Titel:
Anspruch des Mieters auf Wallbox
Normenkette:
BGB § 554
Leitsätze:
1. Ein schutzwürdiges Interesse des Vermieters, dass einer Wallbox entgegenstehen könnte, besteht nicht, wenn eine Starkstromleitung vorhanden ist und die Wallbox nur an der Wand angebracht werden muss. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Moralische Bedenken gegen die E-Mobilität vermögen eine Unzumutbarkeit der Erlaubniserteilung nicht zu rechtfertigen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mieter, Zustimmungsanspruch, Wallbox, Unzumutbarkeit
Rechtsmittelinstanz:
LG München I, Endurteil vom 25.05.2022 – 14 S 16374/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 57875
Tenor
1. Die Beklagten werden verurteilt, dem Kläger die Installation einer Wallbox mit einer Ladeleistung von 11 KW Ladeleistung unter Verwendung der vorhandenen Starkstromleitung durch eine Elektrofachkraft in seiner Garage F.-straße ... für das Laden eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs zu erlauben.
2. Die Beklagten werden verurteilt, dem Kläger die Zustimmung zu erteilen, sich dafür bei der ... V. GmbH anzumelden.
3. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Erlaubnis zur Installation einer Wallbox in einer angemieteten Garage für das Laden eines Elektroautos des Klägers.
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Der Kläger ist gemäß Mietvertrag vom 01.05.2004 Mieter, die Beklagten sind Vermieter der Wohnung und der Einzelgarage in der F. straße ... in München.
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Mit Schreiben vom 12.10.2020 und 27.11.2020 bat der Kläger die Beklagten um Zustimmung zur Installation einer Ladestation für sein Elektroauto, Renault ZOE, welcher er seit Dezember 2020 fährt, in seiner Garage.
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Die Ladestation kann über dem bereits vorhandenen stark Stromanschluss in der Garage angeschlossen werden. Von diesem wird eine Verkabelung über Putz zu der Wallbox verlegt und der Sicherungsverteiler erweitert. Der Anschluss wird über eine Elektrofachfirma erfolgen.
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Die einzubauende Wallbox ABL 1W1101 ist TÜV geprüft und erfüllt alle Zulassungskriterien.
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Eine entsprechende Zustimmung wurde nicht erteilt.
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Der Kläger benötigt zudem die Zustimmung der Beklagten als Eigentümer, um die Ladestation bei den Stadtwerken M. anmelden zu können.
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Der Kläger ist bereit für die Rückbaukosten nötigenfalls eine Sicherheit zu hinterlegen.
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Der Kläger beantragte zuletzt,
- 1.
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Die Beklagten werden verurteilt, dem Kläger die Zustimmung zur Installation einer Wallbox mit einer Ladeleistung von 11 KW Ladeleistung unter Verwendung der vorhandenen Starkstromleitung durch eine Elektrofachkraft in seiner Garage F. straße ... für das Laden eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs zu erteilen.
- 2.
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Die Beklagten werden verurteilt, dem Kläger die Zustimmung zu erteilen, sich dafür bei der ... V. GmbH anzumelden.
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Die Beklagten beantragten,
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Die Beklagten sind der Auffassung, die Zustimmung zur Errichtung einer Ladestation könne Ihnen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Klägers nicht zugemutet werden.
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Die Schreiben vom 30.11.2020 und 17.12.2020 seien ihnen vorgerichtlich nicht bekannt gewesen. Die Information über den geplanten Einbau sei zudem nicht ausreichend gewesen.
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Es sei nicht bekannt, ob die Anschlussleistung des bestehenden Hausanschlusses ausreiche und ob gegebenenfalls Brandgefahr durch Überlastung bestehe. Auch könnte die Heizung des Anwesens Schaden nehmen, wenn sie nicht genügend Strom erhalte.
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Durch den Einbau einer Ladestation erhöhe sich die Brandgefahr für das Gebäude um ein Vielfaches, da im Falle einer Inbrandsetzung des Elektrofahrzeuges ein Übergreifen auf das Wohngebäude aufgrund der großen Hitzeentwicklung möglich sei. Zudem sei die Gefahrenerhöhung durch die Ladestation durch die derzeitige Brandversicherung „mit Sicherheit nicht gedeckt“. Zudem sei bekannter, dass sich Versicherungen im Schadensfall immer um ihre Einstandspflicht drücken würden und allenfalls einen Bruchteil des Schadens bezahlten.
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Die Technik der Elektromobilität habe für Privatautos zudem keine Zukunft. Das benötigte Lithium sei sehr selten und nicht in der für eine Energiewende benötigten Menge vorhanden. Die Gewinnung des Kupfers sei zudem mit einer enormen Umweltverschmutzung in der Dritten Welt verbunden. Durch den Abbau von Lithium und Kupfer entstünden riesige Mondlandschaften, Trinkwasser werde verseucht, Natur zerstört und die Lebensgrundlage vieler Menschen vernichtet. Zudem würden solche Rohstoffe durch Kinderarbeit gewonnen und dadurch Kriege finanziert. Dies verstoße gegen die Moralvorstellungen der Kläger.
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Zudem müsse die Anlage bei Beendigung des Mietverhältnisses wieder ausgebaut werden.
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Die Ladestation sei auch nicht notwendig, da es genügend öffentliche Ladestation gebe.
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Das Gericht hat keinen Beweis erhoben.
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Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf sämtliche zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2021 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis der Installation einer Wallbox in der angemieteten Garage zu.
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Nach § 554 BGB kann der Mieter verlangen, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Laden elektrisch betriebene Fahrzeuge dienen.
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Die Tabellenvorraussetzungen des § 554 Absatz ein Satz 1 BGB liegen unstreitig vor.
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Insbesondere ist der Kläger Mieter und die Beklagten Vermieter der streitgegenständlichen Garage. Weiter begehrt der Kläger die Erlaubnis des Einbaus einer sogenannten Wallbox sowie des Anschlusses an die vorhandene Starkstromleitung in der streitgegenständliche Garage zum Laden seines Elektrofahrzeugs.
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Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 554 Abs. 1 Satz 1 BGB liegen insoweit vor. Soweit der Antrag auf Erteilung der Zustimmung gerichtet war, ist dies so auszulegen, dass sich der Klageantrag auf die Erteilung einer Erlaubnis nach § 554 Abs. 1 Satz 1 BGB bezieht.
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Der Anspruch ist auch nicht nach § 554 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil die bauliche Veränderung dem Vermieter unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden könnte. Im Rahmen der Interessenabwägung ist auf Seiten des Mieters insbesondere zu berücksichtigen, dass ihm durch die Installation einer Wallbox das Laden seines Elektrofahrzeugs in der eigenen Garage ermöglicht wird und er somit nicht auf die Nutzung öffentlicher Ladestationen angewiesen ist.
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Andererseits sind auf Seiten des Vermieters sein Konservierungsinteresse, etwaige negative Auswirkungen auf Rechtsbeziehungen zu Dritten sowie die Kosten eines etwaigen Rückbaus zu berücksichtigen.
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Der konkrete Vortrag der beklagten Partei führt hierbei nicht zu einer Unzumutbarkeit der Erteilung der begehrten Erlaubnis.
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Im Hinblick auf das Konservierungsinteresse der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass die bauliche Änderung denkbar gering ausfällt. Vorliegend muss lediglich die Wallbox an der Wand befestigt, diese mit dem unstreitig vorhandenen stark Stromanschluss verbunden sowie der Sicherungsverteiler erweitert werden. Spiegelbildlich zu der geringen Intensität des baulichen Eingriffs fallen auch etwaige Rückbaukosten nicht erheblich ins Gewicht zumal der Kläger insoweit auch angeboten hat, für die zu erwartenden Rückbaukosten Sicherheit zu leisten. Soweit die Kläger hinsichtlich ihres Konservierungsinteresses auch eine Gefährdung der Mietsache aufgrund einer bestehenden erhöhten Brandgefahr geltend machen blieben die Befürchtungen lediglich allgemein. Soweit die Beklagten auf eine befürchtete Selbstentzündlichkeit der Batterien von Elektroautos abstellen, ist dies bereits insoweit verfehlt, da sich die befürchtete Gefährdung - so denn vorhanden - nicht erst bei Einbau der begehrten Wallbox, sondern bereits bei Abstellen eines Elektroautos in der Garage einstellt. Zur Nutzung der Garage auch mit einem Elektroauto ist der Kläger nach dem Mietvertrag aber zweifellos ohnehin berechtigt, ein Ausschluss einer entsprechenden Nutzung wurde nicht vereinbart. Eine irgendwie geartete Gefahrerhöhung durch den Einbau der begehrten Wallbox wurde bereits nicht konkret vorgetragen und ist auch weder erkennbar noch ersichtlich. Auch soweit die Beklagten mutmaßen, dass die Gebäudebrandversicherung Schäden Auch negative Auswirkungen auf Rechtsbeziehungen der Beklagten zu Dritten sind nicht zu befürchten. Es handelt sich vorliegend um eine im Eigentum der Beklagten stehende Einzelgarage, eine Beeinträchtigung von Dritten ist weder vorgetragen noch erkennbar.
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Soweit die Beklagten moralische Vorbehalte gegenüber der Nutzung von Elektroautos, insbesondere der für diese verwendeten Batterien und für den Herstellung benötigten Rohstoffe anführen, vermögen diese Argumente ebenfalls eine Unzumutbarkeit der Erlaubniserteilung nicht zu rechtfertigen. Auch hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich die Vorbehalte der Beklagten in 1. Linie gegen die Nutzung von Elektroautos selbst richten, sich die Erlaubnis aber lediglich auf die Anbringung einer Ladestation bezieht. Selbst wenn man insoweit davon ausgeht, dass auch die Erlaubniserteilung hinsichtlich einer Ladestation mittelbar eine Förderung der Elektromobilität darstellt, ist der fördernde Beitrag insoweit offensichtlich so untergeordnet, dass moralische Bedenken gegen die Elektromobilität selbst auch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Leitentscheidung zur Förderung der Elektromobilität und bei Berücksichtigung der Interessen des Mieters auch in der Gesamtschau der Vermieterinteressen eine Unzumutbarkeit der Erlaubniserteilung für die Beklagten nicht zu begründen vermag.
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Der Kläger zu mit gemäß § 554 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Erlaubniserteilung. Hiervon umfasst ist auch die notwendige Zustimmung zur Anmeldung der Wallbox bei den Stadtwerken München da der Anspruch auf den Einbau einer Ladestation ansonsten leerliefe, wenn diese durch Verweigerung der notwendigen Zustimmung gegenüber dem Stromversorger nicht betrieben werden könnte.
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Die Kostentscheidung beruht auf § 91 ZPO, Die Entscheidung zur sofortigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nummer 7,711 ZPO.
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Der Streitwert wird nach dem klägerischen Interesse an der Erlaubniserteilung auf 3000 € festgesetzt, § 3 ZPO.