seien und dass ihm als Prozessanwalt auch die Gerichtskostenvorauszahlung überwiesen worden sei. Frau R… sei die erste Insolvenzverwalterin gewesen, die mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden gewesen sei. Dies habe sie ihm mitgeteilt. Ihm sei aber von seinem Sekretariat lediglich die Vergleichsvereinbarung, aber nicht das Anschreiben der Insolvenzverwalterin mit der Kontonummer des Insolvenzanderkontos, übermittelt worden.
276
Zum Tatkomplex Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG äußerte der Angeklagte gegenüber KHKin S…, dass er nur zwei Überweisungen (16.853,36 Euro an die Landesjustizkasse Bamberg am 14.06.2018 und am 11.05.2018 6.406,58 Euro an F… und P…) als nicht zweckwidrig ansehe. Sämtliche andere Überweisungen habe er zweckwidrig, teilweise als Honorar deklariert, für sich verwendet, obwohl er darauf keinen Anspruch gehabt habe.
277
KHKin S… gegenüber äußerte der Angeklagte, dass er die Insolvenz seiner Kanzlei darauf zurückführe, dass ein als sicher angesehenes Honorar von Rechtsanwalt P… in Höhe von rund 600.000,00 Euro nicht bezahlt worden sei.
278
Ihm sei bewusst gewesen, dass die jeweilige Verwendung der Geldbeträge zweckwidrig gewesen sei und dass ihm auch bereits damals bewusst gewesen sei, dass er keine andere Geldquelle gehabt habe, um diese zweckwidrigen Verwendungen jeweils auszugleichen.
b. Einlassung des Angeklagten vor der Kammer
279
Der Angeklagte ließ verlautbaren, dass er in den Tatkomplexen Rechtsanwältin R… als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der r… GmbH („R…“) und Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG („M…“) nicht bestreite, über Geld verfügt zu haben, das ihm nicht gehörte. Er sei sich klar darüber gewesen, dass er dies nicht tun habe dürfen. Weil er das gewusst habe, habe er die Konsequenzen gezogen und seine Zulassung als Rechtsanwalt zurückgegeben. Er wolle sich nicht als unschuldig hinstellen. Er sei aber in rechtlicher Hinsicht der Ansicht, dass eine Untreue nicht vorliege. Es werde insoweit ein Freispruch beantragt werden.
280
Der Angeklagte ließ durch seinen Verteidiger Rechtsanwalt Dr. N… die aus seiner Sicht zutreffende rechtliche Argumentationslinie in den Tatkomplexen „R…“ und „M…“ darstellen. So führe die Sicherungsabtretung im Prozessfinanzierungsvertrag jeweils dazu, dass das „Geld“ solches der L… AG und nicht der Mandanten R… und M… sei. Dies gelte auch, wenn die Einzugsermächtigung bei dem Insolvenzverwalter liege. Mit dem Vergleich und der Zahlung des „Drittschuldners“ an den Angeklagten sei auch schon das „Ende der Geschichte“ erreicht. Ob für die L… AG eine Vermögensbetreuungspflicht bestanden habe, müsse in der Beweisaufnahme geklärt werden. Die erste Kernfrage laute daher, wer wem gegenüber zur Vermögensbetreuung verpflichtet sei. Die zweite Kernfrage sei, ob im Hinblick auf die Insolvenzverwalterin R ein Schaden entstanden sei; möglicherweise stehe ihr ein Anspruch auf (erneute) Zahlung gegen die Al… zu. Im Übrigen sei nach der Strafbewehrung der Betreuungspflichten zu fragen. Eine Pflicht zur Weiterleitung von Mandantengeldern bestehe nur im Berufsrecht.
281
Die „Drittschuldner“ - der Angeklagte meinte die Vergleichsgegner in den jeweiligen Rechtsstreiten - hätten von der Abtretung an die L… AG gewusst. Die L… AG sei auch beteiligt gewesen. Die „Drittschuldner“ hätten nicht die Absicht gehabt, an den Angeklagten zu zahlen. Sie hätten gewusst, dass sie an die L… zahlen mussten.
282
Der Angeklagte machte umfangreiche Ausführungen zur Honorarstreitigkeit mit Rechtsanwalt P… als Insolvenzverwalter der „R… GmbH“. Es gebe einen Honorarunterschied zwischen einem Rechtsanwalt und einem Insolvenzverwalter: Während der Rechtsanwalt in der Regel nach RVG-Grundsätzen abrechne, stehe es dem Insolvenzverwalter frei, Gebühren für die Beauftragung Dritter aus der Masse zu begleichen oder auf eigene Kosten zu übernehmen und im Gegenzug bei der Endabrechnung einen Vergütungszuschlag zu erheben.
283
Die finanzielle Schieflage seiner Kanzlei rühre maßgeblich daher, dass er ab Dezember 2015 und auch über das Jahr 2016 hindurch ein großes anfechtungsrechtliches Mandat (Umsatzsteuerkarussell) für den Insolvenzverwalter Rechtsanwalt P… bearbeitet habe, in dem es um Insolvenzansprüche der „R… GmbH“ gegen die D… gegangen sei. Im Zusammenhang mit dem Umsatzsteuerkarussell habe der Angeklagte in Absprache mit dem Insolvenzverwalter P… ein Strafverfahren in Frankfurt beobachten müssen und er habe, damit nicht alle klagenden Insolvenzverwalter „mit herunter fallen“, einen Insolvenzverwalter vor dem Oberlandesgericht Frankfurt unterstützen müssen (Insolvenzverwalter Rechtsanwalt W… gegen die V… GmbH). Nach der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht habe der Chefsyndikus der D… noch im Sitzungssaal Kontakt mit ihm aufgenommen, um (nur) ihn zu Vergleichsverhandlungen im Turm der D… einzuladen. Der Angeklagte habe im Ergebnis, nach anfänglicher Blockade des klägerseits beteiligten Bundeslands Hessen, einen Vergleich auf Grundlage seiner Zahlen auf den Weg gebracht, der die Zahlung von 140 Millionen für alle drei klagenden Insolvenzverwalter vorsah.
284
An diesem Punkt habe sich Insolvenzverwalter P… eingeschaltet und sei „letztendlich auf die Idee gekommen“, dass der Angeklagte in der Sache „W…“ nicht tätig geworden sei und er keine Vergütung zu beanspruchen habe. Seinerseits habe P… einen Zuschlag auf die Grundvergütung des Insolvenzverwalters erhoben. Dass er „ausgeschnitten“ worden sei, sei in der kleinen Szene der Insolvenzverwalter im Übrigen nicht unbekannt geblieben und ein Ministerialbeamter aus Hessen habe sogar bei Rechtsanwalt P… anrufen lassen, um mitzuteilen, dass das eine „Sauerei“ sei. Als er - der Angeklagte - gedroht habe, in den anderen Verfahren für Rechtsanwalt P… das Mandat niederzulegen, habe dieser Druck über die Rechtsanwaltskammer ausgeübt; er sei von dieser in einem Schreiben informiert worden, dass er die anderen Verfahren fortführen müsse. Er habe das Verfahren zwei Jahre lang vorfinanziert und sei auf das Geld angewiesen gewesen.
285
Dass er die Privatdarlehen ab 2015 aufgenommen habe, sei „Chaotismus“ gewesen. Es sei ihm nicht wert gewesen, zwei Wochen seiner Zeit zu opfern, um einen Kontokorrentkredit zu erhöhen, und dies mit zweifelhaftem Ergebnis.
286
Die privaten Entnahmen aus der Kanzlei seien in den Vorjahren immer konstant geblieben. 2016 seien Steuervorauszahlungen in Höhe von 280.000 Euro angefallen.
287
Er verstehe den Vorwurf, dass er sich bei den Ausgaben nicht eingeschränkt habe. Es stehe völlig außer Streit, dass er zu viel Geld ausgegeben habe.
288
Die Ausgaben im Zusammenhang mit einem sechswöchigen Amerika-Aufenthalt Ende 2017 rührten aus einem erbschaftsrechtlichen Mandat in den USA. Er habe versucht, für ein Polizistenehepaar aus A2. den der Frau zustehenden Anteil an einer 15-Millionen-Dollar-Erbschaft zu realisieren. Dafür seien Vorarbeiten in den USA unabdingbar gewesen, die Haupterbin sei flüchtig, („on the run“), gewesen. Der Wert der Erbschaft K seien 5 Millionen Dollar gewesen. Es gebe eine Honorarvereinbarung mit einer prozentualen Beteiligung („percentage deal“). Er habe dort ein Haus in Uni-Nähe in Los Angeles gemietet, um seine Familie dabei zu haben. Für 13.000 Euro sei es das mitunter Günstigste gewesen, was er auftreiben habe können. Die Investition habe sich nicht gerechnet, da ein Vergleich mit der Haupterbin knapp gescheitert sei und die vereinbarte Erfolgsprovision nicht fließen habe können. Den Gedanken, ohne die Familie hin zu fahren, habe zu diesem Zeitpunkt keiner gehabt.
289
Im Herbst 2017 sei sein Leitgedanke gewesen, die Kanzlei zu retten. Diese sei in dem Jahr 14 Jahre alt geworden, sie sei „sein Kind“ gewesen. Sie habe keinen Fehler gehabt. Er habe bei der Weihnachtsfeier zu seinen Mitarbeitern gesagt, er wisse nicht, ob die Kanzlei überlebe. Die Rettung der Kanzlei sei sein Fokus gewesen. Ein Weg hierfür sei gewesen, die Einzeltätigkeit aufzugeben und in einer größeren Einheit unterzukommen. Ihm sei es darum gegangen, den Goodwill von etwa einer Millionen Euro am Markt unterzubringen und zu realisieren. Er hätte im Mai 2018 Standortleiter für die Kanzlei S… & P… in Mx. werden können, die Verträge seien unterschriftsreif gewesen. Er wurde davon nur abgehalten, weil die Kanzlei W… ihm ein besseres Angebot gemacht habe.
290
Das Haus in Pu. habe er gemietet, weil S… & P… dort ihren neuen Standort für Mx. einrichten hätten wollen; die hätten ihr ganzes Mx.er Büro verloren. Er habe die Kosten für Kanzlei (5.000,00 Euro monatlich) und privat (3.400,00 Euro monatlich) halbiert, sie hätten im Januar oder Februar 2018 die Wohnung in Kitzbühel abgegeben, keiner sei mehr in den Urlaub gefahren und man habe versucht, alles einzuschränken. Man habe den Gärtner nicht mehr in Anspruch genommen.
291
Im Nachhinein sei seine Vorstellung, das Geld binnen weniger Wochen von Rechtsanwalt P… zu bekommen, viel zu optimistisch gewesen. Seine Kanzlei sei an dem Streit mit P… zugrunde gegangen. Er habe nie die anderen verantwortlich gemacht und sich bei allen entschuldigt.
292
Auf Nachfrage zu einer Überweisung an „La. S…“ im Februar 2018 in Höhe von 2.000,00 Euro äußerte der Angeklagte, dies sei im Zusammenhang mit dem Prozess gegen die D… gewesen. Es sei darum gegangen, die Verbindung zwischen dem Geschäftsführer der insolventen B…-GmbH des Umsatzsteuerkarussells in Mx. und der D… herzustellen. Sie hätten da Rumänen engagiert, die angegeben hätten, Videobänder zu haben; er kenne die Dame nicht, aber da behauptet worden sei, es handle sich um Auslagen, habe er das überwiesen.
293
Mit der Offenlegung, dass er P… verklagen müsse, hätten seine Geschäftsbanken „kalte Füße“ bekommen. Die H… habe ihm angekündigt, dass, wenn die „Kohle von P…“ nicht komme, sie 0 Euro Einkünfte ansetzen werde. Sie habe ihn daher dazu gezwungen, den Dispokredit um monatlich 10.000,00 Euro zu reduzieren.
294
Wenn er bei S… & P… angefangen hätte, wäre es das beste Jahr seiner Kanzlei geworden. Aus heutiger Perspektive sei es illusorisch gewesen, seine Schulden so schnell zu tilgen. Es sei völlig richtig, dass er das Geld nicht anrühren hätte dürfen. Aus der Retrospektive sei sein Lebensstandard viel zu sportlich und riskant gewesen. Er hätte es nicht verantworten können, mit seiner Frau, die 2015 noch studiert habe, ins Risiko zu gehen, beispielsweise durch einen Immobilienerwerb.
295
Die Fehler in der Kanzlei seien Kardinalfehler gewesen, für die er allein verantwortlich sei. Wenn er an einem Tag Gelder abverfügt habe, seien sämtliche Abverfügungen dieses Tages aufgrund eines Tatentschlusses erfolgt.
296
Der Angeklagte äußerte, dass er bei S… & P… 400.000,00 Euro jährlich bekommen hätte, bei W… wären es 700.000,00 Euro jährlich gewesen, die er in monatlichen und vierteljährlichen Abschlagszahlungen erhalten hätte. Es sei mit seiner Kanzlei immer bergauf gegangen, es sei ein Seiltanz gewesen und er sei betriebsblind geworden. Er habe es nicht kommen sehen, dass Rechtsanwalt P… ihn nicht bezahlen würde für die Sache R… GmbH.
297
Der Angeklagte äußerte zum Tatkomplex M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG, dass in diesem Fall lediglich das Sicherungsgut der L… AG geschädigt gewesen sei. Erst wenn die L… AG die Freigabe der abgetretenen Forderung erteilt hätte, hätte Rechtsanwalt M… geschädigt sein können. In dem Moment, als die Schädigungen eintraten, habe dieser die Gelder nicht zur Verfügung gehabt.
298
Tatsache sei, dass „der M…“ nach aktuellem Stand des Insolvenzverfahrens mehr in seine Masse bekomme, als ihm ursprünglich zugestanden habe. Am Ende bekomme er sogar die vollen 851.000 Euro. Wenn das Insolvenzverfahren mit einer Quote von 80 % oder 100 % ende, habe er mehr bekommen. Der Vermögensschaden sei „jetzt unter 0“.
299
Der Angeklagte reichte im Komplex gegen die R… Rechtsanwaltsgesellschaft nach, dass er davon ausgegangen sei, dass die R… Rechtsanwaltsgesellschaft 175.000,00 Euro im echten Factoring vorfinanziert habe. Aus dem Vergleich mit Rechtsanwalt P…, der auf 200.000,00 Euro netto gelautet habe, hätten R… etwa 70.000,00 Euro zugestanden, der Rest sei für ihn gewesen. Der Angeklagte machte dies an einer E-Mail fest, die er an die R… Rechtanwaltsgesellschaft gesendet hatte, und in der er zu „Splitbeträgen“ in Höhe von 42,85 % zugunsten der R… Rechtsanwaltsgesellschaft und in Höhe von 67,15 % zu seinen Gunsten ausgegangen war. Das ergebe sich aus seiner Abrechnung. Eine explizite Vereinbarung mit R… habe es hierzu aber nicht gegeben.
300
Bei dem Abschluss der Auflösungsvereinbarung mit der R… Rechtsanwaltsgesellschaft sei es nicht darum gegangen, Schulden abzutragen, sondern freie Liquidität zu schaffen. Es wäre „wirtschaftlich unvernünftig“ gewesen, Schulden zu tilgen.
301
Der Angeklagte führte die Kammer durch eine Power-Point-Präsentation: Er führte aus, dass die Zahlung der Gegenseite im Tatkomplex Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG in das Vermögen der L… AG erfolgt sei. Dies folge aus den Regeln der offen gelegten Sicherungszession; der Anspruch gegen den Prozessgegner habe bei der L… AG „gehangen“ und der Insolvenzverwalter hätte nur die Freigabe des Übererlöses von der L… AG verlangen können. Infolgedessen hätten die Abverfügungen des Angeklagten auch nur einen mittelbaren Schaden des Insolvenzverwalters herbeiführen können.
2. Anwaltliche Tätigkeit und wirtschaftliche Verhältnisse
302
Die Feststellungen zur anwaltlichen Tätigkeit, insbesondere zur Spezialisierung des Angeklagten, beruhen überwiegend auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten.
a. Zusammenarbeit des Angeklagten mit der L… AG
303
Die Angaben des Angeklagten zur Zusammenarbeit mit der L… AG seit 2005 bis 2018 wurden bestätigt durch die umfassenden und glaubhaften Angaben der Zeugen Rechtsanwalt H… und Rechtsanwalt Dr. B…. Letzterer wusste insbesondere zum Zustandekommen des Rahmenvertrages zwischen dem Angeklagten und der L… AG Wahrnehmungen beizutragen. Der Rahmenvertrag wurde in der Hauptverhandlung verlesen. Rechtsanwalt Dr. B… bestätigte, dass die Erlöse aus den Rechtsstreitigkeiten, mit denen der Angeklagte mandatiert war, ausschließlich auf dessen Konten flossen und von dort aus an die Mandanten und die L… AG verteilt werden sollten. Der Zeuge Dr. B… äußerte glaubhaft, dass diese Praxis den Regelungen der jeweiligen Prozessfinanzierungsverträge regelmäßig entgegenstand, jahrelang reibungslos funktionierte und von den Insolvenzverwaltern nicht beanstandet wurde.
304
Die Zahlung auf das Rechtsanwaltsanderkonto sei in den „normalen“ Prozessfinanzierungsverträgen ohnehin vorgesehen gewesen. Die Verträge mit den Insolvenzverwaltern seien eine Ausnahme gewesen, da sich deren Vergütung (früher) an dem orientiert habe, was an flüssigen Mitteln auf das Insolvenzanderkonto geflossen sei. Die Zahlung auf das Rechtsanwaltsanderkonto sei für die L… AG nur von Vorteil gewesen, da sie mit dem Angeklagten einen zuverlässigen Ansprechpartner gehabt habe. In den Fällen, in denen der (Vergleichs-)Erlös nicht hinreichte, die Kosten zu decken (sogenannter Mangelfall), hätte dies den Kostenerstattungsanspruch, der der L… AG gegenüber den Insolvenzverwaltern zustand, abgesichert.
305
Rechtsanwalt Dr. B… berichtete auch glaubhaft über das, was ihm Rechtsanwalt H… über die Umleitung der Zahlung im Tatkomplex Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG berichtet hatte: H… habe eine Zahlung auf das Rechtsanwaltskonto gefordert, da er befürchtet habe, dass die Abrechnung scheitere. Es habe im Raum gestanden, dass - nach Angaben des Angeklagten - Rechtsanwalt M… ein „schwieriger Typ“ sei.
b. Kanzleistruktur, Kanzleitätigkeit, Lebensstil, Zahlungsverzögerungen
306
Die Zeugin Rechtsanwältin Joanna K… berichtete glaubhaft und detailliert über die Struktur und die Abläufe in der Kanzlei des Angeklagten und dessen Arbeitsstil. Sie berichtete auch darüber, dass die Konten des Angeklagten bei der F… Privatbank ausschließlich der Abwicklung von (Mandanten-)Fremdgeldern dienten. Ihre Angaben wurden durch die Zeugin Rechtsanwältin D bestätigt. Auch der Zeuge K…, der ehemalige Steuerberater des Angeklagten, benannte glaubhaft ein Fremdgeldkonto bei der F… Privatbank, auf dem ausschließlich die von den Mandanten eingezahlten Gerichtskosten abgewickelt wurden.
307
Die Feststellungen zu den Einnahmen der Kanzlei, den Privatentnahmen, dem betrieblichen Gewinn und der (kumulierten) Liquidität beruhen auf den glaubhaften Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. A…, der als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Angeklagten eingesetzt ist und auf Grundlage der Buchhaltung des Angeklagten, dessen Angaben gegenüber dem sachverständigen Zeugen und weiterer Unterlagen die Entwicklung der Kanzlei dargestellt hatte.
308
Die Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. A… wurden durch die Angaben des vom Angeklagten zu diesem Thema benannten Zeugen K… gestützt, der als Steuerberater des Angeklagten die Steuerberatung und Buchhaltung der Kanzlei des Angeklagten seit deren Gründung gemacht hatte. Der Zeuge K… schilderte glaubhaft, dass die Buchhaltung der Kanzlei für das Jahr 2017 von der Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EUR) auf Bilanzierung umgestellt worden sei. Ein Motiv sei gewesen, die Rückzahlungsrisiken, die im Jahr 2017 entstanden seien, bilanzieren zu können, um somit eine höhere Steuererstattung zu erreichen. Der Angeklagte habe ihm gegenüber offenbart, dass möglicherweise nicht alle Honorare, die als solche verbucht worden seien, ihm tatsächlich als Honorar zugestanden hätten. Der Zeuge stellte klar, dass er die Umstellung auf Bilanzierung nicht mehr vollzogen habe, sondern dies eine andere Steuerkanzlei übernommen habe.
309
Die Feststellungen zur Verwendung der Privatentnahmen des Angeklagten beruhen auf dessen glaubhaften Angaben sowie ergänzend den glaubhaften Angaben der Zeugin KHKin S…, die feststellte, dass der Angeklagte keine Immobilien erwarb. Einen Ausschnitt aus der Art der Privatentnahmen steuerte die Zeugin D… glaubhaft bei, die das schilderte, was sie bei der täglichen Arbeit mit dem Angeklagten mitbekam. So berichtete sie von den Geschenken des Angeklagten an seine Frau und auch, dass „auf jeden Fall Urlaube gemacht wurden“, die teurer gewesen seien. Wenn der Angeklagte darüber erzählt habe, seien es Luxushotels gewesen.
310
Die Feststellungen zum Abschluss der privaten Darlehensverträge ab 2015, insbesondere 2017, beruhen auf der Verlesung der Vertragsurkunden und, betreffend die von ihm hingegebenen Gelder, den glaubhaften Angaben der Zeugen H… und S….
311
Die Feststellungen zur Anmietung einer Ferienwohnung in Kitzbühel, die Kosten der Miete für das bewohnte Haus und für Kanzleiräumlichkeiten im September 2015 beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten.
312
Die Feststellung, dass es erstmals ab 2016 wiederholt zu Verzögerungen in der Auszahlung von Geldern in prozessfinanzierten Verfahren kam, beruht auf den glaubhaften Angaben von Rechtsanwalt H…. Dieser bekundete, dass in einem Fall ein erlöster Betrag in Höhe von 10.000,00 Euro erst zehn Monate nach Fälligkeit, am 20.10.2017, an die L… ausbezahlt wurde. Die Feststellung, dass der Angeklagte für diese Auszahlung auf Gelder aus der Vergleichszahlung der Al… zurückgriff, ergibt sich aus den überwiegend im Wege des Selbstleseverfahrens, teils auch verlesenen oder über die die Konten auswertenden Kriminalbeamten EKHK P… und KHKin S… eingeführten Kontoauszügen, hier konkret die Kontoauszüge vom Konto des Angeklagten bei der C… mit den Endziffern ...8, die für den 19.10.2017 eine Überweisung an die L… AG in Höhe von 10.000,00 Euro mit dem Betreff „...2 DAU IV Wicht. P. TZ1“ ergeben.
c. Liquiditätskrise zu Beginn des Jahres 2017
313
Die Feststellung, dass der Angeklagte Anfang des Jahres 2017 zeitweise Schwierigkeiten hatte, seine Verbindlichkeiten zu bedienen, ergibt in der Zusammenschau mehrerer Umstände.
aa. Darlehen durch Hans S….
314
So nahm der Angeklagte am 02.01.2017 ein Darlehen durch Hans S… in Höhe von 50.000,00 Euro in Anspruch, wie der Zeuge S… glaubhaft schilderte. Diese Angaben werden durch die überwiegend im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten Kontoauszüge des Angeklagten gestützt. Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen S… hatte ihm der Angeklagte mitgeteilt, dass er einen „kurzfristigen Liquiditätsengpass“ überwinden müsse. Auch der Umstand, dass der Angeklagte in der Folge das Darlehen nicht mehr zurückzahlte, spricht für deutliche Zahlungsschwierigkeiten. Der Angeklagte bestätigte, dass er sich von Herrn S… Geld geliehen hatte und es nicht zurückzahlen konnte.
bb. Kontobewegungen
315
Die Kammer ist aufgrund der Kontounterlagen davon überzeugt, dass Anfang des Jahres 2017 neu eingegangene Gelder umgehend für bestehende Lücken verbraucht wurden.
316
Die Feststellungen zu den Kontobewegungen des Angeklagten, insbesondere den Kontosalden zu bestimmten Stichtagen und den Zu- und Abflüssen beruhen auf den überwiegend im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten Kontoauszügen sowie ergänzend auf der Verlesung der Kontoauszüge, soweit mit Leuchtstift markiert (Sonderband CoBa 58407), sowie der Einvernahme der Polizeibeamten EKHK P… und KHKin S….
317
So zahlte die R… Rechtsanwaltsgesellschaft beispielsweise am 01.02.2017 einen Betrag in Höhe von 164.261,06 Euro auf das Geschäftskonto des Angeklagten bei der H… mit den Endziffern ...3. Dies verhalf dem vorbenannten Geschäftskonto, das seit dem 16.08.2016 ununterbrochen einen Sollsaldo von 49.000,00 Euro oder mehr (zeitweise, am 14.11.2016 einen Sollsaldo von 187.792,92 Euro) aufgewiesen hatte, zu einem Habensaldo in Höhe von 65.035,16 Euro am Ende des 01.02.2017. Nach Eingang der vorstehenden Zahlung tätigte der Angeklagte in kurzer Folge zahlreiche Überweisungen von diesem Konto, darunter acht „Eilüberweisungen“. Der Angeklagte überwies unter anderem am 02.02.2017 34.000,00 Euro auf sein Konto bei der H… mit den Endziffern ...1 sowie am 07.02.2017 54.000,00 Euro an das Finanzamt Mx.. Am Ende des 13.02.2017 hatte sich der Saldo des Kontos bereits wieder auf einen Sollsaldo von 110.813,40 Euro verringert.
318
Anhand der Kontoauszüge lässt sich nachvollziehen, dass die vorbenannte Überweisung in Höhe von 34.000,00 Euro dazu diente, eine kurz vorher entstandene Lücke zu füllen, die vom Kreditkartenkonto des Angeklagten bei der T… herrührte. So hatte das Konto am 01.02.2017 einen Sollsaldo von 3.148,69 Euro aufgewiesen und war am 02.02.2017 durch einen Bankeinzug vom Kreditkartenkonto des Angeklagten bei der T… in Höhe von 27.971,52 Euro, sowie einen weiteren Abgang in Höhe von 1.000,00 Euro weiter ins Minus geraten. Durch die Überweisung in Höhe von 34.000,00 Euro konnte das Konto unter Berücksichtigung eines Abgangs in Höhe von 112,46 Euro am Ende des 02.02.2017 einen Habensaldo von 1.767,33 Euro verbuchen.
319
Der von dem Konto eingezogene Betrag in Höhe von 27.971,52 Euro wurde dem Kreditkartenkonto am 02.02.2017 gutgeschrieben und diente dem Ausgleich des mit Kreditkartenabrechnung vom 22.01.2017 festgestellten negativen Endsaldos in eben dieser Höhe. Hierdurch wurde das Kreditkartenkonto des Angeklagten bei der T… letztmalig bis zu seiner Inhaftierung (nur bis dahin liegen die entsprechenden Unterlagen vor) vollständig ausgeglichen.
320
So markierte die darauffolgende Kreditkartenabrechnung vom 20.02.2017 einen neu entstandenen Sollsaldo von 28.157,82 Euro, der unter anderem durch Abbuchungen von „Z…“ in Höhe von 1.730,00 CHF (= 1.655,47 Euro), „Hotel …“ in Höhe von 2.910,00 CHF (= 2.784,64 Euro), „E…“ in Höhe von 3.800,00 CHF (= 3.636,30 Euro) (jeweils am 13.02.2017), eine Umbuchung auf das Girokonto des Angeklagten bei der H… mit den Endziffern ...1 in Höhe von 10.000,00 Euro am 14.02. (dieses Konto wies vor Eingang der Überweisung einen Sollsaldo von 4.662,93 Euro auf) sowie eine Abbuchung von H… Boutique Mx. in Höhe von 475,00 Euro am 15.02. zustande gekommen war.
321
Die Kreditkartenabrachnurg vom 20.03.2017 schloss mit einem Sollsaldo in Höhe von 31.619,37 Euro. Wie ausgeführt, kam es zu einer vollen Rückzahlung des monatlichen Sollsaldos in der Folgezeit bis zur Inhaftierung des Angeklagten nicht mehr, sodass keine der Abrechnungen bis zum 20.12.2018 ein „Guthaben“ von 25.919,38 Euro (Sollsaldo!) überstieg.
322
Auch dies sind deutliche Hinweise darauf, dass der Angeklagte bereits zu Beginn des Jahres 2017 seine Verbindlichkeiten jedenfalls zeitweise nicht mehr bedienen konnte.
323
Die Feststellungen zum Vertragsschluss mit der R… Rechtsanwaltsgesellschaft beruhen auf den Angaben des Angeklagten sowie den glaubhaften Angaben der Zeugen R… und P…, die sich zum Zustandekommen des Vertragsverhältnisses deckten. Die Feststellungen zur Abwicklung, insbesondere dem Ende des Vertragsverhältnisses mit der R… Rechtsanwaltsgesellschaft beruhen ebenfalls auf den glaubhaften Angaben der Zeugen R… und P….
324
Dass der Angeklagte sich aus der Zusammenarbeit mit der R… Rechtsanwaltsgesellschaft auch frische Liquidität erhoffte, schließt die Kammer aus dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Zahlungsschwierigkeiten des Angeklagten zu Beginn des Jahres 2017 und dem aufbrechenden Konflikt in der Honorarfrage „R…“ zwischen dem Angeklagten und Rechtsanwalt P…, sowie dass der Angeklagte die streitigen Forderungen in der Folge auch vollständig bei der R… Rechtsanwaltsgesellschaft einreichte, obwohl diese in Streit standen.
d. Honorarstreit mit Rechtsanwalt P… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der R… GmbH, Einkommensteuerbescheid 2015
325
Die Feststellungen zur Entwicklung des Honorarstreits zwischen dem Angeklagten und Rechtsanwalt P… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der R… GmbH beruhen in großen Teilen auf den Angaben des Angeklagten, der auch die Summen, mit denen er vergütet worden war, wie festgestellt bestätigte. Die Angaben des Angeklagten wurden durch den Zeugen Rechtsanwalt P… als zutreffend bestätigt. Die Zeugin D… bekundete glaubhaft, dass der Angeklagte in dem Mandat alles abgerechnet habe, was möglich war, was Rechtsanwalt P… verärgert habe.
326
Die Darstellung des Angeklagten, dass Rechtsanwältin D… das ganze Jahr 2016 über an den Verfahren im Zusammenhang mit der R… GmbH gearbeitet habe, wird indes durch die glaubhafte Angabe der Zeugin D… widerlegt, die bekundete, dass sie vor allem zu Beginn des Jahres 2016 an der Sache gearbeitet habe. Aufgrund ihrer detaillierten und widerspruchsfreien Angaben folgt die Kammer dieser Darstellung.
327
Die Feststellung, dass der Angeklagte bei der R… Rechtsanwaltsgesellschaft Rechnungen in Höhe von etwa 500.000,00 Euro gegen Rechtsanwalt P… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der R… GmbH einreichte und den Beteiligten bei der R… Rechtsanwaltsgesellschaft den Hintergrund erklärte, ergibt sich aus den Angaben des Zeugen P…, der zu dieser Zeit bei der R… Rechtsanwaltsgesellschaft als Mitglied des Vorstands bestellt gewesen war. Der Zeuge P… schilderte, dass der Angeklagte ihn im Februar 2017 angerufen habe und ihm mindestens eine halbe Stunde lang den Hintergrund der Rechnungen erläutert und ein sehr hohes Interesse bekundet habe, dass die Rechnungen vorfinanziert würden. Der Zeuge erklärte auch, dass der Angeklagte „ihnen“ erklärt habe, wie „der Fall“ gelaufen sei.
328
Die Feststellungen, dass die R… Rechtsanwaltsgesellschaft lediglich 175.000,00 Euro der vorgeblichen Forderungen gegen Rechtsanwalt P… vorfinanzierte, beruhen auf den glaubhaften Angaben des Zeugen R…. Dieser bestätigte auf Vorhalt durch den Angeklagten, dass die R… Rechtsanwaltsgesellschaft in Bezug auf die Honorarrechnungen an P… nur 175.000,00 Euro im „echten Factoring“ gezahlt habe, dass dies korrekt sei.
329
Die Feststellungen zur E-Mail des Rechtsanwalt P… vom 28.03.2017, seiner Ansicht zur Begründetheit der Forderungen des Angeklagten und dessen Rückzug aus der Zusammenarbeit mit dem Angeklagten beruhen auf den glaubhaften und detaillierten Angaben des Zeugen P…, der auch angab, den Angeklagten in der Folge immer weniger mandatiert zu haben.
330
Die Feststellungen zum Auftrag und Inhalt des Kurzgutachten der Kanzlei S… & P… in der Honorarfrage beruhen auf den glaubhaften, detaillierten Angaben des Zeugen Dr. K…. Die Feststellungen, dass Rechtsanwalt P… die Ergebnisse des Gutachtens nicht teilte, beruhen auf den glaubhaften Angaben des Zeugen P….
331
Dass der Rückzug des Insolvenzverwalters P… aus der Zusammenarbeit mit dem Angeklagten im Jahr 2017 keinen nennenswerten Einfluss auf die Betriebseinnahmen des Angeklagten zeitigte, ergibt sich anhand des Vergleichs der durch den sachverständigen Zeugen Dr. A… eingeführten (siehe oben C.I.2.) Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit im Jahr 2016 (etwa 800.000,00 Euro) und 2017 (etwa 750.000,00 Euro). Der sachverständige Zeuge erläuterte zudem nachvollziehbar, dass in diesem Jahr erstmals die betrieblichen Gewinne nicht mehr im Rahmen einer Einnahme-Überschuss-Rechnung ermittelt wurden, sondern durch Bilanzierung. Vereinnahmte Umsatzsteuern würden mithin nicht mehr als Betriebsgewinn ausgewiesen und führten zu einer (scheinbaren) Verringerung der Betriebseinnahmen.
332
Die Feststellungen zum Einkommensteuerbescheid vom 18.05.2017 wurden insoweit verlesen. Ebenso wurde die E-Mail der Mitarbeiterin der Kanzlei S… & P… (S. B.) vom 03.03.2021 an den Angeklagten insoweit in der Hauptverhandlung verlesen.
333
Dass der Angeklagte im Mai 2017 eine Anzahlung in Höhe von etwa 13.000,00 Euro für eine Reise in die USA leistete, ergibt sich anhand der eingeführten Kontoauszüge sowie der eigenen Angaben des Angeklagten. Der Anlass der Reise wurde durch den Angeklagten in der Hauptverhandlung umfassend und glaubhaft dargelegt; die Ausführungen des Angeklagten decken sich mit den Angaben der Zeugen Gertraude und Heinz K…, die auch die Honorarzahlungen, eine in bar, an den Angeklagten bestätigten. Die Zeugen bekundeten auch, dass es zu einem Vergleich mit der Haupterbin zunächst nicht gekommen sei.
334
Die Feststellungen zu den „Endkostennoten“ im Honorarstreit und der Reaktion von Rechtsanwalt P… darauf beruhen auf den glaubhaften Angaben des Zeugen P…, die sich mit den Angaben des Angeklagten decken.
e. Liquiditätskrise im Sommer 2017, USA-Reise des Angeklagten
335
Dass der Angeklagte im Juli 2017 in die Lage geriet, nicht mehr alle fälligen Verbindlichkeiten begleichen zu können, und er eigentlich hätte Insolvenz anmelden müsse, wird belegt durch den Umstand, dass der Angeklagte mehrere, kurzfristige Privatdarlehen aufnahm, welche überwiegend nicht aus eigenen Mitteln, sondern mit dem Angeklagten nicht zustehenden Geldern aus der Vergleichszahlung der Al… zurückgeführt wurden.
336
Der Angeklagte räumte selbst ein, dass es ihn zwei Wochen Arbeit gekostet hätte, seine Kreditlinien noch weiter auszudehnen und dass er dies als wenig erfolgsversprechend ansah, sodass er auf Privatdarlehen zurückgriff. Die Kammer geht indes davon aus, dass es sich hierbei um eine beschönigende Darstellung handelte. Insbesondere belegt die Rückführung der Privatdarlehen, die teilweise aus den veruntreuten Mitteln bestritten wurde (siehe oben C.II.2.), wie eng die finanziellen Spielräume des Angeklagten geworden waren.
337
Die Feststellungen zur Klageeinreichung gegen Rechtsanwalt P… einschließlich des Wechsels der Klagepartei sowie den Gerichtskostenvorschüssen werden belegt durch die präzisen, glaubhaften Angaben des Zeugen Dr. K…; der Angeklagte bestätigte die Angaben.
338
Die Mittelzu- und -abflüsse im Zusammenhang mit den privaten Darlehensverträgen im Jahr 2017 werden belegt durch die Kontoauszüge nebst Buchungstexten. Hieraus ergibt sich auch, dass die Rückführungen überwiegend aus Mitteln der Vergleichszahlung der Al… bzw. der Vergleichszahlung zugunsten des Insolvenzverwalters Rechtsanwalt M… bestritten wurden.
339
Die Feststellungen zu der USA-Reise des Angeklagten beruhen überwiegend auf den eigenen glaubhaften Angaben des Angeklagten, den glaubhaften Angaben der Zeugen Heinz und Gertraude K… sowie den eingeführten Auszügen von den Kreditkartenkonten des Angeklagten. Der Angeklagte hatte glaubhaft angegeben, dass er eine Erfolgsvereinbarung mit Frau K… geschlossen hatte. Ihr Inhalt ging auch aus dem im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten Vermögensverzeichnis des Angeklagten vom November 2018, das er gegenüber Rechtsanwalt M… abgegeben hatte, hervor.
340
Der Zeuge H… gab an, dass der Angeklagte bei der L… AG angefragt habe, ob für das Mandat nicht eine Prozessfinanzierung in Betracht komme, was die L… AG abgelehnt habe. Die Zeugin D… bekundete glaubhaft, dass der Angeklagte eine große Leidenschaft für die Vereinigten Staaten habe und überlegt habe, ob er seine erste Tochter dort zur Welt kommen lassen wolle; es sei sein Traum gewesen, in die USA auszuwandern.
341
Die Kosten der USA-Reise ergeben sich anhand einer Addition der Abbuchungen von den beiden Kreditkartenkonten des Angeklagten während des Reisezeitraums (ausschließlich Abbuchungen in US-Dollar, ohne Auslandseinsatzentgelte).
f. Weitere Entwicklung des Honorarstreits mit Rechtsanwalt P…, weiteres Darlehen H…, Ende der Zusammenarbeit mit der R… Rechtsanwaltsgesellschaft, nicht realisierte Partnerschaft bei S… & P…, Partnerschaft bei W… Rechtsanwälte
342
Die Feststellungen zur Klageeinreichung der R… Rechtsanwaltsgesellschaft gegen Rechtsanwalt P… und die Abtretung der Ansprüche gegen Rechtsanwalt P… beruhen auf den glaubhaften Angaben des Zeugen R…, die durch den Angeklagten bestätigt wurden. Der Angeklagte äußerte gegenüber der Kammer, im Herbst 2017 habe er alles an R… abgetreten.
343
Die Feststellungen zum Verlauf der Zusammenarbeit mit dem Angeklagten und zum Zustandekommen der Auflösungsvereinbarung vom 19.01.2018 beruhen auf den glaubhaften Angaben des Zeugen R…, der detailliert und glaubhaft darstellte, dass sich die Forderungen des Angeklagten, die ausfielen, häuften und dass die R… Rechtsanwaltsgesellschaft keine Möglichkeiten gehabt habe, die Forderungen geltend zu machen, da sie auf Informationen des Angeklagten angewiesen gewesen seien, um beispielsweise eine Klageschrift zu fertigen. Es kam daher zur Ausbuchung der Forderungen und Bildung eines Sollsaldos, der Ende 2017 ein nicht akzeptables Niveau erreicht hatte. Die Angaben decken sich mit den Inhalten der vom Angeklagten unterzeichneten Rückführungsvereinbarung, die der Angeklagte nicht in Frage stellte.
344
Die Feststellungen zum Abschluss der Mediationsvereinbarung zwischen B… Rechtsanwälte, Rechtsanwalt P… und Dr. J… im Zusammenhang mit den Honorarstreitigkeiten R… GmbH beruhen auf der Verlesung der Mediationsvereinbarung, den glaubhaften Angaben des Angeklagten und den Angaben des Zeugen P….
345
Die Feststellungen zum Ergebnis der Mediationsvereinbarung beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten und des Zeugen P…, der bestätigte, dass eine beabsichtigte Zahlung von 200.000,00 Euro festgehalten worden sei, er sich aber nach erneuter Prüfung entschieden habe, dass er das so nicht wolle und sich lieber verklagen lasse. Der Zeuge Dr. K… bestätigte, dass ihm der Angeklagte am Telefon berichtet hatte, dass es zu einer mündlichen Einigung mit Rechtsanwalt P… gekommen sei. Dass die Zahlung laut schriftlich eingereichter Fassung auf das Konto der R… Rechtsanwaltsgesellschaft gehen sollte, ergibt sich anhand der plausiblen Angaben des Angeklagten, der bestätigte, dass die Ansprüche an die R… Rechtsanwaltsgesellschaft abgetreten gewesen seien.
346
Die Feststellungen zu der angestrebten und nicht verwirklichten Partnerschaft bei S… & P… beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten sowie den glaubhaften Angaben des Rechtsanwalts Dr. K…. Dieser rechnete die möglichen Einkünfte des Angeklagten vor. Die Feststellungen zum Einstieg des Angeklagten bei der Kanzlei W… beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten; er suchte in der Sitzung auf seinem Laptop die Beitrittsverträge heraus und merkte an, dass er diese durch Frau Dr. K…, eine Partnerin bei A… & O… LLP und zugleich seine Vermieterin, habe prüfen lassen.
347
Die Feststellungen zu dem Vergleich zwischen der R… Rechtsanwaltsgesellschaft und Rechtsanwalt P… als Insolvenzverwalter der R… GmbH beruhen auf den detaillierten Angaben des Zeugen P…, sowie den glaubhaften Angaben des Zeugen R….
g. Krisenrunde und Verhaftung des Angeklagten, Insolvenzverfahren
348
Die Feststellungen zu der Krisenrunde im S…-Restaurant in … beruhen auf den übereinstimmenden, glaubhaften Angaben der Zeugen S…, H… und K….
349
Die Feststellungen zu Antrag und Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Angeklagten sowie der Rückgabe der Zulassung als Rechtsanwalt durch den Angeklagten beruhen auf den glaubhaften Angaben des sachverständigen Zeugen Insolvenzverwalter Dr. A…, sowie dem verlesenen Beschluss des Amtsgerichts München über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 06.06.2019.
350
Die Feststellungen zum derzeitigen Stand des Insolvenzverfahrens einschließlich den festgestellten und (vorläufig) bestrittenen Forderungen und deren Gründen beruhen auf den glaubhaften Angaben des sachverständigen Zeugen Rechtsanwalt Dr. A… sowie seines Mitarbeiters, des sachverständigen Zeugen Rechtsanwalt P… sowie, in Betreff auf die Forderungsanmeldung R…, auf den glaubhaften Angaben der Zeugin R….
351
Die Feststellungen zur Steuererklärung 2017 beruhen auf den glaubhaften Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. A….
3. Tatkomplex Rechtsanwältin R… als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der r… GmbH
a. Vortatgaschehen
352
Die Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Angaben der Zeugin R…, dem insoweit verlesenen Prozessfinanzierungsvertrag zwischen der Insolvenzverwalterin und der L… AG (ohne §§ 4, 10, und 13) sowie der verlesenen Vergleichsvereinbarung zwischen der Insolvenzverwalterin und den Haftpflichtversicherungen A… und Al….
353
Die Feststellungen dazu, dass der Angeklagte das Konto zu dem Zweck errichtet hatte, dass die Vergleichszahlung dorthin überwiesen werde, beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten sowie den eingeführten Kontoauszügen, die dies stützen, da das Konto erst kurz zuvor, am 31.07.2017, eingerichtet worden war.
354
Die Feststellung zur Abwicklung des Zahlungseingangs seitens der A… und der Al… beruhen überwiegend auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten, so auch die Feststellungen dazu, dass der Angeklagte eine Zahlung auf sein Konto verlangte, weil dies in allen Fällen ausnahmslos mit der L… AG so gehandhabt worden sei. Dies deckt sich mit den Erklärungen des Zeugen Dr. B… zu den bisherigen prozessfinanzierten Verfahren des Angeklagten mit der L… AG (siehe oben C.I.). Der Angeklagte erklärte auch glaubhaft, dass ihm von seinem Sekretariat die Vergleichsvereinbarung von Rechtsanwältin R… ohne das Anschreiben mit der Kontonummer eingescannt per E-Mail übermittelt worden war.
355
Die Feststellungen zur Mitteilung an die A…, dass auch auf das Insolvenzanderkonto Zahlung geleistet werden könne, beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten.
356
Die Feststellungen, dass es sich bei der Zahlung von 71.872,00 Euro um nicht verbrauchte Gerichtsgebühren im Verfahren R… als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der r… GmbH gegen Brandhoff u.a. handelte, die dem Angeklagten als Prozessanwalt der Insolvenzverwalterin R… überwiesen worden waren, beruhen auf den glaubhaften Angaben der Zeugin R…; dies hatte der Angeklagte auch der polizeilichen Sachbearbeiterin KHKin S… gegenüber bestätigt, wie diese in der Hauptverhandlung glaubhaft bekundete. Der Zusammenhang mit dem Verfahren R… als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der r… GmbH ergibt sich auch aus der Betreffzeile in dem Auszug vom Konto bei der C… mit den Endziffern ...8: „[…]GK 9.../...7 […] IV R…“.
357
Die Feststellungen zur Abrechnung des Angeklagten gegenüber der Insolvenzverwalterin sowie der Überweisung an die Insolvenzverwalterin beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten und der Insolvenzverwalterin R… sowie den eingeführten Kontoauskünften.
358
Dass der Angeklagte keine Geldempfangsvollmacht für die Entgegennahme des Vergleichsbetrages hatte, konnte die Zeugin R… bestätigen, die äußerte, sie habe eine solche nicht erteilt und der Angeklagte hätte ihre Antwort, wenn er sie gefragt hätte, gekannt.
359
Die Feststellungen, dass die Insolvenzverwalterin den Angeklagten auf die Überweisung auf sein Konto angesprochen hatte, aber in der Folge nichts mehr unternommen hatte, beruhen auf den glaubhaften Angaben der Insolvenzverwalterin R….
b. Tatgeschehen
360
Die Feststellungen, dass aufrechnungsfähige Ansprüche des Angeklagten gegen die Insolvenzverwalterin nicht bestanden, beruhen auf den glaubhaften Angaben der Zeugin R…, die aber auch bestätigte, dass dem Angeklagten ein Honoraranspruch in Höhe von etwa 49.000 Euro zugestanden hatte und er sich diesen bereits selbst überwiesen hatte.
361
Die Feststellungen zur inneren Tatseite bezüglich der Pflichtverletzung beruhen auf der Stellung des Angeklagten als Prozessbevollmächtigter und Beauftragter seiner Mandantin sowie den in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben des Angeklagten gegenüber KHKin S…, dass er gewusst habe, dass die jeweilige Verwendung der Geldbeträge zweckwidrig gewesen sei. Er wusste, dass er als Rechtsanwalt den Interessen seiner Mandantin verpflichtet war und diese mit jeder Abverfügung verletzte; dass er seine Pflichten in Kenntnis dieser Umstände verletzte, liegt auf der Hand. Für den Angeklagten lag auch auf der Hand, dass die Zahlungen auf sein Konto auf seine Rolle als Prozessbevollmächtigter und auf seine E-Mail vom 16.08.2017 zurückzuführen waren.
362
Der Angeklagte wusste angesichts der Regelungen des in der Hauptverhandlung verlesenen Rahmenvertrags, dass er keine Primärpflichten gegenüber der L… AG hatte.
363
Die Feststellungen zur inneren Tatseite bezüglich des unmittelbaren Vermögensnachteils beruhen auf dem Umstand, dass der Angeklagte die ihm überwiesenen Gelder angriff und dass ihm aus seiner jahrelangen Geschäftsbeziehung mit der L… AG und vielen vorhergegangenen Prozessfinanzierungsverfahren die Bedingungen des Prozessfinanzierungsvertrags gut bekannt waren. Dies umfasst insbesondere das Wissen, dass die Insolvenzverwalterin gegenüber der L… AG in der Schuld stehen würde, soweit ihr Mittel zur Erstattung der verauslagten Kosten bzw. der Auskehr des Erlösanteils der L… AG fehlen würden. Die Feststellung dazu, dass der Angeklagte seinen Handlungen nicht zugrunde legte, die Al… werde auf eine Zahlungsaufforderung der Insolvenzverwalterin (erneut) leisten, legt die Kammer aufgrund der Höhe der Summe zugrunde. Aus Sicht der Al… musste die Angabe der falschen Kontonummer aus der Sphäre der Insolvenzverwalterin herrühren, und der Angeklagte als versierter Prozessanwalt wusste dies und rechnete damit, dass die Al… nicht erneut zahlen würde. Aus diesem Umstand erwächst die Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte sich in Kenntnis der negativen Folgen für die Insolvenzverwalterin die Gelder einverleibte, obwohl er davon ausging, dass die Insolvenzverwalterin einen fortbestehenden Anspruch gegen die Al… gerichtlich erstreiten werde müssen.
364
Die Feststellungen dazu, dass es dem Angeklagten gleichgültig war und gegenüber seinem Interesse, an Geld zu kommen, nachrangig, ob er mit seinem Handeln auch Pflichten gegenüber der L… AG verletzte und dieser einen unmittelbaren Nachteil zufügte, beruhen auf dem Rückschluss, dass insbesondere im Tatkomplex R… der Anteil der L… AG seitens des Angeklagten nicht ausgekehrt wurde, sodass für den Angeklagten absehbar am Ende (auch) ein zivilrechtlicher Schaden der L… AG verbleiben würde.
365
Das Wissen des Angeklagten darüber, dass er die abverfügten Gelder in absehbarer Zeit nicht zurückführen würde können, ergibt sich insbesondere aus dem Geständnis des Angeklagten, das dieser gegenüber der polizeilichen Sachbearbeiterin KHKin S… abgegeben hatte (siehe oben D.II.1.a.). KHKin S… hatte hierüber in der Hauptverhandlung glaubhaft berichtet. Der Angeklagte hatte der Kammer gegenüber für die Situation im Juli 2017 angegeben, dass er Nachverhandlungen mit den Kreditinstituten als zeitintensiv und nicht besonders aussichtsreich einschätzte. Vielmehr schloss er private Darlehensverträge ab, die er überwiegend ebenfalls nicht zurückführen konnte, sondern teilweise unter Rückgriff auf Gelder der Insolvenzverwalterin R… tilgte. Die Auswertung der Konten des Angeklagten belegt eine verzweifelte finanzielle Situation des Angeklagten seit Juli 2017, die ihm bewusst war.
366
Die Feststellungen zu den Salden auf den maßgeblichen Konten des Angeklagten beruhen auf den eingeführten Kontoauskünften. Konkret ergaben sich folgende Kontensalden am Abend des 06.09.2017:
367
Das Konto bei der C… mit den Endziffern ...0 wies einen Sollsaldo von 66.724,99 Euro auf, das Konto bei der C… mit den Endziffern ...4 einen Saldo von 0,00 Euro, das Konto bei der C… mit den Endziffern ...6 einen Sollsaldo von 1,90 Euro, das Konto bei der H… mit den Endziffern 063 einen Sollsaldo von 172.482,81 Euro, das Konto bei der H… mit den Endziffern ...1 einen Sollsaldo 29.431,10 Euro, das Kreditkartenkonto L… bei der D… mit den Endziffern ...2 einen Sollsaldo von 74.030,42 Euro; auf dem Kreditkartenkonto der T… mit den Endziffern ...7 waren bis zu einschließlich diesem Tag für den Abrechnungsmonat Forderungen in Höhe von 21.485,91 Euro aufgelaufen.
368
Die Feststellungen zu untergeordneten Konten des Angeklagten beruhen auf den glaubhaften Angaben der Zeugin KHKin S…. Zu dem Konto bei der Raiffeisenbank K… hatte der Angeklagte auch gegenüber der Kammer glaubhaft angegeben, dass es sich um ein Darlehen aus einem sehr langen Gründungsplan gehandelt habe. Die Feststellungen zu den Konten bei der F… Privatbank beruhen darüber hinaus auf den glaubhaften Angaben der Zeugin K…, die hervorhob, dass das Konto bei dieser Bank ausschließlich der Abwicklung von Zahlungen diente, die den Mandanten zustanden, beispielsweise Gerichtsgebühren.
369
Dass offen war, ob und wann sich Honorareingänge in den Verfahren R… GmbH und Eheleute K… realisieren würden lassen und dass auch ansonsten keine nennenswerten Geldquellen zu erwarten waren, ergibt sich aus einer lebensnahen Wertung der unter C.I. festgestellten Umstände im Zusammenhang mit diesen Verfahren.
370
Die Feststellungen zur Reichweite des subjektiven Tatbestandes und der Gewerbsmäßigkeit beruhen auf einer Gesamtwürdigung des Verhaltens und der Angaben des Angeklagten. Indem der Angeklagte die Abverfügungen nur „scheibchenweise“ tätigte, dokumentierte er, dass er sich gerade nicht die gesamte Summe einverleiben wollte, um beispielsweise seine Verbindlichkeiten auf einmal zu tilgen. Dies ist auch naheliegend, da dem Angeklagten selbstverständlich bewusst war, dass er irgendwann Rechenschaft über die Gelder ablegen würde müssen, soweit er die „verbrauchten“ Gelder nicht beibringen würde können. Gleichzeitig ging es dem Angeklagten aber um die Rettung seiner Kanzlei, die nach seinen Angaben im Fokus stand (siehe oben D.II.1.b.). Die Kammer legt daher zugrunde, dass der Angeklagte fest entschlossen war, von Anfang an erforderlichenfalls weitere Teile der ihm zur Verfügung stehenden Gelder anzugreifen, um die Kanzlei zu retten, insbesondere nicht Insolvenz anmelden zu müssen.
371
Die Feststellungen dazu, dass der Angeklagte hoffte, die so verbrauchten Beträge zurückzahlen zu können, er aber hierzu keine konkrete Vorstellung entwickelt hatte, ergibt sich zum einen daraus, dass der Angeklagte im Rahmen der Hauptverhandlung zwar immer wieder potentielle Geldquellen ansprach, er sich aber zu keinem Zeitpunkt dazu äußerte, ob und wie er im Falle, dass sich so eine Geldquelle realisierte, die Gelder zurückführen wollte.
372
Die Feststellungen dazu, dass die Überweisungen in keinem (inneren) Zusammenhang mit den Zahlungseingängen standen, ergeben sich aus der geständigen Einlassung des Angeklagten, von der die Zeugin KHKin S… glaubhaft berichtete.
373
Die Feststellungen dazu, dass alle Überweisungen eines Tages auf einem Tatentschluss beruhten, ergeben sich aus den glaubhaften Angaben des Angeklagten, die dieser dahingehend vor der Kammer machte.
374
Die Feststellungen zu den einzelnen Abverfügungen ergeben sich anhand der eingeführten Kontoauszüge sowie dem Geständnis des Angeklagten, die Abverfügungen getätigt zu haben. KHKin S… hatte zu C.II.2., Nr. 3, glaubhaft angegeben, dass der Angeklagte ihr gegenüber geäußert habe, die Zahlung sei auf sein Darlehenskonto bei der Raiffeisenbank K… gegangen.
c. Nachtatgeschehen
375
Die Feststellungen zu den Mahnungen und zum E-Mail-Verkehr beruhen auf den glaubhaften und umfangreichen Angaben der Zeugen H…, Dr. B… und S….
376
Der Angeklagte räumte ein, dass er zwei verschiedene E-Mails an den Zeugen H… und die Angestellte der Rechtsanwältin R… geschrieben hat. Auf die Frage, ob er die E-Mails gefälscht habe, antwortete er lediglich, er habe eine Not-E-Mail-Adresse verwendet und wolle sich „da von gar nichts ausnehmen“.
377
Der Zeuge Dr. B… berichtete glaubhaft von dem Überweisungsträger vom 19.08.2018, den der Angeklagte ihm als Scan übermittelt hatte. Die Kopie des Überweisungsträgers wurde in Augenschein genommen. Der Angeklagte bestätigte, dass er den Überweisungsträger ausgefüllt, aber nicht eingereicht hatte.
378
Die Feststellungen zu dem Treffen in Bensheim beruhen auf den glaubhaften Angaben der Zeugin R…, ebenso die Feststellungen zur Kontaktaufnahme von Rechtsanwalt Dr. B… mit Rechtsanwältin R…; Dr. B… bestätigte die Angaben der Zeugin R….
379
Die Feststellungen zum weiteren Verlauf, einschließlich des Vergleichsschlusses zwischen der Insolvenzverwalterin und der L… AG beruhen auf den glaubhaften Angaben der Zeugen R… und Dr. B…, die sich deckten. Der Zeuge Dr. B… und die Zeugin Gabriela S… bekundeten auch glaubhaft, dass der Angeklagte keine Erfolgsprämie seitens der L… AG erhalten hatte, da die L… AG keinerlei Zahlung aus dem Vergleich erhalten hatte.
380
Der Zeuge H… bekundete glaubhaft, dass die L… AG nach ihrer Berechnung einen Betrag in Höhe von 640.000,00 Euro aus dem Vergleichserlös beansprucht hatte und dass die L… AG nach dem Vergleichsschluss mit Insolvenzverwalterin R… ihre Ansprüche im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren abgeschrieben hat.
381
Der Vergleich zwischen Insolvenzverwalterin R… und der L… AG vom 12.06./24.06.2019 wurde im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführt, ebenso das Endurteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18.10.2021.
382
Die Feststellungen zur Zahlung der Vertrauensschadenhaftpflichtversicherung der R… Rechtsanwaltsgesellschaft beruhen auf den glaubhaften Angaben des Zeugen R….
4. Tatkomplex Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG
a. Vortatgeschehen
383
Die Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Angaben des Zeugen Rechtsanwalt M…, die vom Angeklagten bestätigt wurden. Der Prozessfinanzierungsvertrag zwischen Rainer M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG und der L… AG wurde in der Sitzung insoweit verlesen (mit Ausnahme von §§ 4, 10, 12). Der Vergleich zwischen Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG und der M… GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wurde verlesen. Der Zeuge Dr. K… schilderte, dass er für die Bearbeitung der gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen zuständig gewesen und dass das Verfahren zudem von einem Rechtsanwalt R… betreut worden sei.
384
Die Feststellungen im Zusammenhang mit der N… AG beruhen auf den glaubhaften und detaillierten Angaben des Zeugen Dr. K…. Die Feststellungen dazu, dass man sich einigte, dass die Vergleichszahlung in Höhe von 75.000,00 Euro zunächst auf dem Konto des Angeklagten verbleiben sollte, wurden durch Rechtsanwalt M… bestätigt.
385
Die Feststellungen dazu, dass und warum die L… AG nachträglich darauf bestand, dass die Vergleichszahlung in der Sache M… GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf ein Konto des Angeklagten erfolgen solle, beruhen auf den plausiblen Angaben des Zeugen H…. Diese legte auch dar, dass der Angeklagte angesprochen hatte, der Zeuge Rechtsanwalt M… sei „schwierig“; der Zeuge H… bekundete glaubhaft, es habe, neben diesem Umstand, kein anderes Motiv gegeben, die Zahlung „über den Angeklagten“ zu ziehen, da die Masse infolge der Vergleichszahlung liquide war und ein Ausfall für die L… AG nicht zu befürchten gewesen wäre. Diese Darstellung wird durch die glaubhaften Angaben des Zeugen Dr. B… gestützt. Der Zeuge M… ergänzte, es sei dann mit der L… abgesprochen worden, dass es Sache des Angeklagten sei, die Abrechnung zu machen und das Geld zu verteilen.
386
Der Zeuge H… hob auch den Unterschied zu anderen prozessfinanzierten Verfahren hervor, in denen die Zahlung über das Konto des Angeklagten gelaufen war. Im Fall M… sei es eine nachträgliche Bedingung für den Vergleichsschluss gewesen, dass die Zahlung über ein Konto des Angeklagten laufe.
387
Die Feststellungen dazu, dass ein Mandatsverhältnis zwischen der L… AG und dem Angeklagten nicht bestand, stützen sich auf mehrere Gründe: Die Konstruktion des Prozessfinanzierungsvertrages sieht ein Mandatsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Prozessfinanzierer nicht vor. Die konkreten Umstände des Falles ergeben nichts anderes. Aus der Rahmenvereinbarung zwischen dem Angeklagten und der L… AG ergaben sich lediglich für die „Vorprüfung“ Pflichten und Rechte des Angeklagten. Im Erfolgsfall wurde ein „unverbindliches Premium“ in Aussicht gestellt, konkrete Pflichten des Angeklagten bestanden nicht.
388
Dass der Angeklagte nicht durch die L… AG mandatiert worden war, wusste er. Dies ergibt sich bereits aus dem Schreiben des Angeklagten an Rechtsanwalt M… Ende Oktober 2018, das dem Angeklagten in der Hauptverhandlung vorgehalten wurde und in dem der Angeklagte die exklusive Pflichtenbeziehung zwischen dem Angeklagten als Prozessbevollmächtigtem und Rechtsanwalt M… als seinem Mandanten (in Abgrenzung zum Verhältnis des Angeklagten zur L… AG) hervorhebt. Der Zeuge M… berichtete über den Inhalt des Schreibens dahingehend, dass der Angeklagte ihn darin darüber informiert habe, dass er als anwaltlicher Vertreter ausschließlich die Interessen seines Mandanten (M…) zu vertreten habe.
389
Die L… AG hatte auch keine Weisungsrechte gegenüber dem Angeklagten. Die L… AG hatte aufgrund des Prozessfinanzierungsvertrages vielmehr eine starke Position gegenüber dem Insolvenzverwalter M…. So durfte dieser nur mit Zustimmung der L… AG einen Vergleich abschließen; wenn er einen angebotenen Vergleich auf Anraten der L… AG nicht annahm, konnte diese unverzüglich kündigen, und der Insolvenzverwalter musste die L… AG so stellen, wie sie bei Abschluss des empfohlenen Vergleichs gestanden hätte (§ 8). Damit konnte die L… AG die Konditionen bestimmen, nach denen ein Vergleichsangebot angenommen werden würde und hatte eine sehr gute Position, den Zahlungsweg vorzugeben. Wenn also der Angeklagte und der Zeuge H… telefonisch über eine Änderung des Zahlungsweges sprachen und der Angeklagte dies Rechtsanwalt M… mitteilte, war dies keine Information des Zeugen H… an den Angeklagten allein, sondern an den Angeklagten als Vertreter des Insolvenzverwalters M…, der sie an seinen Mandanten weitergab: § 1 Nr. 7 und 8 des Prozessfinanzierungsvertrags ermächtigten den Angeklagten, Erklärungen der L… gegenüber dem Insolvenzverwalter entgegenzunehmen und diesen gegenüber der L… zu vertreten.
390
Die Beweisaufnahme hat nichts ergeben, was es rechtfertigen würde, insoweit eine maßgebliche Sonderbeziehung des Angeklagten zur L… AG anzunehmen. Insbesondere hat die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass der Angeklagte nunmehr etwa nach den Regeln einer (gegenüber dem Prozessgegner, der Beklagten zu 4 offengelegten Sicherungszession das Geld für die L… AG als „wahre Berechtigte“ vereinnahmen sollte, ggf. verbunden mit einem Widerruf der Einzugsermächtigung aus dem Prozessfinanzierungsvertrag.
391
Die Feststellungen zum Eingang der Vergleichszahlung beruhen auf den eingeführten Kontoauszügen.
392
Die Feststellungen dazu, dass es zu keiner Auskehr an Rechtsanwalt M… oder die L… AG kam, beruhen auf den glaubhaften und übereinstimmenden Angaben der Zeugen M… und Dr. B… und wurden durch den Angeklagten bestätigt.
b. Tatgeschehen
393
Die Feststellungen, dass aufrechnungsfähige Ansprüche des Angeklagten gegen den Insolvenzverwalter nicht bestanden, beruhen auf den glaubhaften Angaben von Rechtsanwalt M…; der Angeklagte hatte solche auch nicht behauptet.
394
Für die Feststellungen zur inneren Tatseite bezüglich der Pflichtverletzung wird auf die Ausführungen unter D.II.3 Bezug genommen, die auch im Verhältnis gegenüber Rechtsanwalt M… ebenso zutreffen wie gegenüber Rechtsanwältin R…. Auch für die Feststellungen zur inneren Tatseite (unmittelbarer Vermögensnachteil), soweit diese hier einschlägig sind (eine mögliche Fehlüberweisung des Vergleichsbetrags steht im Tatkomplex C.III. nicht im Raum), sowie zu den Feststellungen dazu, dass es dem Angeklagten gleichgültig gewesen wäre und er dies gegenüber seinem Interesse, an Geld zu kommen, als nachrangig eingeschätzt hätte, wenn er mit seinem Handeln auch Vermögensbetreuungspflichten gegenüber der L… AG verletzt und dieser einen unmittelbaren Nachteil zufügt hätte, wird auf die Ausführungen im Zusammenhang mit Rechtsanwältin R… verwiesen.
395
Das Wissen des Angeklagten darüber, dass er die abverfügten Gelder in absehbarer Zeit nicht zurückführen würde können, ergibt sich insbesondere aus dem Geständnis des Angeklagten, das dieser gegenüber der polizeilichen Sachbearbeiterin KHKin S… gemacht hatte. KHKin S… hatte hierüber in der Hauptverhandlung glaubhaft berichtet (siehe oben D.II.1.a.).
396
Die Feststellungen zu den Salden auf den Konten des Angeklagten beruhen auf den eingeführten Kontoauskünften. Die konkreten Kontensalden am Abend des 24.01.2018 lauteten wie folgt:
„Das Konto bei der C… mit den Endziffern ...0 wies einen Sollsaldo 68.244,58 Euro auf. Das Konto bei der C… mit den Endziffern ...6 wies einen Saldo von 0 Euro auf. Das Konto bei der C… mit den Endziffern ...8 wies einen Sollsaldo von 7,11 Euro auf. Das Konto bei der H… mit den Endziffern ...3 wies einen Sollsaldo von 170.258,12 Euro auf. Das Konto bei der H… mit den Endziffern ...1 wies einen Sollsaldo von 17.017,08 Euro auf. Bezüglich des Kreditkartenkontos „L…“ war am 10.01.2018 ein Sollsaldo von 63.492,37 Euro vorgetragen worden, der am 24.01.2018 fortbestand. Bezüglich des Kreditkartenkontos bei der T bestand am 21.01.2018 ein Sollsaldo von 32.265,09 Euro, der am 24.01.2018 fortbestand, bei einem Verfügungsrahmen in Höhe von 30.000,00 Euro. Die vorhergehende Abrechnung vom 20.12.2017 war mit dem Vermerk versehen: „Sie befinden sich im Zahlungsverzug, daher wurde Ihr Kartenkonto gesperrt. Sie können Ihre Kreditkarte daher nicht mehr einsetzen.“
397
Die Feststellungen zu dem Konto bei der Raiffeisenbank K… beruhen auf den glaubhaften Angaben von KHKin S…; die Feststellungen zu den Konten bei der F… Privatbank beruhen auf den glaubhaften Angaben der Zeugin K… (zu beiden siehe oben D.II.3, auf die dortige Beweiswürdigung wird verwiesen).“
398
Die Feststellungen, dass den Verbindlichkeiten des Angeklagten keine relevanten, sicher zu erwartenden Geldeingänge gegenüber standen, beruhen auf einer lebensnahen Würdigung seiner Situation, die sich, nachdem er das Schuldanerkenntnis gegenüber der R… Rechtsanwaltsgesellschaft abgegeben hatte, gegenüber der Situation im Herbst/Winter 2017 sogar noch weiter verschlechtert hatte. Der Angeklagte wusste insbesondere, dass ein etwaiger Vergleichserlös gegenüber Rechtsanwalt P… mit R… geteilt hätte werden müssen. So gab er in der Hauptverhandlung an, dass er sich, wenn ein Mediationsbetrag geflossen wäre, mit R… darüber auseinandersetzen („klopfen“) hätte müssen, was ihm gehöre und was R…. Eine ausdrückliche Vereinbarung habe es nicht gegeben. Er vertrete den Standpunkt („stehe auf der Stufe“), dass die R… Rechtsanwaltsgesellschaft 175.000,00 Euro im echten Factoring vorfinanziert habe und dass, wenn man die jeweiligen Anteile ins Verhältnis setze, der R… Rechtsanwaltsgesellschaft im Ergebnis bei einem Vergleichserlös von 200.000,00 Euro etwa 70.000,00 Euro zugestanden hätten.
399
Auch aus der stimmigen Aussage des Zeugen P… lässt sich ableiten, dass die Regelung zwischen dem Angeklagten und der R… Rechtsanwaltsgesellschaft nicht eindeutig war. Der Zeuge P… schilderte, dass im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Angeklagten unklar sei, ob der Angeklagte sich für die Abtretung der Ansprüche an die R… Rechtsanwaltsgesellschaft einen Kaufpreis habe versprechen lassen. Wenn dies nicht der Fall sei, dann handele es sich um eine insolvenzrechtlich unentgeltliche Leistung, die dann anfechtbar wäre. Der Zeuge schilderte glaubhaft, dass der Angeklagte ihm gesagt habe, es habe keine Kaufpreisvereinbarung gegeben.
400
Die Feststellungen, dass sich die Hoffnungen, ein hohes Honorar in der Erbschaftssache K… vereinnahmen zu können, zerschlagen hatten, beruhen auf dem zeitlichen Ablauf und dem unter der Ägide des Angeklagten nicht bzw. auch in der Folgezeit nicht in für das Erfolgshonorar relevanter Höhe zustande gekommenen Vergleich. So sollte die Erfolgsbeteiligung erst ab zwei Millionen Dollar greifen. Die Zeugin Gertraude K… hatte berichtet, dass sie sich mit einem anderen Anwalt später auf einen Betrag von knapp zwei Millionen Dollar geeinigt habe (C.I.).
401
Die Feststellungen dazu, dass auch ein mögliches Einkommen bei S… & P…, wie der Angeklagte wusste, nicht ausreichen würde, um die Rückführung abverfügter Gelder aus eigenen Mitteln in absehbarer Zeit zu ermöglichen, beruhen auf dem Umfang der Verbindlichkeiten, die der Angeklagte vor sich herschob und deren Größenordnung ihm bekannt war. Der Angeklagte entschied sich auch im Juli 2018 gegen eine Partnerschaft bei S… & P…. Eine Gewinnbeteiligung bei W… war erst ab Beginn 2019 zu erwarten, wie der Angeklagte wusste und wie er Rechtsanwalt M… gegenüber erwähnt hatte; hierüber hatte Rechtanwalt M… in der Hauptverhandlung glaubhaft berichtet. Für die Feststellungen zu Leistungsprämie, Steuerrückerstattungen und Geld von Freunden wird auf die Beweiswürdigung zu C.II.2. Bezug genommen.
402
Für die Feststellungen dazu, dass der Angeklagte zwar hoffte, die so verbrauchten Beträge zurückzahlen zu können, er aber hierzu keine konkrete Vorstellung entwickelt hatte und auch keine konkreten Aussichten hatte, wird auf die Beweiswürdigung unter C.II.2. verwiesen.
403
Für die Ausführungen zur Gewerbsmäßigkeit wird auf die Beweiswürdigung unter C.II.2. verwiesen.
404
Die Feststellungen dazu, dass die Überweisungen in keinem Zusammenhang mit den Zahlungseingängen standen, ergeben sich aus der geständigen Einlassung des Angeklagten gegenüber der Polizei, von der die Zeugin KHKin S… glaubhaft berichtet hatte.
405
Die Feststellungen dazu, dass alle Überweisungen eines Tages auf einem Tatentschluss beruhten, ergeben sich aus den glaubhaften Angaben des Angeklagten.
406
Die Feststellungen zu den einzelnen Abverfügungen ergeben sich anhand der eingeführten Kontoauszüge sowie dem Geständnis des Angeklagten, die Abverfügungen getätigt zu haben.
c. Nachtatgeschehen
407
Die Feststellungen im Zusammenhang mit der angestrebten Auszahlung einer Abschlagszahlung an die L… AG bzw. Rechtsanwalt M… beruhen auf den glaubhaften und übereinstimmenden Angaben der Zeugen H…, Dr. B…, M… und Dr. K…. Der Zeuge H… schilderte, dass er wiederholt in losen Abständen den Angeklagten kontaktiert und sich nach dem Stand erkundigt habe. Der Angeklagte schilderte glaubhaft, dass es die L… AG war, die auf eine Abschlagszahlung drängte. Der Zeuge H… konnte detailliert beschreiben, wann der Angeklagte welche Entschuldigungen vorbrachte und mit welchen Begründungen er sich einer (Abschlags-)Zahlung widersetzte. Die Zeugin S… schilderte glaubhaft den Hergang aus ihrer Sicht. Rechtsanwalt M… schilderte glaubhaft seine Verwunderung angesichts des ihm völlig neuen Vorbringens des Angeklagten, dass der Prozessfinanzierungsvertrag möglicherweise nichtig sei; er habe sich auf dieses Schreiben des Angeklagten keinen Reim machen können. Aus dem Vorstehenden schließt die Kammer auch, dass der Angeklagte seine kriminellen Handlungen vertuschen und eine Zahlung hinauszögern wollte.
408
Die Feststellungen zu dem Telefonat am 19.10.2018 zwischen Rechtanwalt M… und Rechtsanwältin S… beruhen auf deren glaubhaften Angaben.
409
Insolvenzverwalter Rechtsanwalt M… beschrieb das Treffen mit dem Angeklagten und Dr. N… detailliert und glaubhaft, insbesondere seinen Vorhalt, dass sich der Anteil der L… AG in Höhe von etwa 200.000,00 Euro nicht in Luft auflöse und dann der Masse zustehe, sowie die Antwort des Angeklagten („wo bleibt da der Sanierungsgedanke“). Rechtsanwalt M… gab glaubhaft an, dass er sich einerseits nicht habe vorstellen können, dass eine Bank die Verbindlichkeiten eines Kunden mit Geldern auf einem Sonderkonto verrechne, andererseits sich aber auch nicht habe erklären können, aus welchen sonstigen Gründen der Angeklagte die 800.000,00 Euro nicht habe zahlen können. Das sei für ihn ein „Rätsel“ gewesen. Dass ein Rechtsanwaltskollege Gelder veruntreut haben könnte, habe er sich nicht vorstellen wollen.
410
Rechtsanwalt M… machte glaubhafte Angaben zum weiteren Verlauf, insbesondere zur Antragsstellung im Insolvenzverfahren und zu den anschließenden Vereinbarungen mit der L… AG. Die Angaben wurden durch den sachverständigen Zeugen Dr. A… bezüglich des Insolvenzverfahrens und durch die Zeugen H… und Dr. B… bezüglich der geschlossenen Vereinbarungen bestätigt.
411
Der Zeuge Dr. B… und die Zeugin Gabriela S… bekundeten glaubhaft, dass der Angeklagte keine Erfolgsprämie seitens der L… AG erhalten hatte und dass die L… AG keinerlei Zahlung aus dem Vergleich erhalten hatte.
412
Die Vermögensauskunft, die der Angeklagte gegenüber Rechtsanwalt M… abgegeben hatte, wurde nebst Anschreiben eingeführt, ebenso das Endurteil des Landgerichts München I vom 02.02.2021 (Feststellung, dass der Anmeldung des Insolvenzverwalters M… im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Angeklagten eine vorsätzliche unerlaubte Handlung zugrunde liegt) sowie der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 21.10.2021 (Beschluss, dass beabsichtigt sei, die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 02.02.2021 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen). Die Feststellung, dass der Angeklagte im vorgenannten Verfahren Fristverlängerung für weiteren Vortrag beantragen ließ, beruhen auf den glaubhaften Angaben des Zeugen Dr. K….
5. Sonstige Feststellungen
413
Der in der Hauptverhandlung eloquent und engagiert auftretende Angeklagte war voll schuldfähig. Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Schuldfähigkeit ergaben sich aufgrund des Eindrucks in der mehrtägigen Hauptverhandlung sowie der Schilderungen der Zeugen nicht.
414
Die Feststellungen zu der Unterstützung der Familie nach der Verhaftung des Angeklagten beruhen auf den glaubhaften Angaben der Zeugen S…, K… und Dr. K….
415
Die Feststellungen, dass der Angeklagte bei Rechtanwältin K… noch Außenstände hatte, beruhen auf ihren glaubhaften Angaben.
E. Rechtliche Würdigung
416
Der Angeklagte hat sich wegen Untreue in 44 tatmehrheitlichen Fällen gem. §§ 266 Abs. 1, Abs. 2, 263 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 und Nr. 2, 53 StGB strafbar gemacht. Er erfüllte in sämtlichen Fällen das Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit und in fünf Fällen das Regelbeispiel der Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes.
I. Tatkorrplex Rechtanwältin R… als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der r… GmbH
1. Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen (Vermögensbetreuungspflicht) und Pflichtverletzung
417
Der Angeklagte hatte eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Insolvenzverwalterin Rechtsanwältin R… und hat diese durch die Abverfügungen jeweils verletzt. Da ihm hierzu keine Verfügungsmacht eingeräumt war, hat er jeweils die Variante des Treubruchtatbestands gem. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB verwirklicht.
418
Ein Anwalt, der mit der Führung eines bürgerlich-rechtlichen Rechtsstreits beauftragt wird, unterliegt nicht zwingend einer Treuepflicht. Der Bundesgerichtshof hat eine solche bejaht, wenn der Auftrag erteilt wurde, eine nicht unbeträchtliche Forderung geltend zu machen und wenn besondere Sachkunde, Weisungsungebundenheit und eine Ermächtigung zu einem Vergleichsschluss vorlagen (BGH, U. v. 11.11.1982, 4 StR 406/82 = NStZ 1983, 168; 3 StR 438/12, Rn. 11). Gemessen an diesen Maßstäben waren die Voraussetzungen für eine Treuepflicht gegeben. Der Angeklagte wurde der Insolvenzverwalterin aufgrund seiner Expertise empfohlen. Er klagte eine beträchtliche Summe in Höhe von mehreren Millionen Euro ein, er führte die Vergleichsverhandlungen weitgehend selbstständig und er schloss für sie einen Vergleich ab, der zuvor durch die Insolvenzverwalterin genehmigt wurde.
419
Die Vermögensbetreuungspflicht endete nicht mit dem Vergleichsschluss. Sie bestand auch fort, als die Überweisung der AIG auf dem Konto des Angeklagten einging und endete auch nicht mit Auszahlung von etwa 268.000,00 Euro an die Insolvenzverwalterin.
420
Anhaltspunkte dafür, dass das Mandat mit dem Angeklagten durch Kündigung oder ähnliches beendet gewesen sei, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs endet der Anwaltsvertrag regelmäßig durch Erledigung des Auftrags, das heißt mit Erreichung des Vertragszwecks (BGH, U. v. 16.07.2015, IX ZR 197/14, Rn. 81 = NJW 2015, 3447, 3452; BGH, U. v. 7.2.2008, IX ZR 149/94, Rn. 32 = NJW 2008, 2041, 2043; st. Rspr.). Gegenstand des Auftrags der Insolvenzverwalterin war die Realisierung vermögensrechtlicher Ansprüche, sodass der Angeklagte bei verständiger Würdigung nicht mit Abschluss des Vergleichs als „entlassen“ angesehen werden konnte. Der Angeklagte sollte in die Abwicklung jedenfalls insoweit beteiligt werden, als er die Kontonummern übermitteln sollte und Rechtsanwältin R… sich in der Folge darauf einließ, die Abrechnung und Auskehr durch den Angeklagten durchführen zu lassen. Dieses Ergebnis steht in Einklang mit der Rechtsprechung, die die Beendigung eines Anwaltsvertrags ablehnt, so lange sich ein für einen bestimmten Zweck überlassener Vorschuss auf dem Konto des Anwalts befindet (BGH, U. v. 03.10.1986, 2 StR 256/86 = BeckRS 1986, 31109541).
421
Die Vermögensbetreuungspflicht endete nicht mit Eingang der seitens der Al… erfolgten Zahlung beim Angeklagten. So ist die Entgegennahme von Geldern des Prozessgegners „als Prozessbevollmächtigter“ vielmehr geeignet, ein Treueverhältnis entstehen zu lassen (BGH 4 StR 554/59, U. v. 29.04.1960 = NJW 1960, 1629; st. Rspr.). Es war auch die Stellung des Angeklagten als Prozessbevollmächtigter und Verhandlungspartner im Prozess, kraft derer er die Zahlung auf sein Konto leiten konnte.
422
Die Vermögensbetreuungspflicht endete auch nicht mit der Auskehr des Betrages, der der Insolvenzverwalterin nach der Berechnung der L… AG zustand. Eine interessengerechte Auslegung der Vereinbarungen zwischen der Insolvenzverwalterin und dem Angeklagten ergibt, dass der Geschäftsbesorgungsvertrag erst beendet sein sollte, wenn alle Beteiligten, einschließlich die L… AG, den ihnen jeweils zustehenden Anteil erhalten haben. Jener Anteil, der der L… AG zustehen sollte, war zudem weiterhin Vermögen der Insolvenzverwalterin R… (s.u. zu Vermögensschaden); allein die faktische Herrschaft hierüber ließ die Vermögensbetreuungspflicht fortbestehen (BGH, U. v. 4.3.2020, 5 StR 395/19, Rn. 11), insbesondere wenn damit, wie hier, ein schützenswertes Vertrauen in eine pflichtgemäße Wahrnehmung der Vermögensinteressen verbunden war (BGH, U. v. 10.07.1996, 3 StR 50/96, Rn. 35).
423
Auch wenn man ein Erlöschen der Vermögensbetreuungspflicht durch einen der vorbenannten Tatbestände (Vergleichsschluss, Zahlungseingang, Überweisung an R…) annehmen würde, würde unter dem Gesichtspunkt der Fortsetzung erloschener Rechtsverhältnisse vermögensfürsorglicher Art die Vermögensbetreuungspflicht fortbestehen. Ausreichend ist insoweit, dass ein erloschenes Rechtsverhältnis vermögensfürsorglicher Art unter Wahrnehmung der eingeräumten Herrschaftsposition fortgesetzt wird und somit ein enger sachlicher Zusammenhang mit der zunächst begründeten Vermögensbetreuungspflicht besteht (vgl. BGH, B. v. 14.8.2013, 4 StR 255/13, Rn. 12; vgl. auch BGH, U. v. 3.10.1986, 2 StR 256/86).
424
Der Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten stand es nicht entgegen, dass der Angeklagte über keine Geldempfangsvollmacht verfügte und eine Weisung der Insolvenzverwalterin, die Gelder auf sein Konto zu übertragen, nicht vorgelegen hatte. So hat der Bundesgerichtshof in einem Fall, in dem ein Bevollmächtigter bewusst über seine Vollmacht hinaus sein Konto für eine Kaufpreiszahlung angegeben hatte, aufgrund des engen sachlichen Zusammenhangs mit dem erteilten Auftrag eine Vermögensbetreuungspflicht angenommen (BGH, U. v. 14.7.1955, 3 StR 158/55 = NJW 1955, 1643). Im vorliegenden Fall kann aufgrund der herausgehobenen Stellung des Angeklagten und dem Anlass der Zahlung auf sein Konto nichts anderes gelten, auch wenn die Kammer ein schuldhaft weisungswidriges Verhalten nicht zugrunde legt.
425
Die Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten umfasste mithin die ihm seitens der Al… überwiesenen Mittel in Höhe von 787.578,75 Euro sowie die rückerstatteten Gerichtskosten in Höhe von 71.872,00 Euro.
426
Der Angeklagte hat die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht gegenüber Rechtsanwältin R… auch verletzt.
427
Der Rechtsanwalt, der sich im Rahmen eines bestehenden Anwaltsvertrages zur Weiterleitung bestimmte Fremdgelder auf sein Geschäftskonto einzahlen lässt und weder uneingeschränkt bereit noch jederzeit fähig ist, einen entsprechenden Betrag aus eigenen flüssigen Mitteln auszukehren, kann sich der Untreue in der Variante des Treubruchtatbestandes gegenüber dem Berechtigten strafbar machen (st. Rspr.; m.w.N. BGH, B. v. 26.11.2019, 2 StR 588/18, Rn. 13 sowie BGH, B. v. 24.07.2014, 2 StR 221/14, Rn. 10). Maßgeblich ist insoweit, ob das Vermögen des Mandanten durch die Pflichtverletzung gemindert wird. Das ist etwa dann der Fall, wenn in der unterlassenen Weiterleitung die Absicht liegt, die eingenommenen Gelder endgültig für sich zu behalten, der Rechtsanwalt die Gelder zwar nicht auf Dauer für sich behalten will, aber ein dem Geldeingang entsprechender Betrag nicht jederzeit für den Berechtigten zur Verfügung gehalten wird, oder die Gefahr eines Vermögensverlustes groß ist, weil die auf dem Geschäftskonto befindlichen Gelder dem (unabwendbaren und unausgleichbaren) Zugriff von Gläubigern offenstehen (BGH, B. v. 26.11.2019, 2 StR 588/18, Rn. 13, BGH, B. v. 29.01.2015, 1 StR 587/14, Rn. 17).
428
Indem der Angeklagte die ihm zur Verfügung stehenden Gelder angriff und für eigene Zwecke verwendete, beging er jeweils eine Verletzung dieser besonderen Treuepflicht in der Form der Treubruchalternative (§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB); er beraubte sich damit auch selbst der Möglichkeit, die Gelder der Vermögensinhaberin herauszugeben, da ihm keine anderen Mittel zum Ausgleich zur Verfügung standen. Da der Angeklagte in allen Fällen eigene Verbindlichkeiten in Form von negativen Kontensalden tilgte, lag auch nicht eine bloße Verschiebung zwischen verschiedenen Geschäftskonten vor; der Angeklagte ließ es vielmehr gelten, dass sich durch die jeweiligen Überweisungen seine Verbindlichkeiten gegenüber den Kreditinstituten verringerten und verleibte sich so die Gelder nach und nach ein. Dies stellte die Verletzung einer spezifischen Treuepflicht dar (vgl. BGH, B. v. 26.11.2019, 2 StR 588/18, Rn. 13, BGH, B. v. 29.01.2015, 1 StR 587/14, Rn. 17, die jeweils nicht auf die Pflichtverletzung eingehen, sondern ohne Weiteres den Vermögensschaden bejahen).
429
Eine Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten gegenüber der L… AG bestand indes nicht.
430
Dies ergibt sich bereits aus allgemeinen Erwägungen zur Konstruktion des Prozessfinanzierungsvertrags (vgl. Frechen/Kochheim in NJW 2004, 1213, 1216: „Ein Mandatsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Prozessfinanzierungsgesellschaft wird […] nicht begründet. Der Rechtsanwalt fungiert […] vielmehr als unabhängiger Rechtsberater und Prozessbevollmächtigter des Anspruchsinhabers.“; Eversberg, in: Veith/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess, 4. A. 2020, § 3 Rn. 60: „Das Verhältnis zwischen Anspruchsinhaber und Prozessfinanzierer regelt sich überwiegend nach dem Prozessfinanzierungsvertrag […] es tritt keinesfalls an die Stelle oder in das Verhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt, das durch den Anwaltsvertrag und die einschlägigen Gesetze und Berufsordnungen abschließend geregelt wird. Das Prinzip der gewerblichen Prozessfinanzierung fußt auf einer klaren und strikten Trennung zwischen Rechtsberatung und Prozessvertretung einerseits und Prozessfinanzierung andererseits.“ Schmitt, in: Harbauer, Rechtsschutzversicherung: ARB, 9. Auflage 2019, Teil A. Einleitung, Rn. 141: „Zwischen Rechtsanwalt und Prozessfinanzierer bestehen grundsätzlich keine Rechtsbeziehungen.“).
431
Darüber hinaus hat die Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die L… AG den Angeklagten mandatiert hat.
2. Vermögensnachteil
432
Der Insolvenzverwalterin R… ist durch die jeweiligen Abverfügungen ein unmittelbarer Vermögensnachteil entstanden.
433
Nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung ist der Vergleich der Vermögenswerte unmittelbar vor und nach der pflichtwidrigen Verhaltensweise zulasten des betroffenen Vermögens zu ermitteln (st. Rspr., BGH, B. v. 19.9.2018, 1 StR 194/18, Rn. 22). Mit Tilgung privater Verbindlichkeiten oder geschäftlicher Verbindlichkeiten, die keinen Zusammenhang mit den Zahlungseingängen aufweisen, ist ein endgültiger Vermögensschaden eingetreten. Infolge des kompensationslosen Abflusses, der mit dem Verlust der Fremdgelder einhergeht, liegt ein endgültiger Vermögensnachteil vor (BGH, B. v. 26.11.2019, 2 StR 588/18, Rn. 13; vgl. auch BGH, B. v. 29.1.2015, 1 StR 587/14, Rn. 17, wonach mit der Verrechnung von Fremdgeldern mit Sollsalden auf dem Girokonto sowie mit dem Ausgleich anderer Verbindlichkeiten jeweils ein Vermögensschaden eingetreten ist).
434
Die Vermögensschädigung der Insolvenzverwalterin R… lag nicht darin, dass ihr Eigentum geschädigt wurde. Der Vermögensschaden der Insolvenzverwalterin entstand vielmehr durch eine Aushöhlung ihrer schuldrechtlich abgesicherten Positionen, nämlich des Herausgabeanspruchs der Insolvenzverwalterin gegen den Angeklagten gem. §§ 675, 667 Alt. 1 BGB aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag sowie den Freigabeanspruch der Insolvenzverwalterin gegenüber der L… AG aus dem Prozessfinanzierungsvertrag. Der Verlust der diesen Ansprüchen zugrunde liegenden (Geld-)Mittel stellt die „messbare Vermögenseinbuße“ dar, die die Rechtsprechung voraussetzt (vgl. BVerfGE 126, 170 (206) = NJW 2010, 3209 (3215); BGH NStZ 2020, 20 (21); NStZ-RR 2021, 246). Eine Folge dieses Vermögensnachteils war, dass die Insolvenzverwalterin die gegen sie gerichteten Ansprüche der L… AG aus dem Prozessfinanzierungsvertrag nicht mehr erfüllen konnte.
435
Die Insolvenzverwalterin hatte gegen den Angeklagten einen Herausgabeanspruch auf die überwiesene Zahlung der Al… sowie die Gerichtskostenerstattung der Landesjustizkasse Mainz gem. §§ 675, 667 BGB. Entsprechend der strafrechtlichen Wertung ist nach zutreffender zivilrechtlicher Betrachtungsweise „erlangt“ im Sinne des § 667 BGB all das, was der Beauftragte in innerem Zusammenhang mit der Geschäftsführung erhalten hat (BGH, U. v. 04.02.2000, V ZR 260/98 = NJW 2000, 1496; vgl. BGH NJW 2021, 2589 Rn. 14: „ebenso stehen dem Mandanten gem. §§ 675 Abs. 1, 667 BGB ein Anspruch auf Herausgabe hinsichtlich der Zahlungen zu, die ein Prozessgegner an den Rechtsanwalt erbringt“; siehe dazu auch die Kommentierung von Weyland, in: BRAO, 10. A. 2020, § 43a Rn. 89: „Erfasst wird gemäß § 667 BGB alles, was der Rechtsanwalt ‚aus der Geschäftsbesorgung erlangt‘ hat. Nicht nur alles, was der Anwalt von seinem Mandanten erhalten hat, ist ihm anvertraut, sondern auch die Werte, die dem Anwalt als Vertreter seines Mandanten von Dritten zugewendet werden und dem Mandanten zustehen. Dabei ist auch gleichgültig, ob diese Werte abredegemäß zu ihm gelangt sind. Selbst dann, wenn auf dem Kanzleikonto des Rechtsanwalts fremde Gelder eingehen, obwohl die Gegenseite schriftlich aufgefordert worden war, direkt auf das Konto des Mandanten einzuzahlen, liegt ein Anvertrautsein vor und gilt § 667 BGB.“). Damit waren sowohl die Vergleichszahlung der Al… als auch die Gerichtskostenerstattung der Landesjustizkasse Mainz „erlangt“ und Gegenstand des Herausgabeanspruchs der Insolvenzverwalterin gegen den Angeklagten.
436
Des Weiteren stand der Insolvenzverwalterin aus dem Prozessfinanzierungsvertrag ein Freigabenanspruch gegen die L… AG zu (vgl. § 6 des Prozessfinanzierungsvertrags), den die Insolvenzverwalterin nicht mehr befriedigen konnte, soweit die abverfügten Mittel nicht mehr zur Verfügung standen. Dieser Freigabeanspruch war Teil des strafrechtlich geschützten Vermögens und zielte auch auf die (Wieder-)Erlangung strafrechtlich geschützten Vermögens. Dieses beschränkt sich nicht auf das zivilrechtliche Eigentum. Geschützt sind vielmehr beispielsweise auch dingliche Rechte, Besitz und Gewahrsam, bestehende Forderungen, sonstige Ansprüche etc. (vgl. m.w.N. Fischer, StGB, 68. A. 2021, § 263 Rn. 91 f., § 266 Rn. 111). Ebenso zählen Anwartschaften zu den Vermögenswerten, wenn die Aussicht auf einen wirtschaftlichen Vorteil in einem solchen Maß konkretisiert ist, dass die Verkehrsauffassung ihr einen objektivierten wirtschaftlichen Wert beimisst (BGHSt 17, 147; Fischer, StGB, 68. A. 2021, § 266 Rn. 111). Dies war hier gegeben, da nach der Konzeption des Prozessfinanzierungsvertrags die sicherungshalber abgetretenen streitigen Ansprüche mit der Befriedigung der L… AG wieder, schuldrechtlich abgesichert, auf die Insolvenzverwalterin übergehen sollten.
437
Die Einwendungen der Verteidigung hiergegen greifen nicht durch: So ist der vorbenannte Herausgabeanspruch der Insolvenzverwalterin gegen den Angeklagten nicht auf die L… AG übergegangen. Eine cessio legis (im Sinn des § 86 VVG) findet beim Prozessfinanzierer, anders als beim Rechtsschutzversicherer (vgl. z.B. BGH, U. v. 10.6.2021, IX ZR 76/20), nicht automatisch statt. Eine Übertragung auf die Situation beim Prozessfinanzierer war im vorliegenden Fall nicht geboten. Die Verteidigung beruft sich auf die Rechtsprechung zum Übergang unselbstständiger Sicherungsrechte analog § 401 BGB bei Abtretung des Hauptanspruchs (vgl. BGH, U. v. 7.12.2006, IX ZR 161/04). Sie kommt zu dem Schluss, dass der Herausgabeanspruch aufgrund der Sicherungsabtretung im Prozessfinanzierungsvertrag als unselbstständiges Nebenrecht auf die L… AG übergegangen sei. Er sei mithin nicht „Vermögen“ der Insolvenzverwalterin im Sinne des § 266 StGB gewesen.
438
Dies trifft nicht zu: Zwar gilt § 401 Abs. 1 BGB entsprechend für andere unselbstständige Nebenrechte, insbesondere den Anspruch aus § 667 BGB gegen den von den Vertragsparteien mit der Abwicklung eines Vertrags beauftragten Treuhänder (zu Notaranderkonto BGH, U. v. 19.03.1998, IX ZR 242/97 = NJW 1998, 2134; Stürner, in: Jauernig, BGB, 18. A. 2021, § 401 Rn. 3).
439
Gegen einen Forderungsübergang spricht bereits, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Prozessfinanzierungsvertrags nicht vorgesehen war, dass der Angeklagte als „Zahlstelle“ fungieren würde; im Fall R… wurde er auch zu keinem Zeitpunkt beauftragt. Ein etwaiger Herausgabeanspruch gegen den Angeklagten im Hinblick auf die Vergleichszahlung gem. §§ 667, 675 BGB existierte zu dem Zeitpunkt nicht und die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass dies Gegenstand des Prozessfinanzierungsvertrags zwischen der L… AG und Rechtsanwältin R… (bzw. Rechtsanwalt M…) gewesen wäre. Gem. § 401 BGB gehen die Nebenrechte aber „mit der Abtretung“ über, das heißt zum Zeitpunkt des Abschlusses des Prozessfinanzierungsvertrags. Dies schließt den Übergang künftiger Sicherungsrechte nicht aus, setzt aber voraus, dass deren Übergang vereinbart war (vgl. für den Übergang einer Bürgschaft, die erst nach Forderungsabtretung gestellt wird, BGH, U. v. 15.08.2002, IX ZR 217/99 = NJW 2002, 3461, 3462: „ausschlaggebend ist, dass Zedent und Zessionar sich bei Abtretung der Hauptforderung zugleich über die Abtretung künftiger Sicherheiten für diese geeinigt hatten.“; vgl. auch Hanseatisches OLG, U. v. 26.11.2020, 1 U 163/09 = NJW 2011, 2663, 2668; Stürner, in: Jauernig, BGB, 18. A. 2021, § 401 Rn. 1). Ein künftiger Herausgabeanspruch der Insolvenzverwalterin gegen den Angeklagten war indes nicht Gegenstand der Sicherungsübereignung. Gegenstand waren allein die „streitigen Ansprüche“ im Sinne des Prozessfinanzierungsvertrags. Gründe, dass dieser Herausgabeanspruch zwingend aufgrund der Sicherungsabtretung übergehen müsse (§ 401 BGB ist dispositiv), sind nicht ersichtlich.
440
Darüber hinaus käme es auf den möglichen Übergang eines Herausgabeanspruchs der Insolvenzverwalterin R… gegen den Angeklagten auf die L… AG nicht an. Wie ausgeführt, unterfallen dem strafrechtlichen Schutz auch rechtlich gesicherte Anwartschaften (BGH, U. v. 20.2.1962, 1 StR 496/61 = BGSt 17, 147; Fischer, StGB, 68. A. 2021, § 266 Rn. 111). Dies umfasst neben dem Anspruch der Insolvenzverwalterin auf Aufhebung der Sicherungsabtretung/Freigabe nach § 6 des Prozessfinanzierungsvertrages (siehe oben) ebenfalls den Anspruch auf Rückübertragung eines etwa nach § 401 BGB analog übergegangenen Herausgabeanspruchs gegen den Angeklagten. Wenn man davon ausginge, dass der Herausgabeanspruch auf den Angeklagten übergegangen wäre, hätte die Insolvenzverwalterin ebenso einen Anspruch auf Rückübertragung dieses Herausgabeanspruchs gegen die L… AG, sobald letztere befriedigt würde. Diese anwartschaftsähnliche Position unterfiele, wie ausgeführt, dem strafrechtlichen Schutz. Für die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten kam es mithin nicht darauf an, ob die Insolvenzverwalterin zivilrechtlicher Inhaber des Herausgabeanspruchs gegen den Angeklagten war. Ausreichend war, dass sie bei ordnungsgemäßer Abwicklung - rechtlich gesichert und vorhersehbar - die Freigabe durch die L… AG bzw. Herausgabe hätte erwirken können.
441
Dem Herausgabeanspruch gegen den Angeklagten stand nicht ein möglicher Rückzahlungsanspruch der Al… aus § 812 BGB entgegen. Dem Angeklagten hätte zu jeder Zeit die Möglichkeit der Hinterlegung der Vergleichsforderung zur Verfügung gestanden, auch nachdem bereits Teile der Vergleichsforderung verbraucht waren.
442
Unzutreffend ist die wiederholt geäußerte Rechtsansicht der Verteidigung, dass ein Schaden der Insolvenzverwalterin deshalb nicht vorlag, da die Insolvenzverwalterin in voller Höhe befriedigt worden sei. So habe sie durch die A… die volle Vergleichssumme in Höhe von 787.578,75 Euro erhalten; zusammen mit der Überweisung in Höhe von 268.344,12 Euro durch den Angeklagten habe sie die Summe erhalten, die ihr nach der Abrechnung gemäß Prozessfinanzierungsvertrag zustehe. Diese Rechtsmeinung übersieht indes, dass infolge der Abverfügungen des Angeklagten die L… AG in Höhe von etwa 660.000,00 Euro nicht befriedigt werden konnte und sich dieser Anspruch nach den Bestimmungen des Prozessfinanzierungsvertrages gerade gegen die Insolvenzverwalterin richtete.
443
Der Angeklagte hatte auch keine ausreichenden Mittel zu einem in Aussicht genommenen Ausgleich, die die Strafbarkeit entfallen ließen. Die Rechtsprechung setzt insoweit voraus, dass bei dem Betreffenden die uneingeschränkte Bereitschaft und jederzeitige Fähigkeit, einen entsprechenden Betrag aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren, besteht (BGH, B. v. 26.11.2019, 2 StR 588/18, Rn. 13; BGH, B. v. 29.01.2015, 1 StR 587/14, Rn. 17).
444
Dies war hier mit den obigen Feststellungen zu verneinen. Insbesondere war ein Rückführungswille in diesem Sinne zu verneinen. Natürlich hoffte der Angeklagte, die vereinnahmten Beträge zurück zahlen zu können. Einen „in Aussicht genommenen Ausgleich“ (vgl. BGH, B. v. 26.11.2019, 2 StR 588/13, Rn. 13) stellt dies jedoch nicht dar.
445
Weder in einem möglicherweise fortbestehenden Anspruch der Insolvenzverwalterin R… noch in der erstinstanzlichen Verurteilung der Al…, erneute Zahlung an die Insolvenzverwalterin R… zu leisten, liegt eine insoweit erforderliche unmittelbare Schadenskompensation. Eine solche setzt gleichzeitig eintretende wirtschaftliche Vorteile für das betreute Vermögen voraus. Dies ist hier nicht der Fall. Ein möglicherweise (unverändert) fortbestehender Anspruch der Insolvenzverwalterin gegen die Al… ist bereits deshalb keine hinreichende Kompensation, da er vor der Handlung des Angeklagten entstanden war. Sollte es zu einer (erneuten) Zahlung der Al… an die Insolvenzverwalterin kommen, würde dies lediglich eine nachträgliche „Wiedergutmachung“ bedeuten, die nur im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen wäre (m.w.N. Fischer, 68. A. 2021, § 266 Rn. 164; vgl. BGH 2 StR 587/07, U. v. 29.08.2008, Rn. 45). Gleiches gilt für eine Beteiligung von Insolvenzverwalterin R… an einem Quotenerlös im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Angeklagten.
446
Der Angeklagte handelte auch vorsätzlich. Der Vorsatz bei der Untreue muss sich auf die Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht (vgl. BGH 3 StR 176/06, B. v. 11.07.2006, Rn. 8) und den Vermögensnachteil (z.B. BGH, U. v. 28.05.2013, 5 StR 551/11, Rn. 18) beziehen. Bedingter Vorsatz reicht aus (BGH U. v. 28.05.2013, 5 StR 551/11, Rn. 20).
447
Dies war hier erfüllt, da der Angeklagte jeweils mit sicherem Wissen seine Vermögensbetreuungspflicht verletzte und im Wissen um die Vermögensnachteile die Mittel aus der Vergleichszahlung abverfügte.
II. Tatkomplex Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG
1. Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen (Vermögensbetreuungspflicht) und Pflichtverletzung
448
Der Angeklagte hatte eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Insolvenzverwalter Rainer U. M… und hat diese durch die Abverfügungen jeweils verletzt. Da ihm hierzu keine Verfügungsmacht eingeräumt war, hat er jeweils die Variante des Treubruchtatbestands gemäß § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB verwirklicht.
449
Der Angeklagte hatte eine Vermögensbetreuungspflicht, die sich auf die überwiesenen 798.500,00 Euro bezog. Dies ergibt sich aus denselben Erwägungen wie bei Rechtsanwältin R…. Auch im Tatkomplex Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG war der Angeklagte beauftragt, in einem zivilrechtlichen Rechtsstreit eine erhebliche Summe einzuklagen und zu realisieren; der Angeklagte erhob im Auftrag des Mandanten Klage, führte später Vergleichsverhandlungen und schloss namens und im Auftrag seines Mandanten einen Vergleich. Bereits dies begründete eine Vermögensbetreuungspflicht.
450
Des Weiteren entstand eine Vermögensbetreuungspflicht unter dem Gesichtspunkt der Zweckbindung der überlassenen Mittel. So macht sich nach der Rechtsprechung des BGH ein Rechtsanwalt, der Gelder für eine Mandanten in Empfang nimmt und nicht einem Anderkonto zuführt, sondern anderweitig verwendet, grundsätzlich der Untreue schuldig. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Rechtsanwalt Mittel nicht von einem Dritten zur Auskehrung an den Mandanten erhalten, sondern dieser ihm Gelder zur Ausführung eines Auftrags überlassen hat (BGH, B. v. 30.10.2003, 3 StR 276/03; BGH, NStZ 1982, 331; OLG Stuttgart, NJW 1968, 1340: „Die Pflicht, zu treuen Händen zweckgebunden übergebene Gelder zweckentsprechend zu verwenden, ist grundsätzlich eine für § 266 StGB ausreichende Treupflicht, denn sie geht dahin, fremdes Gut fremdnützig zu verwalten.“). Diese Konstellation lag vor. Der Angeklagte nahm die Vergleichszahlung auf ausdrückliche Anweisung des Insolvenzverwalters M… für diesen auf seinem Rechtsanwaltskonto entgegen, mit dem Ziel einer späteren Auskehr an Rechtsanwalt M… und die L… AG.
451
Diese Vermögensbetreuungspflicht bestand auch allein dem Insolvenzverwalter M… gegenüber und nicht gegenüber der L… AG (siehe oben E.I.1.).
452
Im konkreten Fall hatte die L… AG dem Angeklagten ein Mandat auch nicht erteilt (siehe oben C.III.1.). Nichts anderes ergibt sich aus der E-Mail des Zeugen H… vom 21.09.2017 an den Angeklagten, die L… AG mache die Zustimmung zum Vergleichsschluss davon abhängig, dass das Geld auf das Konto des Angeklagten gehe. Damit veranlasste sie Rechtsanwalt M…, dem Angeklagten eine Weisung zu erteilen, die Gelder für ihn entgegen zu nehmen und nach Maßgabe der Abrechnung zu verteilen. Eine veränderte Vermögenszuordnung war damit nicht verbunden (siehe oben C.III.1.).
453
Der Anspruch auf die Mittel aus dem Vergleich „hing“ nicht bei der L…. Auch im Fall M… wurde der Angeklagte erst nach Abschluss des Prozessfinanzierungsvertrags als Zahlstelle beauftragt. Es kam nicht zum Forderungsübergang (siehe oben E.II.2.) Wie die Vorgänge im Zusammenhang mit den Abschlagszahlungen zeigen, ging auch die L…, die als erste „Druck machte“, offenbar nicht davon aus, dass sie einfach den ihr zustehenden Anteil von dem Angeklagten herausfordern konnte.
454
Durch die Abverfügungen in 33 Fällen hat der Angeklagte die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht gegenüber Rechtsanwalt M auch verletzt. Auf die Ausführungen unter E.I.1. wird Bezug genommen.
2. Vermögensnachteil
455
Dem Insolvenzverwalter M… ist durch die jeweiligen Abverfügungen des Angeklagten auch ein unmittelbarer Vermögensnachteil entstanden. Auf die Ausführungen unter E.I.2. wird Bezug genommen.
456
Der Freigabeanspruch gegen die L… gemäß § 6 des Prozessfinanzierungsvertrages und der Herausgabeanspruch aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Angeklagten gem. §§ 667 Alt. 1, 675 BGB standen dem Insolvenzverwalter auch ungeteilt zu (vgl. Schäfer, in: MüKo-BGB, 8. A. 2020, § 667 Rn. 37: „Die Haftung ist die Folge eines Treubruchs der treuhänderischen Beziehung zwischen Auftraggeber und Beauftragtem durch zweckbezogene Mittelüberlassung.“), so dass den Insolvenzverwalter daher auch der volle Vermögensnachteil traf.
457
Ein Übergang des Herausgabeanspruchs an die L… AG hatte nicht stattgefunden, zumal im Tatkomplex Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e AG der Angeklagte erst nach Abschluss des Prozessfinanzierungsvertrages als Zahlstelle etabliert wurde. Auf die obigen Ausführungen unter E.I.1. wird verwiesen.
458
Die Beweisaufnahme ergab auch nicht, dass der Angeklagte nunmehr auch für die L… die Gelder (anteilig) in Empfang nehmen sollte und durch diese mandatiert worden wäre (siehe oben).
459
Soweit die Verteidigung vorbringt, dass zwischen der L… AG und Rechtsanwalt M… eine sogenannte Innengesellschaft entstanden sei, so entspricht dies herrschender Meinung (vgl. nur Dethloff, in: NJW 2000, 2225, OLG Frankfurt am Main, U. v. 2.7.2020, 1 U 67/19; vgl. Scholl, in: Hamm, Beck’sches Rechtsanwalt-Handbuch, § 56 Rn. 251). Dies führt nicht zu dem Schluss, dass hierdurch separierte Kapitalkonten entstünden und die L… allein über ihr Kapitalkonto verfügen konnte. Der Angeklagte hielt die Gelder vielmehr weiterhin für seinen Mandanten, den Insolvenzverwalter M…, und war beauftragt, diese in dessen Auftrag an die L… AG auszuzahlen. Ob insoweit eine Sicherungsabtretung bestand oder nicht, war keine Fragestellung, die sich auf die Pflichtenstellung des Angeklagten auswirkte.
460
Keine Relevanz hatte der Umstand, dass eine Abrechnung bis Oktober 2018 noch nicht stattgefunden hatte bzw. erst dann zwischen der L… AG und Rechtsanwalt M… Abschlagszahlungen vereinbart wurden. Zwar soll der Anspruch aus § 667 Alt. 1 BGB im Falle einer Treuhand erst mit Beendigung des Auftrags fällig werden. Dies solle auch für die Zweckentfremdung von überlassenen Mitteln gelten, solange noch die Möglichkeit in Betracht kommt, dass der Beauftragte eigene Mittel einsetzt oder seiner Wiederbeschaffungspflicht nachkommt (Schäfer, in: MüKo-BGB 8. A. 2020, § 667 Rn. 23). Diese Fragestellung geht aber daran vorbei, dass in strafrechtlicher Hinsicht allein die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht maßgeblich ist, nicht die Nichterfüllung eines schuldrechtlichen Anspruchs. Im Übrigen kamen die Möglichkeit des Einsatzes eigener Mittel bzw. eine Wiederbeschaffung von Dritten zu den jeweiligen Tatzeitpunkten nicht mehr in Betracht (siehe oben C.III.2.).
461
Ausgehend davon, dass allein Rechtanwalt M den Angeklagten mandatiert hatte, hätte jener im Verhältnis zum Angeklagten die Fälligkeit der Zahlungen auch einseitig abändern können, was dem Angeklagten auch klar war. Wenn sich der Angeklagte darauf beruft, ihm sei die Auskehr an den Insolvenzverwalter vor Endabrechnung der L… AG untersagt gewesen, ist dies unzutreffend.
462
Die Behauptung des Angeklagten, der Anspruch an der Vergleichssumme liege alleine bei der L… AG, da die Sicherungsabtretung von Rechtsanwalt M… aus dem Prozessfinanzierungsvertrag offengelegt worden sei und die Vergleichsgegner, indem sie auf ein Konto des Angeklagten zahlten, an die L… AG leisteten (und nicht an Rechtsanwalt M…), ist unzutreffend. Dem Zessionar, der eine Einziehungsermächtigung erteilt hat, steht es grundsätzlich frei, die Zession aufzudecken und direkt Zahlung an sich zu verlangen, typischerweise mit Widerruf der Einzugsermächtigung (vgl. nur BGH, U. v. 06.04.2020, IX ZR 422/98). Für eine etwaige Offenlegung (unabhängig davon, ob und welche Folgen im vorliegenden Fall daraus erwachsen würden) hat die Beweisaufnahme indes nichts ergeben, eine Offenlegung der Sicherungszession war keinem der gehörten Zeugen erinnerlich. Der Vertreter der Beklagten zu 4 hatte vielmehr eine Geldempfangsvollmacht von Rechtsanwalt M… für den Angeklagten angefordert. Wären die Beteiligten von einem Übergang auf die L… AG ausgegangen, hätte die Vergleichszahlung auf das Konto des Angeklagten als Zahlstelle der L… AG (mangels Geldempfangsvollmacht des Angeklagten von der L… AG) keine Erfüllungswirkung herbeiführen können. Einer Erfüllungswirkung der Zahlung an den Angeklagten als Zahlstelle von Rechtsanwalt M… hätte § 407 Abs. 1 BGB entgegengestanden. Es bleibt dabei, dass Rechtsanwalt M… durch die Abverfügungen des Angeklagten einen unmittelbaren Vermögensnachteil erlitten hat.
463
Das Ergebnis stimmt mit zivilrechtlichen Wertungen überein (vgl. Dethloff, in: NJW 2000, 2225, 2230: „Die Gewinn- und Verlustbeteiligung im Prozessfinanzierungsvertrag betrifft lediglich die Risikoverteilung zwischen Anspruchsinhaber und Finanzierer, soll aber nicht den pflichtwidrig handelnden Rechtsanwalt entlasten.“).
464
Der Angeklagte hatte angesichts seiner prekären finanziellen Situation keine ausreichenden Mittel für einen Ausgleich, d.h. die uneingeschränkte Bereitschaft und jederzeitige Fähigkeit, einen entsprechenden Betrag aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren. Die Beweisaufnahme hat zu den vorgeblichen Geldquellen ebenso wenig ergeben wie zu einem Ausgleichswillen des Angeklagten im Sinne der Rechtsprechung des BGH (siehe oben E.I.2.).
465
Der Schaden entfiel nicht dadurch, dass Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG eine Quote im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Angeklagten erhält und dass der Anspruch der L… AG an ihn abgetreten wurde. Letztgenannter Anspruch erweist sich derzeit als noch nicht werthaltig; dieser Anspruch ist, wie die Beteiligung an einer Quote, lediglich im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen (siehe oben E.I.2.).
III. Konkurrenzrechtliche Bewertung
466
Aufgrund des an den jeweiligen Tagen erfolgten Tatentschlusses des Angeklagten und des Umstands, dass alle Überweisungen eines Tages von einem Konto getätigt wurden, waren die Pflichtverletzungen als für jeden Tag einheitliche einzuordnen (natürliche Handlungseinheit, vgl. BGH, B. v. 24.03.2015, 4 StR 52/15, Rn. 9; BGH, B. v. 18.05.2010, 4 StR 182/10, Rn. 5; BGH, B. v. 7.3.2017, 1 StR 41/17, Rn. 9).
F. Strafzumessung
I. Strafrahmenbestimmung
467
Das Gesetz sieht in § 266 Abs. 1 StGB einen Strafrahmen von Geldstrafe bis 5 Jahre Freiheitsstrafe vor. In besonders schweren Fällen gem. §§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 StGB beträgt der Strafrahmen 6 Monate bis 10 Jahre Freiheitsstrafe. Diesen letztgenannten Strafrahmen legt die Kammer für jede der Taten zugrunde. Der Angeklagte hat in sämtlichen Fällen das Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit gemäß § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB verwirklicht und auch nach wertender Betrachtung gewerbsmäßig gehandelt (C.II.2., C.III.2.), sowie in fünf Fällen (C.II.1., C.II.3., C.II.4., C.III.13., C.III.17.) auch das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StGB erfüllt und auch nach wertender Betrachtung zusätzlich einen Vermögensnachteil großen Ausmaßes herbeigeführt.
468
Besondere strafmildernde Umstände, die für sich allein oder in ihrer Gesamtheit so schwer wiegen, dass die Anwendung des Strafrahmens für besonders schwere Fälle unangemessen erscheint (vgl. BGH, B. v. 11.09.2003, 4 StR 193/03), also die Indizwirkung des Regelbeispiels entkräftet wird, lagen weder im Hinblick auf das Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit noch jenes des Vermögensnachteils großen Ausmaßes vor.
469
Die Kammer berücksichtigte dabei in jedem der Einzelfälle zugunsten des Angeklagten, dass er nicht vorbestraft ist und dass er die Tathandlungen bereits bei der Polizei vollumfänglich eingeräumt hat und angegeben hatte, zu einem Ausgleich nicht in der Lage gewesen zu sein. Zugunsten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass er im Ermittlungsverfahren mit der Polizei zusammenarbeitete und bei der Aufklärung seiner Vermögensverhältnisse half, in dem er mehrere Ordner mit Bankunterlagen zur Verfügung stellte. Zu Gunsten des Angeklagten war einzustellen, dass die Geschädigten lediglich Insolvenzmassen und deren Insolvenzverwalter waren; Einzelpersonen erlitten durch die Taten keine persönlichen Nachteile oder gerieten in wirtschaftliche Not. Die Kammer stellte in Rechnung, dass die Taten alle mehr als drei Jahre zurückliegen. Die Kammer hält dem Angeklagten zugute, dass er seine Kanzlei vor der Insolvenz retten wollte und dies, verbunden mit seiner prekären finanziellen Lage, einen Anreiz für die Tatbegehung bot. Der Angeklagte hätte für den Fall einer rechtskräftigen Verurteilung mit dem Ausschluss aus der Anwaltschaft rechnen müssen, den die Veruntreuung von Mandantengeldern regelmäßig nach sich zieht (§ 114 Abs. 1 BRAO, vgl. BGH, U. v. 06.02.1961, AnwSt(R) 3/60 = NJW 1961, 931; BGH, B. v. 24.03.2011, AnwZ(Brfg) 4/11, Rn. 8). Die Kammer hält dem Angeklagten in diesem Zusammenhang einerseits zugute, dass er seine Zulassung als Rechtsanwalt freiwillig zurückgab. Andererseits geht die Kammer ebenfalls zugunsten des Angeklagten davon aus, dass er infolge der Taten seine Stellung als Rechtsanwalt, auch für die Zukunft, einbüßte. Die Kammer berücksichtigte weiterhin zu Gunsten des Angeklagten, dass der Verlust der Stellung als Rechtsanwalt mit einem erheblichen finanziellen Abstieg und einer Verringerung des Lebenszuschnitts einherging. So musste der Angeklagte beispielsweise eine angemietete Immobilie in der Nähe des Isarhochufers gegen eine Dreizimmerwohnung tauschen; der Angeklagte wird voraussichtlich in einem juristischen Beruf nie wieder annähernd die Einnahmen erzielen können, die er gewohnt war.
470
Die Kammer legte zu Gunsten des Angeklagten einen engen zeitlichen und situativen Zusammenhang der Taten zugrunde, mit einer absinkenden Hemmschwelle bei fortschreitender Tatbegehung. Die Kammer berücksichtigte zu Gunsten des Angeklagten, dass er sich in Untersuchungshaft befand, als sein zweites Kind zur Welt kam. Sie berücksichtigte auch insgesamt die lange Verfahrensdauer, die den Angeklagten belastete.
471
Die Kammer wertete im Tatkomplex Rechtsanwältin R… als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der r… GmbH (11 Fälle) zu Gunsten des Angeklagten, dass der Insolvenzverwalterin in erster Instanz vor dem Landgericht Frankfurt am Main die Vergleichszahlung der Al… (erneut) zugesprochen wurde. Da die Insolvenzverwalterin mit der L… AG einen Abgeltungsvergleich geschlossen hatte (siehe oben C.II.3.), kann sie darauf hoffen, dass es möglicherweise zu einer vollständigen Kompensation des Schadens und einer Überzahlung der von ihr verwalteten Masse kommt.
472
Die Kammer wertete im Tatkomplex Rechtsanwalt M… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e… AG zu Gunsten des Angeklagten, dass dieser eine Aussicht auf eine gute Quote im Insolvenzverfahren hat, da die L… AG dem Insolvenzverwalter ihre Ansprüche gegen den Angeklagten kompensationslos abgetreten hatte (siehe oben C.III.3.). Mithin kann auch Rechtsanwalt M… auf eine vollständige Schadenskompensation und eine Überzahlung der Masse hoffen. Desweiteren berücksichtigte die Kammer zugunsten des Angeklagten, dass die Beteiligten, insbesondere Rechtsanwalt M…, das Geld monatelang beim Angeklagten liegen ließen, ohne auf eine zeitnahe Abrechnung zu bestehen, was die Tatbegehung erleichterte.
473
Die Kammer sah aufgrund der vorstehenden Ausführungen in der Strafzumessung keine relevanten Unterschiede bei den Taten zu Lasten der Insolvenzverwalterin R… und zu Lasten des Insolvenzverwalters M….
474
Zu Lasten des Angeklagten wertete die Kammer die jeweiligen Schadenshöhen, die zwischen 3.779,44 Euro und 149.864,99 Euro lagen. Bei fünf Taten (C.II.1., C.II.3., C.II.4., C.III.13., C.III.17.) berücksichtigte die Kammer zu Lasten des Angeklagten, dass dieser neben dem Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit auch das Regelbeispiel der Herbeiführung eines Vermögensverlustes hohen Ausmaßes verwirklicht hatte.
475
Ein Absehen von der Regelbeispielswirkung der Gewerbsmäßigkeit sowie des Vermögensverlustes großen Ausmaßes erachtete die Kammer in einer Gesamtschau sämtlicher, vorstehend geschilderter Umstände als nicht veranlasst.
476
Der Strafrahmen betrug mithin für jede Tat 6 Monate bis 10 Jahre Freiheitsstrafe.
II. Einzelstrafen
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Die Kammer bildete, ausgehend von der jeweiligen Schadenssumme, folgende Einzel-Freiheitsstrafen:
bis 5.000,00 Euro (insgesamt 3 Taten, C.II.8., C.III.19., C.III.27.):
jeweils 8 Monate Freiheitsstrafe
bis einschließlich 10.000,00 Euro (insgesamt 13 Taten, C.II.2., C.II.11., C.III.16., C.III.22., C.III.24., C.III.26., C.III.28., C.III.29., C.III.35., C.III.37., C.III.41., C.III.42., C.III.44.):
jeweils 10 Monate Freiheitsstrafe
bis 15.000,00 Euro (insgesamt 6 Taten, C.II.6., C.III.18, C.III.20., C.III.23., C.III.40, C.III.43.):
jeweils 1 Jahr Freiheitsstrafe
bis 25.000,00 Euro (insgesamt 7 Taten, C.II.5., C.II.9., C.III.21., C.III.30., C.III.31., C.III.33., C.III.39.):
jeweils 1 Jahr 4 Monate Freiheitsstrafe
bis 50.000,00 Euro (insgesamt 10 Taten, C.II.7., C.II.10., C.III.12., C.III.14., C.III.15., C.III.25., C.III.32., C.III.34., C.III.36., C.III.38.):
jeweils 1 Jahr 8 Monate Freiheitsstrafe
bis 100.000,00 Euro (insgesamt 3 Taten, C.II.1., C.II.3., C.III.17.):
jeweils 2 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe
C.III. 13. (111.488,71 Euro):
2 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe
C.II.4. (149.864,99 Euro):
2 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe (Einsatzfreiheitsstrafe)
III. Gesamtstrafenbildung
478
Unter nochmaliger Berücksichtigung sämtlicher für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte, insbesondere unter Berücksichtigung des engen sachlichen Zusammenhangs der Straftaten im Sinne eines Seriencharakters, der fehlenden Vorstrafen, des Geständnisses, der guten Kompensationsaussichten der geschädigten Insolvenzverwalter sowie des Verlustes der beruflichen Stellung des Angeklagten einerseits und der Schadenssummen andererseits erachtete die Kammer unter moderater Erhöhung der Einsatzfreiheitsstrafe von 2 Jahren 9 Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von
3. Jahren 6 Monaten
für tat- und schuldangemessen.
G. Berufsverbot und Einziehungsentscheidung
I. Berufsverbot
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Von der Verhängung eines Berufsverbotes (§ 70 StGB) hat die Kammer abgesehen.
480
Ein Berufsverbot ist ein schwerwiegender Eingriff, mit dem die Allgemeinheit, sei es auch nur ein bestimmter Personenkreis, vor weiterer Gefährdung geschützt werden soll (BGH, B. v. 19.11.2019, 1 StR 364/19, Rn. 8; BGH, B. v. 25.01.2017, 1 StR 570/16 Rn. 8 m.w.N.). Voraussetzung ist, dass eine - auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung abgestellte (BGH, U. v. 05.08.1975, 1 StR 356/75 = NJW 1975, 2249 f.) - Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten den Richter zu der Überzeugung führt, dass die Gefahr, das heißt die Wahrscheinlichkeit künftiger ähnlicher erheblicher Rechtsverletzungen durch den Täter besteht (BGH, U. v. 25.04.2013, 4 StR 296/12, Rn. 6, m.w.N.).
481
Dies war zur Überzeugung der Kammer zu verneinen. Der Angeklagte hat seine Zulassung als Rechtsanwalt bereits zurückgegeben. Es ist sowohl aufgrund der hier ausgeurteilten Taten und der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe, aber auch aufgrund des eingetretenen Vermögensverfalls, zu erwarten, dass er in absehbarer Zeit keine Zulassung als Rechtsanwalt mehr bekommen wird. Er wird somit auch ohne Anordnung eines Berufsverbots keine Gelegenheit mehr haben, Mandantengelder zu veruntreuen.
II. Einziehungsentscheidung
482
Eine Einziehungsentscheidung war nicht mehr zu treffen, da (aufgrund des laufenden Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Angeklagten) vom Ausspruch einer solchen mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft abgesehen wurde.
H. Kosten
483
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464, 465 Abs. 1 StPO.