Titel:
Nichtigkeit einer Vereinbarung über die Überlassung eines Dienstwagens an Betriebsratsmitglied auch zur privaten Nutzung
Normenketten:
BetrVG § 37 Abs. 2, § 78 S. 2
BGB § 133, § 134, § 157
Leitsatz:
Die Regelung in einer Betriebsvereinbarung, nach der dem Betriebsratsvorsitzenden ein Dienstwagen "bei Bedarf" zur privaten Nutzung überlassen wird, ist gem. § 78 S. 2 BetrVG iVm § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen das Begünstigungsverbot unwirksam. (Rn. 40 und 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betriebsrat, Betriebsvereinbarung, Betriebsratsmitglied, Begünstigungsverbot, Dienstwagen, private Nutzung, Herausgabeanspruch
Rechtsmittelinstanz:
LArbG Nürnberg, Urteil vom 05.04.2022 – 7 Sa 238/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 54830
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Der Streitwert wird auf 23.470,56 € festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zusteht, sowie - in diesem Zusammenhang - über Herausgabe und Entschädigung.
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Der am ... 1962 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit 1996, also seit deren Gründung, beschäftigt. Ebenfalls seit 1996 ist er Vorsitzender des bei der Beklagten gewählten Betriebsrates, er ist für diese Tätigkeit aber nicht freigestellt.
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Bis in das Jahr 2008 war der Kläger bei der Beklagten als Tarifangestellter tätig. Unter dem Datum 30.07.2008 schlossen die Parteien einen „Anstellungsvertrag für außertarifliche Angestellte“ (Anlage B1 zum Beklagtenschriftsatz vom 06.04.2021, Blatt 71 ff. der Akte). Dieser Vertrag regelt in § 3 die Punkte „Arbeitsvergütung/Arbeitszeit“. Hiervon getrennt heißt es in § 6 „Firmen - PKW“: „Der AT-Angestellte erhält ab 01.10.08 einen Firmen - PKW (VW Passat Blue Motion) gemäß der jeweils gültigen Firmenrichtlinie unter Anerkennung der Bestimmungen der Dienstwagenüberlassung. Die Nutzung des Firmen - PKW ist nach den steuerlichen Vorschriften als geldwerter Vorteil über die Entgeltabrechnung zu versteuern.“
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Unter dem Datum 17.06.2016 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag, mit dem der Kläger wieder in den Tarif zurückkehrte (vgl. Anlage B3 zum Beklagtenschriftsatz vom 06.04.2021, Blatt 77 ff. der Akte). Dieser Vertrag lautet auszugsweise:
„I. Vertragsdauer, Probezeit, Kündigungsfrist, Freistellung
1. Dieser Vertrag ersetzt die im Anstellungsvertrag für außertarifliche Angestellte vom 30.07.2008 getroffenen Vereinbarungen. Die mit dem Eintritt am 01.05.1988 erworbenen Ansprüche aus der Betriebszugehörigkeit werden übernommen.
1. Die Vergütung der dem Arbeitnehmer übertragenen Arbeitsaufgabe richtet sich nach der tariflichen Eingruppierung. Aufgrund der dem Arbeitnehmer übertragenen Arbeitsaufgaben erfolgt die Eingruppierung wie folgt:
Der Arbeitnehmer erhält einen Firmen-PKW gemäß der aktuell gültigen Firmenrichtlinie unter Anerkennung der Bestimmungen der Dienstwagenüberlassung. Die Nutzung des Firmen-PKW ist nach den aktuell geltenden steuerlichen Vorschriften über die monatliche Entgeltabrechnung abzurechnen.
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Bei der Beklagten existierten/existieren in diesem Zusammenhang u.a. folgende Richtlinien/Betriebsvereinbarungen:
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„Betriebsvereinbarung Firmenfahrzeuge S1.“ vom 06.02.2008 nebst Anlage Formularvertrag „Dienstwagenüberlassung“, Anlage B4 zum Beklagtenschriftsatz vom 06.04.2021, Blatt 84 ff. der Akte (im Folgenden: BV 2008)
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Betriebsvereinbarung Firmenfahrzeuge S1. vom 31.03.2011, mit zwei Formularverträgen als Anlage, nämlich: „Dienstwagenüberlassung“ sowie „Servicefahrzeugüberlassung“, vgl. Anlage B5 zum Beklagtenschriftsatz vom 06.04.2021, Blatt 92 ff. der Akte (im Folgenden: BV 2011)
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Richtlinie Firmenfahrzeuge S1. vom 23.06.2010, Anlage K19 zum klägerischen Schriftsatz vom 06.05.2021, Blatt 152 ff. der Akte,
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Nutzungsregeln für Firmenfahrzeuge der Firma S1. Kraft-Wärme-Energiesysteme GmbH vom 09.07.2018, Anlage K20 zum klägerischen Schriftsatz vom 06.05.2021, Blatt 176 ff. der Akte, welche unter Anderem ausdrücklich den „Betriebsratsvorsitzenden bei Bedarf“ in die Mitarbeitergruppen aufnimmt, welche ein Firmenfahrzeug erhalten können
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Der Kläger hat vom Autohaus V. in C-Stadt am 11.07.2018 das im Klageantrag Ziff. 1 näher bezeichnete Kfz übergeben erhalten und hierzu mit der Beklagten am 09.07.2018 einen Dienstwagenüberlassungsvertrag geschlossen (Anlage K2 zum klägerischen Schriftsatz vom 01.02.2021, Blatt 13 ff. der Akte). Der Dienstwagen zur privaten Nutzung wurde in der Folge auf den Entgeltabrechnungen des Klägers mit der Ein-Prozent-Regelung berücksichtigt. Der Kläger legt hierfür beispielhaft vor: Abrechnung Oktober 2020, Anlage K5 zum Klageschriftsatz vom 01.02.2021, Blatt 19 der Akte. Aus dieser ergibt sich die Versteuerung des Sachbezuges Pkw mit 1 % in Höhe von 382,86 € sowie ein weiterer Posten „Sachbezug 0,03 % Regel PK“ im Umfang von 269,10 €. Nach Angabe des Klägers handelt es sich hierbei um die Versteuerung der Privatnutzung des Dienstwagens für den Arbeitsweg des Klägers.
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Mit Schreiben vom 15.12.2020 verlangte die Beklagte vom Kläger unter Kündigung „des Ihnen überlassenen Firmen-Kfz“ das Fahrzeug zum 31.01.2021 zurück (Anlage K6 zum klägerischen Schriftsatz vom 01.02.2021, Blatt 20 der Akte). Der Kläger gab sodann unter Protest das Fahrzeug am 28.01.2021 zurück.
8
Der Kläger ist der Auffassung, der Dienstwagen auch zur privaten Nutzung stehe ihm aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung zu. Dies ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag des Klägers. Der Anspruch auf Überlassung eines Dienstwagens sei durch den Dienstwagenüberlassungsvertrag vom 09.07.2018 auf das mit dem Klageantrag Ziff. 1 geforderte Fahrzeug konkretisiert worden. Das Kfz sei für ihn fester Gehaltsbestandsteil gewesen. Im Jahr 2008 habe der Kläger von der Entwicklungsabteilung in das Produktmanagement gewechselt. Sein damaliger Chef, Herr K2., habe gewollt, dass der Kläger bei Übernahme dieser höherwertigen Tätigkeit und zusätzlicher Übernahme vom Mitarbeiter-Verantwortung in den AT-Bereich wechsle. Infolgedessen seien dem Kläger bereits im Vorfeld mehrere AT-Verträge angeboten worden, welche der Kläger als Anlagen K 10 und K 11 zum Schriftsatz vom 06.05.2021 vorlegt (Blatt 129 ff. der Akte). Diese beiden Vertragsangebote habe der Kläger abgelehnt, aber das dritte ihm unterbreitete Angebot vom 01.10.2008 schließlich angenommen. Dieses habe einen Dienstwagen für Privatzwecke als Vergütungsbestandteil beinhaltet. Unter § 2 der damals gültigen BV Firmenfahrzeuge S1. vom 06.02.2008 sei geregelt gewesen, dass (neben den Mitarbeitern im Außendienst) auch „sonstige Mitarbeiter bei Bedarf nach Genehmigung durch die Geschäftsführung“ ein Dienstfahrzeug erhalten könnten. Von dieser Möglichkeit habe der damalige Geschäftsführer der Beklagten Gebrauch gemacht. Bei den vertraglichen Vereinbarungen im Jahr 2008 habe es sich insgesamt um einen Aufstieg des Klägers gehandelt. Der Kläger habe im Laufe der Jahre aber erkannt, dass (insbesondere im Zusammenhang mit der Regelung bezüglich Überstunden) die tarifliche Vergütung für ihn günstiger sei als ein AT-Arbeitsvertrag. Hierauf sei der Arbeitsvertrag vom 17.06.2016 zustande gekommen, in welchen entsprechend auch der Firmen-PKW als Gehaltsbestandsteil aufgenommen worden sei, weil im Vorfeld zu diesem Vertragsabschluss eine monetäre Gehaltserhöhung - statt eines Firmen-PKW - in der BDR THERMEA GROUP, zu welcher die Beklagte gehört, nicht durchsetzbar gewesen sei. Der Kläger ist weiter der Auffassung, die Regelung im Punkt V. 1. des aktuellen Arbeitsvertrages des Klägers enthalte keinen Verweis auf eine Betriebsvereinbarung, insbesondere nicht auf die zu diesem Zeitpunkt geltende BV 2011. Zwischen den vertragsschließenden Parteien habe niemals vereinbart werden sollen, dass der fest und individualvertraglich vereinbarte Gehaltsbestandteil unter dem Vorbehalt einer Betriebsvereinbarung stehe. Der Passus „gemäß der aktuell gültigen Firmenrichtlinie“ könne sich nur auf Art und Nutzung des Fahrzeuges beziehen, nicht jedoch auf das „Ob“ einer Fahrzeugüberlassung.
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Eine Begünstigung des Klägers wegen seiner Position als Betriebsratsvorsitzender ergebe sich auch im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen BV 2011 nicht. Diese habe zum Zeitpunkt ihres Abschlusses lediglich den „Status quo“ abbilden wollen. Gemeint sei damit, welcher Mitarbeiter bereits über ein Dienst-Kfz verfügte. Forderungen des Betriebsrates oder dessen Vorsitzenden, der Betriebsratsvorsitzende solle wegen seiner oder für seine Funktion ein Firmenfahrzeug erhalten, habe es niemals gegeben. Außerdem hätte der Kläger im Jahr 2016 bei seinem Wechsel zurück in den Tarif ohne Dienstwagen zur Privatnutzung dann ersatzweise einen Vorschlag zum sogenannten „Motivationsleasing“ (ein kostenvergünstigtes Leasingmodell bei der Beklagten) erhalten müssen, was aber nicht der Fall gewesen sei. Auch treffe es nicht zu, dass der Kläger kein Dienst-Kfz benötige. Der Kläger habe so viele Termine wahrzunehmen, dass ein Dienst-Kfz auf jeden Fall gerechtfertigt sei. Der Kläger listet hierzu seine Dienstreisen aus den Jahren 2015 bis 2020 auf (Anlage K24 zum klägerischen Schriftsatz vom 06.05.2021, Blatt 201 ff. der Akte). In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger hierzu erklärt, er ziehe es vor, Dienstreisen mit der Bahn zu unternehmen, denn er könne sich dort auf den jeweiligen Termin besser vorbereiten. In diesem Sinne benötige er also kein Dienst-Kfz.
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Der Kläger ist der Auffassung, für den Zeitraum 29.01.2021 bis 30.04.2021 stehe ihm Entschädigung für den unberechtigten Entzug des Dienstwagens zu. Er stützt seine diesbezüglichen Berechnungen auf diejenigen Beträge, mit welchen die private Kfz-Nutzung jeweils bislang versteuert wurde.
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Der Kläger beantragt deshalb zuletzt:
- 1.1.
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger das Kraftfahrzeug mit dem amtl. Kz. SW-S 1220, Fahrgestellnr. …82, herauszugeben.
Hilfsweise:
- 2.2.
-
die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger einen Firmen-PKW zur Verfügung zu stellen.
Hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag 1. oder 2. stellt der Kläger folgende weiteren Hilfsanträge:
- 3.
-
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 715,04 € brutto zu bezahlen, zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
- 4.
-
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 651,96 € brutto zu bezahlen, zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
- 5.
-
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 651,96 € brutto zu bezahlen zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte bestreitet, der damalige Geschäftsführer Herr K2. habe im Jahr 2008 die Überlassung eines Firmenfahrzeugs „als Möglichkeit zur Gehaltserhöhung“ genutzt. Bei der Rückkehr in den Tarifvertrag sei der Kläger wieder in den Genuss sämtlicher tariflicher Regelungen gekommen. Gleichwohl habe er den Pkw behalten, der auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers Kompensation von mit dem Ausscheiden aus dem Tarifvertrag verbundenen Nachteile (im Jahr 2008) habe sein sollen.
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Die Beklagtenseite steht auf dem rechtlichen Standpunkt, in den Arbeitsverträgen des Klägers, insbesondere im aktuell gültigen Arbeitsvertrag vom 17.06.2016, sei auf die jeweils geltende Betriebsvereinbarung Bezug genommen worden. Hierbei habe es sich um eine Bezugnahme auf die „Betriebsvereinbarung Firmenfahrzeuge S1.“ vom 31.03.2011 gehandelt, welche mit der im Vertrag genannten „aktuell gültigen Firmenrichtlinie“ gemeint gewesen sei. Diese Betriebsvereinbarung sehe vor, wer einen Dienstwagen zur privaten Nutzung bekommen könne. Auf die dort enthaltene Regelung in § 2 Abs. 2 Nr. 4 „Betriebsratsvorsitzender bei Bedarf“ könne sich der Kläger wegen § 78 Satz 2 BetrVG i.V.m. § 134 BGB nicht stützen. Diese Vorgabe verstoße gegen das Begünstigungsverbot von Betriebsratsmitgliedern und sei daher nichtig. Aus der Dienstwagenüberlassung gem. Dienstwagenüberlassungsvertrag sei kein eigenständiger Anspruch abzuleiten. Selbst wenn dies der Fall gewesen sei, verstoße dies wiederum gegen das Begünstigungsverbot aus § 78 Satz 2 BetrVG.
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Auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Verhandlungsprotokolle wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG eröffnet, das Arbeitsgericht Würzburg, Kammer Schweinfurt, ist örtlich zur Entscheidung gem. §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 12, 17 ZPO zuständig.
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Die bezüglich des gem. Ziff. 2 gestellten Hilfsantrages des Klägers aus dem Klageschriftsatz vom 01.02.2021 bestehenden Bedenken des Gerichts bezüglich der Bestimmtheit dieses Antrages können durch Auslegung überwunden werden. Es bleibt zwar unklar, wie, auf welche Weise und in welchem Umfang dem Kläger ein Firmen-PKW zur Verfügung gestellt werden soll. Offensichtlich meint aber der Kläger, die Beklagte solle verpflichtet werden, ihm einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung zu stellen.
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Im Übrigen ist die Klage zulässig.
19
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung, er hat deshalb insbesondere auch keinen Anspruch auf Herausgabe des streitgegenständlichen konkret bezeichneten Kfz und auch nicht auf Entschädigung wegen unterlassener Dienstwagenüberlassung.
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1. Ein Anspruch auf Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung ergibt sich nicht aus dem Arbeitsvertrag der Parteien.
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Abzustellen ist dabei auf den Arbeitsvertrag der Parteien vom 17.06.2016. Dieser Vertrag bestimmt in Ziff. I.1. eindeutig, dass er die bis dahin geltenden Vereinbarungen vom 30.07.2008 ersetzt und lediglich die Betriebszugehörigkeit übernommen wird. Der Kläger wechselte zu diesem Zeitpunkt gewissermaßen in ein anderes Vergütungssystem, wobei allerdings seine Arbeitstätigkeit, das ist zwischen den Parteien unstreitig, dieselbe blieb.
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Dieser Vertrag regelt in Ziff. V. 1. zumindest ansatzweise die Überlassung eines „Firmen-PKW“. Die dort diesbezüglich getroffene Regelung der Parteien ist allerdings rudimentär und bedarf der Auslegung. Rudimentär ist sie deshalb, weil sie weder regelt, ob ein „Firmen-PKW“ auch zur privaten Nutzung überlassen werden soll, auch regelt sie nicht, welches Modell dem Kläger überlassen werden soll, ebenso wenig, welche Fahrzeugklasse. Es wird Bezug genommen auf eine „aktuell gültige Firmenrichtlinie“, ohne im Einzelnen konkret zu benennen, welche Richtlinie das sein soll und in welchem Umfang sie zur Anwendung kommen soll.
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Eine Auslegung dieser getroffenen Vereinbarung hat nach den §§ 133, 157 BGB zu erfolgen. Es ist der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, die Vereinbarung (als Vertrag) ist so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Die Auslegung ist auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Abgabe der jeweiligen Willenserklärung abzustellen, diese stellt den maßgeblichen Zeitpunkt für die Auslegung dar (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 80. Auflage 2021, § 133 Rn. 6 b m.w.N.).
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Bei der Auslegung ist trotz des in § 133 BGB enthaltenen Verbots der Buchstabeninterpretation zunächst vom Wortlaut der Erklärung auszugehen, wobei im Zweifel der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend ist (vgl. Palandt, a.a.O., § 133 BGB Rn. 14 m.w.N.).
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Nach dem Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung erhält der Kläger „einen Firmen-PKW gem. der aktuell gültigen Firmenrichtlinie“. Nach dem natürlichen Sprachverständnis wäre dieser Passus nach Auffassung des Gerichts wie folgt zu verstehen: Die Parteien sind sich darüber einig, dass es eine Firmenrichtlinie gibt, welche auf den Kläger anzuwenden ist. Sie gehen davon aus, dass der Kläger unter denjenigen Personenkreis fällt, welcher nach der Firmenrichtlinie einen Firmen-PKW erhalten soll. Dabei wäre hier zu ergänzen: „auch zur privaten Nutzung“, was von den Parteien angesichts der im weiteren Text getroffenen Vereinbarung zur Versteuerung wohl auch gemeint war.
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Der Kläger allerdings steht auf dem Standpunkt, die Vereinbarung sei gewissermaßen diametral anders zu verstehen, nämlich dahingehend, er solle einen Firmen-PKW unabhängig von einer etwaigen Firmenrichtlinie erhalten. Nach Auffassung des Gerichts lässt sich dies dem Wortlaut der getroffenen Vereinbarung allerdings gerade nicht entnehmen.
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Mit der „aktuell gültigen Firmenrichtlinie“ haben die Parteien nach der Überzeugung des Gerichts die Betriebsvereinbarung vom 31.03.2011 gemeint. Diese wird zwar tituliert als „Betriebsvereinbarung Firmenfahrzeuge S1.“, wird allerdings in § 1 Satz 1 auch als „Richtlinie“ bezeichnet. Dafür, dass die Parteien diese Betriebsvereinbarung gemeint haben, spricht auch der weitere Text: „unter Anerkennung der Bestimmungen der Dienstwagenüberlassung“. Anhang zu der genannten Betriebsvereinbarung aus dem Jahre 2011 ist nämlich eine vertragliche Vereinbarung über die Dienstwagenüberlassung.
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Diese Interpretation des Gerichts ergibt auch vor folgendem Hintergrund einen Sinn: Die Betriebsvereinbarung vom 31.03.2011 regelt in § 2 Abs. 2 Nr. 4, dass der Betriebsratsvorsitzende bei Bedarf einen Firmen-PKW erhält. Dieser Vorgabe wollten die Vertragsparteien bei der Vereinbarung im Arbeitsvertrag folgen. Damit wäre ihre getroffene Vereinbarung gerade nicht unabhängig von der Betriebsvereinbarung getroffen worden.
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Zuzugeben ist dem Kläger allerdings, dass sich die arbeitsvertragliche Regelung unter dem Oberpunkt „Vergütung“ befindet. Dies spricht nach Auffassung des Gerichts aber nicht entscheidend dafür, dem Kläger solle auf jeden Fall ein Firmen-PKW zur privaten Nutzung zu überlassen sein. Dagegen spricht nämlich, dass das zu überlassene Fahrzeug nicht konkret und auch nicht der Fahrzeugklasse nach benannt wird. Soweit der Vertrag im Weiteren bestimmt, die Nutzung sei nach den aktuell geltenden steuerlichen Vorschriften abzurechnen, kann dies auch bedeuten, dass - für den Fall, ein Dienstwagen zur privaten Nutzung werde zur Verfügung gestellt - dies eben nach den geltenden steuerlichen Vorschriften zu behandeln ist.
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Außerdem ist zwischen den Parteien unstreitig, dass mit dem Vertragsschluss im Jahr 2016 die Parteien das Arbeitsverhältnis - was die Vergütung betrifft - auf eine tarifliche Grundlage stellen wollten. Das Gericht geht davon aus, dass in den tarifvertraglichen Entgeltgruppen die Überlassung eines Dienst-PKW zur privaten Nutzung nicht vorgesehen ist. Jedenfalls behauptet auch der Kläger Derartiges nicht.
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Bei der Auslegung einer vertraglichen Vereinbarung ist darüber hinaus ggf. auch zum Zweck der Erforschung des wirklichen Willens der Parteien die Interessenlage der Parteien bei Vertragsschluss zu betrachten (vgl. Palandt, a.a.O., § 133 Rn. 18 m.w.N.). Zu beachten ist hierbei aber, dass es sich um die übereinstimmende Interessenlage beider Parteien handelt. Der Kläger spricht in diesem Zusammenhang allerdings vorwiegend von seinen eigenen Interessen, nämlich denjenigen, als zusätzlichen (außertariflichen) Gehaltsbestandteil seinen Dienstwagen behalten zu wollen, auf der anderen Seite aber in den Tarifvertrag zurückwechseln zu wollen. Dass dies auch im Interesse der Beklagten gelegen hätte, vermag das Gericht nicht zu erkennen.
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Sofern der Kläger sich darauf stützen möchte, die Parteien hätten über die schriftliche vertragliche Vereinbarung hinaus mündlich weiterhin besprochen, dem Kläger solle auf jeden Fall ein Firmen-PKW zur privaten Nutzung, möglicherweise auch noch einer bestimmten Fahrzeugklasse, als weitere Vergütung zur Verfügung gestellt werden, so hat der Kläger Derartiges nicht substantiiert vorgetragen und auch nicht unter Beweis gestellt. Soweit der Kläger sich darauf beruft, es habe eine „Gehaltserhöhung mittels Dienst-Kfz“ gegeben, so behauptet er dies konkret lediglich für den Wechsel in den AT-Bereich zum 01.10.2008.
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Darauf kommt es aber nicht an, sondern es kommt auf den 17.06.2016 an. Hier trägt der Kläger wie folgt vor: „Im aktuellen Tarifarbeitsvertrag des Klägers ist entsprechend auch der Firmen-PKW als Gehaltsbestandteil aufgenommen, weil im Vorfeld zu diesem Vertragsabschluss eine monetäre Gehaltserhöhung - statt eines Firmen-PKW - in der BDR THERMEA GROUP, zu welcher die Beklagte gehört, nicht durchsetzbar war.“. Weiterhin sei „Ziel des Klägers gewesen, beim Wechsel von AT zurück zum Tarif, keine monetären Einbußen hinnehmen zu müssen.“
34
Außerdem hat der Kläger vorgetragen, „zwischen den vertragsschließenden Parteien sollte niemals vereinbart werden, dass der fest- und individualvertraglich vereinbarte Gehaltsbestandteil (Firmen-PKW zur privaten Nutzung) unter dem Vorbehalt einer Betriebsvereinbarung steht.“.
35
Dieser Vortrag ist insgesamt unklar und verdunkelt mehr, als er erhellt. Das Gericht kann diesem Vortrag nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass konkret dem Kläger bei Vertragsabschluss am 17.06.2016 in der Person des jeweils für die Beklagte handelnden Herrn M. S2. zugesichert worden wäre, er erhalte auf jeden Fall einen Firmen-PKW zur privaten Nutzung in einer näher besprochenen Fahrzeugklasse, und zwar als Gehaltserhöhung über das vereinbarte Tarifgehalt hinaus. Darauf hat das Gericht den Kläger in der mündlichen Verhandlung auch hingewiesen. Weiterer Vortrag der Klägerseite hierzu erfolgte jedoch nicht.
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Zusammengefasst geht das Gericht deshalb davon aus, dass die Parteien am 17.06.2016 keine Vereinbarung dahingehend getroffen haben, dass der Kläger auf jeden Fall ein Dienstwagen zur privaten Nutzung zustehen sollte, sondern dass sie mit der einzelvertraglichen Vereinbarung vom 17.06.2016 auf die BV 2011 rekurrieren wollten.
37
2. Nach dem Arbeitsvertrag i.V.m. der BV 2011 steht dem Kläger aber ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung nicht zu.
38
a. Nach § 2 Abs. (2) dieser Betriebsvereinbarung ist die Zuteilung eines Firmenfahrzeugs auf bestimmte Mitarbeitergruppen beschränkt, wobei § 3 der Betriebsvereinbarung in Abs. (1) bestimmt, welche der genannten Mitarbeitergruppen ihr Dienstfahrzeug auch privat nutzen dürfen. Eine Privatnutzung steht den Mitarbeitern im Marktentwicklungsteam und den im Bedarfsfall sonstigen Berechtigten zu (§ 3 Abs. (1) BV 2011). Ein Anspruch auf Zurverfügungstellung auch zur privaten Nutzung kommt hier, da der Kläger nicht im Marktentwicklungsteam (Vertriebsaußendienst) tätig ist, nur im Betracht, wenn der Kläger zu den „im Bedarfsfall sonstigen Berechtigten“ gehört. Dies ist allerdings nicht der Fall.
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b. Der Kläger ist kein Bereichsleiter, sodass er aus der Formulierung „Bereichsleiter bei Bedarf“ nichts herleiten kann.
40
c. Die Regelung, einen Dienstwagen zur privaten Nutzung könnte auch der „Betriebsratsvorsitzende bei Bedarf“ erhalten, ist gem. § 78 Satz 2 BetrVG i.V.m. § 134 BGB unwirksam. Der Kläger kann aus ihr einen Anspruch nicht herleiten.
41
Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen Mitglieder des Betriebsrates neben ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Dabei ist das sogenannte Begünstigungsverbot nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts u.a. dahin zu verstehen, dass es die Gewährung von Vergütungsbestandteilen untersagt, die das Betriebsratsmitglied nicht erhalten hätte, wenn es keine Betriebsratstätigkeit erbracht, sondern gearbeitet hätte (vgl. BAG 7 AZR 206/17). Die Vereinbarung der Betriebsparteien in § 2 Abs. (2) letzter Bulletpoint zielt allerdings gerade darauf ab, dass der Betriebsratsvorsitzende als solcher in seiner Eigenschaft als Betriebsratsvorsitzender einen Dienstwagen zur privaten Nutzung erhalten soll. Hätte man mit dieser Vereinbarung nur regeln wollen, dass der Betriebsratsvorsitzende den Dienstwagen behalten darf, wenn er auch als normaler Mitarbeiter einen Dienstwagen bekommen hätte, so wäre diese Vereinbarung komplett überflüssig. In diesem Fall hätte der Mitarbeiter, welcher zufällig auch Betriebsratsvorsitzender ist, selbstverständlich weiter seinen Dienstwagen nach den im Übrigen geltenden Vorschriften erhalten müssen.
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d. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass er wegen seines hohen Anteiles an Dienstreisen einen Dienstwagen zur privaten Nutzung hätte erhalten müssen. Bei der entsprechenden Regelung in der BV 2011 (§ 2 BV 2011, letzter Absatz) handelt es sich nur um eine Kann-Regelung. Aus der Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung war außerdem zu entnehmen, dass der Kläger sich nicht darauf berufen will, er habe einen Dienstwagen zur privaten Nutzung deshalb zu erhalten gehabt, weil sein Bedarf an Dienstreisen so hoch sei. Er hat sich vielmehr auf dieses Argument gerade nicht berufen.
43
3. Auch aus dem Dienstwagenüberlassungsvertrag vom 09.07.2018 kann der Kläger einen Anspruch auf Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung nicht herleiten. Dieser Vertrag regelt die Modalitäten der Überlassung und der Nutzung und schafft keinen eigenen Anspruch auf Überlassung. Das ergibt sich auch aus § 4 der BV 2011, wo es heißt, die Nutzungsbedingungen würden in einem Dienstwagenüberlassungsvertrag geregelt. Die Voraussetzungen für die Überlassung sind demgegenüber in § 2 der BV 2011 geregelt.
44
4. Nachdem der Kläger grundsätzlich keinen Anspruch auf Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung hat, kommt es auf die Frage, ob dem Kläger gerade das ihm zuletzt überlassene Fahrzeug gem. Klageantrag Ziff. 1 weiter zur Verfügung zu stellen ist, nicht an.
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5. Die Hilfsanträge Ziff. 3-5 fallen mangels Obsiegen mit den Anträgen Ziff. 1 oder 2 nicht zur Entscheidung an.
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO; der Streitwert wurde in Anlehnung an § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG auf den Wert des dreijährigen Bezuges festgesetzt, also auf den (nach der Vorstellung des Klägers) steuerlichen Wert des Dienstwagens, multipliziert mit 36 Monaten.