Titel:
Kein Anspruch auf Zuwendungen im Rahmen der Hochwasserhilfe
Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1
VwGO § 124a Abs. 5 S. 2
BayHO Art. 23, Art. 44
BayVwVfG Art. 24
Leitsätze:
1. Sind die Fördervoraussetzungen zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so haben die Verwaltungsgerichte sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Zuwendungsbehörde ist bei Zweifeln am Vorliegen der Schadensverursachung durch das Hochwasser zur Ermittlung des Sachverhalts unter Einbeziehung der Beteiligten gehalten. Dass der Antargsteller keine geeignete Schadensdokumentation, etwa durch zeitnah aufgenommene und aussagekräftige Fotos, vorlegen kann, fällt in seinen Risikobereich. (Rn. 8 – 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Subventionsrecht, Hochwasserhilfe, Förderrichtlinie, Ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift, Schadensursache, Nachweis, Materielle Beweislast, Richtigkeitszweifel, Hausrat, Tatsachenfeststellung, Gleichheitsgrundsatz, Augenschein, Aufklärungsrüge, Zuwendung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 27.06.2019 – RN 5 K 17.2112
Fundstelle:
BeckRS 2020, 9635
Tenor
I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 27. Juni 2019 - RN 5 K 17.2112 - wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 28.186,93 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Antrag der Klägerin‚ die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen‚ bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5 VwGO liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würden (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - NJW 2009, 3642 m.w.N.). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - NVwZ-RR 2004, 542 f.; BayVGH, B.v. 15.2.2018 - 6 ZB 17.2521 - juris Rn. 4). Das ist nicht der Fall.
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Das Verwaltungsgericht hat mit überzeugender Begründung entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die beantragten Zuwendungen im Rahmen der Hochwasserhilfe in Höhe von insgesamt 28.186,93 € hat und auch nicht die erneute Verbescheidung ihres Antrags verlangen kann, weil das Landratsamt den Antrag ohne Rechtsfehler mit der Begründung ablehnen durfte, die Klägerin habe den erforderlichen Nachweis für einen durch das Zuschussprogramm erfassten Hochwasserschaden nicht erbracht. Die Einwände der Klägerin begründen keine Zweifel an dieser Entscheidung, denen in einem Berufungsverfahren weiter nachzugehen wäre.
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Die in Streit stehenden Zuwendungen gewährt der Freistaat Bayern ohne Rechtsanspruch im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel auf der Grundlage des Bayerischen Zuschussprogramms zur Behebung der vom Hochwasser im Mai/Juni 2016 verursachten Schäden an überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden und an Hausrat im Landkreis Rottal-Inn (Zuschussprogramm Wohngebäude Hochwasser 2016) des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr (Bek. vom 29.6.2016 - IICI-4740.4-2-2 - AllMBl. 2016, 1636) und der Richtlinien über einen Härtefonds zur Gewährung finanzieller Hilfen bei Notständen durch Elementarereignisses (Härtefondsrichtlinien - HFR) des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen (Bek. vom 6.9.2011 - 46-L2601-008-29301/11 - FMBl. S. 310) in Verbindung mit den Durchführungsbestimmungen der Finanzhilfeaktion „Unwetter mit Hochwasser im Mai/Juni 2016“.
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Sind die Fördervoraussetzungen - wie hier - zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht - wie Gesetze oder Rechtsverordnungen - gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.2008 - 7 B 38.08 - juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris Rn. 26 m.w.N.; B.v. 9.3.2020 - 6 ZB 18.2102 - juris Rn. 9).
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Gemessen an diesem Maßstab ist die Ablehnung der beantragten Zuwendungen mit der Begründung, die Klägerin habe den Nachweis für die Verursachung der geltend gemachten Schäden durch das Hochwasser nicht erbracht, rechtlich nicht zu beanstanden.
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Nach den Förderrichtlinien werden die Zuwendungen gewährt, soweit die Schäden durch die sehr ungewöhnlichen Unwetter zwischen 30. Mai 2016 und 1. Juni 2016 verursacht worden sind. Nach Nr. 6.1 Satz 5 Halbs. 1 des die Förderpraxis lenkenden Zuschussprogramms Wohngebäude Hochwasser 2016 sind die Hochwasserschäden vom Antragsteller nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. Das entspricht dem allgemeinen materiell-rechtlichen Grundsatz, wonach derjenige, der eine Leistung beansprucht, die materielle Beweislast für die anspruchsbegründenden Umstände zu tragen hat (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 Rn. 5 m.w.N.). Es versteht sich von selbst, dass das Landratsamt als Zuwendungsbehörde bei Zweifeln am Vorliegen der Schadensverursachung durch das Hochwasser zur Ermittlung des Sachverhalts unter Einbeziehung der Beteiligten gehalten ist (vgl. Art. 24 BayVwVfG). Dass die Förderpraxis hiervon abweicht und geringere Anforderungen an den Nachweis der Schadensverursachung durch das Hochwasser genügen lässt, legt der Zulassungsantrag nicht, jedenfalls nicht hinreichend konkret dar. Der Einwand, nach einem ausdrücklichen Hinweis der Regierung von Niederbayern sei ein Schadens- und Verwendungsnachweis nicht zu führen, kann nicht überzeugen. Denn nach den Feststelllungen des Verwaltungsgerichts galt dies nur für Sofortgelder, die auf Anträge in zeitlicher Nähe zum Hochwasserereignis unter anderem auch an die Klägerin gezahlt wurden, nicht aber für die spätere abschließende Prüfung der Zuwendungsvoraussetzungen, um die es hier geht.
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Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass das Landratsamt - nach Prüfung insbesondere der von der Klägerin vorgelegten Fotos, der schriftlichen Erklärungen des Ehemannes und einer Freundin sowie der Einnahme eines Augenscheins - an der Verursachung der geltend gemachten Schäden an Gebäude, Hausrat und gewerblichem Inventar durch das Hochwasser zweifeln durfte und dass die Klägerin diese Zweifel nicht ausgeräumt hat.
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Objektive unmittelbare Nachweise dafür, dass und wenn ja, in welchem Umfang, das - nicht durchgehend bewohnte - Haus der Klägerin mit Hausrat und Gewerbeinventar durch Hochwasser infolge des Unwetters am 30. Mai / 1. Juni 2016 geschädigt wurde, gibt es nicht. Die von der Klägerin vorgelegten, eine Woche nach dem Unwetter aufgenommenen 13 Fotos lassen keine typischen Hochwasserschäden erkennen, wie das Verwaltungsgericht plausibel ausgeführt hat. Unter Berücksichtigung der im angegriffenen Urteil ausführlich abgewogenen Umstände, wie etwa des E-Mail-Verkehrs der Klägerin mit ihrem Versicherungsmakler und der schriftlichen Erklärungen des Ehemanns und einer Freundin, lässt sich jedenfalls nicht von der Hand weisen, dass die - unstreitigen - Schäden an Gebäude, Hausrat und gewerblichem Inventar möglicherweise auf allgemeine und schon länger einwirkende Feuchtigkeit in dem weit über 100 Jahre alten, mehr oder weniger stark renovierungsbedürftigen Haus zurückzuführen sind. Der Zulassungsantrag hält der gerichtlichen Würdigung sämtliche Umstände entgegen, die nach Auffassung der Klägerin für eine Schadensverursachung durch das Unwetter sprechen. Diese Schlussfolgerungen sind zwar ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. Es ist aber rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt diese Umstände nicht als Nachweis ausreichen lässt. Dass die Klägerin keine geeignete Schadensdokumentation, etwa durch zeitnah aufgenommene und aussagekräftige Fotos, vorlegen kann, fällt in ihren Risikobereich.
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c) Der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor. Die Klägerin sieht einen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht, weil in der Behördenakte des Landratsamts die Protokolle über die Ortstermine des Herrn E. am 23. August 2017 und des Herrn L. am 6. September 2019 fehlten, welche die Schadensverursachung durch den Starkregen bestätigt hätten. Darauf habe sie das Verwaltungsgericht schriftsätzlich hingewiesen. Das ergibt keinen Zulassungsgrund.
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Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Der Untersuchungsgrundsatz gebietet, den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln und die hierzu erforderliche Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Das Tatsachengericht verstößt gegen diesen Grundsatz aber nur dann, wenn sich ihm auf der Grundlage seiner materiell-rechtlichen Sicht eine weitere Aufklärung aufdrängen musste (BVerwG, B.v. 5.12.2013 - 3 B 39.13 - juris Rn. 4). Die Aufklärungspflicht verlangt hingegen nicht, dass ein Tatsachengericht Ermittlungen anstellt, die aus seiner Sicht unnötig sind, weil deren Ergebnis nach seinem Rechtsstandpunkt für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich ist (ständige Rechtsprechung, u.a. BVerwG, B.v. 15.10.2019 - 2 B 16.19 - juris Rn. 5). Außerdem stellt die Aufklärungsrüge kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Prozessbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen von förmlichen Beweisanträgen, zu kompensieren (u.a. BVerwG, B.v. 6.3.1995 - 6 B 81.94 - juris Rn. 9).
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Danach muss die Aufklärungsrüge schon deshalb scheitern, weil die in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertretene Klägerin ausweislich des Sitzungsprotokolls keinen förmlichen Beweisantrag auf Beiziehung der Protokolle über die behördlichen Ortseinsichten gestellt hat. Das gilt umso mehr, als beide Mitarbeiter in der mündlichen Verhandlung anwesend waren und ihren vor Ort gewonnenen Eindruck erläutern konnten. Im Übrigen ist aber auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen sich dem Verwaltungsgericht die Anforderung dieser Unterlagen hätte aufdrängen müssen. Denn die Behördenakte (Bl. 109) enthält ein Schreiben des Landratsamts vom 20. September 2017, mit dem die Klägerin ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass auch die Ortseinsichten der beiden Mitarbeiter keine eindeutige Klärung erbracht hätten.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47‚ § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).