Titel:
Baugenehmigung für Mehrfamilienhaus - Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung
Normenketten:
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1
BayBO Art. 81 Abs. 1 Nr. 4
Leitsätze:
1. Im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB ist in erster Linie auf solche Maßfaktoren abzustellen, die nach außen hin wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung in Beziehung zueinander setzen lassen, weshalb bei offener Bebauung auch deren Verhältnis zur umliegenden Freifläche als Bezugsgröße zur Ermittlung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung relevant ist. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Prüfung, ob sich ein Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, verbietet es sich, sich nach Art einer „Rosinentheorie“ zur Rahmenfestlegung an mehreren Gebäuden gleichzeitig zu orientieren, die jeweils einen Maximalwert aufweisen. Ein Vorhaben kann sich also nicht gleichzeitig an der größtmöglichen Grundfläche, der höchsten Wandhöhe und/oder Firsthöhe von jeweils verschiedenen Gebäuden orientieren. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einfügen:, Maß der baulichen Nutzung, Widerspruch zu gemeindlicher Stellplatzsatzung, Einfügen, Mehrfamilienhaus, offene Bebauung, Freifläche, Rosinentheorie, Vorbildwirkung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 43254
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit sechs Wohnungen und sechs Kfz-Stellplätzen auf dem Grundstück FlNr. … und …, B. … (i.F. Vorhabensgrundstücke).
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Der Kläger ist Eigentümer der Vorhabensgrundstücke. Diese liegen an der Ostseite der B. … Straße, an diese unmittelbar angrenzend, im unbeplanten Innenbereich. Zudem existiert eine Satzung über die Herstellung und Ablösung von Garagen und Stellplätzen vom 23. März 2018.
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Mit Bauantrag vom 23. Januar 2018 beantragte der Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit sechs Wohnungen und sechs Stellplätzen. Geplant ist ein Gebäude mit den Außenmaßen von 17,50 m Länge und 14,50 m Breite. Die Firsthöhe beträgt 10,73 m. Der Markt Burgheim hat mit Beschluss vom 22. März 2018 das gemeindliche Einvernehmen unter der Bedingung erteilt, dass die Vorgaben der Garagen- und Stellplatzsatzung eingehalten werden.
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Mit Bescheid vom 9. Juni 2020 wurde der Bauantrag nach vorheriger Anhörung abgelehnt. Zur Begründung wurde angeführt, dass sich das beantragte Vorhaben zwar nach der Art der baulichen Nutzung in die Umgebungsbebauung (Allgemeines Wohngebiet) einfüge. Jedoch sei das Vorhaben gleichwohl bauplanungsrechtlich unzulässig, da es sich hinsichtlich Grundfläche und zulässiger Kubatur nicht in die maßgebliche Umgebung einfüge. Es übersteige das Maß der baulichen Nutzung damit deutlich. Im näheren Umfeld der Baugrundstücke befinde sich kein Wohngebäude mit den absoluten Maßen des Bauvorhabens (Wandhöhe i.V.m. Grundfläche). Die größten Wohngebäude im baulichen Umfeld der Baugrundstücke seien das Gebäude auf FlNr. … mit einer Grundfläche von 176 m2 und einer Wandhöhe von 6,70 m sowie das Gebäude auf der FlNr. … mit einer Grundfläche von 146 m2 und einer Wandhöhe von 7,03 m. Das Bauvorhaben solle jedoch mit einer Grundfläche von 253 m2 und einer Wandhöhe von 7,13 m realisiert werden. Hinsichtlich der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden dürfe, füge sich das Vorhaben ein. Zudem halte das Bauvorhaben nicht die Vorgaben der gemeindlichen Garagen- und Stellplatzsatzung ein. Gemäß der gemeindlichen Bauvorschrift seien für das Bauvorhaben zwölf reguläre und zwei Besucherstellplätze erforderlich. Geplant seien für das Vorhaben jedoch lediglich sechs Stellplätze. Eine Genehmigung könne nach alledem nicht erteilt werden.
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Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage und beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 09.06.2020, Az.: ..., den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die beantragte Baugenehmigung für die Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses mit sechs Wohnungen und sechs überdachten Kfz-Stellplätzen auf dem Grundstück der Gemarkung B. …, FlNr. … und …, B. … Straße …, … B. … zu erteilen.
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Der Bevollmächtigte des Klägers trug im Wesentlichen vor, dass die Baugenehmigung zu erteilen sei, da sich das Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden solle, in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Das geplante Vorhaben habe ausweislich der Berechnungen zum Bauantrag Außenabmessungen von etwa 14,50 m x 17,50 m und sei 5,84 m gemessen bis OK Rohfussboden hoch. Die Wandhöhe betrage an der Südseite 6,41 m und an der Nordseite 7,13m. Die Firsthöhe liege bei 10,73 m. Die Grundfläche des Hauptgebäudes betrage 228,86 m2. Die Grundfläche der Garagen sei nicht mit in die Flächenberechnung einzubeziehen. Die Grundstücksgröße beider Grundstücke, die für die Bebauung zusammengelegt würden betrage 919,00 m2. Rechnerisch sei nachgewiesen, dass sich die GRZ und GFZ in dem laut BauNVO zulässigen Rahmen hielten. An dieser Feststellung ändere auch die Betrachtung der näheren Umgebung nichts. Die nähere Umgebung sei geprägt durch ältere Bestandsgebäude, insbesondere aber neuere Bebauung mit zunehmend ausgeweiteter Bebauung bezogen auf die überbaute Grundstücksfläche und -größe. Entsprechend der obergerichtlichen Rechtsprechung sei eine konkrete, am tatsächlich Vorhandenen ausgerichtete Betrachtung maßgeblich weshalb die Nachbarbebauung auch nicht willkürlich in Haupt- und Nebengebäude aufgeteilt werden könnte. Das geplante Mehrfamilienhaus halte sich hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung innerhalb des in den Blick zu nehmenden Rahmens. Dieser Rahmen sei aus dem räumlichen Umkreis der beidseitigen straßenbegleitenden Bebauung entlang der B. … Straße … beginnend mit Nr. 28 mindestens bis zur südlichen Grenze des Grundstücks B. … Straße Nr. 52, aber auch der östlich anschließenden Bebauung zu entnehmen. Namentlich seien die westlich, straßenbegleitende Bebauung entlang der B. … Straße, mit den Hausnummern … und …, aber auch das Gebäude am S. …graben * * in Bezug zu nehmen. Das südlich gelegene Gebäude, B. … Straße … mit einer bebauten Grundfläche von weit über 200 m2 stelle bei Anfahrt aus der Ortsmitte in Richtung B … einen Querriegel dar. Eine Aufteilung in Haupt- und Nebengebäude sei nicht nur künstlich, da es der Wahrnehmung widerspreche, sondern verstoße auch gegen die obergerichtliche Rechtsprechung. Nördlich grenze mit Firstausrichtung quer zur B. … Straße das Anwesen Hausnr. …, östlich die Nr. … als massiver Baukörper an. Auf allen drei Anwesen seien in großem Umfang Nebengebäude teils angeschlossen an das Hauptgebäude vorhanden. Große Teile des geplanten Baukörpers würden zwischen den nördlich, südlich und östlich angrenzenden Gebäuden kaum wahrnehmbar sein. Das gegenüberliegende Anwesen Nr. … fiele sofort in den Blick. Die Abmessungen des Wohn- und Gewerbebaus überträfen das geplante Anwesen im Hinblick auf die bebaute Grundfläche deutlich. Die Frage der Einhaltung der Stellplatzsatzung sei im Rahmen der langandauernden Diskussionen um das Gebot des sich Einfügens nicht mehr problematisiert worden. Der Klage angefügt sei ein entsprechend ergänzter Plan mit aktualisierter Darstellung der Stellplätze, der zum Gegenstand des Bauantrags gemacht werde. Nach den aktuell eingereichten Unterlagen seien nun 14 Stellplätze vorhanden. Im Übrigen sei vorliegend ein Fall des § 34 Abs. 3a BauGB gegeben. Auf den Schriftsatz vom 10. Juli 2020 wird im Übrigen Bezug genommen.
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Der Beklagte beantragt,
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Die zur Bebauung vorgesehenen Grundstücke lägen im unbeplanten Innenbereich, § 34 BauGB. Dies sei unstrittig. Hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung füge sich das Bauvorhaben unstrittig in die durch überwiegend durch Wohnbebauung geprägte Umgebung ein. Dies sei auch mit Blick auf die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche der Fall. Das Maß der baulichen Nutzung werde vorliegend jedoch deutlich überschritten. Entscheidend seien diejenigen Maße, welche nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung leicht in Beziehung setzen ließen. Dabei verbiete es sich in einer Art „Rosinentheorie“, dass sich ein Vorhaben zur Rahmenfestlegung an mehreren Gebäuden gleichzeitig orientiere, welche bezüglich eines der absoluten Faktoren jeweils einen Maximalwert aufweisen und diese Einzelwerte dann kombiniert werden. Das beantragte Vorhaben habe eine überbaute Grundfläche von 258 m2. Nehme man die durch Balkone überdeckte Fläche mit hinzu, betrage die überbaute Grundfläche sogar 283 m2. Die Wandhöhe betrage an der Nordseite mit Ausnahme des Treppenhauses 7,39 m, an der Südseite auf ca. der Hälfte der Gebäudelänge 6,67m. Die nach außen versetzten Außenwände erzeugten eine dreigeschossige Wandhöhe mit einer Höhe von ca. 9,00 m. Im baulichen Umfeld würden lediglich die Grundstücke FlNr. … und … Grundflächen aufweisen, die der des beantragten Bauvorhabens vergleichbar seien. Bei dem Grundstück FlNr. … handle es sich um ein zur B. … Straße traufständiges zweigeschossiges Wohnhaus mit nicht ausgebautem Dachgeschoss. Die Grundfläche des Gebäudeteils betrage ca. 125 m2. Daran sei im Osten ein erdgeschossiger Anbau mit Dachgeschoß und einer Fläche von ca. 120 m2 angebaut. Die Wandhöhe des zweigeschossigen Teils liege etwa bei 6,50 m. Die Wandhöhe des erdgeschossigen Gebäudeteils bei ca. 3,00 m. Die Kubatur sei aufgrund des großen erdgeschossigen Anbaus nicht mit dem Bauvorhaben vergleichbar. Auf dem Grundstück FlNr. … befinde sich ein Wohnhaus mit ca. 150 m2 sowie eine erdgeschossige Halle und Überdachung einer Zimmerei. Die Wandhöhe des Wohnhauses liege etwa bei 6,00 m. Die Wandhöhe der Lagerhalle der Zimmerei unterhalb der des Wohnhauses. Die Fläche des Wohnhauses liege deutlich unter dem beantragten Vorhaben. Die Lagerhalle können aufgrund ihrer Eingeschossigkeit nicht herangezogen werden. Auch das zweigeschossige Wohnhaus auf FlNr. … liege mit einer Grundfläche von ca. 176 m2 und einer Wandhöhe von ca. 6,70m deutlich unter der geplanten Grundfläche und Wandhöhe des beantragten Vorhabens. Die geplante Wandhöhe sei im baulichen Umfeld beispiellos. Auch ein zweigeschossiges Gebäude mit einer vergleichbaren Grundfläche wie das beantragte Vorhaben sei nicht vorhanden und können nur durch das Hinzurechnen von erdgeschossigen Anbauten, die sich in der Kubatur deutlich unterscheiden würden erreicht werden. Das Vorhaben überschreite somit den durch die Umgebung vorgegebenen Rahmen und füge sich daher mit Blick auf das Maß der baulichen Nutzung nicht ein. Zudem widerspreche das Vorhaben § 3 Abs. 2 der Satzung über die Herstellung und Ablösung von Garagen und Stellplätzen vom 23. März 2018. Danach seien für Wohnungen mit mehr als 50 m2 Wohnfläche und max. 100 m2 Wohnfläche 2 Stellplätze je Wohnung zu schaffen und darüber hinaus 1 Besucherparkplatz je 6 Stellplätze. Die eingereichte Planung sehe lediglich sechs Stellplätze vor, obwohl 14 erforderlich wären. Auch deshalb sei das Vorhaben nicht genehmigungsfähig.
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Das Gericht hat am 15. September 2021 Beweis erhoben über die baulichen und örtlichen Verhältnisse der Vorhabensgrundstücke sowie deren Umgebung durch Einnahme eines Augenscheins.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Behördenakte und die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 15. September 2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg, da sie unbegründet ist.
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Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 9. Juni 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung der beantragten Baugenehmigung, da das Vorhaben den öffentlichen Vorschriften widerspricht, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (§ 113 Abs. 5 VwGO, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO, Art. 59 Abs. 1 BayBO).
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1. Das Bauvorhaben ist bereits bauplanungsrechtlich unzulässig, da es sich nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Diese Überzeugung des Gerichts beruht auf dem Ergebnis des Augenscheins am 15. September 2021, den örtlichen Verhältnissen sowie der Umgebungsbebauung der Vorhabensgrundstücke.
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Das streitgegenständliche Vorhaben hält sich nicht innerhalb des durch seine nähere Umgebung vorgegebenen Maßes der baulichen Nutzung und fügt sich insoweit in diese nicht ein. Ein Vorhaben fügt sich dann nicht im Sinn des § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn es, bezogen auf die in dieser Vorschrift genannten Kriterien, den aus der Umgebung ableitbaren Rahmen überschreitet und geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche, bewältigungsbedürftige Spannungen zu begründen oder zu erhöhen (BVerwG, B.v. 25.3.1999 - 4 B 15/99 - juris Rn. 5). Im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB ist in erster Linie auf solche Maßfaktoren abzustellen, die nach außen hin wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung in Beziehung zueinander setzen lassen, weshalb bei offener Bebauung auch deren Verhältnis zur umliegenden Freifläche als Bezugsgröße zur Ermittlung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung relevant ist (vgl. BVerwG, U. v. 23.03.1994 - 4 C 18/92 - NVwZ 1994, 1006 - juris; B. v. 14.03.2013 - 4 B 49/12 - juris; B. v. 03.04.2014 - 4 B 12/14 - juris). Damit ist eine Berücksichtigung der anderen Maßfaktoren der Baunutzungsverordnung zwar nicht ausgeschlossen - sie werden allerdings vielfach nur eine untergeordnete bis gar keine Bedeutung für die Frage des Einfügens haben, weil sie in der Örtlichkeit häufig nur schwer ablesbar sind (vgl. BVerwG, B. v. 14.03.2013 - 4 B 49/12 - juris).
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Der obergerichtlichen Rechtsprechung folgend ist bei der Prüfung des Maßes der baulichen Nutzung im Innenbereich daher auf die nach außen wirkenden Größen wie Grundfläche und Höhe der baulichen Anlage in ihrer Gesamterscheinung, also der Kubatur abzustellen und nicht auf die in §§ 16 ff. BauNVO enthaltenen Definitionen bzw. Kriterien, die allenfalls eine grobe Orientierungshilfe darstellen (vgl. BVerwG, U. v. 23.03.1994 - 4 C 18/92 - NVwZ 1994, 1006 ff. - juris).
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Dabei verbietet sich in einer Art „Rosinentheorie“, dass sich das Vorhaben zur Rahmenfestlegung an mehreren Gebäuden gleichzeitig orientiert, welche bezüglich eines dieser absoluten Faktoren jeweils einen Maximalwert aufweisen und diese Einzelwerte dann kombiniert werden. Ein Vorhaben kann sich also nicht gleichzeitig an der größtmöglichen Grundfläche, der höchsten Wandhöhe und/oder Firsthöhe von jeweils verschiedenen Gebäuden orientieren.
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Gemessen an diesen Grundsätzen und unter Berücksichtigung des beim Augenschein gewonnen Eindrucks der örtlichen Verhältnisse fügt sich das streitgegenständliche Vorhaben mit Blick auf das Maß der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung ein. In der maßgeblichen Umgebung finden sich keine hinsichtlich Grundfläche, Geschosszahl sowie Höhenentwicklung baulich entsprechenden Gebäude. Das streitgegenständliche Vorhaben ist mit Blick auf seine Grundfläche beispiellos. Dabei kann es dahinstehen, ob die Grundfläche, wie der Klägerbevollmächtigte meint, ca. 228 m2, oder, wie der Beklagte meint, ca. 258 m2 aufweist. Denn selbst die Angaben des Klägerbevollmächtigten zugrunde gelegt, finden sich ausweislich des Ergebnisses des Augenscheins, der in den Akten enthaltenen Fotos sowie der Berechnungen im Bayernatlas in der näheren Umgebung keine prägenden, im äußeren Erscheinungsbild mit dem Vorhaben vergleichbaren Gebäude mit einer annähernd großen Grundfläche. Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten kann mit Blick auf die Grundfläche nicht die unmittelbar südlich angrenzende Bebauung auf FlNr. … in seiner Gänze als Vergleichsobjekt herangezogen werden. Zwar mag die Grundfläche des zweigeschossigen Wohngebäudes mit dem eingeschossigen Anbau zusammengerechnet mit der Grundfläche des streitgegenständlichen Vorhabens vergleichbar sein. Jedoch scheitert die Eigenschaft der Bebauung auf FlNr. … als Vergleichsobjekt bereits an dem Umstand, dass die Kubatur des gesamten Gebäudes aufgrund des eingeschossigen Anbaus schon nicht mit dem streitgegenständlichen Vorhaben vergleichbar ist. Die Gesamterscheinung der Bebauung auf FlNr. … ist eine völlig andere, mithin nicht für das geplante Mehrfamilienhaus in seiner Gänze maßstabsbildend. Die vergleichbare zweigeschossige Bebauung auf diesem Grundstück hat eine Grundfläche von ca. 125 m2. Mit Blick darauf stellt das streitgegenständliche Vorhaben mit einer Grundfläche von 228 m2 - schon die Angaben des Klägervertreters zugrunde gelegt - eine wesentliche Überschreitung es vorgegebenen Rahmens dar. Ebenso verhält es sich mit der Bebauung westlich, jenseits der B. … Straße auf FlNr. … Der eingeschossige Teil des Gewerbebaus kann entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten nicht als Vergleichsobjekt für das streitgegenständliche, zweigeschossige Vorhaben herangezogen werden. Das zweigeschossige Wohngebäude - als Vergleichsobjekt mit Blick auf die Geschossigkeit grundsätzlich denkbar - weicht betreffend die Grundfläche (ca. 150 m2) erheblich von der Grundfläche des streitgegenständlichen Vorhabens (mindestens 228 m2) ab. Auch hier sind die maßgebliche Kubatur und das Gesamterscheinungsbild nicht vergleichbar. Ebenso verhält es sich mit Blick auf die Bebauung östlich der Vorhabensgrundstücke. Auch hier bleibt die Grundfläche des Wohngebäudes (ca. 170 m2) hinter der Grundfläche des streitgegenständlichen Vorhabens in erheblichem Umfang zurück. Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten ist insofern nicht entscheidend, welcher Nutzung die einzelnen Gebäude zugeführt wurden. Entscheidend sind allein die nach außen wahrnehmbaren Faktoren. Danach können eingeschossige Gebäude nicht als Vorbild für das streitgegenständliche, zweigeschossige Gebäude dienen. Allein einzelne absolute Bezugsgrößen könnten vorliegend gegebenenfalls eine Vergleichbarkeit begründen, was sich jedoch mit Blick auf die bereits erwähnte „Rosinentheorie“ und die Maßstäbe, welche die obergerichtliche Rechtsprechung mit Blick auf das Einfügen und das Maß der baulichen Nutzung setzt, verbietet. FlNr. … kann ebenfalls nicht als Vorbild für das streitgegenständliche Vorhaben dienen. Das zweigeschossige Wohnhaus hat eine Grundfläche von ca. 176 m und liegt somit deutlich unter der des beantragten Vorhabens. Ein zweigeschossiges Gebäude mit der beantragten Grundfläche ist in der maßgeblichen Umgebung beispiellos. Das Vorhaben fügt sich mit Blick auf das Maß der baulichen Nutzung nach alledem nicht in die nähere Umgebung ein.
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Der Verweis des Klägervertreters auf die Vorschrift des § 34 Abs. 3a BauGB führt zu keinem anderen Ergebnis. Es bestehen schon keine Anhaltspunkte dafür und insofern wurde auch nichts vorgetragen, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift im vorliegenden Fall betroffen wäre. Denn insgesamt werden von § 34 Abs. 3a BauGB nur Vorhaben erfasst, die den vorhandenen Bestand unberührt lassen bzw. im Fall der Erneuerung den legalen Bestand wiederherstellen sollen (BeckOK BauGB/Spannowsky, 53. Ed. 1.8.2021, BauGB § 34 Rn. 74). Die vormals auf dem Grundstück bestehende Bebauung ist bereits nicht mehr vorhanden. Wenngleich eine Erneuerung im Sinne dieser Vorschrift mit einer Erweiterung grundsätzlich verbunden werden kann, so ist im vorliegenden Fall weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der vormals legale Bestand in irgendeiner Form (teilweise) wiederhergestellt werden soll (vgl. in diesem Zusammenhang und zu dem Umstand, dass durch den Neubau kein „aliud“ im Vergleich zu dem früheren Bestand entstehen darf BayVGH, B.v. 30.3.2015 - 2 ZB 13.1962 m.w.N.). Auch inwiefern der Altbestand die Umgebungsbebauung mit Blick auf eine „Privilegierung“ nach § 34 Abs. 3a BauGB geprägt haben soll und inwiefern es sich bei dem streitgegenständlichen Sachverhalt um einen Einzelfall im Sinne von § 34 Abs. 3a Satz 1 bzw. Satz 3 BauGB handeln sollte ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Das Vorhaben fügt sich auch nicht - trotz Rahmenüberschreitung - ausnahmsweise nach dem Maß seiner baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Vielmehr wäre es geeignet, bodenrechtlich beachtliche und ausgleichsbedürftige Spannungen zu begründen. Hierfür reicht die mögliche Vorbildwirkung des Vorhabens für andere Bauvorhaben auf Nachbargrundstücken in vergleichbarer Lage aus (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2016 - 15 ZB 14.1542 - juris Rn. 17 m.w.N.). Eine solche Wirkung ist hier gegeben. Die Zulassung einer Hauptnutzung in der vorgenannten Größenordnung auf dem klägerischen Grundstück hätte eine Vorbildwirkung für ähnliche Bauwünsche auf den umliegenden Grundstücken und damit eine deutliche bauliche Verdichtung zur Folge. Besondere Grundstücksverhältnisse oder sonstige Umstände, die dies ausschließen würden, sind nicht ersichtlich. Eine Nachverdichtung und bauliche Entwicklung, wie sie mit dem streitgegenständlichen Vorhaben beabsichtigt ist, kann nicht mit den Instrumenten des § 34 Abs. 1 BauGB gesteuert werden, sondern bleibt der Planungshoheit der Gemeinde bzw. des Marktes vorbehalten.
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2. Dem Vorhaben steht im Übrigen § 3 Abs. 2 der Satzung über die Herstellung und Ablösung von Garagen und Stellplätzen vom 23. März 2018, entgegen (Art. 59 Satz 1 Nr. 1c) BayBO). Danach sind für ein Vorhaben wie das streitgegenständliche insgesamt 14 Stellplätze nachtzuweisen. Zwar hat der Klägerbevollmächtigte nach eigenen Angaben geänderte Pläne mit insgesamt 14 Stellplätzen bei dem Beklagten eingereicht und insofern den Bauantrag ergänzt. Jedoch liegen dem Gericht insofern zum einen keine ordnungsgemäßen, unterschriebenen Bauvorlagen vor. Insbesondere enthält der der Klageschrift angefügte geänderte Plan, datiert vom 28. Juni 2020, schon keine Unterschriften. Zum anderen hat der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung am 15. September 2021 den Antrag aus der Klageschrift vom 10. Juli 2020 gestellt. Dieser lautet ausdrücklich auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit sechs Wohnungen und sechs überdachten Stellplätzen auf den Vorhabensgrundstücken. Eine Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der insofern beantragten Baugenehmigung mit sechs Stellplätzen scheidet mithin schon aufgrund des Widerspruchs zu den Vorgaben der Stellplatzsatzung des Marktes Burgheim, welche für das streitgegenständliche Vorhaben insgesamt 14 Stellplätze fordert, aus.
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Die Kostenentscheidung fußt auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, sodass es mangels Kostenrisiko nicht der Billigkeit entspricht, seine außergerichtlichen Kosten dem Kläger aufzuerlegen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.