Titel:
Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Erreichens von acht Punkten im Fahreignungsregister, keine nachträgliche Unwirksamkeit von Ermahnung und Verwarnung aufgrund der Löschungsreife von Eintragungen im Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis
Normenketten:
StVG § 4 Abs. 5, 6
StVG § 29 Abs. 7
StVG § 3 Abs. 2 S. 3
FeV § 47 Abs. 1 S. 1
Schlagworte:
Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Erreichens von acht Punkten im Fahreignungsregister, keine nachträgliche Unwirksamkeit von Ermahnung und Verwarnung aufgrund der Löschungsreife von Eintragungen im Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis
Fundstelle:
BeckRS 2020, 62951
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 12.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheids der Antragsgegnerin vom 9. Juni 2020, mit dem ihm die Fahrerlaubnis wegen Erreichens von acht Punkten im Fahreignungsregister entzogen wurde.
2
Mit Schreiben vom 22. März 2017 wurde der Antragsteller durch die Fahrerlaubnisbehörde unter Bezugnahme auf eine Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 14. März 2017 nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG ermahnt. Eine Zusammenstellung der im Zeitraum vom 13. Februar 2015 bis 24. Januar 2017 begangenen Verkehrszuwiderhandlungen war beigefügt. Hieraus ergab sich ein Punktestand von vier Punkten.
3
Mit Schreiben der Fahrerlaubnisbehörde vom 9. November 2017 wurde der Antragsteller nach entsprechender Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 25. Oktober 2017 wegen Erreichens von sechs Punkten gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG verwarnt. Auf den Entzug der Fahrerlaubnis bei Erreichen von acht Punkten wurde hingewiesen. Beigefügt war eine Auflistung der vom Antragsteller im Zeitraum vom 13. Februar 2015 bis 30. Juli 2017 begangenen Verkehrszuwiderhandlungen.
4
Durch Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 11. Mai 2020 wurde die Fahrerlaubnisbehörde darüber informiert, dass nunmehr für den Antragsteller 132 Punkte eingetragen seien. Neu hinzugekommen waren eine Tat bzw. Taten vom 27. April 2016 (130 Punkte) und eine Tat vom 23. März 2020 (1 Punkt). Mit Schreiben vom 11. Mai 2020 setzte die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller von der Einleitung des Verfahrens zur Entziehung seiner Fahrerlaubnis in Kenntnis und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis spätestens 25. Mai 2020.
5
Am 9. Juni 2020 erließ die Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Bescheid, mit welchem dem Antragsteller die Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge der Klasse(n) A1, A2, A, B, C1, C, D1, D, BE, C1E, CE, D1E, DE, AM, L, T entzogen (Ziffer 1) und der Antragsteller verpflichtet wurde, seinen Führerschein unverzüglich der Antragsgegnerin zuzusenden (Ziffer 2). Anderenfalls wurde ihm unmittelbarer Zwang angedroht (Ziffer 3). Weiter wurde die sofortige Vollziehung der Ziffer 2 angeordnet (Ziffer 4). Der Bescheid wurde den Bevollmächtigten des Antragstellers am 12. Juni 2020 zugestellt. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass dem Antragsteller die Fahrerlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG zu entziehen gewesen sei, da er trotz vorangegangener behördlicher Maßnahmen (Ermahnung und Verwarnung) die Acht-Punkte-Grenze überschritten habe. Die für die Fahrerlaubnisbehörde als maßgeblich erachtete Punkteentwicklung wurde im Bescheid dargestellt, wobei darauf hingewiesen wurde, dass die kursiv gestellten Taten und Tilgungen lediglich zum Nachvollzug der Punktehistorie und Einhaltung der Maßnahmenstufen zusätzlich aufgeführt sind. Die Darstellung lautet wie folgt:
Behörde
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Tatzeit
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Art der Zuwiderhandlungen
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Punkte
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Rechtskraft/Entscheidung vom
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BG-Beh. ZBS V.
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13.02.2015
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Sie benutzten als Führer des Kraftfahrzeuges verbotswidrig ein Mobil- oder Autotelefon, indem Sie hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnahmen oder hielten
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1
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10.03.2015
Getilgt am: 10.09.2017
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BG-Beh. ZBS V.
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09.10.2015
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Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 21 – 25 km/h.
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1
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06.11.2015
Getilgt am:
06.05.2018
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BG-Beh. ZBS V.
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17.10.2016
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Sie führten das Kraftfahrzeug bzw. dessen Anhänger, obwohl dessen Reifen keine ausreichende Profil- oder Einschnitttiefe bzw. keine ausreichende Profilrillen oder Einschnitte besaß
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1
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12.11.2016
Getilgt am:
12.05.2019
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BG-Beh. ZBS V.
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24.01.2017
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Sie missachteten das Überholverbot, das durch Zeichen 276/277 angeordnet war
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1
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02.03.2017
Getilgt am:
02.09.2019
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1. Maßnahme
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22.03.2017
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Ermahnung gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG
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= 4
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BG-Beh. ZBS V.
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05.01.2017
Kenntnis:
03.11.2017
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Sie hielten als Führer des Lastkraftwagens/Kraftomnibusses bei einer Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h auf einer Autobahn den Mindestabstand von 50 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht ein
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1
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16.03.2017
Getilgt am:
16.09.2019
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BG-Beh. ZBS V.
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30.07.2017
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Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 21 – 25 km/h.
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1
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10.10.2017
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2. Maßnahme
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09.11.2017
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Verwarnung gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG
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= 6
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StA …
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27.04.2016
Kenntnis:
11.05.2020
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Führen oder Anordnen oder Zulassen des Führens eines Kraftfahrzeugs ohne Fahrerlaubnis ohne Entziehung der Fahrerlaubnis/isolierter Sperre/Fahrverbot in 65 tatmehrheitlichen Fällen
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130
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26.02.2019
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Tilgung
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10.09.2017
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Tilgung der Tat vom 13.02.2015
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- 1
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Tilgung
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06.05.2018
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Tilgung der Tat vom 09.10.2015
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- 1
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Tilgung
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12.05.2018
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Tilgung der Tat vom 17.10.2016
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- 1
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Tilgung
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02.09.2019
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Tilgung der Tat vom 24.01.2017
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- 1
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Tilgung
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16.09.2019
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Tilgung der Tat vom 05.01.2017
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- 1
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BG-Beh. ZBS V.
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23.03.2020
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Sie führten das nicht vorschriftsmäßige Fahrzeug, wodurch die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt war. Es kam zum Unfall.
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1
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24.04.2020
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6
Der Antragsteller gab seinen Führerschein am 16. Juni 2020 bei der Antragsgegnerin ab.
7
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 2. Juli 2020, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ der Antragsteller Klage erheben. Außerdem ließ er im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragen,
Die Ziffern 2. bis 4. des Bescheides der Stadt … vom 9. Juni 2020 werden aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wird wiederhergestellt.
8
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, die Berechnung des Punktestandes und die Bewertung durch die Antragsgegnerin entspreche nicht den Vorgaben des § 4 Abs. 5 StVG, da zu Unrecht angenommen werde, dass die erteilte Ermahnung und Verwarnung im Zeitpunkt des Ergreifens der Maßnahme der Entziehung der Fahrerlaubnis am 9. Juni 2020 noch wirksam waren. Vielmehr sei durch Löschung der Entscheidungen der Zentralen Bußgeldstelle in V., die am 10. März 2015, am 6. November 2015 und am 12. November 2016 rechtskräftig geworden waren, der Punktestand des Antragstellers bezogen auf das Datum der Entziehung der Fahrerlaubnis auf 3 Punkte abgesunken. Erst durch die Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes über die weiteren Eintragungen des Amtsgerichts … vom 25. Februar 2019 sowie der Zentralen Bußgeldstelle V. vom 24. April 2020 am 11. Mai 2020 habe sich durch Summierung ein Punktestand von mehr als drei Punkten ergeben. Es hätte somit die erste Maßnahmenstufe gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG erneut ergriffen und sodann unter Anwendung des § 4 Abs. 6 Nr. 1 StVG ein Punktestand von fünf Punkten festgesetzt werden müssen. In der Aufstellung zur Anhörung des Antragstellers seien Entscheidungen enthalten, die nicht nur getilgt, sondern bereits gelöscht seien. Die Verwertung gelöschter Eintragungen sei sowohl hinsichtlich der in der Vergangenheit ergriffenen Maßnahme nach § 4 Abs. 5 StVG als auch hinsichtlich neuer Maßnahmen nach dieser Vorschrift unzulässig, da ein Verwertungsverbot bestehe. Die Eintragungen vom 13. Februar 2015, 9. Oktober 2015 und 17. Oktober 2016 seien im Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis bereits gelöscht bzw. zu löschen gewesen. Im Zeitpunkt des Ergreifens der Maßnahme nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG habe somit hinsichtlich dieser drei Entscheidungen ein absolutes Verwertungsverbot bestanden. Die Löschungen hätten den Maßnahmen der Ermahnung und der Verwarnung den Boden entzogen. Gelöschte Eintragungen dürften unter keinem Aspekt verwertet werden. Dies beziehe sich auch auf Maßnahmen, die in der Vergangenheit nach § 4 Abs. 5 StVG berechtigt waren, die aber auf nunmehr gelöschten Eintragungen basieren.
9
Mit Schreiben vom 22. Juli 2020 beantragte die Antragsgegnerin:
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.
10
Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Gründe des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen. Außerdem wurde ausgeführt, für die Punkteberechnung sei gemäß § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG der Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit maßgeblich. Für die Entziehung der Fahrerlaubnis komme es somit auf die Verhältnisse zum 23. März 2020 an. Zu diesem Zeitpunkt ergäben sich insgesamt 132 Punkte. Die Punkte der bereits getilgten Delikte seien in dieser Summe nicht enthalten. Für die Ermahnung seien die Verhältnisse zum 24. Januar 2017 und für die Verwarnung die Verhältnisse zum 30. Juli 2017 maßgeblich gewesen. Dem städtischen Ordnungsamt seien zu diesem Zeitpunkt Delikte bekannt gewesen, die mit insgesamt vier bzw. sechs Punkten zu bewerten gewesen seien. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nrn. 1 und 2 StVG seien somit jeweils erfüllt gewesen. Der Antragsteller sei entgegen der Auffassung seiner Bevollmächtigten mit seinem Punktestand zu keinem Zeitpunkt aus den Maßnahmenstufen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nrn. 1 und 2 StVG herausgefallen. Dies liege daran, dass die mit 136 Punkten verbundene Tat vom 27. April 2016 vor den Tilgungen erfolgt sei. In der Summierung ergebe sich somit trotz der Tilgungen eine höhere Punktezahl. Maßgeblicher Zeitpunkt sei dabei ebenfalls jeweils der letzte Tattag. Für die Auffassung der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass eine rechtmäßige Maßnahme nach § 4 Abs. 5 StVG nachträglich ihre Wirksamkeit verlieren könne, fehle im System der §§ 4 und 29 StVG jeder Anhaltspunkt. Sie hätte zum Beispiel die absurde und mit § 4 Abs. 10 StVG unvereinbare Konsequenz, dass eine Entziehung der Fahrerlaubnis wieder hinfällig würde, wenn nach Erlass des Entziehungsbescheids Delikte gelöscht werden. Für sämtliche Maßnahmen nach § 4 Abs. 5 StVG, also auch für Ermahnung und Verwarnung, gelte, dass für die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit der in § 4 Abs. 5 Satz 5 genannte Zeitpunkt bzw. hinsichtlich einer eventuellen Löschung der Zeitpunkt, in dem die jeweilige Maßnahme ergeht, maßgeblich sei. Spätere Ereignisse ließen die Rechtmäßigkeit und erst recht die Wirksamkeit der Maßnahme unberührt.
11
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
12
Der Antragsteller begehrt nach Auslegung des gestellten Antrags (§§ 122 Abs. 1 VwGO, 88 VwGO) nicht nur die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage im Hinblick auf die mit einer Sofortvollzugsanordnung verbundene Ablieferungspflicht des Führerscheins gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 HS 2 VwGO (vgl. sogleich unter 3.), sondern auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die bereits kraft Gesetzes (§ 4 Abs. 9 StVG) sofort vollziehbare Entziehung seiner Fahrerlaubnis gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 HS 1 VwGO (vgl. sogleich unter 2.). Dieses Begehren entnimmt die Kammer der Antragsbegründung, welche sich hauptsächlich mit der Entziehung der Fahrerlaubnis befasst. Der Antrag wird weiter dahingehend ausgelegt, dass der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die nach Art. 21a VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbare Zwangsmittelandrohung begehrt (vgl. sogleich unter 1.).
13
Der so verstandene Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg. Er ist zum Teil bereits unzulässig, im Übrigen jedenfalls unbegründet.
14
1. Soweit die Antragsgegnerin dem Antragsteller unmittelbaren Zwang angedroht hat, ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsmittelandrohung unzulässig. Die Androhung der Einziehung des Führerscheins hat sich mit der Abgabe des Führerscheins bei der Behörde erledigt. Dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO fehlt insoweit das Rechtsschutzbedürfnis.
15
2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis ist unbegründet.
16
Im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO trifft das Gericht eine Abwägungsentscheidung, eine eigene originäre Ermessensentscheidung, bei der es das Aussetzungsinteresse des Antragstellers gegenüber dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin abwägt. Wesentliches Indiz bei der Abwägung dieser Interessen sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache. Ist die Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich, so überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Ist die Hauptsache dagegen mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, so überwiegt regelmäßig das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin.
17
Vorliegend ist die Klage gegen die in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos. Nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung hat die in der Hauptsache erhobene Klage aller Voraussicht nach keine Aussicht auf Erfolg, da der angefochtene Bescheid sich insoweit als rechtmäßig darstellt und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
18
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich für den Betroffenen acht oder mehr Punkte im Fahreignungsregister ergeben. Dabei ist gemäß § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Nach § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG ergeben sich Punkte mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird. Dabei darf nach § 4 Abs. 6 Satz 1 StVG eine Entziehung der Fahrerlaubnis nur erfolgen, wenn die Vorschaltmaßnahmen einer Ermahnung und einer Verwarnung ergangen sind.
19
Die genannten Voraussetzungen liegen hier vor. Der Antragsteller hat aufgrund mehrerer Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr einen Punktestand von über acht Punkten nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem erreicht und die Vorschaltmaßnahmen gemäß § 4 Abs. 5 StVG wurden ordnungsgemäß durchgeführt.
20
Die Berechnung des Punktestands ist nach dem Tattagprinzip vorzunehmen. Es kommt daher nicht auf den Punktestand zum Zeitpunkt der Ergreifung der Maßnahme, vorliegend der Entziehung der Fahrerlaubnis am 9. Juni 2020, an. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG ist vielmehr auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Die Tat, die zur Ergreifung der Maßnahme nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG geführt hat, ist die Tat vom 27. April 2016. Zu diesem Zeitpunkt hat der Antragsteller jedenfalls mindestens 130 Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem erreicht, da schon allein die zur Maßnahme der Entziehung der Fahrerlaubnis führende Tat vom 27. April 2016 mit 130 Punkten bewertet wurde. Ob neben diesen 130 Punkten noch weitere Punkte mitberücksichtigt wurden, spielt letztlich keine Rolle, da der Antragsteller zum relevanten Zeitpunkt des 27. April 2016 jedenfalls über acht Punkte erreicht hatte.
21
Auch wurden die Vorschaltmaßnahmen nach § 4 Abs. 5 Nrn. 1 und 2 StVG ordnungsgemäß durchgeführt. Die Fahrerlaubnisbehörde hat den Antragsteller mit Schreiben vom 22. März 2017 bei einem Punktestand von vier gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG ermahnt und mit Schreiben vom 9. November 2017 bei einem Punktestand von sechs gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG verwarnt. Auch hier wurde der Punktestand jeweils richtig berechnet. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG ist auch hinsichtlich der Ermahnung und der Verwarnung auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Wie die Antragsgegnerin zutreffend ausführte, war daher für die Ermahnung der Punktestand zum 24. Januar 2017 und für die Verwarnung der Punktestand zum 30. Juli 2017 maßgeblich. Dass einige Einträge nach der Verwarnung getilgt wurden, ändert nichts daran, dass die Maßnahmen der Ermahnung vom 22. März 2017 und der Verwarnung vom 9. November 2017 rechtmäßig ergangen sind. Wie eben aufgezeigt, kommt es hierfür jeweils auf den Punktestand zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Tat an. Spätere Verringerungen des Punktestandes aufgrund von Tilgungen bleiben gemäß § 4 Abs. 5 Satz 7 unberücksichtigt. Die Rechtmäßigkeit der Ermahnung und der Verwarnung wird auch nicht dadurch berührt, dass einige Eintragungen, die für die Ermahnung und Verwarnung verwertet wurden, im Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis gelöscht bzw. zu löschen waren (siehe hierzu die Ausführungen unten).
22
Der Berücksichtigung der mit der Tat vom 27. April 2016 verbundenen 130 Punkte steht auch nicht entgegen, dass die Tat vom 27. April 2016 vor der Ermahnung vom 22. März 2017 und vor der Verwarnung vom 9. November 2017 begangen wurde. Trotz dieser zeitlichen Abfolge war der Punktestand des Antragstellers nicht gemäß § 4 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 StVG zu reduzieren. Denn der nunmehr geltende § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 StVG besagt, dass bei der Berechnung des Punktestands Zuwiderhandlungen unabhängig davon berücksichtigt werden, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind. Diese Vorschrift soll die Punktebewertung eines Verkehrsverstoßes auch dann ermöglichen, wenn er vor dem Ergreifen einer Maßnahme begangen wurde, bei dieser Maßnahme aber noch nicht verwertet werden konnte, etwa, weil deren Ahndung erst später Rechtskraft erlangt hat oder sie erst später im Fahreignungsregister eingetragen oder der Behörde zur Kenntnis gelangt sei (BT-Drs. 18/2775, 10; vgl. BVerwG, U.v. 26.1.2017 – 3 C 21/15 – juris Rn. 24).
23
Das mit Wirkung vom 1. Mai 2014 eingeführte Fahreignungs-Bewertungssystem wurde mit Wirkung ab dem 5. Dezember 2014 insbesondere hinsichtlich der Regelungen in § 4 Abs. 5 und 6 StVG durch das Gesetz zur Änderung des StVG, der GewO und des BZRG vom 28.11.2014 (BGBl I S. 1802) nochmals geändert. Nach Auffassung des BVerwG – der sich die Kammer anschließt – hat der Gesetzgeber mit diesen Änderungen die Warn- und Erziehungsfunktion des gestuften Maßnahmensystems hinter den Schutz der Verkehrssicherheit vor Mehrfachtätern zurücktreten lassen. Ein Fahrerlaubnisinhaber kann sich insbesondere nicht mehr darauf berufen, er habe den weiteren Verkehrsverstoß, der zum Überschreiten der Acht-Punkte-Grenze geführt hat, bereits vor der Erteilung der Verwarnung begangen, so dass ihn deren Warnfunktion nicht mehr habe erreichen können. Die Erziehungswirkung liegt dem Gesamtsystem als solchem zu Grunde, während die Stufen in erster Linie der Information des Betroffenen dienen.
24
Nichts Anderes gilt daher für den Fall, dass die letzte Zuwiderhandlung bereits vor der Ermahnung stattfand, diese aber der Fahrerlaubnisbehörde noch nicht bekannt war. Eine andere Betrachtung liefe dem Ziel der Gesetzesänderung zuwider, den Schutz der Verkehrssicherheit und der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrern gegenüber dem Erziehungsgedanken als vorrangig zu betrachten und so bei einer Anhäufung von Verkehrsverstößen die Entziehung der Fahrerlaubnis auch dann zu ermöglichen, wenn der Betroffene nach Ergreifen einer Maßnahme die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr durch eine Änderung seines Verkehrsverhaltens verhindern kann (vgl. BVerwG, U. v. 26.1.2017 – 3 C 21/15 – juris Rn. 25).
25
Maßgebend für die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG und einer Verringerung des Punktestands nach § 4 Abs. 6 Satz 2 und 3 StVG sind die im Fahrerlaubnisregister eingetragenen und der Fahrerlaubnisbehörde im Zeitpunkt des Ergreifens der Maßnahme nach § 4 Abs. 8 StVG übermittelten Zuwiderhandlungen. Es ist insoweit für das Ergreifen von Maßnahmen nach rechtskräftiger Ahndung der Zuwiderhandlung nicht mehr ausschließlich auf den sich für den betreffenden Tattag ergebenden Punktestand abzustellen (vgl. BVerwG, U. v. 26.1.2017 – 3 C 21/15 – juris Rn. 22).
26
Die Fahrerlaubnisbehörde muss sich weder das Wissen, über das das Kraftfahrt-Bundesamt hinsichtlich weiterer Verkehrsverstöße des Fahrerlaubnisinhabers verfügt, noch ein Verschulden dieser Stellen bei der Datenübermittlung zurechnen lassen. Eine Zurechnung von Wissen oder Verschulden bei der Datenübermittlung liefe der Konzeption des Gesetzgebers zuwider, nach der gerade auf den Kenntnisstand der Fahrerlaubnisbehörde abgestellt werden soll. Auch ist eine Rechtsgrundlage für eine solche Zurechnung nicht ersichtlich (vgl. BVerwG, U. v. 26.1.2017 – 3 C 21/15 – juris Rn. 26).
27
Vorliegend hatte die Fahrerlaubnisbehörde im Zeitpunkt der Ermahnung vom 22. März 2017 sowie im Zeitpunkt der Verwarnung vom 9. November 2017 keine Kenntnis von der weiteren Zuwiderhandlung des Antragstellers am 27. April 2016. Diese wurde erst mit Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 11. Mai 2020 bekannt. Eine Punktereduzierung gemäß § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG erfolgte daher zu Recht nicht.
28
Die Tilgung der Taten vom 13. Februar 2015, 9. Oktober 2015, 17. Oktober 2016, 24. Januar 2017 und 5. Januar 2017 hat auch nicht dazu geführt, dass der Punktestand des Antragstellers zwischenzeitlich die relevanten Punkte-Grenzen der Vorschaltmaßnahmen unterschritten hätte, mit der Folge, dass bei Hinzukommen der Tat vom 27. April 2016 gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 und 2 StVG anstelle der Entziehung der Fahrerlaubnis zunächst erneut eine Vorschaltmaßnahme hätte ergriffen werden müssen und sich der Punktestand nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG entsprechend reduziert hätte. Wie die Antragsgegnerin richtig ausführte, hat sich der Punktestand des Antragstellers zu keinem Zeitpunkt auf einen Punktestand unterhalb der relevanten Vier- bzw. Sechs-Punkte-Grenze verringert. Dies liegt daran, dass die Tat, die zu einer Punktebewertung von 130 Punkten geführt hat, am 27. April 2016 und damit vor der Tilgungsreife der genannten Taten begangen worden ist. Für die Eintragung der Punkte kommt es nach dem Tattagprinzip auf das Datum der Begehung der Tat an. Aus diesem Grund ist die Tat vom 27. April 2016 vor den ab 10. September 2017 erfolgten Tilgungen eingetragen. Die Tatsache, dass die Tat vom 27. April 2016 nach der Verwarnung (und nicht in zeitlich chronologischer Reihenfolge vor der Tat vom 17. Oktober 2016) eingetragen ist, liegt an der oben dargestellten Rechtslage bezüglich solcher Taten, die zwar vor der Ergreifung von Vorschaltmaßnahmen begangen wurden, aber erst danach bekannt wurden.
29
Der Entziehung der Fahrerlaubnis steht auch nicht entgegen, dass die Taten vom 13. Februar 2015, 9. Oktober 2015 und 17. Oktober 2015, die für die Ermahnung und Verwarnung verwertet wurden, im Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis am 9. Juni 2020 gelöscht bzw. zu löschen waren (Löschung nach Ablauf der Überliegefrist von einem Jahr nach Tilgungsreife, vgl. § 29 Abs. 6 Satz 1 und 2 StVG).
30
Die Löschung einer Eintragung hat zur Folge, dass diese gemäß § 29 Abs. 7 StVG dem Betroffenen für die Zwecke des § 28 Abs. 2 StVG nicht mehr vorgehalten und zu seinem Nachteil verwertet werden darf. Dem steht auch nicht das in § 4 Abs. 5 Satz 5 und 7 StVG geregelte Tattagprinzip entgegen, nach dem im Rahmen der Entziehung der Fahrerlaubnis bei der Berechnung der Punktezahl nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem auf den Zeitpunkt der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit abzustellen ist (BayVGH, B.v. 6.10.2017 – 11 CS 17.953 – juris Rn. 13). Es stellt keinen durch Gesetzesauslegung auszuräumenden Wertungswiderspruch, sondern eine vom Gesetzgeber beabsichtigte Begrenzung des für die Berechnung des Punktestands maßgeblichen Tattagprinzips dar, wenn die Bestimmung des § 4 Abs. 5 StVG für ihren Regelungsbereich tatbestandlich an die Tilgung bzw. Tilgungsreife anknüpft und § 29 Abs. 7 StVG an die nach Eintritt der Tilgungsreife, nämlich nach Ablauf der Überliegefrist erfolgende Löschung (BayVGH, B.v. 6.10.2017 – 11 CS 17.953 – juris Rn. 16). Dies bedeutet, dass die Löschung einer Eintragung im Fahreignungsregister wegen Ablaufs der Überliegefrist der Verwertung dieser Eintragung zum Zwecke der Entziehung der Fahrerlaubnis auch dann entgegensteht, wenn die Löschung nur zum Zeitpunkt der Entziehungsentscheidung der Fahrerlaubnisbehörde gegeben war, nicht aber bereits zu dem in § 4 Abs. 5 Satz 5 bezeichneten Zeitpunkt (Hühnermann in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Auflage 2020, § 4 StVG Rn. 31a).
31
Auch bei Berücksichtigung dieser Maßstäbe stellt sich der Entzug der Fahrerlaubnis vorliegend als rechtmäßig dar. Denn zum einen hat die Fahrerlaubnisbehörde bei der Berechnung des Punktestands für die Entziehung der Fahrerlaubnis keine Eintragungen verwertet, die im Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis am 9. Juni 2020 wegen Ablaufs der Überliegefrist bereits gelöscht waren. Zwar sind zum Zeitpunkt des 9. Juni 2020 die Taten vom 13. Februar 2015, 9. Oktober 2015 und 17. Oktober 2015 tatsächlich gelöscht bzw. zu löschen gewesen. Jedoch sind diese Taten nicht in die Punkteberechnung für die Entziehung der Fahrerlaubnis miteinbezogen worden. Die Fahrerlaubnisbehörde hat für die Entziehung der Fahrerlaubnis lediglich die in der dargestellten Tabelle grau unterlegten Taten verwertet, nämlich die Tat vom 30. Juli 2017, die Tat vom 27. April 2016 und die Tat vom 23. März 2020. Diese Taten waren zum Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis offensichtlich nicht gelöscht. Eine Verwertung bereits gelöschter Eintragungen für den Entzug der Fahrerlaubnis und damit ein Verstoß gegen das Verwertungsverbot des § 29 Abs. 7 StVG liegt demnach nicht vor.
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Zum anderen führt die Rechtsprechung bezüglich des Verwertungsverbots nach § 29 Abs. 7 StVG auch nicht dazu, dass vor der Entziehung der Fahrerlaubnis die Vorschaltmaßnahmen deshalb erneut hätten ergriffen werden müssen, weil die Taten vom 13. Februar 2015, 9. Oktober 2015 und 17. Oktober 2015 im Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis am 9. Juni 2020 bereits gelöscht bzw. zu löschen waren und diese Taten für die Ermahnung vom 22. März 2017 und die Verwarnung vom 9. November 2017 verwertet wurden. Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten des Antragstellers hat die Löschungsreife der genannten Eintragungen zum Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis nicht zur Folge, dass damit nachträglich auch die (damals rechtmäßige) Ermahnung und Verwarnung unwirksam werden. Die dargestellte Rechtsprechung ist nicht so zu verstehen, dass die (erst) im Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis bestehende Löschungsreife von Eintragungen auch alle vorherigen Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde, bei denen diese Eintragungen verwertet wurden, unwirksam macht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass für die Frage des Vorliegens eines Verwertungsverbots nach § 27 Abs. 9 StVG auf die jeweilige Maßnahme abzustellen ist. Es dürfen also nur solche Eintragungen für eine Maßnahme der Fahrerlaubnisbehörde nicht verwertet werden, die im Zeitpunkt der jeweiligen Maßnahme gelöscht sind. Dagegen ist es für die Rechtmäßigkeit der jeweils getroffenen Maßnahme unschädlich, wenn die für diese Maßnahme verwerteten Eintragungen später gelöscht werden.
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Auch der Umstand, dass die Rechtmäßigkeit der nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG auf dritter Stufe erfolgenden Entziehung der Fahrerlaubnis von der ordnungsgemäßen Durchführung der Vorschaltmaßnahmen abhängt (vgl. § 4 Abs. 6 Satz 1 StVG), rechtfertigt nicht, das Verwertungsverbot bezüglich solcher Eintragungen, die im Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis gelöscht sind, nachträglich auch auf die Vorschaltmaßnahmen auszudehnen, obwohl zum Zeitpunkt des Ergreifens der Vorschaltmaßnahmen eine Löschung der hierbei verwerteten Eintragungen noch nicht erfolgt ist. Eine andere Auffassung ist mit dem Sinn und Zweck und der Systematik des Fahreignungs-Bewertungssystems nicht zu vereinbaren. Der Gesetzgeber wollte mit der Normierung des Verwertungsverbots in § 29 Abs. 7 StVG zwar das weitgehende Tattagprinzip einfangen. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit dem Verwertungsverbot darüberhinausgehend aber auch erreichen wollte, dass die Löschung von Eintragungen nicht nur ein Verbot der Verwertung dieser Eintragungen für zukünftige Maßnahmen, sondern auch für bereits getroffene Maßnahmen nach sich zieht, sind nicht ersichtlich.
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Die gegenteilige Auffassung hätte zudem zur Folge, dass eine Entziehung der Fahrerlaubnis überhaupt nur in den Fällen in Betracht kommt, in denen ein äußerst enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den jeweiligen Maßnahmen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 StVG besteht, da andernfalls Eintragungen, die für die Ermahnung und die Verwarnung verwertet wurden, in vielen Fällen zum Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis bereits gelöscht sein werden. Eine weitere Konsequenz dieser Auffassung wäre, dass selbst die Entziehung der Fahrerlaubnis nachträglich hinfällig würde, wenn dort verwertete Eintragungen nach der Entziehung der Fahrerlaubnis gelöscht werden. Diese Konsequenzen können vor dem Hintergrund des Sinn und Zwecks des Fahreignungs-Bewertungssystems, nämlich die Verkehrssicherheit durch den Ausschluss von Mehrfachtätern von der Straßenverkehrsteilnahme zu schützen, nicht gewollt sein.
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Daher bestehen an der Rechtmäßigkeit der Ermahnung vom 22. März 2017 und der Verwarnung vom 9. November 2017, für deren Ergreifung lediglich solche Eintragungen verwertet wurden, die im Zeitpunkt der Ergreifung der jeweiligen Vorschaltmaßnahme noch nicht gelöscht waren, keine Zweifel.
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Nach alledem war dem Antragsteller gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG die Fahrerlaubnis zu entziehen. Wie sich bereits aus dem Wortlaut ergibt, handelt es sich hierbei um eine gebundene Entscheidung, das heißt, die Fahrerlaubnisbehörde hat ohne Ausübung weiteren Ermessens und ohne Prüfung der Verhältnismäßigkeit die Fahrerlaubnis zu entziehen. Billigkeitserwägungen wie das vorliegend geltend gemachte Angewiesensein auf die Fahrerlaubnis zum Zwecke der Berufsausübung können deshalb keine Berücksichtigung finden.
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Die Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgte demnach rechtmäßig.
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3. Aufgrund der rechtmäßigen Fahrerlaubnisentziehung ist auch der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins wiederherzustellen, nicht erfolgreich, da sich die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV als Annexentscheidung zur Fahrerlaubnisentziehung als rechtmäßig erweist.
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Der diesbezüglich in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Sofortvollzug wahrt auch die Begründungsanforderung des § 80 Abs. 3 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist das besondere öffentliche Vollzugsinteresse, dessentwegen ein Abwarten der Entscheidung über die Klage nicht möglich ist, besonders darzulegen. Diesen Anforderungen wird die vorliegende Begründung im angegriffenen Bescheid gerecht. Es wird insoweit ausgeführt, dass durch die Abgabe des Führerscheins nach außen hin dokumentiert werden solle, dass eine gültige Fahrerlaubnis nicht vorliegt. Somit könne die Polizei bei Verkehrskontrollen nicht über die Gültigkeit des Führerscheins getäuscht werden. Dadurch würden mögliche Sicherheitsrisiken für andere Verkehrsteilnehmer minimiert. Dies ist nicht zu beanstanden.
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4. Die Kostenentscheidung basiert auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. den Ziffern 1.5, 46.1, 46.3, 46.4 und 46.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung des Jahres 2013.