Titel:
Unzulässige Klage bei Erhebung des Widerspruchs mittels einfacher E-Mail
Normenketten:
VwGO § 68, § 70 Abs. 1
BayAGVwGO Art. 15 Abs. 1 Nr. 4
Leitsätze:
1. Ein Widerspruch mittels einfacher E-Mail entspricht nicht der Form des § 70 Abs. 1 VwGO. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es besteht grundsätzliche keine Pflicht der Behörde, den Widerspruchsführer auf Formfehler seines Widerspruchs hinzuweisen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Besteht nach Art. 15 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 BayAGVwGO die Wahl, ob vor Klageerhebung ein Vorverfahren durchgeführt oder unmittelbar Klage erhoben wird, wird das Wahlrecht mit der erstmaligen Ausübung verbraucht. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerspruchseinlegung durch einfache E-Mail, Hinweispflicht der Behörde bei fehlerhafter Einlegung des Widerspruchs, Widerspruch, E-Mail, Formfehler, Hinweispflicht, Vorverfahren, Wahlrecht
Fundstelle:
BeckRS 2021, 44476
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht im Zeitraum von 07/2014 bis 06/2018.
2
Der Kläger ist seit dem 03.06.2014 mit der Adresse …G. … bei dem Beklagten unter der Beitragsnummer X. … gemeldet. Seit dem 01.07.2018 wird der Kläger für die Wohnung …B. … unter der Beitragsnummer Y. … geführt. Beide Beitragskonten wurden jeweils bis zu den vorgenannten Daten unter dem Namen der Ehefrau des Klägers (Frau ….) geführt.
3
Mit Schreiben vom 06.01.2014 wies der Kläger den Beklagten u.a. darauf hin, dass er verschiedene Schreiben des Beklagten in der Wohnung in G. … gefunden habe, er und seine Ehefrau polizeilich nicht in G. … gemeldet seien und sie ihren Beitrag in B. … zahlen würden. Er frage an, ob eine Befreiung oder eine Ermäßigung in Betracht komme.
4
Der Beklagte wies die Ehefrau des Klägers mit Schreiben vom 31.03.2014 darauf hin, dass nach den ihm vorliegenden Unterlagen die Ehefrau polizeilich in G. … gemeldet sei. Es handle sich um einen Zweitwohnsitz. Die Wohnung sei zum 01.01.2013 unter der Beitragsnummer X. … auf den Namen der Ehefrau des Klägers angemeldet worden Mit E-Mail vom 21.04.2014 bat der Kläger darum, dass das Beitragskonto mit der Nummer X. … auf seinen Namen und nicht den Namen seiner Ehefrau angemeldet werde.
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Mit Schreiben vom 03.06.2014 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass das Beitragskonto X …nunmehr auf seinen Namen geführt werde.
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Der Kläger stellte mit Schreiben vom 30.08.2018 einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für die Nebenwohnung in Oberfranken ab dem nächstmöglichen Termin. Zudem fordere er eine rückwirkende Erstattung aller gezahlten Rundfunkbeiträge im Rahmen der gesetzlichen Bedingungen, wohl drei Jahre. Mit gleichem Datum stellte der Kläger ebenfalls einem Formblattantrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für die Nebenwohnung. Hierbei erklärte er, die B. …Hauptwohnung sei auf seinen Namen angemeldet. Die Angabe einer Beitragsnummer fehlte.
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Mit Bescheid vom 09.01.2019 wurde der Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht mit der Begründung abgelehnt, dass eine Person, dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2018 entsprechend, auf Antrag von der Rundfunkbeitragspflicht für weitere Wohnungen zu befreien sei, die nachweislich als Inhaberin oder Inhaber ihrer Hauptwohnung der Rundfunkbeitragspflicht nachkomme. Beide Wohnungen seien beim Beklagten nicht auf den Kläger gemeldet, so dass der Antrag abzulehnen sei.
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Mit Schreiben vom 31.01.2019 legte der Kläger per Fax gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass die Nebenwohnung in G. … die gemeinsame Nebenwohnung des Klägers und seiner Ehefrau sei. Zudem beantrage er die Rückerstattung gezahlter Beiträge. Er habe bereits 2014 der Beitragszahlung für die Nebenwohnung widersprochen. In einem Schreiben vom 31.02.2014 habe der Beklagte geschrieben: „Soweit die Rechtsgrundlagen für Ihre Rundfunkbeitragspflicht durch eine rechtskräftige höchstrichterliche Entscheidung entfallen, werden wir Ihre geleisteten Rundfunkbeiträge auf Antrag im Rahmen der dreijährigen Verjährung erstatten“. Gleichzeitig verweise er auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom Juni 2018 und den dortigen Passus „nicht rechtskräftige Bescheide“.
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Vorgelegt wurde eine erweiterte Meldebescheinigung des Bezirksamtes B. … vom 24.01.2019 für den Kläger, wonach der Kläger unter der Adresse … B. …seit 01.12.1986 und unter der G. … Adresse seit 16.02.1983 gemeldet sei. Zudem sei er verheiratet mit Frau …, die ebenfalls in der … B. … wohnhaft sei.
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Mit Schreiben des Beklagten vom 22.07.2019 an die Ehefrau des Klägers, wurde dieser die Abmeldung der B. … Wohnung auf ihren Namen (Beitragsnummer Y. ….) und die Anmeldung der Wohnung auf den Namen des Klägers mitgeteilt. Außerdem werde das entstandene Guthaben auf die Beitragsnummer X. … umgebucht.
11
Mit Schreiben vom 22.07.2019 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass der Bescheid vom 09.01.2019 aufgehoben werde und der Kläger einen neuen Bescheid erhalten werde.
12
Mit Bescheid vom 22.07.2019 wurde der Kläger ab dem 01.07.2018 unbefristet von der Rundfunkbeitragspflicht für die G. … Wohnung befreit. Mit der Anmeldung der weiteren Wohnung auf seinen Namen erfülle er die Voraussetzungen für eine Befreiung. In der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrungwurde der Kläger darauf hingewiesen, dass der Widerspruch schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift eingelegt werden müsse. Zur elektronischen Form ist ausgeführt, dass der Widerspruch in der Sendevariante „mit bestätigter sicherer Anmeldung“ nach § 5 Abs. 5 De-Mail-Gesetz an die De-Mail-Adresse info@rundfunkbeitrag.de-mail.de zu richten sei. Der Kläger wurde weiter darauf hingewiesen, dass er, statt Widerspruch einzulegen, binnen eines Monats nach Bekanntgabe auch unmittelbar Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht B. … erheben könne.
13
Aus einem Telefonvermerk des Beklagten vom 12.08.2019 geht hervor, dass der Kläger Widerspruch einlegen wolle, da er die vorherigen Beiträge nur unter Vorbehalt gezahlt habe. Er habe den Widerspruch per De-Mail schicken wollen, dies funktioniere aber nicht.
14
Mit E-Mail vom 12.08.2019 an die Adresse kontaktformular@beitragsservice.de legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.07.2021 ein. Dabei gab er an, dass es per De-Mail nicht funktioniert habe, da die De-Mail des Beklagten das De-Mail-Programm nicht wolle (info@rundfunkbeitrag.de-mail.de). Seinen Widerspruch beziehe er ausschließlich darauf, dass er eine dreijährige Rückerstattung der gezahlten Beiträge wünsche.
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Jeweils mit E-Mail vom 16.10.2019, 22.12.2019 und 14.04.2020 an die Adresse kontaktformular@beitragsservice.de und mit Telefonanrufen vom 10.01.2020 und 21.02.2020 bat der Kläger um Mitteilung des Sachstandes.
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Mit Schreiben vom 19.05.2020 nahm der Beklagte zur E-Mail vom 12.08.2019 Stellung. Der unzulässige Widerspruch sei in der Sache auch unbegründet. Die Rückerstattung der gezahlten Beiträge sei nicht möglich, da die Bezahlung nicht ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht sei eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht erst ab dem Tag der Verkündung möglich. Eine rückwirkende Befreiung sei ausdrücklich auf Fälle beschränkt, bei denen ein Klageverfahren oder ein verwaltungsgerichtliches Vorverfahren noch nicht abgeschlossen sei. Diese Voraussetzungen lägen im Fall des Klägers nicht vor. Außerdem erfülle der Kläger die Befreiungsvoraussetzungen erst mit Zumeldung der Wohnung ab 07/2018. Die Hauptwohnung sei vorher auf den Namen der Ehefrau unter einer anderen Beitragsnummer geführt worden.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 26.05.2020, welcher laut Aktenvermerk am 29.05.2020 versendet wurde, wurde der Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen, dass dieser unzulässig sei. Nach § 70 Abs. 1 Verwaltungsgerichtordnung (VwGO) könne ein Widerspruch nur schriftlich innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids erfolgen. Schriftlich bedeute, dass der Widerspruch mit einer Unterschrift bestätigt sein müsse. Für die Übermittlung auf elektronischem Weg stehe beim Beklagten nur die Variante De-Mail in der Sendevariante „mit bestätigter sicherer Anmeldung“ nach § 5 Abs. 5 De-Mail-Gesetz zur Verfügung. Die De-Mail-Adresse laute info@rundfunkbeitrag.de-mail.de. Ein anderer Zugang sei nicht eröffnet worden. Selbst wenn aus technischen Gründen die Sendung als De-Mail nicht möglich gewesen wäre, so wäre es möglich gewesen, den Widerspruch in Schriftform mit Unterschrift versehen einzulegen. Die E-Mail vom 12.08.2019 sei nicht in der Sendevariante „mit bestätigter sicherer Anmeldung“ gesendet worden und erfülle daher nicht das Schriftformerfordernis.
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Mit Schreiben vom 11.06.2020 erklärte der Kläger, dass er am 01.02.2019 mit Fax und am 31.01.2019 mit Unterschrift versehene Schreiben versendet habe.
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Mit Schreiben vom 03.07.2020 teilte der Beklagte mit, dass dem unterschriebenen Widerspruch vom 31.01.2019 mit Bescheid vom 22.07.2019 abgeholfen worden und dem Kläger ab 07/2018 eine Befreiung für die Nebenwohnung gewährt worden sei.
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Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 29.06.2020, eingegangen bei Gericht am selben Tag, erhob der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth. Er beantragte mit Schriftsatz vom 30.10.2020, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22.07.2019 und des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2020 zu verpflichten, den Kläger (auch) für den Zeitraum 07/2014 bis 06/2018 von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien.
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Der Kläger habe durch Übersendung von seinem De-Mail-Konto seines Providers t-online.de-mail.de an die De-Mail-Adresse des Beklagten info@rundfunkbeitrag.de-mail.de formwirksam am 12.08.2019 Widerspruch erhoben. Da der Kläger dies zum ersten Mal nach Abschluss des Akkreditierungsverfahrens gemacht habe, sei er mit der Übersendung noch nicht so vertraut gewesen und habe keinen Nachweis über die Versendung erstellt. Lediglich zur Sicherheit habe er vorsorglich mit (einfacher) E-Mail vom selben Tag seinen Widerspruch wiederholt. Der Beklagte habe die Übersendung über den von ihm zur Verfügung gestellten sicheren Zugang offenbar übersehen. Der Beklagte könne sich nicht auf den Formfehler berufen, da der Kläger erst mit Widerspruchsbescheid vom 26.05.2020 auf die nach Ansicht des Beklagten unwirksame Übersendung hingewiesen worden sei. Der Kläger habe am 16.10.2019 und 22.12.2019 per E-Mail sowie am 10.01.2020 und 22.02.2020 telefonisch nach dem Sachstand des Widerspruchsverfahrens gefragt und sei dabei nicht auf die vermeintliche Unzulässigkeit seines Widerspruchs hingewiesen worden. Die Voraussetzungen für eine Befreiung des Klägers lägen zudem bereits seit 2014 vor. Der Kläger habe die entsprechende Sach- und Rechtslage im Widerspruch vom 31.01.2019 dargelegt, dessen Inhalt zum Gegenstand des klägerischen Vortrags gemacht werde.
22
Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 19.11.2020,
23
Die in der Klagebegründung erhobene Behauptung, der Kläger habe einen Widerspruch per De-Mail versendet, sei falsch. Es sei der Telefonnotiz vom 12.08.2020 zu entnehmen, dass aus Sicht des Klägers die wirksame elektronische Widerspruchserhebung gescheitert sei. Es werde im Übrigen auf den Widerspruchsbescheid vom 26.05.2020 verwiesen. Rein vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung des Klägers für den Zeitraum vor dem 01.07.2018 nicht vorlägen.
24
Die Klägerseite erklärte ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid mit Schriftsatz vom 19.07.2021. Die Beklagtenseite erklärte sich mit Schriftsatz vom 16.07.2021 mit der Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
Entscheidungsgründe
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Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbs. 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört und erklärten jeweils ihr Einverständnis.
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Die Klage ist unzulässig.
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Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage gehört die Durchführung eines Vorverfahrens entsprechend den §§ 68 ff. VwGO. Der vom Kläger am 12.08.2019 per einfacher E-Mail eingelegte Widerspruch entspricht nicht den Anforderungen des § 70 VwGO. Die nach Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig (hier durch Widerspruchsbescheid vom 26.05.2020) erhobene Klage gegen den Ausgangsbescheid vom 22.07.2019 ist unzulässig und muss abgewiesen werden; dem Gericht ist eine Sachentscheidung verwehrt (vgl. Rennert, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, § 68 Rn. 21, § 70 Rn. 7). Aber auch eine (isolierte) Klage gegen den Widerspruchsbescheid kommt mangels Rechtsschutzbedürfnis nicht in Betracht. Der Beklagte hat gerade nicht in der Sache über den Widerspruch entschieden, sondern diesen - zu Recht - als unzulässig zurückgewiesen.
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1. Der Widerspruch war statthafter Rechtsbehelf. Grundsätzlich entfällt zwar das Vorverfahren in Bayern gemäß § 68 VwGO nach Art. 15 Abs. 2 Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO). Nach Art. 15. Abs. 1 Nr. 4 AGVwGO ist es in Verfahren des Rundfunkabgabenrechts aber möglich, einen Widerspruch einzulegen. Diese Norm ist auf den Beklagten als „sonstige der Aufsicht des Freistaates Bayern unterstehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts“ anwendbar. Als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts gemäß Art. 10 Abs. 1 Bayerisches Mediengesetz (BayMG) unterfällt der Beklagte, der der Rechtsaufsicht des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst unterliegt, diesem Anwendungsbereich. Wird ein Widerspruch - wie hier - eingelegt, ist entsprechend den §§ 68 ff VwGO ein Vorverfahren durchzuführen.
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2. Der Widerspruch des Klägers mit einfacher E-Mail vom 12.08.2019 entspricht nicht der Form des § 70 Abs. 1 VwGO, wonach der Widerspruch schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben ist.
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Zum einen hat der Kläger den Widerspruch vom 12.08.2019 nur mittels E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur eingelegt (§ 3a Abs. 2 Satz 4 Nr. 3 VwVfG i.V.m. § 5 Abs. 5 DE-Mail-Gesetz), was nicht der vorgeschriebenen elektronischen Form nach § 70 Abs. 1 VwGO entspricht (vgl. BayVGH, B.v. 4.12.2019, 7 B 18.1945 - juris Rn. 23; VG München, U.v. 29.6.2016 - M 6 K 16.1335 - juris Rn. 12).
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Zum anderen erfolgte die E-Mail des Klägers vom 12.08.2019 an die Adresse kontaktformular@beitragsservice.de und damit nicht an einen über den vom Beklagten eröffneten elektronischen Zugang (vgl. Schleswig-Holsteinisches VG, B.v. 10.01.2019 - 4 B 88/18 - juris Rn. 24). Der Beklagte hat den elektronischen Zugang nur über die Adresse info@rundfunkbeitrag.de-mail.de eröffnet (vgl. §§ 3a, 79 VwVfG), worauf der Kläger in der Rechtsbehelfsbelehrungdes Bescheids vom 22.07.2019 auch hingewiesen hatte. Über sonstige E-Mail-Adressen des Beklagten ist der elektronische Zugang damit nicht eröffnet worden.
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Der Vortrag des Klägerbevollmächtigten, dass der Kläger den Widerspruch vom 12.08.2019 auch mittels De-Mail einlegt habe, ist nicht nachvollziehbar. Der Kläger hat selbst ausweislich des mit einfacher E-Mail vom 12.08.2019 eingelegten Widerspruchs und der Telefonnotiz vom 12.08.2019 erklärt, dass er festgestellt habe, dass das De-Mail-Programm des Beklagten nicht funktioniere.
34
Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten trifft den Beklagten auch keine Hinweispflicht dahingehend, dass der Widerspruch vom 12.08.2019 nicht formgerecht eingelegt wurde. Es gibt gerade keine Pflicht der Behörde, den Widerspruchsführer auf Formfehler hinzuweisen (vgl. VG Neustadt (Weinstraße), U.v. 9.7.2009 - 4 K 409/09.NW - juris Rn. 27). Die Rechtsmittelbelehrungim Bescheid vom 22.07.2019 hat den Kläger ausdrücklich auf die rechtlich zulässigen Möglichkeiten der Widerspruchseinlegung hingewiesen. Es fällt in die Verantwortung des Klägers, diese zu beachten. Tut er dies nicht, besteht grundsätzlich keine Verpflichtung auf eine Beseitigung des Fehlers innerhalb der Rechtsmittelfrist hinzuwirken (vgl. für die gerichtliche Rechtsmittelbelehrung OVG MV, B.v. 29.10.1998 - 3 M 118/98 - juris). Der Kläger hat selbst festgestellt, dass die Einlegung über die De-Mail nicht möglich war. Dabei hätte er ausreichend Zeit gehabt, noch Widerspruch per Fax - wie auch schon zuvor gegen den Bescheid vom 09.01.2019 - oder postalisch einzulegen. Selbst wenn der Kläger bei der Nutzung der De-Mail noch keine Erfahrungen hatte, so gehen Anwendungsfehler zu seinen Lasten. Unabhängig davon, ob der Fehler bei der Übermittlung der De-Mail nun auf Seiten des Beklagten oder des Klägers lag, so hätte der Kläger anhand der eindeutigen Rechtsbehelfsbelehrungerkennen müssen, dass die Einlegung per einfacher E-Mail nicht ausreichend ist. Bei Unsicherheiten wäre es dem Kläger auch ohne weiteres zumutbar gewesen, sich rechtlich beraten zu lassen. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Kläger auf eine wirksame Widerspruchseinlegung hat vertrauen können, beispielsweise, weil der Beklagte die Einlegung per einfacher E-Mail als ausreichend erachtet hätte. Allein aufgrund der Sachstandsanfragen des Klägers per Telefon und per E-Mail entsteht keine Pflicht des Beklagten über den ggf. formwidrigen Widerspruch aufzuklären. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Kläger selbst erkannte, dass er den Widerspruch nicht per De-Mail eingelegt hatte.
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Damit hätten ausreichend Alternativen zur Übersendung eines form- (und frist-) gerechten Widerspruchs bestanden. Auch wenn im Bescheid vom 22.07.2019 der Hinweis erfolgte, dass das Verwaltungsgericht Berlin zuständig wäre, so hat dies nach § 58 Abs. 2 VwGO höchstens Auswirkungen auf die Klagefrist bei einer unmittelbaren Klageerhebung gegen diesen Bescheid oder bei Einlegung eines Widerspruchs auf die Widerspruchsfrist nach § 70 VwGO. Wird aber ein Vorverfahren durchgeführt, so ist die Zustellung des Widerspruchsbescheids Anknüpfungspunkt für die Klagefrist, § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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3. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Kläger nach Art. 15 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 AGVwGO die Wahl hatte, ob er vor Klageerhebung ein Vorverfahren durchführt oder unmittelbar Klage erhebt. Auf beide Möglichkeiten wurde der Kläger in der Rechtsbehelfsbelehrungdes Bescheids vom 22.07.2019 auch hingewiesen. Der Kläger hat sich dafür entschieden, dass er einen Widerspruch einlegt. Wenn zuerst der Widerspruch eingelegt wird, so ist ein Vorverfahren nach § 68 VwGO durchzuführen. Das bestehende Wahlrecht ist mit der erstmaligen Ausübung verbraucht (vgl. BayVGH, B.v. 10.11.2012 - 11 ZB 11.2813 - juris Rn. 40; VG Bayreuth, U.v. 2.10.2012 - B 1 K 12.700- juris Rn. 14; Oestreicher/Decker, Praxis der Kommunalverwaltung, Bayerische Ausführungsbestimmungen zur Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO), Stand: Januar 2016, Art. 15 Nr. 4.1). Gemäß § 69 VwGO beginnt das Vorverfahren mit der Erhebung des Widerspruchs. Das Vorverfahren endet durch den Erlass eines Abhilfebescheids, eines Widerspruchsbescheids bzw. durch Rücknahme, Verzicht, Erledigung des Verfahrens oder durch Vergleich (Hüttenbrink, in: Posser/ Wolff, BeckOK VwGO, 57. Edition, Stand: 01.04.2020, § 69 Rn 7). Der Kläger hat weder den Widerspruch vom 12.08.2019 zurückgenommen noch wurde das Verfahren durch ihn auf andere Weise beendet, so dass das Vorverfahren mit Widerspruchsbescheid vom 26.05.2020 beendet wurde. Damit ist aber Anknüpfungspunkt für das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen das Vorverfahren.
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4. Auch der gegen den Bescheid vom 09.01.2019 mit Schreiben vom 31.01.2019 eingelegte Widerspruch kann hier nicht herangezogen werden. Streitgegenständlich ist ausweislich des Klageantrages und der Begründung der Bescheid vom 22.07.2019 bzw. der Widerspruchsbescheid vom 26.05.2020. Außerdem wurde mit Bescheid vom 22.07.2019 dem Widerspruch des Klägers abgeholfen (vgl. § 72 VwGO), da aufgrund seines gegensätzlichen Inhalts zum Bescheid vom 09.01.2019 (ggf. in Verbindung mit dem Begleitschreiben vom 22.07.2019) ersichtlich ist, dass der Bescheid vom 09.01.2019 aufgehoben wurde. Eine konkrete Summe an Rückzahlungen, die der Beklagte hätte verbescheiden können, war auch nie gefordert, so dass dem Begehren des Klägers mit Bescheid vom 22.07.2019 abgeholfen wurde und das entsprechende Widerspruchsverfahren zum Abschluss kam.
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5. Als unterlegener Beteiligter hat der Kläger nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.