Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 14.07.2021 – B 4 K 20.920
Titel:

Anschluss- und Benutzungszwang für ein Hinterliegergrundstück

Normenkette:
BayVwZVG Art. 36 Abs. 5
Leitsatz:
Eine Anschlussmöglichkeit durch ein fremdes Grundstück ist nur dann als auf Dauer gesichert zu betrachten, wenn das Leitungsführungsrecht durch Einräumung einer grundbuchrechtlich abgesicherten Dienstbarkeit gewährleistet ist (vgl. VGH München BeckRS 2017, 108000). (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
öffentliche Entwässerungseinrichtung, Ausschlusszwang für bisher nicht angeschlossenes Grundstück, Anschlussstelle bestimmt der Einrichtungsträger, keine dauerhafte Sicherung eines Anschlusses über fremde Grundstücke ohne Grunddienstbarkeit, Aufwand für Hebeanlage zumutbar, Anschluss- und Benutzungszwang, Entwässerungsanlage, Hinterliegergrundstück, Leitungsrecht, Hebeanlage, Zwangsgeldandrohung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 18.03.2022 – 4 ZB 21.2295
Fundstelle:
BeckRS 2021, 49493

Tenor

Die Ziffer 3 des Bescheids der Beklagten vom 27. August 2020 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 90% und die Beklagte 10%. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen die Verpflichtung, ihr Grundstück an die öffentliche Entwässerungseinrichtung in der I* … anzuschließen.
2
Die Klägerin verfügt über das Erbbaurecht an dem Grundstück Fl.-Nr. A* …, Gemarkung … Die Beigeladenen sind Eigentümer des Grundstücks. Es grenzt mit der südlichen Grundstücksgrenze an die I* …, in der ein Kanalstrang der Entwässerungseinrichtung der Beklagten verlegt ist.
3
Das Grundstück ist mit einem gewerblichen Gebäude bebaut. In der Baugenehmigung vom 24.11.1971 über den Neubau einer Werkhalle ist als Auflage verfügt, dass die zunächst zu errichtende Kleinkläranlage aufzulassen, einzufüllen oder zu beseitigen sei, sobald der Anschluss an einen Kanal mit Sammelklärung möglich sei.
4
Etwa Mitte der 1970er Jahre entstand die öffentliche Entwässerungseinrichtung der Beklagten mit Mischwassersammlern.
5
Aufgrund eines notariellen Vertrags vom 30.12.1987 wurde aus dem Grundstück Fl.-Nr. A* … (alt) die westliche Teilfläche mit 3.281 m² herausgemessen, die die Fl.-Nr. B* …erhielt. Im Jahr 2019 wurde das Grundstück Fl.-Nr. B* …(alt) erneut geteilt. Es wurde die östliche Teilfläche mit 1.771 m² mit Zufahrt zur I* … herausgemessen und als Fl.-Nr. C … verselbstständigt. Eigentümerin der Fl.-Nr. B … (neu) ist nach Angaben der Beklagten Frau M.; Eigentümer der Fl.-Nr. C … ist Herr K. An beiden Grundstücken sind keine Grunddienstbarkeiten zugunsten des Grundstücks Fl.-Nr. A … der Klägerin bestellt.
6
Bei Bauarbeiten auf dem Grundstück Fl.-Nr. B … (neu) wurde im Frühjahr 2020 eine in westlicher Richtung verlaufende Tonleitung DN 200 beschädigt und aufgefunden. Die Leitung wurde weiter frei gelegt in Richtung … Straße. Dabei stellte sich bei weiterer Prüfung durch den Bauhof der Beklagten heraus, dass diese Tonleitung DN 200 nicht an dem in der … Straße befindlichen Abwassersammler angeschlossen ist. Nach Angaben der Baubeteiligten sei die Leitung DN 200 mit Flüssigkeit gefüllt gewesen.
7
Mit Schreiben vom 14.04.2020 und 20.05.2020 wandte sich die Beklagte an die Klägerin und die Beigeladenen mit der Aufforderung, die Abwasserableitung für das Grundstück Fl.-Nr. A … zu klären. Die Beklagte kündigte satzungsrechtliche Schritte an, wenn ein Anschluss an die öffentliche Entwässerungseinrichtung bis zum 22.06.2020 nicht erfolgen sollte. Weder die Klägerin, noch die Beigeladenen äußerten sich fristgerecht.
8
Mit weiterem Schreiben vom 20.05.2020 an die Eigentümer der Grundstücke Fl.-Nr. B … und Fl.-Nr. C … wies die Beklagte auf die bei den Bauarbeiten auf dem Grundstück aufgefundene private Kanalleitung hin, bei der es sich um die Abwasserleitung des Grundstücks Fl.-Nr. A … handele. Diese Leitung sei nicht an den Flächenkanal in der … Straße angeschlossen, wobei ein Anschluss technisch möglich wäre. Dies setze jedoch voraus, dass auf dem Grundstück Fl.-Nr. B … ein Kontrollschacht errichtet werde und die Leitung auch rechtssicher belassen werden dürfe. Hierfür wäre eine Grunddienstbarkeit zu bestellen. Es sei zu hoffen, dass unter den Eigentümern und Erbbauberechtigten ein tragbarer Kompromiss erzielt werden könne. Eine Äußerung erfolgte nicht.
9
Mit Bescheid vom 27.08.2020 verpflichtete die Beklagte die Klägerin, das Gebäude auf dem Grundstück Fl.-Nr. A … der Gemarkung … mittels einer Hebeanlage an den öffentlichen Kanal in der I* … bis spätestens drei Monate nach Rechtskraft des Bescheids anzuschließen und den Anschluss nach den Vorgaben der gemeindlichen Entwässerungssatzung vom 17.12.2012 herzustellen (Ziff. 1). In Ziff. 2 des Bescheids wurde bestimmt, dass die Klägerin spätestens zwei Wochen vor Baubeginn folgende Unterlagen vorzulegen habe:
- Lageplan des zu entwässernden Grundstücks im Maßstab 1:1000;
- Grundriss- und Flächenpläne im Maßstab 1:100, über den Verlauf der Leitungen;
- Längsschnitte aller Leitungen mit Darstellung der Entwässerungsgegenstände im Maßstab 1:100, aus denen insbesondere die Gelände- und Kanalsohlenhöhen, Querschnitte und Gefälle der Kanäle, Schächte und höchste Grundwasseroberfläche zu ersehen seien.
10
Falls die Klägerin die in Ziff. 1 und Ziff. 2 genannten Verpflichtungen nicht fristgerecht erfülle, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR angedroht (Nr. 3).
11
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte versucht habe, mit allen Beteiligten eine Lösung herbeizuführen. Es sei ermittelt worden, dass ein Anschluss an den Kanal in der … Straße technisch möglich wäre. Die setze jedoch auch eine rechtlich gesicherte Abwasserleitung voraus. Sollte dies nicht möglich sein, bliebe nur ein Anschluss an den Kanal in der I* …, was aufgrund der gegebenen Höhenverhältnisse jedoch den Einbau einer Hebeanlage voraussetze. Die bisherige Abwasserbeseitigung des Anwesens sei über eine Zweikammergrube erfolgt, ein Anschluss an den Kanal in der … Straße sei offensichtlich nicht vorhanden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 EWS für die Ausübung des Anschlusszwangs seien erfüllt. Dieser sei erforderlich, um die ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung des Anwesens herzustellen und zu gewährleisten. Das öffentliche Wohl übersteige die Interessen der Klägerin. Das Erfordernis einer gesicherten Abwasserbeseitigung ergebe sich aus Erwägungen für die Volksgesundheit. Die Anordnung sei an die Klägerin als Erbbauberechtigte mit Verfügungsgewalt über das Grundstück zu richten. Gleichzeitig seien die Grundstückseigentümer zur Duldung der Maßnahme verpflichtet worden. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 BayVwZVG. Da den bisherigen formlosen Aufforderungen zum Anschluss an den öffentlichen Kanal nicht nachgekommen worden sei, sei zur Durchsetzung der Anordnung die Androhung von Zwangsmitteln geboten. Der Bescheid wurde der Klägerin am 28.08.2020 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.
12
Mit Bescheiden vom 26.08. und 27.08.2020 hat die Beklagte die beiden Miteigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. A …, Gemarkung …, die Beigeladenen, verpflichtet, den Anschluss des Gebäudes I* … 3 an den gemeindlichen Kanal in der I* … zu dulden. Gegen diese am 28.08.2020 mit Postzustellungsurkunde zugestellten Duldungsbescheide wurden keine Rechtsbehelfe erhoben.
13
Mit Schriftsatz vom 23.09.2020 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben und beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27.08.2020 aufzuheben.
14
Zur Klagebegründung führte die Klägerseite aus, hinsichtlich des Grundstücks Fl.-Nr. A …bestehe kein erneuter Anschlusszwang, da für das Gebäude eine Abwasserleitung tatsächlich bestehe. Entsprechend den Vorgaben der Baugenehmigung vom 24.11.1971 habe der damalige Bauherr zur Herstellung des Anschlusses zur Abwasserbeseitigung alles Erforderliche getan. Warum ein Anschluss an den öffentlichen Kanal seitens der Beklagten bis heute nicht vorgenommen worden sei, sei nicht nachvollziehbar. Dieses Versäumnis könne der Klägerin nicht zur Last gelegt werden. Die Klägerin wende sich nicht gegen den Anschlusszwang als solchen, sondern lediglich gegen die nochmalige Anordnung desselben, da ein den Vorgaben entsprechender Anschluss bereits bestehe. Der tatsächliche Anschluss an den öffentlichen Kanal obliege der Beklagten. Ohne Belang sei, dass die bestehende Abwasserleitung nicht dinglich oder schuldrechtlich gesichert sei. Entscheidend sei alleine die tatsächliche Entwässerungssituation auf dem Grundstück. Es werde auf die Entscheidungen des BayVGH vom 06.07.2006 - 4 B 04.3427 und vom 16.03.2017 - 20 ZB 16.99 verwiesen. In diesen Entscheidungen sei ebenfalls ein zunächst einheitliches Grundstück später geteilt und erst durch diese Teilung das betroffene Grundstück rechtlich von seiner bisherigen Abwasserversorgung abgeschnitten worden. Die Beklagte sei dazu verpflichtet, den Anschluss der vorhandenen Leitung an den öffentlichen Kanal in der … Straße vorzunehmen. Ein Anschluss des Anwesens an den öffentlichen Kanal in der I* … wäre nur mit unzumutbar hohem Aufwand möglich. Laut Schätzungen würden hierfür Kosten in Höhe von ca. 90.000 EUR entstehen. Des Weiteren sei auch die Zwangsgeldandrohung rechtswidrig, da im Falle der Auferlegung von mehreren Pflichten nicht pauschal ein Zwangsgeld angedroht werden könne. Es müsse eine Differenzierung hinsichtlich der einzelnen Pflichten erfolgen.
15
Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat mit Schriftsatz vom 12.10.2020 beantragt,
die Klage abzuweisen.
16
Zur Klageerwiderung wurde mit Schriftsatz vom 27.11.2020 ausgeführt, die Klägerin sei aufgrund § 2 Abs. 2 Satz 1 EWS als Erbbauberechtigte richtige Adressatin des Bescheids. Es bestehe nach § 4 EWS ein Anschluss- und Benutzungsrecht für das erschlossene Grundstück. Damit gehe auch gemäß § 5 EWS der Anschluss- und Benutzungszwang einher. Es seien die Anschlussberechtigten, nicht aber die Gemeinde verpflichtet, bebaute Grundstücke an die Entwässerungseinrichtung anzuschließen. Nach den bisherigen Erkenntnissen sei das Grundstück objektiv nicht an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossen. Die Ursache dafür sei der Beklagten nicht bekannt. An welchen Kanal anzuschließen sei, bestimme nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EWS die Gemeinde unter Berücksichtigung von Wünschen, soweit es möglich sei. In den §§ 10 und 11 EWS werde bestimmt, was vor Herstellungsbeginn an Unterlagen einzureichen sei. All dies liege im Verantwortungs- und Risikobereich der Klägerin. Die Inanspruchnahme des Kanalsammlers mittels einer Hebeanlage stehe nicht außerhalb des wirtschaftlichen Rahmens. Die in Bezug genommenen Entscheidungen des BayVGH beträfen nicht den vorliegenden Fall, da es sich dort um ein tatsächlich bereits leitungsmäßig angeschlossenes Grundstück gehandelt habe. Deshalb seien die dort erfolgten Teilungen ohne Belang gewesen. An einem bereits angeschlossenen Grundstück fehle es aber hier. Die Klägerseite übersehe die ständige Rechtsprechung des BGH und des BayVGH, wonach ein Eigentümer die Duldung einer dinglich nicht gesicherten Leitung widerrufen dürfe und die Beseitigung der Leitung selbst nach Verjährung des Entfernungsanspruchs auf eigene Kosten vornehmen könne. Durch den Anschluss in der I* …, an der das Grundstück der Klägerin anliege, habe die Klägerin es in der Hand, den Anschluss herzustellen und einzurichten, ohne dass es der Inanspruchnahme anderer Grundstücke bedürfe.
17
Mit Beschluss vom 11.11.2020 wurden die Grundstückseigentümer zum Verfahren beigeladen. Sie haben sich gegenüber dem Gericht nicht geäußert.
18
Die Klägerseite hat mit Schriftsatz vom 08.01.2021 ergänzend ausgeführt, aus dem Entwässerungsplan, der Bestandteil der Baugenehmigung von 1971 sei, sei der spätere Anschluss an den geplanten gemeindlichen Kanal ersichtlich. Dass damals nur in der … Straße eine entsprechende öffentliche Abwassereinrichtung in Planung gewesen sei, ergebe sich aus dem Entwässerungsplan. Wann der Kanal in der I* … entstanden sei, sei der Klägerin nicht bekannt. Dass die maßgebliche Tonleitung DN 200 nicht an den öffentlichen Kanal in der … Straße angeschlossen worden sei, sei eindeutig ein Versäumnis der Beklagten. Die Beklagte bestätige selbst, dass ein Anschluss an den Sammler der … Straße tatsächlich und ohne großen Aufwand möglich sei. Die Klägerin sei nach Übernahme des Erbbaurechts im Jahr 2012 davon ausgegangen, dass die vorhandene Leitung ordnungsgemäß von der Beklagten an die Abwassereinrichtung angeschlossen worden sei und die anfallenden Abwässer dorthin ordnungsgemäß entsorgt würden. Die Inanspruchnahme des Kanalsammlers in die I* … mittels einer Hebeanlage wäre außerhalb jedes wirtschaftlichen Rahmens, nachdem sich die Beklagte den Aufwand für den Anschluss an die … Straße bisher gespart habe. Außerdem habe keiner der Eigentümer der von der Leitungsverlegung betroffenen Grundstücke die Entfernung der Abwasserleitung verlangt. Einer der Nachbarn nutze diese vielmehr selbst, der andere Nachbar dulde sie. Daher sei von einer Beseitigungsabsicht nicht auszugehen.
19
Mit Schriftsatz vom 18.02.2021 trug die Beklagtenseite ergänzend vor, es könne nicht mehr sicher festgestellt werden, ob der Kanalsammler in der I* … zeitgleich mit dem in der … Straße errichtet worden sei oder erst später. Zum Zeitpunkt der Errichtung des Kanalsammlers in der … Straße habe es sich bei der Fl.-Nr. A … noch um ein Gesamtgrundstück gehandelt, mit natürlichem Gefälle in Richtung … Straße. Deswegen wäre damals ein Anschluss an die I* … unverhältnismäßig gewesen. Die Beklagte habe der Klägerin ausdrücklich angeboten, die Leitung Ton DN 200 weiter zu nutzen und an den Kanal in der … Straße anzuschließen. Voraussetzung dafür wäre aber gewesen, dass aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Grundstücksteilungen eine dingliche Sicherung des Grundstücksanschlusses auf den Grundstücken Fl.-Nr. B … und C … bestellt und auf dem Grundstück Fl.-Nr. B … ein Kontrollschacht errichtet werde. Nachdem sich die Klägerin dahingehend nicht geäußert habe, habe die Beklagte davon ausgehen müssen, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt werden könnten. Der Anschluss an den Sammler der I* … mit Hebeanlage sei die einzige Möglichkeit eines direkten Anschlusses ohne Einbeziehung fremder Grundstücke. In der Baugenehmigung vom 24.11.1971 sei unter Auflagen und Bedingungen darauf hingewiesen, dass der Bauherr eine ordnungsgemäße Entwässerung herstellen und diese auch wieder beseitigen müsse, sobald ein Anschluss an den Kanal möglich sei. Es wäre deshalb Aufgabe des damaligen Bauherrn gewesen, für den Kanalanschluss zu sorgen. Das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrem Vorgänger im Erbbaurecht sei keine Frage des Rechtsverhältnisses zur Beklagten.
20
Die Klägerseite verwies mit Schriftsatz vom 17.03.2021 auf eine Kamerabefahrung, die auf Kosten der Beklagten von einer Firma vorgenommen worden sei. Dabei sei das Vorhandensein eines Schachtes am Ende der Leitung und dessen genaue Lage festgestellt worden.
21
Mit Schriftsatz vom 12.05.2021 teilte die Beklagtenseite mit, dass die Kamera-Befahrung in der 2-Kammer-Grube auf dem Grundstück Fl.-Nr. A … begonnen und in westlicher Richtung (Richtung … Straße) geführt worden sei. Etwa in der Mitte des Grundstücks Fl.-Nr C … sei ein gemauerter Schacht entdeckt worden, der mit Erdreich überdeckt gewesen sei. Die Befahrung sei abgebrochen worden, weil ein Überwinden des Schachts nicht möglich gewesen sei. Bei Befragungen in der Nachbarschaft sei in Erfahrung gebracht worden, dass die 2-Kammer-Grube der Klägerin regelmäßig geleert worden sei. Daraus folge, dass es zwar nicht zu einer ungeordneten - aber unzulässigen - Abwasserbeseitigung gekommen sei. Es müsse aber auf Seiten der Eigentümer/Erbbauberechtigten bekannt gewesen sein, dass kein Anschluss an die zentrale Entwässerungseinrichtung vorliege. Jemand müsse die Grubenleerung ja in Auftrag gegeben haben.
22
Die Klägerseite führte ergänzend aus, dass ein Anschluss des Grundstücks Fl.-Nr. A … an den Kanal in der I* … technisch nicht möglich wäre. Der dort verlegte Kanal sei unterdimensioniert. Die Beklagte habe das östlich gelegene Industriegebiet „…“ an den Kanal in der I* … angeschlossen. Die Kanalleitung dieses neuen Gebiets mit einem Durchmesser von 800mm treffe auf die 300mm-Leitung in der I* … Bei Starkregen komme es zu einem Rückstau, der bereits zu Wasseraustritten auf dem Nachbargrundstück geführt habe. Selbst wenn eine Rückstausicherung am Grundstück eingebaut würde, hätte dies dennoch die Konsequenz, dass eine Grundstücksentwässerung bei Regenfällen nicht mehr möglich wäre.
23
Für die Beklagte wurde erwidert, dass für die Entwässerung des Gewerbegebiets „…“ ein Stauraumkanal bestehe. Der Überlauf in den Sammler der I* … sei mit einer Drosselung versehen, so dass bei normaler Witterung das Wasser problemlos abgeleitet werden könne. Bei Starkregen könne es zu einem Überstau kommen, der nicht durch den gedrosselten Stauraumkanal verursacht werde. Es sei Sache jeden Anschließers, sich auf seinem Grund vor Rückstau wirksam zu sichern.
24
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen. Wegen des Ablaufs der mündlichen Verhandlungen vom 19.05. und 14.07.2021 wird auf die Sitzungsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe

25
Die zulässige Klage hat in der Sache nur geringen Erfolg.
26
Der Bescheid der Beklagten vom 27.08.2020 ist in den Ziffern 1 und 2 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des Bescheids erweist sich allerdings als rechtswidrig und war daher aufzuheben.
27
1. Rechtsgrundlage für den Erlass der gemeindlichen Anordnung ist § 5 Abs. 1 der Entwässerungssatzung der Beklagten vom 17.12.2012 (EWS). Danach sind die gemäß § 4 EWS zum Anschluss Berechtigten verpflichtet, bebaute Grundstücke an die öffentliche Entwässerungsanlage anzuschließen, soweit ein Anschluss rechtlich oder tatsächlich möglich ist. Nach § 8 Abs. 2 EWS bestimmt die Gemeinde Zahl, Art, Nennweite und Führung der Grundstücksanschlüsse. Sie bestimmt auch, wo und an welchen Kanal anzuschließen ist. Begründete Wünsche der Grundstückseigentümer werden nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EWS nach Möglichkeit berücksichtigt.
28
Die Entscheidung der Beklagten, als Anschlussstelle für das bebaute Grundstück der Klägerin den öffentlichen Kanal in der I* … vorzusehen, ist nicht zu beanstanden.
29
Das Grundstück Fl.-Nr. A … ist durch die Entwässerungsanlage in der I* …erschlossen, weil der zur öffentlichen Einrichtung gehörende Kanalstrang in dieser Verkehrsfläche verlegt ist und an die Grundstücksgrenze heranreicht (BayVGH, U.v. 26.09.2007- 4 B 03.1319 - juris Rn.19). Damit kann die öffentliche Einrichtung rechtlich und tatsächlich von dort in Anspruch genommen werden.
30
Die Klägerin wehrt sich mit ihrer Klage nicht generell gegen den Anschluss ihres Grundstücks an die Entwässerungsanlage, jedoch gegen den Anschluss an die von der Beklagten vorgegebene Anschlussstelle in der I* … Sie fordert einen Anschluss in der … Straße, der wegen des dahin abfallenden Geländes und einer bereits verlegten Rohrleitung ohne größeren Aufwand herzustellen wäre, während der Anschluss an die I* … nur mit einer kostenträchtigen Hebeanlage möglich ist.
31
Vorauszuschicken ist, dass ein tatsächlicher Anschluss des Grundstücks Fl.-Nr. A … an die Entwässerungseinrichtung der Beklagten nicht existiert. Die Ausführungen der Klägerseite, dass ein erneuter Anschluss nicht verlangt werden könne, weil für das Gebäude eine Abwasserleitung tatsächlich bestehe, treffen deshalb nicht zu. Selbst wenn bereits in den 1970er Jahren, nach der Errichtung der Werkhalle, eine Rohrleitung DN 200 in dem damals noch ungeteilten Grundstück in Richtung der … Straße verlegt wurde, endete diese Leitung in dem gemauerten Schacht auf dem abgetrennten jetzigen Nachbargrundstück, wie sich durch die letztjährige Kamerabefahrung herausgestellt hat. Vom Grundstück der Klägerin wurde also nie Abwasser in die Kanalisation der Beklagten eingeleitet. Vielmehr ist nach wie vor die im Baubescheid vom 24.11.1971 genehmigte Kleinkläranlage in Betrieb, obwohl der Bescheid die Auflage enthält, die Anlage aufzulassen und einzufüllen, sobald der Anschluss an einen Kanal mit Sammelklärung möglich ist (Bl. 4 des Bescheids). Die Handlungspflicht der Auflage richtete sich an den Bauherrn und Grundstückseigentümer. Da die öffentliche Kanalisation bereits Mitte der 1970er Jahre entstanden ist, wäre ein Anschluss an die … Straße für das damals noch ungeteilte Grundstück Fl.-Nr. A* … rechtlich und tatsächlich möglich gewesen, ist aber - aus welchen Gründen auch immer - nicht erfolgt.
32
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen Anschluss ihres Grundstücks an den Kanal in der … Straße. Einem solchen Anschluss stehen rechtliche Hindernisse entgegen, weil eine betriebsfertig herzustellende Grundstücksentwässerungsanlage durch die in fremdem Eigentum stehenden Grundstücke Fl.-Nr. B … und Fl.-Nr. C … verlaufen müsste und der Klägerin kein grundbuchrechtlich gesichertes Leitungsführungsrecht an diesen Grundstücken zusteht.
33
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs ist eine Anschlussmöglichkeit durch ein fremdes Grundstück nur dann als auf Dauer gesichert zu betrachten, wenn das Leitungsführungsrecht durch Einräumung einer grundbuchrechtlich abgesicherten Dienstbarkeit gewährleistet ist (BayVGH, U.v. 15.11.1990 - 23 B 88.03688; B.v. 28.08.2008 - 4 ZB 08.1071; U.v. 19.01.2017 - 20 BV 15.817, alle juris).
34
Die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin ins Feld geführten Entscheidungen des BayVGH vom 06.07.2006 - 4 B 04.3427 und vom 16.03.2017 - 20 ZB 16.99 sind für den vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil sie sich auf Grundstücke beziehen, die bereits einen Anschluss an das öffentliche Kanalnetz besitzen, in das das anfallende Abwasser störungsfrei eingeleitet wird. Nur ein tatsächlich leitungsmäßig angeschlossenes Grundstück unterliegt unabhängig von einer dinglichen Absicherung des Leitungsstrangs nicht dem (nochmaligen) Anschlusszwang (vgl. auch BayVGH, U.v. 26.09.2000 - 23 B 00.1613 - juris; BayVGH, B.v. 20.01.1998 - 23 CS 97.3528 - juris, Rn. 23). Das Grundstück der Klägerin ist aber - wie eingangs ausgeführt - nicht tatsächlich an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossen; vielmehr erfolgt die Abwasserbeseitigung nach wie vor (unter Verstoß gegen den Baubescheid und die EWS) über die Kleinkläranlage.
35
Da eine dingliche Sicherung des Grundstücksanschlusses zwingend ist, kommt es nicht darauf an, ob die Eigentümer der für die Durchleitung in Anspruch zu nehmenden Grundstücke bisher keine Einwände erhoben haben. Sie haben sich auf das Schreiben der Beklagten vom 20.05.2020 mit keinem Wort geäußert, was gerade nicht auf ein Einverständnis oder Entgegenkommen hindeutet. Auch hat die Klägerin nicht dargetan, dass sie mit den Eigentümern in Kontakt getreten ist und sich um ein Leitungsrecht bemüht hat. Die in den 1970er Jahren in der noch ungeteilten Fl.-Nr. A … verlegte Tonrohrleitung, die im Nachbargrundstück in einem Schacht endet und nicht bis zum öffentlichen Straßengrund führt, ist mit den Grundstücksteilungen und Veräußerungen in das Eigentum der Erwerber übergegangen und gehört nicht der Klägerin. Sie hat kein Recht, in diese Leitung Abwasser von ihrem Grundstück einzuleiten. Warum in der Vergangenheit kein Anschluss hergestellt wurde und welcher ihrer Rechtsvorgänger dafür verantwortlich ist, spielt für die Rechtmäßigkeit des nun verfügten Anschlusszwangs keine Rolle.
36
Das Grundstück der Klägerin ist somit ausschließlich über den Kanalstrang in der I* … erschlossen. Mit der Verpflichtung, das Gebäude auf dem Grundstück Fl.-Nr. A … an den öffentlichen Kanal in der I* … anzuschließen, wird von der Klägerin auch nichts „Unmögliches“ verlangt, wie zuletzt vorgetragen. Das ergibt sich schon daraus, dass das Nachbargrundstück I* … 5 an diesen Kanal angeschlossen und somit ein Anschluss offensichtlich technisch machbar ist. Dass aufgrund der Höhenverhältnisse eine Hebeanlage erforderlich ist, wurde in dem angefochtenen Bescheid berücksichtigt.
37
Gemäß § 9 Abs. 1 und 2 EWS ist jedes Grundstück, das an die öffentliche Entwässerungsanlage angeschlossen wird, vorher vom Grundstückseigentümer mit einer Grundstücksentwässerungsanlage zu versehen, die nach den anerkannten Regeln der Technik herzustellen ist. Demzufolge ist es Sache eines Anschlussnehmers, seine Grundstücksentwässerungsanlage sowohl für die Schmutzwasserableitung als auch für die Regenabwasserleitung so gestalten, dass die Ableitung ausgerichtet auf die technischen Gegebenheiten der gemeindlichen Entwässerungseinrichtung möglich ist (vgl. BayVGH, B.v. 04.05.2006 - Az. 23 B 06.308 n.w.N, juris, Rn. 8). Besteht zum Kanal kein natürliches Gefälle, kann die Gemeinde vom Grundstückseigentümer den Einbau und Betrieb einer Hebeanlage zur ordnungsgemäßen Entwässerung des Grundstücks verlangen, wenn ohne diese Anlage eine ordnungsgemäße Beseitigung der Abwässer bei einer den Regeln der Technik entsprechenden Planung und Ausführung des Kanalsystems nicht möglich ist (§ 9 Abs. 4 EWS). Dafür, dass die durch einen Anschluss mit Einbau einer Hebeanlage verursachten Kosten außer Verhältnis zum Wert des Grundstücks stünden, wobei die durch die Erschließung vermittelte Wertsteigerung zu berücksichtigen ist (BayVGH, B.v. 29.01.1999 Az. 23 ZB 99.4, m.w.N., juris), sind konkrete Anhaltspunkte von der Klägerin nicht vorgetragen. In der mündlichen Verhandlung war von Kosten der technischen Herstellung in Höhe von ca. 8.200 EUR die Rede. Die Erdarbeiten in Höhe von ca. 16.000 EUR würden in jedem Fall anfallen. Nach den Äußerungen der Beteiligten ist davon auszugehen, dass der streitgegenständliche Bescheid die Schmutzwasserbeseitigung aus dem Gebäude betrifft. Die Beklagte ist bisher davon ausgegangen, dass das Niederschlagswasser auf dem klägerischen Grundstück schadlos beseitigt wird. Sollte dies nicht der Fall sein, müsste eine gesonderte Verfügung über einen Anschluss- und Benutzungszwang ergehen.
38
Der Umstand, dass bei Starkregenfällen eine Überlastung des Kanalsystems eintreten kann, wie es offenbar in den Tagen vor der mündlichen Verhandlung der Fall war, führt nicht dazu, dass der verfügte Anschlusszwang rechtswidrig wäre. Die Konzeption und Dimensionierung von Entwässerungseinrichtungen erfolgt in der Regel durch fachkompetente Planungsfirmen nach Erfahrungs- und Durchschnittswerten. Dass bei außergewöhnlichen Unwettern zeitweise eine Überlastung des Kanalnetzes eintreten kann, ist allgemein bekannt. Die zu erwartenden höheren Abwassermengen aus dem Gewerbegebiet „…“ hat die Beklagte berücksichtigt, indem ein Stauraumkanal zur Drosselung der Einleitungsmengen errichtet wurde. Darüberhinaus ist es Sache jeden Eigentümers, seine Grundstücksentwässerungseinrichtung sicherheitshalber mit einer Rückstausicherung zu versehen (§ 9 Abs. 5 EWS).
39
2. Gegen die Ziff. 2 des Bescheids wurden keine substantiierten Einwendungen erhoben. Die darin im Einzelnen geforderte Vorlage von Plänen über die herzustellende Grundstücksentwässerungseinrichtung entspricht den Regelungen des § 10 Abs. 1 EWS.
40
3. Die Zwangsgeldandrohung (Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides) ist allerdings rechtswidrig. Es wurde einheitlich für die Verpflichtungen aus den Ziffern 1 und 2 angedroht, was dem Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 36 Abs. 5 VwZVG) widerspricht, da für jede Handlungspflicht ein eigenes Zwangsgeld anzudrohen ist. Deshalb war die Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides aufzuheben.
41
Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
42
4. Die Kostenentscheidung entspricht dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen (§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst, da sie keinen Klageantrag gestellt und damit nicht am Kostenrisiko teilgenommen haben (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.