Titel:
Erfolgloser Asylantrag einer sierra-leonischen Staatsangehörigen
Normenketten:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 11, § 60 Abs. 5, Abs. 7
Schlagworte:
Sierra Leone, Mende, Bundo Society, Geheimbund
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 15.06.2021 – 9 ZB 21.30731
Fundstelle:
BeckRS 2021, 16325
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Tatbestand
1
Die Klägerin ist sierraleonischer Staatsangehörigkeit und vom Volk der Mende. Sie reiste am 23. Februar 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 2. Mai 2016 ihre Anerkennung als Asylberechtigte.
2
Im Rahmen der persönlichen Anhörung beim Bundesamt für ... am 12. Oktober 2016 berief sich die Klägerin im Wesentlichen auf die Bedrohung durch die Geheimgesellschaft „Bundo“. Ihre Großmutter sei Mitglied in der Geheimgesellschaft gewesen. Nach ihrem Tod habe ihre Tante die Mitgliedschaft übernommen. Nach dem Tod der Tante habe die Klägerin der Gesellschaft beitreten sollen, da ihre Mutter schwer erkrankt sei. Die Klägerin habe den Beitritt abgelehnt was zu Beleidigungen auf der Straße, zu Mobbing und psychischer Belastung seitens der Dorfbewohner geführt habe.
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Die Klägerin gab an, in … gelebt zu haben und jeden Tag nach … zur Arbeit gefahren zu sein: Ferner hab sie an, man könne nur Anführerin in der Gesellschaft werden, wenn man nicht verheiratet sei und keine Kinder habe. Die Klägerin habe den Mitgliedern der Geheimgesellschaft gesagt, dass sie eine Tochter habe. Das habe man ihr nicht geglaubt. Die Klägerin habe in … gelebt, als sie ihr Kind bekommen habe. Man habe es ihr weggenommen, als sie sechs Jahre alt geworden sei.
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Die Klägerin trug schließlich vor, sie habe ihr Heimatland nur deswegen verlassen, um ihr Kind zu finden. Ein Jugendlicher habe ihr mitgeteilt, dass ihre Tochter in Schweden sei und einen Kontakt hergestellt.
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Mit Bescheid vom 20. Juni 2017 wurde der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Ziffer 1). In Ziffer 2 wurde der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt. In Ziffer 3 wurde der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt und in Ziffer 4 festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen. In Ziffer 5 wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen und die Abschiebung nach Sierra Leone angedroht. In Ziffer 6 wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Auf den Inhalt des Bescheids wird Bezug genommen.
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Die Klägerin lässt mit Schreiben ihres anwaltlichen Vertreters vom 4. Juli 2017 Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland erheben und beantragen Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes vom 20. Juni 2017 verpflichtet die Klägerin als Flüchtling nach § 3 AsylG anzuerkennen, hilfsweise ihr subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zuzusprechen, hilfsweise festzustellen, dass in der Person der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen.
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Die Klageschrift verweist inhaltlich sinngemäß im Wesentlichen darauf, dass die Klägerin im Zielland der Gefahr der Beschneidung ausgesetzt sei. Auf den Inhalt der Ausführungen wird verwiesen.
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Mit Schreiben vom 10. Juli 2017 erwidert die Beklagte und beantragt,
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Die Beklagte bezieht sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung.
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Gegen den ursprünglich ergangenen Gerichtsbescheid hat die Klägerin Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 20. April 2021, auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Asylanerkennung, auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG), auf die Zuerkennung von subsidiärem Schutz (§ 4 AsylG) oder auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch im Übrigen ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 und Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, denen sich das Gericht anschließt (§ 77 Abs. 2 AsylG). Hierzu ist gerichtlicherseits, mit Blick auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) folgendes zu ergänzen:
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Der Klägerin droht keine beachtliche Gefahr in ihrem Heimatland. Sie hat sich nach Vortrag selbst, als erwachsene Frau, gegen die Berufung als Häuptling in der Bundo Society entschieden. Nach Vortrag hat sie ihren Lebensunterhalt mit dem Nachgehen einer Beschäftigung in … verdient. Sie ist auch nicht darauf angewiesen weiter, wie bisher, in einem ländlichen Umfeld zu wohnen. Die sozialen Folgen erreichen keine asylverfahrensrelevante Intensität.
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Nichts anderes ergibt sich daraus, dass sie in der mündlichen Verhandlung weiter vorträgt, sie habe, nachdem sie nach dem Vorfall in ihrem Schlafzimmer nach … gegangen ist, unter Alpträumen gelitten und ihre Tante habe sie im Traum verfolgt.
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Damit war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 83 b AsylG, 154 Abs. 1 VwGO.