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VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 23.09.2021 – B 8 K 20.866
Titel:

Assistenzdienst im Arbeitgebermodell

Normenkette:
CoBoR
Schlagwort:
Assistenzdienst im Arbeitgebermodell
Fundstelle:
BeckRS 2021, 31155

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei darf die Vollstreckung der Beklagtenseite durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagtenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Gewährung eines Bonus nach der Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern (Corona-Pflegebonusrichtlinie - CoBoR vom 30.04.2020, in Kraft seit dem 07.04.2020, zuletzt geändert mit Bekanntmachung vom 15.05.2020, diese Änderung in Kraft seit dem 12.05.2020).
2
Sie stellte am 27.05.2020 online beim Bayerischen Landesamt für Pflege einen Antrag auf Gewährung dieses Bonus. Dabei gab sie an, aktuell als persönliche Assistentin im Arbeitgebermodell mehr als 25 Stunden in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft zu arbeiten. Der Arbeitgeber bestätigte unter dem 27.05.2020 eine Tätigkeit der Klägerin als Persönliche Assistenz im Arbeitgebermodell bei „…“.
3
Mit Bescheid vom 05.08.2020, versandt als einfacher Brief, lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für die Gewährung des Pflegebonus nicht erfülle. Sie sei als Persönliche Assistentin im Arbeitgebermodell in der/dem „…“ tätig. Damit erfülle sie weder hinsichtlich der Tätigkeit ein einer begünstigten Einrichtung noch hinsichtlich ihrer Qualifikation die Voraussetzungen der CoBoR. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 20.08.2020 Klage an das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg, wo es am 24.08.2020 einging. Sie beantragt sinngemäß,
die Verurteilung des Beklagten, ihr unter Aufhebung des entgegenstehenden Bescheides des Beklagten den Bonus nach der Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern (Corona.Pflegebonusrichtlinie - CoBoR) zu gewähren.
4
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass einer Kollegin der Pflegbonus bewilligt worden sei. Sie bitte, dies zu berücksichtigen.
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Dieses Verfahren verwies das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg nach Anhörung mit Beschluss vom 07.09.2020 an das örtlich zuständige Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth, wo es am 16.09.2020 einging.
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Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 05.10.2020,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung gab er an, dass die Klägerin aufgrund der Einrichtung bzw. des Tätigkeitsbereichs, sowie der Qualifikation die Anspruchsvoraussetzung nicht erfülle. Es handele sich bei der Tätigkeit in der persönlichen Assistenz nicht um eine, der in der Richtlinie genannte, begünstigte Einrichtung. Der Arbeitgeber sei ein Privathaushalt. Die Klägerin sei nicht anspruchsberechtigt, hieran ändere auch der Vortrag nichts, dass andere Personen in vergleichbarer Situation den Bonus erhalten hätten. Diese im Ergebnis rechtswidrige Gewährung des Bonus könne unterschiedliche Gründe haben, führe aber nicht zu einem Anspruch der Klägerin. Etwaige Fehlentscheidungen würden durch die Beklagte im Rahmen von Prüfungen der Rückforderungsmöglichkeit korrigiert.
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Die Klägerin wurde bereits mit gerichtlichem Schreiben vom 17.09.2020 zur Angabe von tatsächlich ausgeführten pflegerischen Tätigkeiten gebeten. Hierauf und auf das Schreiben der Beklagten vom 05.10.2020 antwortete sie nicht. Mit einem weiteren Aufklärungsschreiben vom 10.02.2021 klärte das Gericht über die Voraussetzungen zur Gewährung eines Pflegebonus nach der CoBoR auf, informierte über die finanziellen Auswirkungen einer Klagerücknahme und bat um Stellungnahme bis zum 10.03.2021. Gleichzeitig erfolgte eine Anhörung der Beteiligten zur Entscheidung des Rechtsstreites durch Gerichtsbescheid.
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Mit einem Schreiben, das am 10.03.2020 bei Gericht einging, teilte die Klägerin mit, ihre Kollegin habe den Bonus erhalten. Sie pflege und begleite jeden Tag eine junge Frau mit allen Risiken und werde bestraft. Sie halte es für ungerecht, dass Reinigungskräfte in Altenheimen den Pflegebonus erhielten und sie nicht. Dem Brief war ein Schreiben der Arbeitgeberin der Klägerin beigefügt. Diese führt aus, dass es behinderten Menschen im Rahmen des Arbeitgebermodells ermöglicht worden sei, ihre Assistenzorganisation und Pflege selbst zu gestalten. Für die Arbeitgeberin … seien 5 bis 6 Assistenten im Wechselschichtsystem 24 Stunden täglich in der Versorgung tätig. Die Arbeitgeberin habe die Diagnose Wachkoma/MC und verfüge über Pflegegrad 5. Zu den Aufgaben gehörten neben der Grund- und Behandlungspflege auch therapeutische Aufgaben unter Anweisung von Praxisanleitern. Im Rahmen der 1 zu 1 Versorgung hätte das kleine Team eine hohe Verantwortung zu tragen und müsse bei Krankheitsausfall einer Mitarbeiterin den Dienstausfall übernehmen. Dies sei schon im Normalfall eine Belastung. In Zeiten der Pandemie sei man besonders betroffen und müsse teilweise Notdienste verrichten, um einen personalmangelbedingten Krankenhausaufenthalt der Arbeitgeberin zu verhindern. Im Team seien im Jahr 2020 mehr als 1.000 Überstunden angefallen. Über- und Mehrstunden seien derzeit die Regel. Es gebe keine Möglichkeit, Personal aus einem Mitarbeiterpool oder der Bundeswehr zu generieren. Man sei auf sich allein gestellt und erlebe erhebliche Einschränkungen im Privatleben, um die Pflege sicherzustellen. Die Arbeitgeberin verfüge auch über keinerlei finanzielle Hilfsmittel, welche zum Beispiel Einrichtungen zur Verfügung stünden. Im Team sei gerade eine hohe Fluktuationsrate zu verzeichnen, denn nicht alle Mitarbeiter könnten mit der hohen Belastung umgehen. Gerade diejenige ehemalige Mitarbeiterin, die den Corona-Pflegebonus erhalten habe, sei nicht mehr in der Lage, den belastenden Dienst zu verrichten und habe im Mai 2020 das Team verlassen. Allen anderen Angestellten sei der Antrag abgelehnt worden.
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Für den Beklagten führte das Landesamt für Pflege im Schriftsatz vom 01.04.2021 aus, das sogenannte Arbeitgebermodell sei von der CoBoR nicht begünstigt. In dem übersandten Brief der Arbeitgeberin seien 4 Assistentinnen genannt, welche für … tätig seien. Lediglich bei einer Mitarbeiterin sei der Corona-Pflegebonus gewährt worden. Auch eine richtlinienwidrige Auszahlung an eine Kollegin führe nicht zu einer Begründetheit der Klage der Klägerin. Warum es im Einzelfall zur positiven Verbescheidung zugunsten der Kollegin gekommen sei, könne nicht mit mehr mit Sicherheit nachvollzogen werden.
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Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte verwiesen, § 117 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört. Der Beklagte hat sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO einverstanden erklärt.
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1. Die Klage ist zulässig. Obwohl ein ausdrücklicher Klageantrag fehlt, ist die Klage als Versagungsgegenklage, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO, zu verstehen, da dieses Begehren der Klägerin eindeutig aus ihren Äußerungen hervorgeht (§ 88 VwGO, §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB).
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Das Gericht ist nach § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG örtlich zuständig. Der unanfechtbare Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 07.09.2020 ist entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit bindend (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 83 Rn. 12, 18).
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2. Die Klage hat inhaltlich allerdings keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 05.08.2020 ist rechtmäßig und damit nicht aufzuheben (§ 113 Abs. 1 VwGO).
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Der Klägerin steht kein Anspruch auf Gewährung eines Pflegebonus nach der Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflegeund Rettungskräfte in Bayern (Corona-Pflegebonusrichtlinie - CoBoR) zu (§ 113 Abs. 5 VwGO). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Wesentlichen zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen im genannten Bescheid des Beklagten Bezug genommen, § 117 Abs. 5 VwGO. Ergänzend ist auszuführen:
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2.1 Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris Rn. 23). Allein daran setzt der Maßstab der gerichtlichen Überprüfung an.
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Nach Nr. 2 der CoBoR sind Begünstigte der Richtlinie Personen, die in bestimmten Einrichtungen eine geförderte pflegerische Tätigkeit ausüben.
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(1) Gefördert wird nach Nr. 2 Satz 1 CoBoR die Tätigkeit in folgenden Einrichtungen:
- Krankenhäuser
- Rehabilitationskliniken
- Stationäre Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen
- Ambulante Pflegedienste
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(2) Begünstigte Tätigkeiten sind nach Ziff. 2 Satz 1 und 2 insbesondere
- Pflegende
- tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist
- Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Notfallsanitäter, nichtärztliche Einsatzkräfte im Rettungsdienst
- Auszubildende in den in den Anlagen benannten staatlich anerkannten Berufsgruppen
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(3) Das Beschäftigungsverhältnis muss am 7 April 2020 bestanden haben und nach seiner vertraglichen Bestimmung überwiegend im Freistaat Bayern ausgeübt werden.
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Dabei müssen alle Voraussetzungen für die Förderfähigkeit erfüllt sein.
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Dabei verbietet sich nach dem oben beschriebenen Maßstab der gerichtlichen Überprüfung insbesondere eine weite „Auslegung“ der Richtlinie. Die jeweilige Förderrichtlinie darf nicht - wie Gesetze oder Rechtsverordnungen - gerichtlich ausgelegt werden, sondern dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. BayVGH, a.a.O.).
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Es ist vom Gericht nicht zu entscheiden, ob der Normgeber die praktikabelste oder gerechteste Lösung für die Gewährung des der jeweiligen Förderung gefunden hat, sondern ob der Normgeber sowie die tatsächliche Förderpraxis sich im Rahmen des weiten Gestaltungsspielraumes insbesondere unter Beachtung des Willkürverbotes hinsichtlich dieser freiwilligen Leistung gehalten hat. Wenn danach gleiche Fallkonstellationen gefördert werden, besteht ein Anspruch auf Förderung, andernfalls nicht.
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2.2 Die Klägerin war nicht in einer, der als begünstigt benannten Einrichtungen, tätig. Die Klägerin war letztlich in einem Privathaushalt angestellt, der nicht in der oben dargestellten Aufzählung erwähnt ist. Es handelt sich auch nicht um eine stationäre Behinderteneinrichtung. In Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Pflege-, Betreuungs- und Wohnqualität (PfleWoqG) ist näher ausgeführt, was als „stationäre Einrichtung“ in diesem Kontext verstanden werden kann. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Privathaushalt ausnahmsweise (auch) die Voraussetzungen für eine stationäre Einrichtung, insbesondere auch das Überlassen von Wohnraum unter Vorhaltung pflegerischer Dienste (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 PfleWoqG), erfüllt. Sinn und Zweck des Arbeitgebermodells ist es, wie von der Arbeitgeberin auch in ihrem Schreiben beschrieben, unabhängig von entsprechenden Einrichtungen den Bedarf selbst zu bestimmen und zu bedienen.
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2.3 Die Tätigkeit der Klägerin kann auch nicht als Tätigkeit in einem ambulanten Pflegedienst eingeordnet werden. Die Klägerin ist gerade nicht für einen Pflegedienst im klassischen Sinne, der auch die Voraussetzungen des § 71 Sozialgesetzbuch (SGB) Elftes Buch (XI) Soziale Pflegeversicherung SGB) erfüllt, tätig. Auch hier ist anzuführen, dass die Klägerin bei einem Privathaushalt angestellt ist und die Andersartigkeit zu einem sonstigen ambulanten Pflegedienst gerade Ausdruck des Arbeitgebermodells ist, mit dem für die Person mit Hilfebedarf mehr Individualität ermöglicht werden soll.
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2.4 Die Klägerin könnte sich unabhängig davon auch nicht auf eine Förderung nach den Anlagen der CoBoR berufen. Hier wird ebenfalls auf eine Tätigkeit in einer genannten Einrichtung abgestellt. Darüber hinaus hat die Klägerin auch nach Aufforderung nicht dargelegt, im Rahmen welcher Qualifikation sie tätig wird.
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2.5 Nach dem Wortlaut der Richtlinie kommt es entgegen der Argumentation der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin weder auf einen mit der Pandemie verbundenen Anfall von Mehrarbeit, höhere Arbeitslast, Einschränkungen im Privatleben, noch ein besonderes Infektionsrisiko an. Vielmehr ist nur auf die Art der Tätigkeit, „tatsächlich in der Pflege Tätige“ in einer begünstigten Einrichtung abgestellt. Auch hier gilt, dass Subventionstatbestände grundsätzlich eng auszulegen und deshalb einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich sind. Anders als von der Klägerin befürchtet, werden, jedenfalls von der Bayerischen Regelung zum Corona-Pflegebonus, danach auch keine Reinigungskräfte erfasst.
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2.6 Auch aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) kommt kein Anspruch auf Bewilligung des Pflegebonus in Betracht.
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Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beklagte Beschäftigten im Arbeitgebermodell generell einen Bonus nach der genannten Richtlinie gewährt hat und die Klägerin unter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz davon ausgenommen hätte. Die fehlerhafte Bewilligung des Pflegebonus bei einer einzelnen Kollegin kann vor diesem Hintergrund keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Gewährung des Bonus gegenüber der Klägerin unter Bezugnahme auf den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen. Es obliegt dem Beklagten, erkannte fehlerhafte Bescheide zurückzunehmen, um Gleichheit innerhalb der gesetzlichen Grenzen wiederherzustellen. Dies will der Beklagte selbst auch in Anwendung von Ziff. 8 der CoBoR sicherstellen.
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Nach alledem besteht kein Anspruch auf Gewährung des Corona-Pflegebonus.
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Dabei wird das persönliche Engagement der Klägerin durchaus wahrgenommen und mit hohem Respekt gewürdigt; doch werden trotz allem die Fördervoraussetzungen der CoBoR unter Berücksichtigung der Bewilligungspraxis der Behörde nicht erfüllt.
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Die Klage hat deshalb inhaltlich keinen Erfolg und ist abzuweisen.
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3. Als unterliegender Teil trägt der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung - ZPO -.