Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 19.05.2021 – W 6 S 21.573
Titel:

Fahrtenbuchauflage, Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts (44 km/h), tatsächliches Feststehen des Verkehrsverstoßes, Geschwindigkeitsmessung mittels Vitronic, Poliscan FM1, standardisiertes Messsystem, ausreichende Ermittlungen, Fahrtenbuchauflage verhältnismäßig, keine Unbestimmtheit der Auflage, Zwangsgeldandrohung teilweise rechtswidrig, Interessenabwägung

Normenketten:
StVZO § 31a Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80b Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
VwZVG Art. 36 Abs. 1 S. 2
Schlagworte:
Fahrtenbuchauflage, Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts (44 km/h), tatsächliches Feststehen des Verkehrsverstoßes, Geschwindigkeitsmessung mittels Vitronic, Poliscan FM1, standardisiertes Messsystem, ausreichende Ermittlungen, Fahrtenbuchauflage verhältnismäßig, keine Unbestimmtheit der Auflage, Zwangsgeldandrohung teilweise rechtswidrig, Interessenabwägung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 15330

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 25. Februar 2021 wird angeordnet, soweit der Antragstellerin in Nr. 6 Spiegelstrich 2 des Tenors ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 75,00 EUR für Verstöße gegen die Verpflichtung aus Nr. 4 des Tenors angedroht wurde. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.800,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs.
2
1. Die Antragstellerin war Halterin eines Pkw FORD Kuga (Fahrzeugidentnummer …) mit dem amtlichen Kennzeichen … Mit diesem Fahrzeug wurde ausweislich einer Mitteilung des Regierungspräsidiums K. am 28. September 2020 um 20:32 Uhr auf der Bundesautobahn 5 zwischen F. und K. die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 44 km/h überschritten. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 100 km/h, die festgestellte Geschwindigkeit 144 km/h nach Toleranzabzug.
3
Im daraufhin eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahren wurde der Antragstellerin mit Schreiben des Regierungspräsidiums K. vom 16. Oktober 2020 ein Zeugenfragebogen zugesandt und sie wurde zur Mitteilung von Personalien und Anschrift der verantwortlichen Person innerhalb einer Woche nach Zugang des Schreibens aufgefordert. Eine Äußerung der Antragstellerin ging nicht ein.
4
Mit Schreiben vom 17. November 2020 bat das Regierungspräsidium K. die Polizeiinspektion (PI) Bad N. a. d. S. im Rahmen eines Ermittlungsersuchens, die für den Verstoß vom 28. September 2020 verantwortliche Person festzustellen und anzuhören. Mit Schreiben vom 22. Dezember 2020 teilte die PI Bad N. a. d. S. dem Regierungspräsidium K. mit, die Antragstellerin habe trotzt mehrfachen Aufsuchens bzw. Anrufens keine Fahrerpersonalien genannt. Sie habe heute angegeben, ihr Ehemann, der als Fahrer ausscheide, habe den Pkw damals einem Angestellten verliehen, der das Fahrzeug dann weiter verliehen habe.
5
Mit Schreiben vom 12. Januar 2021 bat das Regierungspräsidium K. das Landratsamt R.-G. (künftig: Landratsamt) um Prüfung der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage. Daraufhin hörte das Landratsamt die Antragstellerin mit Schreiben vom 21. Januar 2021 zur beabsichtigten Auferlegung einer Fahrtenbuchauflage an. Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2021 erwiderte der Bevollmächtigte der Antragstellerin, eine Fahrtenbuchauflage sei unzulässig, da der Zeugenfragebogen der Antragstellerin nicht innerhalb von zwei Wochen nach dem Verstoß zugegangen sei.
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2. Mit Bescheid vom 25. Februar 2021 verpflichtete das Landratsamt die Antragstellerin für den Zeitraum von neun Monaten ab Zustellung des Bescheids, im Falle der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs von neun Monaten ab Bestandskraft des Bescheids, als Fahrzeughalterin für das Fahrzeug Ford Kuga, Fahrzeugidentnummer … mit dem amtlichen Kennzeichen … ein Fahrtenbuch zu führen (Nr. 1). Die Verpflichtung aus Nr. 1 gelte auch für Fahrzeuge, die eventuell nach Außerbetriebsetzung, Veräußerung oder Verwertung des unter Nr. 1 genannten Fahrzeugs als Ersatz während der Dauer der Verpflichtung angeschafft werden; das Ersatzfahrzeug werde in diesem Fall vom Landratsamt bestimmt; die Außerbetriebsetzung, Veräußerung oder Verwertung sei dem Landratsamt unverzüglich schriftlich mitzuteilen (Nr. 2). Die Antragstellerin oder ihr Beauftragter wurden verpflichtet, in dem Fahrtenbuch für jede einzelne Fahrt vor deren Beginn Name, Vorname und Anschrift des Fahrzeugführers, amtliches Kennzeichen des Fahrzeugs sowie Datum und Uhrzeit des Beginns der Fahrt und nach deren Beendigung unverzüglich Datum und Uhrzeit mit Unterschrift einzutragen (Nr. 3). Das Fahrtenbuch sei dem Landratsamt, kontrollierenden Polizeibeamten oder sonst zuständigen Personen auf Verlangen jederzeit zur Prüfung auszuhändigen und sechs Monate nach Ablauf der Zeit, für die es geführt werden muss, aufzubewahren (Nr. 4). Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 bis 4 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 5). Für den Fall, dass die Antragstellerin ihren Verpflichtungen aus Nr. 1 bis Nr. 3 des Bescheids nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 150,00 EUR angedroht; falls das Fahrtenbuch entgegen Nr. 4 des Bescheids auf Verlangen nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zur Prüfung ausgehändigt wird, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 75,00 EUR angedroht (Nr. 6). Das Fahrtenbuch habe die Antragstellerin auf ihre Kosten zu beschaffen (Nr. 7) und ihr wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt (Nr. 8 und Nr. 9).
7
Zur Begründung des Bescheids wurde auf obigen Sachverhalt verwiesen und ergänzend ausgeführt, nach einer Mitteilung der PI Bad N. a. d. S. vom 5. Februar 2021 sei die Antragstellerin Anfang Dezember 2020 unter ihrer Wohnanschrift angetroffen worden. Nach Anhörung habe sie dem Polizeibeamten erklärt, es handele sich beim Fahrzeugführer nicht um einen nahen Angehörigen und sie kenne die Person auf dem Beweisfoto nicht. Ihr Ehemann habe das Fahrzeug seinerzeit verliehen. Sie wolle mit ihm sprechen, wenn er zuhause sei, und sich anschließend telefonisch melden. Nachdem dies nicht erfolgt sei, habe der ermittelnde Beamte die Antragstellerin einige Tage später erneut an ihrer Wohnanschrift aufgesucht. Sie habe angegeben, dass sie die Angelegenheit vergessen habe und dass sie dies mit ihrem erneut nicht anwesenden Gatten klären und sich anschließend melden wolle. Da dies nicht erfolgt sei, habe der Beamte die Antragstellerin angerufen und von ihr die Auskunft erhalten, dass das Fahrzeug laut Ehemann von einem Angestellten an einen Unbekannten ausgeliehen worden sei und der Ehemann nicht wisse, wer der Unbekannte sei. Auch der Name des Angestellten, der das Fahrzeug weitergegeben habe und sich in Konstanz befinden solle, sei nicht in Erfahrung zu bringen gewesen. Am 24. Februar 2021 sei das Fahrzeug FORD Kuga mit dem amtlichen Kennzeichen …, Fahrzeugidentnummer … außer Betrieb gesetzt worden. Ferner sei durch ein Autohaus unter Vorlage einer Vollmacht erneut ein Fahrzeug FORD Kuga, Fahrzeugidentnummer … mit dem gleichen amtlichen Kennzeichen auf die Antragstellerin zugelassen worden. Die Nr. 1 des Bescheids stütze sich auf § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Der Führer des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … habe eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften in Form einer Geschwindigkeitsüberschreitung begangen, welche den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirkliche, die als Regelsanktion eine Geldbuße in Höhe von 160,00 EUR, ein Fahrverbot von einem Monat sowie nach dem Punktsystem als besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende Ordnungswidrigkeit eine Eintragung von zwei Punkten im Fahreignungsregister nach sich ziehe. Es handele sich um einen Verstoß von einigem Gewicht. Die Feststellung des für den Verstoß vom 28. September 2020 verantwortlichen Fahrzeugführers sei trotz ausreichender Ermittlungen der Polizei nicht möglich gewesen. Weitere Ermittlungen seien nicht zumutbar gewesen, nachdem die Antragstellerin eine ernsthafte Mitwirkungsabsicht nicht habe erkennen lassen, eine Reaktion auf das Schreiben vom 16. Oktober 2020 gänzlich unterblieben sei und in der Folge auch mehrfaches Aufsuchen bzw. Anrufen der Antragstellerin durch die Polizei erfolglos verlaufen sei. Soweit sich die Antragstellerin auf die Nichteinhaltung der sog. „Zweiwochenfrist“ berufe, greife dieser Einwand nicht. Ungeachtet des Umstands, dass es sich hierbei nicht um eine starre Grenze handele, sei eine Überschreitung hier bereits deswegen unerheblich, weil sie nicht kausal für die Erfolglosigkeit der Ermittlungen gewesen sei. Die Antragstellerin habe sich zu keinem Zeitpunkt darauf berufen, aufgrund von Erinnerungslücken nicht mehr in der Lage gewesen zu sein, den Fahrer zu benennen. Sie habe vielmehr durch ihr Gesamtverhalten zu erkennen gegeben, dass sie an der Feststellung des Fahrzeugführers nicht mitwirken wolle, was sich anhand des Umstands zeige, dass sie den mit Schreiben vom 16. Oktober 2020 überlassenen Zeugenfragebogen nicht (ausgefüllt) zurückgesandt habe. Dass dieser gleichwohl zugegangen sei, ergebe sich aus dem Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 9. Februar 2020. Auch das sonstige Verhalten der Antragstellerin habe zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht willens gewesen sei, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Die Ermessensentscheidung komme zu dem Ergebnis, dass die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage von neun Monaten verhältnismäßig sei. Die vorliegende Verkehrsordnungswidrigkeit sei als besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigend zu bewerten. Die Fahrtenbuchauflage sei geeignet und erforderlich um sicherzustellen, dass die Fahrzeugführer sich ihrer Verantwortung für Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften nicht entziehen könnten. Da das ursprüngliche Fahrzeug, dessen Fahrer am 28. September 2020 den Verkehrsverstoß begangen habe, noch vor Erlass dieses Bescheids am 24. Februar 2021 außer Betrieb gesetzt worden sei und im Zuge dessen ein anderes Fahrzeug, wiederum ein FORD Kuga mit gleichem amtlichen Kennzeichen, zugelassen worden sei, werde die Fahrtenbuchauflage in entsprechender Anwendung des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO bzw. vor dem Hintergrund des § 31 Abs. 1 Satz 2 StVZO bereits für das am 24. Februar 2021 zugelassene Fahrzeug angeordnet. Die Ausdehnung der Fahrtenbuchauflage auf ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge stütze sich auf § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO und entspreche ebenfalls dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Nr. 3 und Nr. 4 des Bescheids würden auf § 31a Abs. 2 bzw. § 31a Abs. 3 StVZO basieren. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nr. 1 bis 4 des Bescheids liege im öffentlichen Interesse und diene dem Schutz der Allgemeinheit. Es liege im öffentlichen Interesse, dass Verkehrsteilnehmer, die Verkehrsvorschriften in besonders sicherheitsgefährdender Weise missachten, ermittelt und Verstöße geahndet werden könnten. Ein Aufschieben der Verpflichtungen könne keinesfalls hingenommen werden. Die Anordnung des Zwangsgeldes beruhe auf Art. 29, 30, 31 und 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Auf den der Antragstellerin am 2. März 2021 zugestellten Bescheid wird im Übrigen verwiesen.
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Am 24. März 2021 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 25. Februar 2021 erheben (W 6 K 21.418), über die noch nicht entschieden ist.
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3. Mit Schriftsatz vom 27. April 2021 beantragte die Bevollmächtigte der Antragstellerin im zugrundeliegenden Verfahren,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 25. Februar 2021 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei begründet, da der angefochtene Bescheid in wesentlichen Teilen offensichtlich rechtswidrig sei. Die Anordnung der Fahrtenbuchauflage sei rechtswidrig, da die Voraussetzungen des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO nicht vorlägen. Das Fahrerfoto belege, dass es sich um eine männliche Person gehandelt habe. Da die Antragstellerin das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt ihrem Ehemann überlassen habe, sei die Person des Fahrzeugführers von ihr nicht abschließend festzustellen gewesen. Dies sei auch den ermittelnden Polizeibeamten mitgeteilt worden. Obwohl dem Antragsgegner aktenkundig gewesen sei, dass die Antragstellerin ihrem Ehemann das Fahrzeug überlassen habe, sei keine Befragung des Ehemanns erfolgt. Vielmehr seien bereits am 22. Dezember 2020, somit noch vor der Verjährung der Ordnungswidrigkeit, die Ermittlungen mit der Empfehlung der Anordnung eines Fahrtenbuchs abgeschlossen worden. Der Antragsgegner habe es unterlassen, naheliegende und mit wenig Aufwand durchführbare Ermittlungen zu ergreifen. Die Anhörung des Ehemanns sei aus nicht nachvollziehbaren Gründen unterblieben. Der Auflage in Nr. 1 des angefochtenen Bescheids fehle es auch an hinreichender Bestimmtheit im Sinne des Art. 37 BayVwVfG, da sowohl der Beginn der Fahrtenbuchauflage als auch das Ende für die Antragstellerin nicht hinreichend konkret bestimmbar seien. Der angeordnete Beginn der Fahrtenbuchauflage unmittelbar ab Zustellung des Bescheids sei nicht realisierbar, da praktisch keinerlei Vorbereitungszeit zugebilligt werde. Eine zwangsgeldbedrohte Verpflichtung unmittelbar mit Entgegennahme des Bescheids zur Führung eines Fahrtenbuchs sei schlicht nicht einzuhalten. Die Verpflichtung der Antragstellerin, im Fall der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs für den Zeitraum von 9 Monaten ab Bestandskraft des Bescheids ein Fahrtenbuch zu führen, widerspreche dem Wortlaut des § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage erst 3 Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist ende. Die Zwangsgeldandrohung sei materiell rechtswidrig. Gemäß Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG sei zur Erfüllung der zu vollstreckenden Verpflichtung eine Frist zu bestimmen, innerhalb welcher dem Pflichtigen der Vollzug billigerweise zugemutet werden könne. Es könne der Antragstellerin nicht zugemutet werden, bereits ab Zustellung des Bescheids zur Fahrtenbuchauflage verpflichtet zu sein. Darüber hinaus sei die Verpflichtung nicht hinreichend bestimmt und konkret bezeichnet. Die Antragstellerin habe nach Nr. 4 des Bescheids das Fahrtenbuch dem Landratsamt, kontrollierenden Beamten oder sonst zuständigen Personen auf Verlangen jederzeit zur Prüfung auszuhändigen. Der Personenkreis, dem gemäß § 31a Abs. 3 StVZO das Fahrtenbuch auszuhändigen sei, sei nicht hinreichend konkret beschrieben. Es sei nicht ersichtlich, welchen „sonst zuständigen Personen“ das Fahrtenbuch auszuhändigen sei. Es wäre dem gesamten Landratsamt vorzulegen. Es hätte ein bestimmter oder bestimmbarer Personenkreis, Ort und Zeitraum für die Vorlage eines Fahrtenbuches festgelegt werden müssen. Die Verpflichtung zur jederzeitigen Vorlage sei auch nicht angemessen. Es bestehe kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung des rechtswidrigen Bescheids. Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung stelle auch im Rahmen des § 31a StVZO eine Ausnahme dar. Der Sofortvollzug laufe auf eine unstatthafte Korrektur des Gesetzgebers hinaus, der es eben gerade nicht für erforderlich gehalten habe, eine bundesgesetzliche Regelung im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO bezogen auf eine Fahrtenbuchauflage vorzunehmen (VG Schwerin, B.v. 3.7.2019 - 7 B 1100/19 SN). Ein über den Bescheiderlass hinausgehendes sofortiges Vollzugsinteresse lasse sich der formelhaften Begründung des Sofortvollzugs des Antragsgegners nicht entnehmen.
11
Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2021 ließ die Antragstellerin bisheriges Vorbringen nochmals ergänzen.
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Das Landratsamt beantragte für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
13
Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im Bescheid Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, die PI Bad N. a. d. S. habe mitgeteilt, dass der Ehemann der Antragstellerin der Polizei von vorhergegangenen Fahrerermittlungen persönlich bekannt und als Fahrer ausgeschieden sei. Ein Ermittlungsdefizit liege insoweit und auch im Übrigen nicht vor. In einem seitens der Polizei erfolgten Anruf bei der Antragstellerin habe diese angegeben, dass das Fahrzeug laut ihrem Ehemann damals von dem Angestellten an einen Unbekannten ausgeliehen worden sei. Überdies sei der Name des Angestellten nicht in Erfahrung zu bringen gewesen. Weitere Ermittlungen seien danach nicht zumutbar gewesen. Es sei nicht damit zu rechnen gewesen, dass über den Ehemann eine namentliche Feststellung des Fahrers hätte erreicht werden können. Hinsichtlich des Vorbringens, der Auflage gemäß Nr. 1 des angefochtenen Bescheids fehle es an hinreichender Bestimmtheit, werde auf den Beschluss des VG Bayreuth vom 17. Mai 2018 - B 1 S 18.174 (BeckRS 2018, 26916 Rn. 9) Bezug genommen. Auch der BayVGH habe nachfolgend keinen Anstoß an der Verpflichtung genommen (B.v. 15.10.2018 - 11 CS 18.1240 - BeckRS 2018, 26915). Eine Kollision mit § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO werde seitens des Antragsgegners nicht erkannt. Die Darlegung hinsichtlich der materiellen Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldandrohung werde ebenfalls nicht geteilt, da die zugrundeliegende Verpflichtung nicht zu beanstanden sei. § 31a StVZO führe selbst aus, dass der Fahrzeughalter das Fahrtenbuch den entsprechenden Stellen „auf Verlangen jederzeit“ vorzulegen habe. Die Einbeziehung der Polizei ermögliche die Kontrolle des Fahrtenbuches im Rahmen allgemeiner Verkehrskontrollen. Eine weitergehende Eingrenzung auf bestimmte Polizeibeamte sei nahezu unmöglich. Mit der Formulierung „sonst zuständige Personen“ sei lediglich die gesetzliche Formulierung des § 31a Abs. 3 Buchst. b StVZO übernommen worden. Dem formalen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO sei ausreichend Rechnung getragen. Im Übrigen werde im Hinblick auf den Sofortvollzug auf den Beschluss des VG Würzburg vom 11. November 2020 - W 6 S 20.1555 verwiesen (BeckRS 2020, 32646, Rn. 25).
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4. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verfahrensakte W 6 K 21.418 und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
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Der Antrag ist zulässig, jedoch überwiegend unbegründet.
16
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig.
17
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnungen in Nr. 1 bis Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids entfällt, weil die Straßenverkehrsbehörde diese in Nr. 5 des Bescheids nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt hat. In diesem Fall kann das Gericht der Hauptsache nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung wiederherstellen.
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Soweit der Antrag gegen die in Nr. 6 des Bescheids vom 25. Februar 2021 verfügten Zwangsgeldandrohungen gerichtet ist, ist er ebenfalls zulässig. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 VwZVG entfaltet die Klage gegen eine Zwangsgeldandrohung keine aufschiebende Wirkung. Gemäß Art. 21a Satz 2 VwZVG gelten § 80 Abs. 4, 5, 7 und 8 VwGO entsprechend. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in einem solchen Fall auf Antrag die aufschiebende Wirkung anordnen.
19
2. Der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Anordnungen des Bescheids vom 25. Februar 2021 hat in der Sache nur im tenorierten Umfang Erfolg und war im Übrigen abzulehnen.
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Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung unter Berücksichtigung der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung der Antragstellerin auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
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2.1 Die Anordnung des Sofortvollzugs wurde in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Weise begründet.
22
Im Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs kann in aller Regel auf das sofortige Führen eines Fahrtenbuches nicht verzichtet werden (dazu auch nachfolgend unter 3.). Das besondere öffentliche Vollzugsinteresse fällt hier mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts zusammen (vgl. OVG Saarland, B.v. 4.5.2015 - 1 B 66/15 - juris). In typisierten Fallkonstellationen kann sich die Behörde zur Begründung in zulässiger Weise darauf beschränken, die für die jeweilige Fallgruppe typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Vollziehungsanordnung aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass nach Auffassung der Behörde diese typische Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt. Dies ist insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts der Fall, zu dem auch § 31a StVZO gehört. Bei solchen Vorschriften zur Abwehr von Gefahren für die Ordnung und Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs fällt das besondere öffentliche Vollzugsinteresse gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im Regelfall mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts zusammen. Die Behörde kann sich bei der Abwägung zwischen den Beteiligteninteressen im Wesentlichen auf die Prüfung beschränken, ob nicht ausnahmsweise in Ansehung der besonderen Umstände des Falles die sofortige Vollziehung weniger dringlich als im Normalfall ist (zum Ganzen BayVGH, B.v. 18.3.2008 - 11 CS 07.2210 - BeckRS 2008, 27714 Rn. 19; siehe auch Heinzeller in Dötsch/Koehl/Krenberger/Türpe, BeckOK Straßenverkehrsrecht, Stand 15.4.2021, § 31a StVZO Rn. 61 ff.). Die Begründung des Sofortvollzugs im verfahrensgegenständlichen Bescheid lässt erkennen, dass der Antragsgegner solche besonderen Umstände nicht und die Notwendigkeit des Sofortvollzugs im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr für gegeben ansah. Den formell-rechtlichen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO ist damit Genüge getan.
23
2.2 Des Weiteren ergibt eine summarische Überprüfung, wie sie in einem Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, dass die Klage der Antragstellerin gegen die in Nr. 1 bis 3 des Bescheids vom 25. Februar 2021 verfügte Fahrtenbuchauflage (dazu 2.2.1) sowie die Anordnung zur jederzeitigen Vorlage des Fahrtenbuchs in Nr. 4 des Bescheids (dazu 2.2.2) mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird. Teilweise erfolgversprechend ist die Klage hingegen, soweit die Zwangsgeldandrohung in Nr. 6 des Bescheids angegriffen wird (dazu 2.2.3).
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2.2.1 Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Fahrtenbuchauflage in Nr. 1 bis 3 des verfahrensgegenständlichen Bescheids ist unbegründet und abzulehnen, weil die Anordnung der Fahrtenbuchauflage für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßig sein dürfte und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt.
25
Gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Verwaltungsbehörde kann nach § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO die Anordnung auch auf ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge erstrecken. Näheres zum Inhalt des zu führenden Fahrtenbuchs bestimmt § 31a Abs. 2 StVZO.
26
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO liegen nach summarischer Prüfung vor (dazu 2.2.1.1 bis 2.2.1.3). Die Anordnung in Nr. 1 des Bescheids ist auch hinreichend bestimmt und widerspricht nicht der Regelung des § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO (dazu 2.2.1.4). Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist genauso wenig ersichtlich wie ein Ermessensfehler (2.2.1.5). Die Verfügungen in Nr. 2 und 3 des Bescheids entsprechen schließlich den Vorgaben des § 31a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 StVZO (dazu 2.2.1.6).
27
2.2.1.1 Die Fahrtenbuchanordnung richtet sich zutreffend an die Antragstellerin. Denn diese war Halterin des Fahrzeugs FORD Kuga mit dem amtlichen Kennzeichen … (Fahrzeugidentnummer …), mit dem der fragliche Geschwindigkeitsverstoß am 28. September 2020 begangen wurde (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 31a StVZO Rn. 45). Halter ist, wer ein Kraftfahrzeug für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt darüber besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt. Ein Fahrzeug für eigene Rechnung in Gebrauch hat derjenige, der die Nutzungen aus der Verwendung zieht und die Kosten dafür bestreitet. Die Verfügungsgewalt übt derjenige aus, der Ziel und Zeit seiner Fahrt selbst bestimmen kann (BayVGH, B.v. 30.10.2012 - 11 ZB 12.1608 - juris). Die Antragstellerin selbst hat ihre Haltereigenschaft nicht in Frage gestellt.
28
2.2.1.2 Es sind auch keine Anhaltspunkte erkennbar, wonach die Verkehrszuwiderhandlung vom 28. September 2020, die einen erheblichen Verstoß darstellt und bereits bei erstmaliger Begehung eine Fahrtenbuchauflage rechtfertigt, mit dem Fahrzeug der Antragstellerin nicht begangen worden wäre.
29
Die Bestimmung des § 31a StVZO setzt voraus, dass der Verstoß gegen Verkehrsvorschriften in tatsächlicher Hinsicht feststeht. Die Behörde, die die Auferlegung eines Fahrtenbuchs prüft, muss daher ebenso wie das Verwaltungsgericht in einem sich anschließenden Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchauflage die (objektiven) Tatbestandsmerkmale der Bußgeld- bzw. Strafvorschrift selbstständig prüfen (BayVGH, B.v 20.09.2007 - 11 CS 07.1198 - BeckRS 2007, 30485 Rn. 12; OVG NW, B.v. 5.3.2015 - 8 B 1213/14 - juris Rn. 5). Dabei genügt es - anders als im Strafprozess - wenn sich mit hinreichender Sicherheit ergibt, dass ein Verkehrsverstoß begangen worden ist (BayVGH, B.v. 15.10.2018 - 11 CS 18.1240 - BeckRS 2018, 26915 Rn. 11; B.v. 9.1.2012 - 11 CS 11.2727 - juris Rn. 29; OVG NW, B.v. 31.1.2018 - 8 A 3024/17 - BeckRS 2018, 957 Rn. 9). Bestreitet der Halter eines Fahrzeuges, der ein Fahrtenbuch führen soll, den begangenen Verkehrsverstoß, so muss er nach Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens im Verwaltungsverfahren oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren substantiierte Angaben machen, die seine Schilderung plausibel erscheinen lassen (OVG NW, B.v. 31.1.2018 - 8 A 3024/17 - BeckRS 2018, 957 Rn. 10).
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Die Richtigkeit der im Auftrag des Regierungspräsidiums Kassel durchgeführten Messung wurde von der Antragstellerin nicht in Frage gestellt. Für die Anordnung eines Fahrtenbuches ist im Übrigen davon auszugehen, dass geeichte Geschwindigkeitsmessgeräte mit Bauartzulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt bei Fehlen konkreter Anhaltspunkte für eine Fehlfunktion oder unsachgemäße Bedienung hinreichend verlässlichen Beweis für eine Geschwindigkeitsmessung erbringen (vgl. VGH BW, B.v. 4.12.2013 - 10 S 1162/13 - BeckRS 2014, 45456; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 31a StVZO Rn. 17). In der Rechtsprechung ist geklärt, dass es sich beim vorliegend eingesetzten System Vitronic Poliscan FM1 um ein gerichtsverwertbares standardisiertes Messverfahren handelt (vgl. VG Würzburg, U.v. 24.3.2021 - W 6 K 20.1327 - BeckRS 2021, 9374 Rn. 30 m.w.N.). Das vorliegend eingesetzte Gerät verfügte auch über eine gültige Eichung. An der Richtigkeit der Messung bestehen somit keine Zweifel.
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Die Zuwiderhandlung vom 28. September 2020 stellt einen erheblichen Verkehrsverstoß dar, der bereits bei erstmaliger Begehung eine Fahrtenbuchauflage rechtfertigt.
32
Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage setzt unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einen Verkehrsverstoß von einigem Gewicht voraus (BVerwG, U.v. 17.5.1995 - 11 C 12.94 - BVerwGE 98, 227). Die Bemessung des Gewichts einer Verkehrszuwiderhandlung ist am Punktsystem zu orientieren. Die Gruppenbildung in Anlage 13 zu § 40 FeV, die an die Einstufung im Bußgeldkatalog anknüpft, enthält eine typisierende Bewertung von Verkehrsverstößen nach dem Maße ihrer Gefährlichkeit. Nach der Rechtsprechung rechtfertigt bereits die erstmalige Begehung einer Verkehrsordnungswidrigkeit, die mit einem Punkt zu bewerten ist, die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage, weil ein hinreichend gewichtiger Verkehrsverstoß vorliegt, ohne dass es auf besondere Umstände des Einzelfalls, namentlich die Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes, ankommt (BayVGH, B.v. 12.3.2014 - 11 CS 14.176 - juris; OVG NW, U.v. 29.4.1999 - 8 A 699/97 - NJW 1999, 3279; NdsOVG, B.v 26.3.2012 - 2 LA 21/12 - juris). Die Wesentlichkeit des Verstoßes hängt hiernach nicht davon ab, ob er zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer geführt hat (vgl. BVerwG, U.v. 17.5.1995 - 11 C 12.94 - BVerwGE 98, 227 und B.v. 9.9.1999 - 3 B 94/99 - juris; BayVGH, B.v. 12.3.2014 - 11 CS 14.176 - juris). Ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht liegt auch vor, wenn die Verkehrsordnungswidrigkeit nach dem neuen Punktsystem mit einem Punkt geahndet werden kann (vgl. VG Würzburg, U.v. 24.3.2021 - W 6 K 20.1327 - BeckRS 2021, 9374 Rn. 38).
33
Die Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 44 km/h ist eine Ordnungswidrigkeit, die nach der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) vom 14. März 2013 (BGBl. I S. 498), zuletzt geändert durch Art. 3 der Verordnung vom 20. April 2020 (BGBl. I S. 814), mit einer Geldbuße von 160,00 EUR sowie einem Fahrverbot von einem Monat geahndet wird (§ 24 StVG i.V.m. § 41 Abs. 1 und § 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO i.V.m. Nr. 11.3 Bußgeldkatalog [BKat] i.V.m. Nr. 11.3.7 der Tabelle 1 hierzu) und nach dem Fahreignungsbewertungssystem gemäß § 40 FeV i.V.m. Nr. 2.2.3 der Anlage 13 zur FeV eine Eintragung von zwei Punkten im Fahreignungsregister zur Folge hat. Bei Anlegung des zuvor dargestellten Maßstabs liegt damit ein erheblicher Verkehrsverstoß vor, der auch bei nur einmaliger Verkehrszuwiderhandlung die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage rechtfertigt.
34
2.2.1.3 Die Feststellung des für die Verkehrsordnungswidrigkeit vom 28. September 2020 verantwortlichen Fahrzeugführers war in der Folgezeit trotz ausreichender Ermittlungen nicht möglich.
35
Für die Erfüllung des Begriffs der Unmöglichkeit im Rahmen des Tatbestandes des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist es nach ständiger Rechtsprechung ausreichend, dass die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat (vgl. BVerwG, B.v. 25.6.1987 - 7 B 139.87 - juris). Für die Beurteilung der Angemessenheit der Aufklärungsmaßnahmen kommt es dabei wesentlich darauf an, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei können sich Art und Umfang der Tätigkeit der Behörde, den Fahrzeugführer zu ermitteln, an der Erklärung des betreffenden Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser die sachdienliche Mitwirkung an der Aufklärung des Verstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, B.v. 25.6.1987 - 7 B 139.87 - juris).
36
Gemessen an diesen Maßstäben liegt hier kein für das negative Ermittlungsergebnis ursächliches Ermittlungsdefizit vor. Denn von der Bußgeldbehörde wurden - unter Berücksichtigung der Mitwirkungsbereitschaft der Antragstellerin - die angemessenen und zumutbaren Nachforschungen zur Ermittlung des Fahrers angestellt, die jedoch ergebnislos blieben.
37
Zu einem angemessenen Ermittlungsaufwand gehört, dass der Halter regelmäßig innerhalb von zwei Wochen nach dem Verstoß zu befragen ist (st. Rspr., vgl. erstmals BVerwG, U.v. 13.10.1978 - VII C 77/74 - NJW 1979, 1054). Eine Überschreitung der bei der Anhörung des Fahrzeughalters regelmäßig einzuhaltenden Zweiwochenfrist steht der Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches nach der Rechtsprechung jedoch dann nicht entgegen, wenn sie für die Nichtermittlung des Fahrzeugführers nicht ursächlich war. Diese Voraussetzung ist dann gegeben, wenn die ergebnislose Ermittlung nicht auf Erinnerungslücken des Halters beruht (BayVGH, B.v. 15.10.2018 - 11 CS 18.1240 - BeckRS 2018, 26915 Rn. 16; B.v. 8.3.2013 - 11 CS 13.187 - BeckRS 2013, 49043 Rn. 18; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 31a StVZO, Rn. 30). So liegt der Fall hier. Der Antragsgegner führt zu Recht aus, dass sich die Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt auf eine Erinnerungslücke berufen hat. Vielmehr hat sie auf den ihr übersandten Zeugenfragebogen vom 16. Oktober 2020 nicht reagiert. Im Übrigen liegt ein ausreichendes Fahrerfoto vor, das eine Identifizierung des Verantwortlichen ermöglicht, ohne dass es dabei tragend auf ein Erinnerungsvermögen ankäme.
38
Die Antragstellerin zeigte vorliegend nach mehrfachen Aufforderungen der ermittelnden Polizeibeamten zwar durchaus nach mehrmaliger Aufforderung eine gewisse Bereitschaft, durch eine Rückfrage bei ihrem Ehemann an der Feststellung der für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Person mitzuwirken. Zutreffend geht der Antragsgegner jedoch davon aus, dass sich jedenfalls nach der letzten Erklärung der Antragstellerin gegenüber der Polizei kein vernünftiger Ansatz mehr für angemessene Ermittlungsmaßnahmen bot. Ausweislich der Kurzmitteilung der PI Bad N. a. d. S. gab die Antragstellerin - nachdem sie zuvor wiederholt um eine Rückfrage bei ihrem Ehemann gebeten wurde - gegenüber der Polizei die Auskunft, dass ihr Pkw zur fraglichen Zeit laut ihrem Ehemann von einem Angestellten an einen Unbekannten ausgeliehen worden sei, dessen Name nicht bekannt wäre. Auch der Name des Angestellten, der den Wagen weitergegeben habe, sei nach Mitteilung der Polizei bei der Antragstellerin nicht in Erfahrung zu bringen gewesen. Hiernach boten sich keine Anknüpfungspunkte mehr für weitergehende zielführende und vom Aufwand her angemessene Ermittlungen. Mangels Vorliegens besonderer Beweisanzeichen, die nach mehrfacher Rückfrage bei der Antragstellerin auf die Person des Fahrzeugführers hindeuteten, musste die Behörde nicht weiter ermitteln. Insbesondere hätte es keiner unmittelbaren Anhörung des Ehemanns der Antragstellerin bedurft. Denn es ist schon nicht ersichtlich oder dargelegt, warum dieser gegenüber der Polizei präzisere oder zusätzliche Angaben zum Vorgang hätte treffen sollen als zuvor auf die Rückfrage seiner Ehefrau hin. Hinweise, was ihr Ehemann denn im Rahmen einer weiteren Befragung durch die Polizei Näheres zur Sache hätte beitragen können, zeigt die Antragstellerin auch im vorliegenden gerichtlichen Verfahren nicht auf. Nach den Umständen des Einzelfalles wurden damit alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen, ohne dass die verantwortliche Person in Erfahrung zu bringen war.
39
Dabei kann es vorliegend dahinstehen, ob der Antragstellerin ein schuldhafter Verstoß gegen ihre Mitwirkungsobliegenheiten bei der nachträglichen Feststellung des Fahrers vorgeworfen werden kann. Denn für die Auferlegung einer Fahrtenbuchauflage kommt es letztlich nicht darauf an, dass die Nichtfeststellbarkeit des Fahrers auf mangelnder Mitwirkungsbereitschaft des Halters beruht. Die Anordnung kann auch bei einer Mitwirkung des Halters ergehen, wenn die gebotenen Ermittlungsbemühungen der Behörde gleichwohl erfolglos geblieben sind (OVG NW, B.v. 11.10.2007 - 8 B 1042/07 - NZV 2008, 52; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 31a StVZO, Rn. 40). Die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs ist vorliegend gerechtfertigt, da sie geeignet ist, der abstrakten, in der Risikosphäre der Antragstellerin als Fahrzeughalterin liegenden Gefahr zu begegnen, dass künftig mit einem auf sie zugelassenen Kraftfahrzeug unaufklärbar bleibende Verkehrsverstöße begangen werden. In der gegenüber der Antragstellerin erlassenen Fahrtenbuchauflage kommt insoweit die Obliegenheit eines Fahrzeughalters zum Ausdruck, sich über den vollständigen Namen von Personen zu vergewissern, denen die tatsächliche Gewalt über ein Fahrzeug anvertraut wird, und darüber, wo diese erforderlichenfalls erreicht werden können, wenn der Halter und der Fahrer zueinander nicht in einem Verhältnis stehen, bei dem es ersterem erforderlichenfalls unschwer möglich ist, diese Daten rasch und zuverlässig in Erfahrung zu bringen. Ein verständiger Fahrzeughalter hat schon im Eigeninteresse darauf Bedacht zu nehmen, nach der Gebrauchsüberlassung seines Fahrzeugs an einen Dritten dartun zu können, wer innerhalb eines bestimmten Zeitraums die tatsächliche Gewalt über diese Sache ausgeübt hat, damit er seine Belange dann zu wahren vermag, wenn die öffentliche Gewalt oder Dritte auf ihn wegen unerlaubter Handlungen zukommen, die mit diesem Fahrzeug während der Überlassung begangen wurden (zum Ganzen BayVGH, B.v. 8.3.2013 - 11 CS 13.187 - BeckRS 2013, 49043 Rn. 22 m.w.N.). Nachdem die Antragstellerin dieser Obliegenheit nicht nachkam und trotz Vorliegens eines deutlich erkennbaren Fahrerfotos auch nach mehrfacher Aufforderung der Polizei nicht in der Lage war, durch Rückfragen bei ihrem Ehemann oder dem Angestellten, welchem der Pkw angeblich überlassen worden war, den Namen des Fahrers in Erfahrung zu bringen, mussten seitens der Behörden keine weiteren, kaum erfolgversprechenden Ermittlungsversuche vorgenommen werden und durfte stattdessen die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage ergehen.
40
2.2.1.4 Das Gericht teilt im Übrigen die Bedenken der Bevollmächtigten der Antragstellerin nicht, wonach die Fahrtenbuchauflage bezüglich Beginn und Ende der Fahrtenbuchauflage nicht hinreichend bestimmt im Sinne des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG sei.
41
Nach der Anordnung in Nr. 1 des Tenors des angegriffenen Bescheids beginnt die Fahrtenbuchauflage ab Zustellung des Bescheids und im Falle der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs ab Bestandskraft des Bescheids. In der ersten Variante fallen die mit der Zustellung des Bescheides eintretende äußere Wirksamkeit der Regelung (vgl. Art. 43 Abs. 1 BayVwVfG) und der Beginn der darin verfügten materiellen Rechtspflicht zur Führung des Fahrtenbuchs zeitlich zusammen. In der zweiten Variante, sofern auf einen Rechtsbehelf hin die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt wird, beginnt die Pflicht stattdessen erst mit der Bestandskraft des Bescheids. In beiden Fällen ist der Beginn der sog. inneren Wirksamkeit der Regelung, also das Auslösen der innewohnenden Rechtspflicht zur Führung eines Fahrtenbuchs, nach dem objektiven Erklärungswert klar und eindeutig bestimmbar, ohne dass Unklarheiten und Mehrdeutigkeiten erkennbar sind. Gleiches gilt für das Ende der Fahrtenbuchauflage, da sich dieses anhand des eindeutig benannten Zeitraums von neun Monaten ab Beginn der Pflicht berechnen lässt.
42
Die Bestimmung in Nr. 1 des Bescheids, wonach im Falle der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs die Fahrtenbuchauflage für neun Monate ab Bestandskraft dieses Bescheids gilt, steht auch nicht in Konflikt zu § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO. Nach dieser Bestimmung endet die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage erstens mit der Unanfechtbarkeit oder zweitens, wenn die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels. Dass die Unanfechtbarkeit eines Bescheids zum Wegfall des Suspensiveffekts führt, ist selbstverständlich und in § 80b Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VwGO rein deklaratorisch aufgeführt (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80b Rn. 4). Die wesentliche Regelung der Vorschrift liegt deshalb in der den zeitlichen Umfang des Suspensiveffekts begrenzenden Bestimmung des § 80b Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO, wonach die aufschiebende Wirkung dann, wenn die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, bereits drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels und mithin bereits vor Eintritt der Bestandskraft des Verwaltungsakts endet. Es begegnet jedoch keinen Bedenken, wenn der Antragsgegner nicht an die Regelung des § 80b Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO anknüpft, sondern stattdessen auch bei einer abweisenden Entscheidung über eine Anfechtungsklage im ersten Rechtszug, die aufgrund einer vorherigen Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung den Suspensiveffekt auslöst, den Beginn der Fahrtenbuchauflage an die später eintretende Bestandskraft des Bescheids knüpft. Die Bevollmächtigte der Antragstellerin moniert insoweit eher die gesetzliche Bestimmung in § 80b Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO selbst und verkennt dabei, dass der Antragsgegner im Rahmen seines Ermessens bei der zeitlichen Ausgestaltung des Beginns der von ihm angeordneten Fahrtenbuchauflage für den Fall einer Klageabweisung in erster Instanz eine Regelung trifft, die für die Antragstellerin günstiger ist.
43
2.2.1.5 Die Fahrtenbuchauflage ist auch nicht unverhältnismäßig oder sonst ermessensfehlerhaft.
44
Mit der präventiven Zielsetzung, künftige Verkehrsverstöße dadurch zu vermeiden, dass der jeweilige Fahrer mit einer leichten Aufklärbarkeit des Verstoßes rechnen muss, wird ein legitimer Zweck verfolgt. Die Fahrtenbuchauflage ist hierzu geeignet, erforderlich sowie als angemessene Maßnahme anzusehen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt.
45
So verstößt die Auferlegung eines Fahrtenbuchs auch dann nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn es sich um einen erstmaligen Verstoß gehandelt haben sollte. Denn es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass es für die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage nicht erforderlich ist, dass künftig gerade durch den Fahrzeughalter als Fahrzeugführer eine Wiederholungsgefahr gegeben ist (BVerwG, B.v. 23.6.1989 - 7 B 90/89 - NJW 1989, 2704).
46
Auch die angeordnete Dauer der Fahrtenbuchauflage von neun Monaten ist nicht zu beanstanden. Bei der Fahrtenbuchauflage handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt. Sofern die Voraussetzungen entfallen, kann Aufhebung begehrt werden. Die Zeitspanne von neun Monaten, während der ein Fahrtenbuch zu führen ist, ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit als angemessen zu beurteilen. Durch die Fahrtenbuchauflage soll der Fahrzeughalter zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung und zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes angehalten werden. Dazu ist eine gewisse Dauer der Fahrtenbuchauflage erforderlich; neun Monate stellen dabei keine übermäßige Belastung dar. Das Landratsamt hat von dem ihm bei der Entscheidung über die Anordnung zustehenden Ermessen in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.
47
Auch der angeordnete Beginn der Fahrtenbuchauflage unmittelbar ab Zustellung des Bescheids ist nicht deshalb ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig, weil die Einhaltung der zwangsgeldbedrohten Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs unmittelbar mit Zustellung des Bescheids ohne Vorbereitungszeit nicht realisierbar wäre. Es wird aus dem insoweit pauschalen Vorbringen der Bevollmächtigten der Antragstellerin schon nicht erkennbar, wofür und in welchem Ausmaß die Antragstellerin Zeit zur Vorbereitung benötigen könnte. Die Erfüllung der Pflicht zur Führung eines Fahrtenbuches erfolgt durch zusammenhängende und kontinuierliche buchmäßige Aufzeichnungen auf Papier in ein anzulegendes Fahrtenbuch. Eine bestimmte Form ist darüber hinaus nicht vorgeschrieben (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 31a StVZO, Rn. 62 f.). Es darf davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin Papier und Stifte besitzt bzw. in der Lage wäre, sich die erforderlichen Mittel unmittelbar zu besorgen, um der Fahrtenbuchauflage sogleich ab Zustellung des Bescheids nachkommen zu können.
48
Schließlich hält sich die Anordnung im Rahmen des eingeräumten Auswahlermessens, soweit sich die Fahrtenbuchauflage auf den erst nach Begehung der fraglichen Verkehrsordnungswidrigkeit und noch vor Erlass des Bescheids auf die Antragstellerin zugelassenen Pkw FORD Kuga (Fahrzeugidentnummer …) mit dem amtlichen Kennzeichen … bezieht. Regelmäßig wird sich die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, auf das Fahrzeug beziehen, mit dem die unaufklärbare Verkehrszuwiderhandlung begangen wurde. Ist der Betroffene bei Erlass der Fahrtenbuchauflage schon nicht mehr Halter des Tatfahrzeugs, so kann sich die Anordnung auf das seither angeschaffte Nachfolgefahrzeug beziehen, wie dies im vorliegenden Fall geschehen ist (vgl. NdsOVG, B.v. 30.4.2015 - 12 LA 156/14 - BeckRS 2015, 45344).
49
2.2.1.6 Soweit sich der Antragsgegner in Nr. 2 des Bescheids vom 25. Februar 2021 die Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf nachträglich während der Dauer der Fahrtenbuchauflage angeschaffte Ersatzfahrzeuge vorbehält, entspricht die Anordnung den Maßgaben des § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO. Gleiches gilt für den Hinweis auf den konkreten Umfang des zu führenden Fahrtenbuchs in Nr. 3 des Bescheids, der sich im Rahmen des § 31a Abs. 2 StVZO bewegt.
50
2.2.2 Ferner begegnet der Hinweis in Nr. 4 des verfahrensgegenständlichen Bescheids, wonach das Fahrtenbuch dem Landratsamt, kontrollierenden Polizeibeamten oder sonst zuständigen Personen auf Verlangen jederzeit zur Prüfung auszuhändigen ist und sechs Monate aufbewahrt werden muss, für sich genommen und losgelöst von der darauf bezogenen Zwangsgeldandrohung (dazu sogleich unter 2.2.3) keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn mit der benannten Anordnung wiederholt der Antragsgegner im Wesentlichen die bereits in § 31a Abs. 3 StVZO dem Fahrzeughalter gesetzlich auferlegten Pflichten.
51
2.2.3 Die Zwangsgeldandrohung in Nr. 6 Spiegelstrich 1 des Bescheids für Verstöße gegen die Anordnungen in Nr. 1 bis 3 ist weder erkennbar unangemessen noch verstößt diese gegen Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG. Es geht aus der konkreten Tenorierung eindeutig hervor, dass die Pflicht zur Führung des Fahrtenbuches für den Zeitraum von neun Monaten ab Zustellung des Bescheids, im Falle der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs von neun Monaten ab Bestandskraft dieses Bescheids besteht und dass bei Verstößen gegen die für sofort vollziehbar erklärte Auflage zur Führung eines Fahrtenbuches ein konkret angedrohtes Zwangsgeld in Höhe von jeweils 150,00 EUR fällig wird.
52
Nach summarischer Prüfung erweist sich jedoch die in Nr. 6 Spiegelstrich 2 des Bescheids enthaltene Zwangsgeldandrohung für Verstöße gegen die Anordnung zur jederzeitigen Aushändigung des Fahrtenbuches nach Nr. 4 des Bescheids mangels hinreichender zeitlicher und örtlicher Bestimmtheit der Verpflichtung als rechtswidrig.
53
Mit Mitteln des Verwaltungszwangs werden grundsätzlich nur Verwaltungsakte vollstreckt (Art. 29 Abs. 1 VwZVG). Soll die bereits von Gesetzes wegen nach § 31a Abs. 3 StVZO bestehende Vorlageverpflichtung mittels Verwaltungszwangs durchgesetzt werden, bedarf es einer darauf gestützten behördlichen Anordnung (vgl. den Wortlaut der Norm: „auf Verlangen“; „festgelegte[r] Ort“), die die abstrakt-generelle gesetzliche Pflicht aus § 31a Abs. 3 StVZO mit Blick auf den jeweiligen Einzelfall in zeitlicher und örtlicher Hinsicht konkretisiert. So kann etwa bereits im Zuge der Anordnung der Fahrtenbuchauflage selbst ein Termin zur Vorlage oder ein Turnus regelmäßiger Termine festgelegt werden (siehe Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 31a StVZO, Rn. 68 m.w.N.). Soll dies mithilfe eines Zwangsgelds durchgesetzt werden, ist für die Erfüllung der Vorlageverpflichtung eine konkrete Frist zu bestimmen, innerhalb welcher dem Pflichtigen der Vollzug billigerweise zugemutet werden kann (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG). Die pauschale Verpflichtung der Antragsgegnerin in Nr. 6 Spiegelstrich 2 des verfahrensgegenständlichen Bescheids, wonach diese das Fahrtenbuch jederzeit auf Verlangen dem Landratsamt, der Polizei, oder sonst zuständigen Personen vorzulegen hat, genügt dem mangels zeitlicher Bestimmtheit und Bestimmbarkeit nicht. Die Vorlageanordnung ist ferner mangels Unbestimmtheit nicht vollstreckungsfähig, da es an einer (auch in § 31a Abs. 3 StVZO geforderten) Festlegung des konkreten Orts der Vorlage mangelt.
54
Ferner bestehen Zweifel, ob die zwangsgeldbewehrte Verpflichtung in Nr. 4 des Bescheids im Einklang mit der in der Antragserwiderung dargelegten Auffassung des Antragsgegners so verstanden werden kann, dass damit eine ständige behördliche oder polizeiliche Kontrollmöglichkeit im Rahmen allgemeiner Verkehrskontrollen ermöglicht wird. Denn aus der Pflicht zur Führung eines Fahrtenbuches folgt grundsätzlich nicht per se auch eine Pflicht, die Aufzeichnungen zur jederzeitigen unmittelbaren Kontrolle im Fahrzeug mitzuführen (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 31a StVZO Rn. 66 m.w.N.).
55
Die aufschiebende Wirkung der Klage war daher bezüglich der Zwangsgeldandrohung in Nr. 6 Spiegelstrich 2 des Bescheids anzuordnen.
56
3. Auch bei Abwägung der gegenseitigen Interessen kann kein das öffentliche Interesse überwiegendes privates Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die nach summarischer Prüfung rechtmäßige Auferlegung der Fahrtenbuchauflage in Nr. 1 bis 3 des Bescheids gesehen werden.
57
Bei der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage handelt es sich der Zielsetzung nach um eine präventive Maßnahme im Interesse der Verkehrssicherheit (vgl. BVerwG, U.v. 28.5.2015 - 3 C 13.14 - BVerwGE 152, 180 = juris Rn. 19), deren Anknüpfungspunkt die verkehrsrechtliche Verantwortlichkeit des Halters für sein Fahrzeug ist. Bei der Betrachtung der beteiligten Interessen geht es um den Schutz höchstrangiger Rechtsgüter, nämlich das Leben und die Gesundheit der Verkehrsteilnehmer, denen die Anordnung zu dienen bestimmt ist (BayVGH, B.v. 1.4.2019 - 11 CS 19.214 - BeckRS 2019, 7150 Rn. 17). Auf der anderen Seite fällt der mit der Fahrtenbuchauflage verbundene Eingriff in die Handlungsfreiheit des Fahrzeughalters nicht übermäßig ins Gewicht. Im Interesse der Verkehrssicherheit kann daher im Regelfall auf das sofortige Führen des Fahrtenbuches nicht verzichtet werden (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 31a StVZO Rn. 66; Siegmund in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, § 31a StVZO, Stand: 19.04.2021, Rn. 102, jeweils m.w.N.). Konkrete Umstände, die vorliegend auf eine von diesem Regelfall abweichende Sachlage hindeuten, sind nicht vorgetragen und nicht erkennbar.
58
Die Kammer teilt im Übrigen nicht die rechtlichen Zweifel hinsichtlich der sofortigen Vollziehbarkeit von Fahrtenbuchauflagen, die in der von der Antragstellerbevollmächtigen angeführten Entscheidung des VG Schwerin geäußert werden (vgl. VG Schwerin, B.v. 3.7.2019 - 7 B 1100/19 SN - BeckRS 2019, 16952 Rn. 17). Schon die Prämisse, wonach eine Fahrtenbuchanordnung nur einen „höchst indirekten Beitrag“ zum Ziel der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs leiste, erscheint fraglich. Die sicherheitserhöhende Wirkung generalpräventiver Maßnahmen des straßenverkehrsbezogenen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts dürfte unbestritten sein. Die Fahrtenbuchauflage stellt dabei ein zentrales Instrument dar, um die künftige Ahndung von sicherheitsrelevanten Verkehrsverstößen zu ermöglichen. Auf diese Weise werden die Fahrzeugführer zu einem verkehrsgerechten Verhalten angehalten, was sich unmittelbar sicherheitserhöhend auswirkt. Der in der Behördenpraxis im Zusammenhang mit Fahrtenbuchauflagen regelmäßig angeordnete Sofortvollzug sowie die weitgehende Billigung dieser Praxis durch die Rechtsprechung läuft vor diesem Hintergrund auch nicht auf eine „unstatthafte“ Korrektur des Gesetzgebers hinaus. Der Bundesgesetzgeber selbst hat den zuständigen Verwaltungsbehörden nach Maßgabe des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die Befugnis eröffnet, den Sofortvollzug eines Verwaltungsakts bei einem überwiegenden öffentlichen Interesse anzuordnen. Dass in Bezug auf das sicherheitsrechtliche Instrument der Fahrtenbuchauflage bislang keine gesetzliche Regelung im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO getroffen wurde, steht einer behördlichen Anordnung des Sofortvollzugs der Fahrtenbuchauflage unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO sowie einer entsprechenden Abwägungsentscheidung des Gerichts im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO auch dann nicht entgegen, wenn sie in gleichgelagerten Fällen mit Blick auf die bezweckte Gefahrenabwehr regelhaft erfolgt. Das Fehlen einer einheitlichen Regelung im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO schließt die Anwendung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO nicht aus und könnte insoweit auch darauf beruhen, dass der Gesetzgeber bislang im Hinblick auf die regelhafte behördliche und gerichtliche Praxis keinen zwingenden Bedarf für eine gesetzliche Anordnung des Sofortvollzugs einer Fahrtenbuchauflage sah.
59
4. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens gemäß §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO zu tragen, da der Antragsgegner nur geringfügig unterlegen ist.
60
5. Die Höhe des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 46.11 und 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach schlagen bei einer Fahrtenbuchauflage 400,00 EUR je Monat zu Buche. Damit ergibt sich bei einer neunmonatigen Fahrtenbuchauflage ein Streitwert in Höhe von 3.600,00 EUR, der für das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz zu halbieren ist.