Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 28.09.2021 – B 5 K 20.1365
Titel:

Kürzung der Anwärterbezüge wegen Nichtbestehens der Laufbahnprüfung - Erfolglose Klage

Normenkette:
BBesG § 66 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2
Leitsätze:
1. Der Begriff des "besonderen Härtefalls" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der objektiv zu beurteilen ist und der dazu dient, atypische Sachverhalte zu erfassen. Die Frage, ob der besondere Härtefall vom Beamten zu vertreten ist oder nicht, ist ohne Belang. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Da dem Anwärter kein Amt im statusrechtlichen Sinn übertragen ist und die Anwärterbezüge als Besoldung nicht zugleich zu Dienstbezügen werden, besteht für den Beamten auf Widerruf kein Anspruch auf die sog. Vollalimentation. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kürzung des Anwärtergrundbetrages, Ausbildungsverzögerung durch Nichtbestehen der Laufbahnprüfung, kein besonderer Härtefall bei Unterhaltsverpflichtung für ein Kind, Bundespolizei, Anwärterbezüge, Kürzung, Nichtbestehens der Laufbahnprüfung, Härtefall, Ermessen, Vollalimentation
Fundstelle:
BeckRS 2021, 49548

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Kürzung seiner Anwärterbezüge durch die Beklagte.
2
Der Kläger ist seit dem 01.03.2018 Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst bei der Bundespolizei. Am 19.08.2020 hat er die Laufbahnprüfung für den mittleren Polizeivollzugsdienst nicht bestanden. Aufgrund des Nichtbestehens der Laufbahnprüfung hörte das Bundesverwaltungsamt den Kläger mit Schreiben vom 28.07.2020 zu der geplanten Kürzung seiner Anwärterbezüge an. Mit Schreiben vom 01.09.2020 beantragte der Kläger die Anwendung des § 66 Abs. 2 Nr. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) und die damit verbundene Weiterzahlung der ungekürzten Anwärterbezüge. Er begründete seinen Antrag mit seinen Kosten für die Wohnraummiete, einem Fahrzeugkredit sowie der bestehenden Unterhaltsverpflichtung für seinen achtjährigen Sohn.
3
Mit Bescheid vom 08.10.2020 setze das Bundesverwaltungsamt die Kürzung der Anwärterbezüge des Klägers um 15 Prozent und damit um 190,35 Euro auf 1.078,64 Euro fest Gleichzeitig wurden die überzahlten Bezüge für den Monat September 2020 zurückgefordert.
4
Gegen diesen Bescheid des Bundesverwaltungsamtes legte der Kläger mit Schreiben vom 11.10.2020 Widerspruch ein, den er im Wesentlichen mit seiner bestehenden Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem Sohn begründete, welche eine besondere Härte führ ihn darstellen würde.
5
Mit Bescheid vom 04.11.2020 wies das Bundesverwaltungsamt den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach ständiger Rechtsprechung von der Kürzung nach § 66 Abs. 2 Nr. 2 BBesG u.a. abzusehen sei, wenn der Anwärter mit den gekürzten Beträgen seinen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber - zahlreichen - Kindern nicht mehr nachkommen könne. Dies sei hier nicht der Fall. Ein besonderer Härtefall im Sinne des § 66 Abs. 2 BBesG ergebe sich vorliegend nicht aus der seitens des Klägers geltend gemachten Unterhaltsverpflichtung für ein Kind. Denn diese Verpflichtung sei der Art und Höhe nach nicht ungewöhnlich und treffe den Kläger auch nach Kürzung seiner Anwärterbezüge unter Berücksichtigung der von ihm geschilderten Gesamtumstände im Vergleich zu anderen von einer Kürzung betroffenen Anwärtern nicht unzumutbar nachteilig. Der Kläger sei seinem Sohn (geb. am 08.12.2011) zum Barunterhalt verpflichtet. Er lebe mit seiner Ehefrau, die als Polizeiobermeisterin beim Freistaat Bayern vollzeitbeschäftigt sei, in einer gemeinsamen Wohnung. Anhaltspunkte, dass sich der Kläger durch die Kürzung in einer besonderen wirtschaftlichen Notlage befinde, seien nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen worden.
6
Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 03.12.2020, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag eingegangen, hat der Kläger Klage erhoben.
7
Mit Schriftsatz vom 28.05.2021 beantragt die Klägerbevollmächtigte,
die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 08.10.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2020 aufzuheben und die sich aus der rechtswidrigen Kürzung der Anwärterbezüge ab 01.09.2020 ergebenden monatlichen Differenzbeträge bis zum Ende des Vorbereitungsdienstes ordentlich abzurechnen und an den Kläger auszubezahlen.
8
Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Härtefallregelung des § 66 BBesG beim Kläger Anwendung finden müsse. Der Begriff des besonderen Härtefalles sei unter fürsorgerechtlichen Gesichtspunkten auszulegen, weshalb es unerheblich sei, inwieweit der Anwärter das Ergebnis der Laufbahnprüfung zu vertreten habe. Ein besonderer Härtefall könne sich aus dem persönlichen Umfeld des Anwärters ergeben, insbesondere aus der familiären Situation (vgl. VG Ansbach, U.v. 22.7.2003 - AN 1 K 03.00189 - juris, Rn. 42). Die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung fehlerhaft die Einschränkung des Ermessens durch die Härtefallregelung nicht berücksichtigt. Bei richtiger Anwendung des § 66 BBesG unter fürsorgerechtlichen Gesichtspunkten sei das persönliche Umfeld des Klägers - insbesondere die Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem Sohn - zu beachten. Neben den finanziellen Verpflichtungen des Klägers zur Bestreitung seines eigenen Lebensunterhalts (Miete, Kfz-Finanzierung, Lebenshaltungskosten) sei er seinem achtjährigen Sohn zum Unterhalt verpflichtet. Die Beklagte beurteile die Unterhaltsverpflichtung des Klägers und dessen damit einhergehende Leistungsfähigkeit unter Hinzurechnung des Einkommens seiner jetzigen Ehefrau. Diese Herangehensweise der Beklagten bei der Prüfung eines Härtefalls sei fehlerhaft. Die Beklagte verkenne offensichtlich, dass es sich bei dem unterhaltsberechtigten Kind des Klägers nicht um ein gemeinsames Kind des Klägers und seiner jetzigen Ehefrau handele, sondern das Kind aus erster Ehe des Klägers stamme. Der Kläger sei seinem minderjährigen Sohn aufgrund der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zum Unterhalt verpflichtet, § 1601 BGB. Die Leistungsfähigkeit des Klägers richte sich ebenfalls nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (§ 1603 BGB). § 1601 BGB ordne an, dass sich Verwandte in gerader Linie zum Unterhalt verpflichtet seien. Eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber Stiefkindern hingegen kenne das BGB nicht, auch keine indirekte. Demensprechend könne das Einkommen der Ehefrau des Klägers bei der Beurteilung, ob durch die Unterhaltsverpflichtung des Klägers ein Härtefall gegeben sei, nicht herangezogen werden. Es sei allein das Einkommen des Klägers maßgeblich. Etwas Anderes würde nur im Rahmen des Güterstandes der Gütergemeinschaft (§ 1604 BGB) gelten. Ziehe man bei der Beurteilung, ob unter dem Gesichtspunkt der Unterhaltsverpflichtungen das Einkommen des Klägers zur allgemeinen Lebensführung ausreiche, richterweise alleine das Einkommen des Klägers heran, so führe die Herabsetzung des Grundgehalts, wie beim Kläger geschehen, dazu, dass der Kläger aufgrund der seinem Sohn gegenüber bestehenden Unterhaltsverpflichtung nicht mehr über die ausreichenden Mittel zur allgemeinen Lebensführung verfüge. Ein Härtefall liege somit vor.
9
Mit Schriftsatz vom 16.06.2021 beantragt das Bundesverwaltungsamt für die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
10
Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des § 66 Abs. 1 BBesG vorlägen. Tatbestandlich wie tatsächlich sei das Nichtbestehen der Laufbahnprüfung erforderlich. Dies sei vorliegend unproblematisch gegeben und werde vom Kläger auch nicht in Zweifel gezogen. Die Annahme der „besonderen Härte“ des Abs. 2 Nr. 2 als Ausprägung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn unterliege als unbestimmter Rechtsbegriff der Auslegung. Ein besonderer Härtefall setze das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände im persönlichen oder beruflichen Umfeld des Anwärters voraus. Die Anwendung der Härtefallregelung solle den Anwärter vor finanziellen Überlastungen, die mit der Kürzung des Grundgehalts verbunden seien, schützen. Die Unterhaltsverpflichtung für den Sohn des Klägers stelle für sich keinen besonderen oder außergewöhnlichen Umstand dar, sondern sei vielmehr ein „gewöhnlicher“ Umstand, der auf zahlreiche Anwärterinnen und Anwärter zutreffe. Zwar stelle die Kürzung des Grundgehalts um ca. 190,00 Euro für den Kläger eine Belastung dar. Es sei aber nicht erkennbar, dass der Kläger für den Zeitraum der Kürzung in eine finanzielle Notlage gerate oder seinen Unterhaltspflichten nicht mehr nachkommen könne. Der Kläger lebe mit seiner im öffentlichen Dienst vollzeitbeschäftigten Ehefrau in einer gemeinsamen Wohnung, sodass Wohn- und Lebenshaltungskosten geteilt werden könnten. Die vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegte Zahlungsaufforderung des Landratsamtes … bezüglich des Kindesunterhaltes vermöge die Besonderheit der Unterhaltsverpflichtung nicht zu begründen. Für die Beklagte sei anhand des vorgelegten Schreibens, welches zudem aus Januar 2020 stamme, nicht erkennbar, wie die Höhe des Kindesunterhaltes berechnet worden sei und ob sich die Höhe aus einer gesetzlichen oder freiwilligen Zahlungsverpflichtung ergebe. Insofern könne die Beklagte die Zahlungsverpflichtung nur als eine „gewöhnliche“ Unterhaltsverpflichtung ansehen, die der Kläger auch nach Kürzung der Anwärterbezüge erfüllen könne. Denn auch dann verbleibe ihm ein gesetzliches Netto von circa 1.390,00 Euro, was auch nach Abzug des Unterhaltsbetrages und unter Einbeziehung der Vollzeitbeschäftigung der Ehefrau zur allgemeinen Lebensführung ausreiche. Der Fahrzeugkredit stelle ebenfalls keine besondere Härtesituation dar, da der Kläger nicht gesetzlich zum Besitz eines Autos verpflichtet sei und auch sonst keine Anhaltspunkte bestünden, weshalb das Kfz etwas anderes als einen „gewöhnlichen“ Konsumgegenstand darstelle. Auf solche Umstände könne der Dienstherr im Rahmen der Anwendung von § 66 Abs. 2 Nr. 2 BBesG aber keine Rücksicht nehmen.
11
Mit Schriftsätzen vom 16.06.2021 und 25.06.2021 erklärte die Vertreterin der Beklagten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren. Mit Schriftsatz vom 05.07.2021 verzichtete die Klägerbevollmächtigte auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
12
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der vorgelegten Behördenakten, § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Entscheidungsgründe

13
Mit Zustimmung der Beteiligten kann das Gericht nach § 101 Abs. 2 VwGO über die Verwaltungsstreitsache ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
I.
14
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
15
Der Bescheid der Beklagten vom 08.10.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesverwaltungsamt hat zu Recht das Vorliegen eines Härtefalles nach § 66 Abs. 2 Nr. 2 BBesG verneint. Auch sonstige rechtliche Bedenken gegen die vorgenommene, in § 66 Abs. 1 BBesG geregelte Kürzung der Anwärterbezüge bestehen nicht (vgl. BVerwG, U.v. 9.3.1989 - 2 C 59/86 - NVwZ 1989, 874; HessVGH, U.v. 28.7.1993 - 1 UE 1210/88 - IÖD 1994, 3).
16
Nach § 66 Abs. 1 BBesG kann die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle den Anwärtergrundbetrag auf bis zu 30 Prozent des Grundgehalts, das einem Beamten der entsprechenden Laufbahn in der ersten Stufe zusteht, herabsetzen, wenn der Anwärter die vorgeschriebene Laufbahnprüfung nicht bestanden hat oder sich die Ausbildung aus einem vom Anwärter zu vertretenden Grunde verzögert. Dass der Kläger die vorgeschriebene Laufbahnprüfung nicht bestanden hat, ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
17
Die rechtliche Anknüpfung in § 66 Abs. 1 BBesG an den rein tatsächlichen Vorgang des Nichtbestehens der Laufbahnprüfung steht sowohl mit dem Wortlaut als auch mit dem Sinn und Zweck der Regelung in Einklang. Die Kürzung der Anwärterbezüge soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine sparsame Verwendung von Steuermitteln in den Fällen ermöglichen, in denen die reguläre Ausbildungsdauer überschritten wird. Zugleich soll damit der Verwaltung eine zusätzliche Möglichkeit gegeben werden, auf einen baldigen Abschluss der Ausbildung hinzuwirken (vgl. BT-Drs. 7/1906 S. 91). Andererseits soll mit dieser Regelung der zunehmenden Neigung der Dienstherren entgegengewirkt werden, Anwärter, die die Prüfung nicht bestanden haben, eher zu entlassen, als ihnen für die Dauer des verlängerten Vorbereitungsdienstes die vollen Anwärterbezüge weiter zu gewähren (vgl. BT-Drs. 8/1606 S. 19).
18
Diese Auslegung entspricht auch dem besonderen Zweck des Vorbereitungsdienstes, den Beamten auf Widerruf für den Beruf auszubilden (vgl. § 6 Abs. 4 Nr. 1 des Bundesbeamtengesetzes - BBG -, § 10ff. der Bundeslaufbahnverordnung - BLV -), zu dem ihm die Laufbahnprüfung den Zugang eröffnet. Mit der Möglichkeit, die Prüfung abzulegen, ist dieser Zweck erreicht. Die Unterhaltssicherung durch die Gewährung von Anwärterbezügen tritt demgegenüber weit zurück (BVerwG, U.v. 14.11.1985 - 2 C 35/84 -, BVerwGE 72, 207, 211 m.w.N.). Darüber hinaus steht dem Gesetzgeber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. u.a. BVerfG, B.v. 7.7.1982 - 2 BvL 14/78, 2 BvL 2/79, 2 BvL 7/82 - BVerfGE, 61, 43, 62f.; B.v. 15.10.1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39, 50, 52f.) und des Bundesverwaltungsgerichts (u.a. U.v. 10.2.1983 - 2 C 43.81 - Buchholz 235 § 42 Nr. 4 und v. 25.2.1988 - 2 C 65.86 - Buchholz 240.1 Nr. 2 = ZBR 1988, 389) bei Regelungen des Besoldungsrechts eine verhältnismäßig weitgehende Gestaltungsfreiheit zu. Das gilt in besonderem Maße im Hinblick auf Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst, deren Besoldung nicht durch Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich gewährleistet ist, sondern lediglich eine Hilfe zum Bestreiten des Lebensunterhalts während der Ausbildungszeit darstellt (vgl. u.a. BVerwG, U.v. 25.11.1982 - 2 C 12.81 - Buchholz 235 § 12 Nr. 2 sowie B.v. 27.3.1985 - 2 B 9.84 - Buchholz 235 § 60 Nr. 1; v. 30.8.1985 - 2 B 49.84 - Buchholz 235 § 62 Nr. 4; v. 15.2.1988 - 2 B 21.88 - Buchholz 240 § 59 Nr. 3; v. 13.6.1988 - 2 B 82.88 - Buchholz 240 § 62 Nr. 5, sowie v. 31.1.1989 - 2 B 2.89). Der Gesetzgeber ist deshalb in diesem Bereich in noch stärkerem Maße als sonst berechtigt, typisierende und generalisierende Regelungen zu treffen. Hieran gemessen begegnet die Vorschrift des § 66 Abs. 1 BBesG und die darin zum Ausdruck kommende Anknüpfung an die bloße Tatsache des Nichtbestehens der Prüfung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken (BVerwG, U.v. 9.3.1989, a.a.O.).
19
Weiterhin ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass im Fall des Klägers ein besonderer Härtefall im Sinne des § 66 Abs. 2 Nr. 2 BBesG nicht zu erblicken ist.
20
Sind die tatbestandlichen Erfordernisse für eine Kürzung erfüllt, so hat die Behörde nach § 66 Abs. 1 BBesG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Bei der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens ist es notwendig, für unterschiedliche Sacherhalte auch unterschiedliche Kürzungsbeträge vorzusehen, wie es etwa in den einschlägigen Verwaltungsvorschriften zu § 66 BBesG geschehen ist. Demensprechend sieht Nr. 66.1.2.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz (BBesGVwV) eine Kürzung der Anwärterbezüge um 15 Prozent in der Regel vor, wenn der Anwärter die vorgeschriebene Laufbahnprüfung oder Zwischenprüfung nicht bestanden hat, ohne Genehmigung einer solchen Prüfung ferngeblieben oder von dieser zurückgetreten ist oder aus Gründen, die er zu vertreten hat, das Ziel eines Ausbildungsabschnitts nicht erreicht hat, einen Ausbildungsabschnitt unterbrochen hat oder nicht zur Laufbahnprüfung zugelassen worden ist. Eine Kürzung um 30 Prozent ist nach Nr. 66.1.2.2 BBesGVwV in der Regel vorzunehmen, wenn der Anwärter wegen eines Täuschungsversuchs oder eines Ordnungsverstoßes von der Laufbahnprüfung ausgeschlossen worden ist. Die Grenzen zwischen dem Absehen von einer Kürzung und dem vollen Ausschöpfen des Kürzungsrahmens sind fließend, die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sind zu beachten (vgl. HessVGH, U.v. 28.7.1993 - 1 UE 1210/88 - juris, Rn. 25).
21
Nach § 66 Abs. 2 Nr. 2 BBesG ist von der Kürzung in besonderen Härtefällen abzusehen. In dieser Vorschrift wird dem Gesichtspunkt der Fürsorge Vorrang eingeräumt, d.h. liegt ein solcher Härtefall vor bzw. tritt er später ein, so ist stets von einer Kürzung abzusehen. Der Begriff des „besonderen Härtefalls“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der objektiv zu beurteilen ist und der dazu dient, atypische Sachverhalte zu erfassen. Die Frage, ob der besondere Härtefall vom Beamten zu vertreten ist oder nicht, ist ohne Belang (vgl. VG Ansbach, U.v. 22.7.2003 - AN 1 K 03.00189 - juris, Rn. 59; OVG MV, U.v. 18.3.2004 - 2 L 309/02 - juris, Rn. 38).
22
Besondere Härtefälle können sich beispielsweise aus ungewöhnlichen persönlichen oder familiären Problemlagen ergeben, etwa einer längeren schweren Erkrankung des Ehegatten, oder wenn der Beamte durch von ihm nicht zu vertretende Umstände während seiner Ausbildung erheblich beeinträchtigt war (vgl. VG Ansbach, U.v. 22.7.2003 - AN 1 K 03.00189 - juris, Rn. 60 m.w.N.; Reich in: Reich/Preißler, Bundesbesoldungsgesetz, 1. Aufl. 2014, § 66 BBesG, Rn. 5). Demensprechend ist nach Nr. 66.2 der BBesGVwV der Einzelfall daraufhin zu prüfen, ob sich aus dem persönlichen Umfeld des Anwärters - insbesondere aus häuslichen, sozialen oder wirtschaftlichen Gründen - oder aus besonderen Umständen, die der Anwärter nicht zu vertreten hat, während der Ausbildung oder Prüfung ein besonderer Härtefall erkennen lässt.
23
Derartige Umstände liegen hier nicht vor.
24
Die Beklagte hat bei der hier in Rede stehenden Kürzung eindeutig eine Ermessensentscheidung getroffen. Das ergibt sich schon daraus, dass sie den gesetzlichen Rahmen für eine Kürzung nicht voll ausgeschöpft hat (vgl. VGH BW, U.v. 27.11.1979 - IV C 2822/77 - juris, Rn. 33). Zudem ist in Rechnung zu stellen, dass § 66 Abs. 1 BBesG eine Kürzung des Anwärtergrundbetrages bis auf 30 Prozent des Grundgehalts, das einem Beamten der entsprechenden Laufbahn in der ersten Dienstaltersstufe zusteht, ermöglicht. Hiervon hat das Bundesverwaltungsamt mit der Kürzung des Anwärtergrundbetrages um 15 Prozent durchaus maßvoll Gebrauch gemacht und im Übrigen den entsprechend der einschlägigen Verwaltungsvorschriften für das Nichtbestehen der Laufbahnprüfung regelmäßigen Kürzungsbetrag in Abzug gebracht.
25
Darüber hinaus ist die finanzielle Situation des Klägers nicht geeignet, einen besonderen Härtefall zu begründen. Weil dem Anwärter kein Amt im statusrechtlichen Sinn übertragen ist und die Anwärterbezüge als Besoldung nicht zugleich zu Dienstbezügen werden, besteht für den Beamten auf Widerruf auch kein Anspruch auf die sog. „Vollalimentation“. Hinzu kommt, dass es der dem Gesetzgeber eingeräumte weite Regelungsspielraum zulässt, für besondere Statusverhältnisse ein anderes Besoldungsniveau festzulegen als für Lebenszeitbeamte. Im Hinblick darauf, dass während der Zeit des Widerrufsbeamtenverhältnisses die Ausbildung im Vordergrund steht und nur eine sehr eingeschränkte Dienstleistung für den Dienstherrn erbracht wird, gewährt das Gesetz dem Anwärter nur einen auf die besonderen Verhältnisse und insoweit eingeschränkten Unterhalt (vgl. VG München, U.v. 4.2.1992 - M 5 K 91.599 - BeckRS 1992, 31156651).
26
Die dem Kläger vorliegend verbleibenden Geldleistungen erfüllen auch weiterhin ihre Funktion als anwärterspezifische Unterhaltsleistung. Ausweislich der insoweit unbestrittenen Ausführungen der Beklagtenseite verbleibt dem Kläger auch nach Vornahme der Kürzung ein gesetzliches Netto von rund 1.390,00 Euro. Diese Einkünfte ermöglichen es dem Kläger weiterhin für den zu zahlenden Kindesunterhalt in Höhe von 322,00 Euro aufzukommen. Dass die Beklagtenseite im Rahmen der Prüfung nach § 66 Abs. 2 Nr. 2 BBesG einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt hätte, ist nicht ersichtlich. Zwar macht die Klägerseite geltend, dass das Bundesverwaltungsamt fälschlicherweise davon ausgegangen sei, dass es sich bei dem unterhaltspflichtigen Kind des Klägers um ein gemeinsames Kind mit seiner jetzigen Ehefrau handele, während es tatsächlich aus erster Ehe des Klägers stamme. Dafür bestehen aber nach Aktenlage keine tatsächlichen Anhaltspunkte. Vielmehr wird im Rahmen des Widerspruchsbescheids ausdrücklich ausgeführt, dass die Unterhaltsverpflichtung für ein Kind nach Art und Höhe nicht ungewöhnlich sei. Darüber hinaus ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagtenseite den Kläger hinsichtlich der Bestreitung des Mietzinses für die Ehewohnung auf die finanzielle Unterstützung seiner vollzeitbeschäftigten Ehefrau verweist. Auch unter Berücksichtigung seiner Kreditverpflichtungen für eine Kfz-Finanzierung unterschied sich die finanzielle Lage des Klägers damit nicht wesentlich von derjenigen anderer Anwärter. Einen Ausnahmefall, der die Bejahung eines besonderen Härtefalles begründen könnte, hat die Beklagte vorliegend nach alledem zur Recht verneint.
II.
27
Der Kläger hat als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch die Beklagte vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.