Titel:
Eilverfahren, (Erweiterte) Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit, Straftaten (Versicherungsbetrug), Anordnung des Sofortvollzugs, Interessenabwägung
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
GewO § 35 Abs. 1
StGB § 263
Schlagworte:
Eilverfahren, (Erweiterte) Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit, Straftaten (Versicherungsbetrug), Anordnung des Sofortvollzugs, Interessenabwägung
Rechtsmittelinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 02.06.2020 – 22 CS 20.802
VG Würzburg, Urteil vom 22.07.2020 – W 6 K 20.380
VGH München, Beschluss vom 02.06.2022 – 22 CS 20.802
Fundstelle:
BeckRS 2020, 60144
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller (geb. …1979) wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer erweiterten Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit.
2
1. Laut Gewerbemeldung vom 8. August 2019 betreibt der Antragsteller in M. … seit ... 2019 das stehende Gewerbe „H. … m.. K.. (G. ….) und M. … a. ... Im Zuge der gesetzlich vorgesehenen Überprüfung des überwachungsbedürftigen Gewerbes (§ 38 Abs. 1 Nr. 1 Buchs. b GewO) wurden dem L. … A. … (künftig: Landratsamt) folgende drei Eintragungen des Antragstellers im Führungszeugnis bekannt:
a) Datum der Entscheidung: …2016
Erkennende Stelle: L. A. …
Datum der Rechtskraft: …2017
Datum der letzten Tat: …2012
Tatbezeichnung: Betrug in 4 Fällen
Angewandte Vorschriften: StGB § 263 Abs. 1, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 25 Abs. 2, § 52
Verhängte Strafe: 3 Jahre Freiheitsstrafe
b) Datum der Entscheidung: …2016
Erkennende Stelle: L. A. …
Datum der Rechtskraft: …2017
Datum der letzten Tat: …2013
Tatbezeichnung: Betrug in 2 Fällen
Angewandte Vorschriften: StGB § 263 Abs. 1, § 25 Abs. 2, § 56
Verhängte Strafe: 1 Jahr 10 Monate Freiheitsstrafe Bewährungszeit 3 Jahre
c) Datum der Entscheidung: …2018
Erkennende Stelle: L. A. …
Datum der Rechtskraft: …2018
Datum der letzten Tat: …2012
Verhängte Strafe: 3 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe
3
Nachträglich durch Beschluss gebildete Gesamtstrafe (einbezogen wurde die Entscheidung des L. A. … vom ... 2016 im Verfahren ... sowie des L. A. … vom ... 2016 im Verfahren ....).
4
Nachdem der Antragsteller zwei Drittel der vorstehenden Gesamtfreiheitsstrafe verbüßte, wurde die Vollstreckung mit Beschluss des L. A. … - Strafvollstreckungskammer vom ... 2019 (Az. ... zur Bewährung ausgesetzt und eine Bewährungszeit bis 8. September 2022 festgesetzt.
5
2. Mit Schreiben des Landratsamtes vom 19. Dezember 2019 wurde der Antragsteller zur beabsichtigten Gewerbeuntersagung seines angemeldeten und seit ... 2019 betriebenen Gewerbes angehört. Mit Schreiben vom 10. Januar 2020 nahm der Bevollmächtigte des Antragstellers Stellung und führte aus, dass die rechtlichen Voraussetzungen einer erweiterten Gewerbeuntersagung trotz der strafrechtlichen Verurteilungen nicht vorlägen.
6
Mit Schreiben vom 9. Januar 2020 äußerte die angehörte Industrie- und Handelskammer zu der beabsichtigten Gewerbeuntersagung keine Einwände.
7
3. Mit Bescheid vom 5. Februar 2020 untersagte das Landratsamt dem Antragsteller die Ausübung des Gewerbes „H. … m.. K.. (G. ….)“ (Nr. 1a) sowie in Bezug auf dieses Gewerbe die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden (Nr. 1b) sowie ebenfalls in Bezug auf dieses Gewerbe die Tätigkeit als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person (Nr. 1c). Zur Abwicklung bestehender vertraglicher Pflichten wurde dem Antragsteller eine Frist von zwei Monaten eingeräumt (Nr. 2). Für den Fall der Nichtbeachtung der Pflichten aus Nr. 1 des Bescheides wurden dem Antragsteller Zwangsgelder in gestaffelter Höhe angedroht (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Gewerbeuntersagung gem. Nr. 1 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 4). Dem Antragsteller wurden schließlich die Kosten des Verfahrens (Gebühr in Höhe von 200,00 EUR sowie Auslagen in Höhe von 3,68 EUR) auferlegt.
8
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, bei Durchsicht der Strafverfahrensakten bezüglich der im Führungszeugnis enthaltenen Eintragungen sei festgestellt worden, dass den Verurteilungen des Antragstellers sechs Fälle von Betrug gegenüber Versicherungen durch provozierte, manipulierte, abgesprochene oder vorgetäuschte Verkehrsunfälle zugrunde lägen. Diese habe der Antragsteller mit anderen Personen begangen. Er sei zu dieser Zeit auch als selbstständiger Autohändler tätig gewesen. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO sei die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Dies sei hier erfüllt. Die Feststellung der Unzuverlässigkeit des Antragstellers stütze sich auf die zahlreichen Verurteilungen wegen strafrechtlicher Delikte. Für das vom Antragsteller angemeldete Gewerbe eines Handels mit gebrauchten K.. seien die Verurteilungen durch das L. A. … wegen Versicherungsbetrugs durch provozierte, abgesprochene oder vorgetäuschte Verkehrsunfälle von erheblicher Bedeutung. Sie würden gerade auch mit Blick auf den vom Antragsteller erneut begonnen Handel mit gebrauchten K.. einen unmittelbaren Gewerbebezug aufweisen, insbesondere da der Antragsteller zum Zeitpunkt der Betrugsdelikte ebenfalls einen gewerbsmäßigen Handel mit gebrauchten K.. ausgeübt habe. Beim Handel mit K.. (G. ….) würden sich wiederum Gelegenheiten für unseriöse Praktiken ergeben. Gerade hier bestehe die Gefahr, dass der Antragsteller diesen Versuchungen nicht widerstehen könne. Insoweit gälte es Kunden und Dritte zu schützen. Die Verurteilungen des Antragstellers ließen den Schluss zu, dass dieser das Eigentum und Vermögen anderer Personen nicht respektiere und würden das Bild eines mit den Gesetzen wiederholt in Konflikt geratenen, Regeln nicht respektierenden Gewerbetreibenden abrunden. Das Verhalten lasse auf einen ausgeprägten Hang zur Missachtung von Vorschriften schließen und künftig weitere Verstöße befürchten. Die begangenen und verurteilten Vermögensdelikte würden aufzeigen, dass sich der Antragsteller zum Schaden Dritter, hier von Kraftfahrzeugversicherungen, bereichert habe und dabei eine erhebliche kriminelle Energie und Raffinesse aufgebracht habe. Wer in der Vergangenheit dermaßen seine Pflichten verletzt habe, biete nicht die Gewähr dafür, dass zukünftig seinen Betrieb einwandfrei führen werde. Da der Antragsteller sein Gewerbe infolge der betriebsbedingten Kündigung seiner Arbeitsstelle nunmehr zum Haupterwerb umgemeldet habe und keine weiteren Einnahmequellen mehr vorhanden seien, erhöhe sich die Gefahr, dass der Antragsteller erneut Verstöße wegen Betrugs begehe und sich nicht an die bestehenden Gesetze halte. Der Antragsteller sei daher derzeit gewerberechtlich in Bezug auf das von ihm ausgeübte sensible Vertrauensgewerbe „H. … mit K.. (G. ….)“ unzuverlässig. Bei dieser Sach- und Rechtslage sei es erforderlich, dem Antragsteller den Betrieb seines Gewerbes zu untersagen, da nur so Dritte bzw. die Allgemeinheit davor geschützt werden könne, durch erneute Pflichtverletzungen geschädigt zu werden.
9
Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO könne die Gewerbeuntersagung auch auf alle Gewerbe erstreckt werden, wenn die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende für alle anderen Gewerbe sowie die Tätigkeit eines Vertretungsberechtigten eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person gemäß § 35 GewO unzuverlässig ist. Dies sei nur zulässig, soweit eine solche Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich sei. Im vorliegenden Fall sei es nicht gerechtfertigt, dem Antragsteller die Ausübung aller Gewerbe zu untersagen, da sich dessen Unzuverlässigkeit spezifisch auf das ausgeübte Gewerbe beziehe, in welchem die erheblichen Straftaten wegen Versicherungsbetruges begangen worden seien. Die Untersagung beschränke sich daher auf das wieder angemeldete Gewerbe „H. … mit K.. (G. ….)“ und betreffe nicht alle anderen Gewerbe, wie z.B. das ebenfalls vom Antragsteller angemeldete Gewerbe „H. … m.. M. … a. … A..“. Jedoch sei es veranlasst, die Untersagung auch auf die Tätigkeit eines Vertretungsberechtigten eines Gewerbetreibenden und die Tätigkeit als mit der Leitung eines Gewerbetriebs beauftragte Person - jeweils in Bezug auf das Gewerbe „H. … m.. K.. (G. ….)“ - auszudehnen. Der Antragsteller sei auch für solche Tätigkeiten als unzuverlässig anzusehen, da er bei deren Ausübung - mit Blick auf seine strafrechtliche Vergangenheit - Dritte und die Allgemeinheit in gleicher Weise schädigen könne wie bei der angemeldeten Tätigkeit als selbstständiger Gewerbetreibender. Angesichts der Vielzahl der begangenen Delikte sowie der Gefahr, dass auch in Zukunft solche Delikte im Zusammenhang mit dem Gewerbe „H. … mit K.. (G. ….)“ begangen werden können, sei auch bei Vertretungs- und Betriebsleitungstätigkeiten von einer Unzuverlässigkeit auszugehen. Das bisherige Verhalten des Gewerbetreibenden sowie sein Lebensalter würden dafürsprechen, dass der Antragsteller auf eine Vertretungs- und Betriebsleitungstätigkeit ausweichen könnte, sofern dies nicht untersagt werde. Die insoweit ausgesprochene erweiterte Gewerbeuntersagung sei auch nicht unverhältnismäßig.
10
Die eingeräumte Abwicklungsfrist sei im Hinblick auf die Tätigkeitsart ausreichend bemessen, um noch zu erledigende Aufträge beenden zu können.
11
Die sofortige Vollziehung sei gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO anzuordnen gewesen, um zu verhindern, dass durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs der Bescheid lange Zeit unwirksam werden könne. Es läge im besonderen öffentlichen Interesse, dass ein weiteres gewerberechtliches Handeln in Bezug auf das ausgeübte sensible Vertrauensgewerbe „H. … m.. K.. (G. ….)“ verhindert werde. Es gälte angesichts der begangenen Delikte und der Gefahr, dass auch in Zukunft solche Delikte im Zusammenhang mit der Ausübung des Gewerbes begangen werden könnten, einen zu befürchtenden Schaden für die Allgemeinheit zu verhindern. Das gleiche gälte für die untersagte Vertretungs- und Betriebsleitungstätigkeit.
12
Die Androhung der Zwangsgelder stütze sich auf Art. 29 ff. des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Die Zwangsgelder in der jeweils angedrohten Höhe würden erforderlich und angemessen erscheinen. Die Kostenentscheidung beruhe auf Art. 1, 2, 5, 6 und 10 des Kostengesetzes in Verbindung mit Tarif-Nr. 5.III.5/15 des Kostenverzeichnisses. Der Bescheid vom 5. Februar 2020 wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 7. Februar 2020 zugestellt.
13
4. Am 3. März 2020 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 5. Februar 2020 erheben. Zu Begründung wurde ausgeführt, der Bescheid sei rechtswidrig und verletze den Antragsteller in seinen Rechten, da sowohl die Voraussetzungen der einfachen Gewerbeuntersagung sowie der erweiterten Gewerbeuntersagung nicht vorlägen. Der Antragsteller sei nicht unzuverlässig in Bezug auf die Ausübung des Gewerbes „H. … m.. K.. (G. ….)“. Die Vorstrafen des Antragstellers alleine seien nicht ausreichend, um eine Unzuverlässigkeit anzunehmen. Die Behörde habe zutreffend festgestellt, dass der Antragsteller Betrugsstraftaten begangen habe. Sie habe es aber unterlassen, die strafrechtlichen Verurteilungen dahingehend zu prüfen, ob sie einen Bezug auf das ausgeübte Gewerbe aufweisen. Der Bescheid beschränke sich darauf, den Schuldspruch und das Strafmaß für die Schlussfolgerung heranzuziehen, dass Betrugsstraftaten zulasten einer Versicherung darauf schließen lassen, dass sich im Rahmen eines K..-G. … Gelegenheiten für unseriöse Praktiken ergäben. Es sei nicht beachtet worden, dass die gemeinsame Begehung dieser Straftaten des Antragstellers mit seinem Bruder und weiteren guten Bekannten zwar mehrfache wiederholte, doch in Zusammenschau der Ereignisse eine einmalige Verfehlung gewesen sei. Vor dieser Serie von Betrugstaten habe sich der Antragsteller straffrei gehalten. Den tatsächlichen Feststellungen sei weiterhin zu entnehmen, dass der Antragsteller hinsichtlich des gesamten Geschehens nur eine Randfigur gewesen sei, da er nur Teilakte der arbeitsteiligen Tathandlungen vollführt habe. Der Antragsteller sei nicht aufgrund der gewerblichen Tätigkeit, sondern aufgrund einer Verleitung durch Bekannte in die strafbaren Handlungen involviert worden.
14
Die Feststellungen des Strafurteils seien von der Behörde ferner auch unzutreffend gewürdigt worden, da diese nicht gewerbebezogenen gewesen seien. Dass sich im K..-H. … Gelegenheiten zu unseriösen Praktiken ergeben könnten, sei prinzipiell zutreffend, könne aber nicht zu der Schlussfolgerung führen, der Antragsteller könne einer solchen Versuchung nicht wiederstehen. Für eine solche Prognose gäbe es keine Anhaltspunkte aus der Vergangenheit. Im Bescheid werde lediglich erwähnt, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der begangenen Delikte ebenfalls ein Gewerbe als K..-H. … ausgeübt habe. Zwar könne man die Auffassung vertreten, dass der Antragsteller deshalb ein Spezialwissen aufweise, welches er bei der Begehung seiner Straftaten ausgenutzt haben könnte. Daraus könne jedoch nicht abgeleitet werden, dass der Antragsteller unzuverlässig in Bezug auf dieses Gewerbe sei. Schließlich hätten keine der begangenen Straftaten, die er ausschließlich als „Privatmann“ begangen habe, irgendeinen direkten Bezug zu seinem Gewerbe. Der Antragsteller habe sein Gewerbe in keiner Weise zur Begehung der Betrugstaten „eingesetzt“. Er führe sein Gewerbe seit mittlerweile 20 Jahren tadellos und sei einmalig mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Demgegenüber dürfe eine private Verfehlung im Rahmen der Prognoseentscheidung kein größeres Gewicht haben.
15
Das Gewerbe des Antragstellers sei aktuell sowie auch im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids wirtschaftlich sehr erfolgreich, sodass eine wirtschaftliche Notwendigkeit, sich rechtswidrig zu bereichern, aktuell nicht bestehe. Dagegen würde dem Antragsteller die Existenzgrundlage entzogen, wenn ihm das Gewerbe untersagt würde. Er und seine Familie wären in diesem Fall mittel- und langfristig von staatlicher Unterstützung abhängig.
16
Der Kläger habe den angerichteten Schaden durch eine Einigung mit den geschädigten Versicherungen bereits vor Bescheiderlass komplett ausgeglichen und auch freiwillig erhaltene Fördergelder (Gründungszuschuss) zurückgezahlt, da er dem Staat nichts schuldig sein wolle. Es liege daher keine grundsätzliche Gleichgültigkeit gegenüber fremdem Vermögen vor.
17
Es spräche auch alles für eine erfolgreiche Resozialisierung des Antragstellers. Die Entscheidung des L. A. … - Strafvollstreckungskammer sei ausdrücklich von der Staatsanwaltschaft befürwortet worden. Die Zeit des Antragstellers in der Justizvollzugsanstalt habe beim Antragsteller zu einem Lernprozess geführt, aufgrund dessen letztendlich die Strafaussetzung zur Bewährung habe gerechtfertigt werden können. Der Antragsteller sei nach seiner Haft in ein intaktes familiäres Umfeld zurückgekehrt. Dies sei im Rahmen der Prognoseentscheidung zu berücksichtigen.
18
5. Am 3. März 2020 ließ der Antragsteller im zugrundeliegenden Verfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 3. März 2020 gegen den Bescheid des Landratsamtes A. … vom 5. Februar 2020 wiederherzustellen und die sofortige Vollziehung von Ziff. 1 dieses Bescheides aufzuheben.
19
Zur Begründung wurde zunächst auf vorstehende Ausführungen zur Begründung der erhobenen Anfechtungsklage verwiesen. Ergänzend wurde ausgeführt, die Anordnung der sofortigen Vollziehung von Ziff. 1 des Bescheids vom 5. Februar 2020 sei rechtswidrig, da sie nicht hinreichend begründet worden sei. Die Anordnung einer sofortigen Vollziehung einer (erweiterten) Gewerbeuntersagung erfordere im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip die aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls gewonnene zusätzliche Feststellung, dass die sofortige Vollziehbarkeit schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens zur Abwehr konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter notwendig sei. Es müssten konkret die Gründe angegeben werden, die dafürsprächen, dass die sofortige Vollziehung aufgrund erheblicher öffentlicher Interessen notwendig sei und warum die Interessen des Betroffenen dahinter zurückstehen müssten. Eine solche zusätzliche Feststellung hinsichtlich eines besonderen Vollzugsinteresses sei im Bescheid unterblieben. Es werde lediglich darauf verwiesen, dass die Gefahr bestünde, dass der Antragsteller in Zukunft Delikte im Zusammenhang mit der Ausübung seines Gewerbes begehen könnte.
20
Der Antragsgegner beantragte,
21
Zur Begründung wurde ausgeführt, es sei zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich und geboten, die sofortige Vollziehung der Gewerbeuntersagung anzuordnen. Die Verurteilungen des Antragstellers seien für das vom Antragsteller angemeldete Gewerbe eines Handels mit gebrauchten K.. von erheblicher Bedeutung und gewerberechtlich relevant. Der Antragsteller sei bis zu einer Festnahme als Automobilhändler tätig gewesen. Spätestens im Jahr 2010 habe er sich entschlossen, mit Dritten Autounfälle zu stellen, um so in den Genuss von Ersatzleistungen der K..-Versicherungen zu kommen. Die Teilnehmer der Straftaten würden in den Strafakten als Bandenmitglieder bezeichnet, die auf ein möglichst konspiratives Verhalten bedacht gewesen seien und zur Verschleierung Strohmänner/-frauen eingesetzt hätten. Es werde dort aufgeführt, dass vornehmlich der Antragsteller für die Durchführung und Organisation der provozierten, manipulierten, abgesprochenen oder vorgetäuschten Verkehrsunfälle zuständig gewesen sei. Das Verhalten des Antragstellers lasse auf einen ausgeprägten Hang zur Missachtung von Vorschriften schließen und künftig weitere Verstöße befürchten. Eine Verurteilung wegen Betruges sei selbst dann für eine gewerbliche Betätigung relevant, wenn sie im privaten Bereich begangen worden sei, denn sie stelle die Redlichkeit des Betroffenen in Frage; er biete dann keine Gewähr, dass er im beruflich-gewerblichen Bereich vertrauenswürdig sei. Die Betrugshandlungen hätten hier durchaus konkret mit K.. bzw. dem Zugriff darauf und Umgang damit zu tun gehabt. Auch das Verhalten des Antragstellers nach Haftentlassung sei nicht geeignet, ihn jetzt als zuverlässig anzusehen. Die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung besage nicht, dass keine Rückfallwahrscheinlichkeit bestehe, sondern nur, dass es das Gericht für verantwortbar hielt, zu erproben, ob er keine Straftaten mehr begehen werde. Um einen zu befürchtenden Schaden von der Allgemeinheit abzuwenden, sei Eile geboten und könne nicht bis zur Bestandskraft der Gewerbeuntersagung zugewartet werden. Im Übrigen sei anzumerken, dass der Antragsteller andere gewerbliche Tätigkeiten ausüben dürfe, da von einer Untersagung weiterer oder aller Gewerbe abgesehen worden sei.
22
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtsakte im Hauptsacheverfahren (W 6 K 20.380) sowie die Behördenakte verwiesen.
23
Der Antrag, gerichtet auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der am 3. März 2020 eingereichten Klage gegen den Bescheid vom 5. Februar 2020, ist zulässig aber unbegründet.
24
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die erweiterte Gewerbeuntersagung entfällt im vorliegenden Fall, da die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Die Zwangsgeldandrohung ist von Gesetzes wegen sofort vollziehbar (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG).
25
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen sowie im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO anordnen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind (dazu 1.) und triff im Übrigen eine eigene Abwägungsentscheidung. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen (dazu 2. und 3.).
26
1. Die Anordnung des Sofortvollzugs der erweiterten Gewerbeuntersagung im Bescheid vom 5. Februar 2020 genügt den formellen Anforderungen. Das Landratsamt hat die Anordnung insbesondere in ausreichender Weise begründet. Die Vorschrift des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verlangt eine Darlegung der Gründe, die zu erkennen geben, dass die Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für ausnahmsweise geboten erachtet (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 55). Es müssen besondere, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde zum Sofortvollzug bewogen haben (Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 80 Rn. 247).
27
Diesen formellen Anforderungen genügt die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs im Bescheid vom 5. Februar 2020. Dort wird unter Ziff. IV. hervorgehoben, dass der Sofortvollzug gerade im Hinblick auf das vom Antragsteller ausgeübte „sensible Vertrauensgewerbe“ geboten ist. Die Begründung des Sofortvollzugs im Bescheid vom 5. Februar 2020 geht insoweit über die Gründe hinaus, die eine Gewerbeuntersagung grundsätzlich tragen würden. Eine (erweiterte) Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 GewO kommt schon ohne Rücksicht auf eine besondere gewerbepolizeiliche Sensibilität des konkreten Gewerbes in Betracht, wie sie der hier untersagten Tätigkeit des Gebrauchtwagenhandels als überwachungsbedürftiges Gewerbe zugrunde liegt (vgl. § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Alt. 1 GewO). Unter Verweis auf die gefahrspezifische Qualität des vom Antragsteller konkret ausgeübten Gewerbes wird deshalb der vom Antragsgegner angenommene fallbezogene Ausnahmecharakter des Sofortvollzugs erkennbar. Den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO wird damit Rechnung getragen und die Begründung genügt auch der im Hinblick auf Art. 12 GG (Berufsfreiheit) zusätzlich erforderlichen Feststellung, dass die sofortige Vollziehbarkeit bereits vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter notwendig ist (siehe hierzu unter 3.).
28
2. Eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache ist im vorliegenden Eilverfahren als Bestandteil der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen gerichtlichen Interessenabwägung zumindest für die Gewichtung und Abwägung der beteiligten Interessen von zentraler Bedeutung (Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 80 Rn. 156).
29
Daher spricht es bereits gegen ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung des Sofortvollzugs, dass die eingelegte Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, da die erweiterte Gewerbeuntersagung rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sowohl die mit Bescheid vom 5. Februar 2020 ausgesprochene Untersagung des vom Antragstellers ausgeübten Gewerbes „H. … m.. K.. (G. ….)“ (hierzu 2.1) als auch die Untersagung darauf bezogener Tätigkeiten als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden sowie als mit der Leitung eines solchen Gewerbebetriebes beauftragte Person (hierzu 2.2) genügen in formeller wie materieller Hinsicht den gesetzlichen Voraussetzungen.
30
2.1 Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung eines Gewerbes von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Unzuverlässig ist, wer aufgrund festgestellter Tatsachen nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß ausüben wird. Im Hinblick auf strafrechtlich relevantes Verhalten kann die Gewerbeuntersagung nicht allein auf die Tatsache einer strafgerichtlichen Verurteilung des Gewerbetreibenden gestützt werden. Vielmehr muss die Behörde den bei der Verurteilung zugrundeliegenden Lebenssachverhalt daraufhin beurteilen, ob sich daraus auf die Unzuverlässigkeit für das ausgeübte Gewerbe oder gar für jede Gewerbetätigkeit schließen lässt. Bereits ein einmaliger Verstoß gegen Strafgesetze kann die Unzuverlässigkeit des Betroffenen indizieren, wenn es sich um ein gravierendes Delikt handelt und Gewerbebezug vorhanden ist. Eine Unzuverlässigkeit ist insbesondere dann zu bejahen, wenn die Häufung der Straftaten einen Hang zur Missachtung geltender Vorschriften erkennen lässt (siehe zum Ganzen Ennuschat in Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Auflage 2011, § 35 Rn. 39 m.w.N.).
31
Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen durfte der Antragsgegner im maßgeblichen Zeitpunkt der Gewerbeuntersagung aufgrund der tatmehrheitlichen Betrugsstraftaten des Antragstellers von dessen gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit ausgehen. Nach Maßgabe der tatsächlichen Feststellungen des L. A. … (§ 35 Abs. 3 GewO) sind die Delikte des Antragstellers ihrer Anzahl und ihrer Bedeutung nach geeignet, dessen Unzuverlässigkeit zu begründen (2.1.1). Die Straftaten wegen Betruges weisen insoweit auch einen Bezug zum Gewerbe des Antragstellers auf (2.1.2). Daher liegen hinreichende Gründe vor, die nach Maßgabe einer Prognoseentscheidung die Untersagung des Gewerbes erforderlich machen (2.1.3). Im Einzelnen:
32
2.1.1 Sowohl ihrer Anzahl als auch ihrer jeweiligen Bedeutung nach weisen die Verurteilungen des Antragstellers wegen Betruges aus, dass dieser nicht bereit ist, auf die vermögensrechtlichen Belange Dritter diejenige Rücksicht zu nehmen, wie es für die ordnungsgemäße Ausführung eines jeden Gewerbes notwendig wäre. So wurde er Antragsteller in vier tatmehrheitlichen Fällen wegen gewerbsmäßigen Betruges sowie in zwei weiteren tatmehrheitlichen Fällen wegen Betruges verurteilt.
33
Ausweislich der Feststellungen des L. A. … (Urteil vom …2016, S. 31 f.) sprach sich der Antragsteller Ende 2010 mit weiteren Personen ab, durch einen fingierten Verkehrsunfall unrechtmäßig Versicherungsleistungen zu erhalten. Dazu verunfallte der Antragsteller einen ihm gehöhrenden PKW (M. … . ....) auf einer Bundesstraße bewusst mit dem PKW eines anderen Tatbeteiligten. Eine Versicherung zahlte hierauf insgesamt 14.591,45 EUR an den Antragsteller sowie 10.389,55 EUR an den weiteren Unfallbeteiligten aus. Das L. A. … verhängte gegen den Antragsteller deshalb wegen gewerbsmäßigen Betruges eine Einzelfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten.
34
Ende 2011 verabredete sich der Antragsteller mit einem Bekannten sowie weiteren Personen zu einer gestellten Fahrzeugkollision, um Versicherungsleistungen zu erhalten (L. A. …, Urteil vom …2016, S. 39 ff.). Auf Grundlage eines von einer dritten Person gefälschten Schadensgutachtens erhielt der Antragsteller für seinen PKW (A. ... Versicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 9.325,97 EUR. Ein anderer Tatbeteiligte vereinnahmte 6.379,00 EUR. Das L. A. … verhängte gegen den Antragsteller deshalb wegen gewerbsmäßigen Betruges eine Einzelfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten.
35
Im August 2012 fingierte der Antragsteller mit zwei weiteren Personen einen Auffahrunfall (L. A. …, Urteil vom …2016, S. 42 ff.). Für die mithilfe eines von einer dritten Person gefälschten Sachverständigengutachtens ermittelten Schäden am Fahrzeug des Antragstellers (O. … I. ….) bekam dieser Versicherungsleistungen in Höhe von 5.286,87 EUR. Die weitere Unfallbeteiligte erhielt Leistungen in Höhe von 3.556,10 EUR. Das L. A. … verhängte gegen den Antragsteller deshalb wegen gewerbsmäßigen Betruges eine Einzelfreiheitsstrafe von 1 Jahr.
36
Im Januar 2013 fuhr der Antragsteller mit seinem Fahrzeug (O. … I. ….) im Rahmen einer mit mehreren Personen abgesprochenen Kollision bewusst auf das Fahrzeug eines anderen Tatbeteiligten, um wiederum Versicherungsleistungen zu erhalten (L. A. … Urteil vom …2016, S. 47 ff.). Auf der Grundlage eines gefälschten Gutachtens zahlte die Versicherung für das KFZ des Antragstellers Versicherungsleistungen in Höhe von 4.869,87 EUR. Für den Schaden am anderen PKW wurden Leistungen in Höhe von 23.814,67 EUR gezahlt. Das L. A. … verhängte gegen den Antragsteller deshalb wegen gewerbsmäßigen Betruges eine Einzelfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten.
37
Im Mai 2012 verabredete der Antragsteller mit seinem Bruder sowie anderen Tatbeteiligten einen gestellten Verkehrsunfall, um einer Bekannten einen finanziellen Gefallen zu erfüllen (L. A. …, Urteil vom …2016, S. 3 ff.). Die auf Basis eines gefälschten Gutachtens getäuschte Versicherung zahlte hierauf an die Tatbeteiligten Versicherungsleistungen in Höhe von 27.376,42 EUR sowie 3.491,37 EUR aus. Das L. A. … verhängte gegen den Antragsteller deshalb wegen Betruges eine Einzelfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten.
38
Im Juni 2013 verabredete der Antragsteller erneut mit mehreren Tatbeteiligten einen fingierten Verkehrsunfall (L. A. …, Urteil vom …2016, S. 6 ff.), um einer Bekannten einen Gefallen zu erweisen. Die auf Basis eines gefälschten Gutachtens getäuschte Versicherung zahlte hierauf an die Tatbeteiligten Versicherungsleistungen in Höhe von 20.754,04 EUR sowie 3.491,37 EUR aus. Das L. A. … verhängte gegen den Antragsteller deshalb wegen Betruges eine Einzelfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten.
39
Dass es sich bei diesen rechtskräftig abgeurteilten Betrugstaten des Antragstellers in Zusammenschau der Ereignisse um eine einmalige Verfehlung gehandelt habe, wie der Antragsteller vortragen lässt, ist nicht zutreffend. Die vom Antragsteller in sechs tatmehrheitlichen Fällen von Januar 2011 bis Juni 2013 verübten Betrugstaten erfolgten im Zusammenwirken mit verschiedenen Beteiligten und erforderten jeweils voneinander unabhängige Organisations- und Durchführungsakte. Zudem handelt es sich bei den oben aufgeführten abgeurteilten Taten im Verfahren ... lediglich um diejenigen angeklagten Fälle, die der Antragsteller vor Gericht einräumte und deshalb verurteilt werden konnte. Es ist nicht auszuschließen, dass der Antragsteller während seiner gewerblichen Tätigkeit als G. … weitere Betrugstaten beging.
40
Im Übrigen kann sich die von der Behörde anzustellende Prognose, dass der Gewerbetreibende aufgrund der für die Vergangenheit festgestellten Verstöße für die Zukunft als unzuverlässig gilt, bereits auf eine erhebliche Straftat stützen (siehe etwa OVG NW, B.v. 16.6.2016 - 4 B 1401/15 - juris Rn. 13). Der Antragsteller wurde indes rechtskräftig wegen sechs tatmehrheitlichen Betrugstaten verurteilt, die - wie sich auch aus der Höhe der jeweils verhängten Einzelstrafen ergibt - jede für sich von erheblichem Gewicht waren. Die Tatsache, dass das L. A. … den Antragsteller in sechs Fällen als Täter und nicht nur als Teilnehmer der gemeinschaftlichen Betrugstaten verurteilte, lässt nur den Schluss zu, dass der Antragsteller dabei keinesfalls wie vorgebracht nur eine Randfigur war. Vielmehr offenbarte der Antragsteller eine besonders ausgeprägte kriminelle Energie als Teil eines auf Versicherungsbetrug ausgelegten Geschäftspartnerkreises. So nahm neben dem Antragsteller als K..-H. … unter anderem auch ein Inhaber einer K..-R. … sowie ein K..-S. … an gemeinschaftlich verübten Versicherungsbetrügereien teil. Nach den Feststellungen des A. A. … war man auf ein möglichst konspiratives Verhalten bedacht, setzte zur Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse Stroh-männer/-frauen aus dem Verwandten-/Freundes- oder Bekanntenkreises ein und schuf eine regelrechte Infrastruktur zur Abwicklung der Betrugstaten (siehe Urteil des A. A. … vom …2016 bezüglich des anderweitig verfolgten Bilal K., Az. ... …, S. . bzw. Bl. … der Behördenakte).
41
2.1.2 Die vom Antragsteller verübten Straftaten wegen Versicherungsbetruges stehen auch in Bezug zu dem von ihm ausgeübten Gewerbe.
42
Vorliegend spricht bereits vieles für das Vorbringen des Antragsgegners, wonach der vom Antragsteller zum Zeitpunkt der Begehung der Versicherungsbetrugstaten bereits betriebene G. … in M. … in einem konkreten Zusammenhang zur Betrugsdelinquenz des Antragstellers stand. So trifft das Vorbringen des Antragstellers nicht zu, er habe seinen G. … nicht zur Begehung der Straftaten „eingesetzt“. Denn ausweislich der tatsächlichen Feststellungen im Urteil des L. A. … vom ... 2016 wurde zumindest die Begehung einer der gemeinschaftlich verübten Betrugstaten bei einem Treffen des Antragstellers mit drei Mittätern auf dem Gelände seines Autohandels abgesprochen (L. A. …, Urteil vom …2016, S. 6). Ferner war der Antragsteller bei vier der von ihm gemeinschaftlich verübten Betrugstaten Halter oder Eigentümer eines der beteiligten Unfallfahrzeuge (1x M. ..., 1 x A..i … sowie 2 x O. … I. ….). Es erscheint naheliegender, dass es sich bei den zur Tatbegehung eingesetzten PKW mittlerer bzw. gehobener Fahrzeugklassen um im Betrieb des Antragstellers angekaufte Gebrauchtwagen handelte, anstatt dass dies ausschließlich privatgenutzte Fahrzeuge des Antragstellers waren. Der Bevollmächtigte des Antragstellers weist schließlich selbst darauf hin, dass man die Auffassung vertreten könnte, wonach der Antragsteller aufgrund seiner Tätigkeit im K..-G. … ein Spezialwissen aufweise, welches er bei der Begehung der Straftaten ausgenutzt haben könnte. Diese Annahme erscheint hier tatsächlich naheliegend. Gerade die zeitliche Nähe des Beginns der Tätigkeit des Antragstellers als selbstständiger G. … zur Begehung der Betrugstaten offenbart einen engen Bezug zwischen der Tätigkeit des Antragstellers als G. … sowie seiner (nach eigenem Vorbringen) erstmaligen Straffälligkeit. Der Antragsteller hat sich gerade nicht - wie er vortragen lässt - seit zwanzig Jahren „tadellos“ als …H. … gewerblich betätigt. Vielmehr hat er sich bereits kurze Zeit nach Aufnahme des G. … im Jahr 2009 oder 2010 (siehe die Feststellungen des L. A. …, Urteil vom ... 2016, S. 23 sowie Urteil vom ... 2016, S. 2) spätestens im Januar 2011 erstmals auf eine konspirative und gemeinschaftliche Verübung von Versicherungsbetrugstaten durch provozierte, abgesprochene oder vorgetäuschte Verkehrsunfälle eingelassen. Es spricht deshalb vieles dafür, dass der Antragsteller gerade auch wegen und mithilfe seiner Tätigkeit als Gebrauchtwagenhändler - wo er Zugriff auf und Umgang mit K.. hatte - gemeinschaftliche Betrugstaten verübte.
43
Ob ein konkreter Bezug der Betrugsstraftaten des Antragsstellers mit seinem ausgeübten Gebrauchtwagenhandel tatsächlich besteht, kann letztlich sogar dahinstehen. Denn für den von § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO vorausgesetzten Gewerbebezug ist es nicht zwingend erforderlich, dass die Tatsachen, die auf die Unzuverlässigkeit schließen lassen, auch im Rahmen des Gewerbebetriebes eingetreten sind (Brüning in BeckOK GewO, 49. Edition 1.3.2020, § 35 GewO Rn. 22). Selbst ein Verhalten außerhalb der Gewerbeausübung kann beachtliche Rückschlüsse auf Charakter oder Verhaltensweisen des Gewerbetreibenden begründen, die ihrerseits auch für sein Gewerbe relevant werden können (BayVGH, U.v. 20.2.2014 - 22 BV 13.1909 - juris Rn. 28). Es genügt insoweit, dass aus ihnen im Rahmen der Würdigung der Gesamtumstände auf die Unzuverlässigkeit im ausgeübten Gewerbe zu schließen ist.
44
Deshalb tragen die Verurteilungen des Antragstellers wegen (gewerbsmäßigen) Betruges an sich bereits die Feststellung der gewerblichen Unzuverlässigkeit. Die Respektierung des vom Betrugstatbestand (§ 263 StGB) geschützten und vom Antragsteller mehrfach missachteten Rechtsguts „fremdes Vermögen“ ist unabdingbare Voraussetzung für die ordnungsgemäße Ausübung eines jeden Gewerbes (BayVGH, B.v. 21.8.2012 - 22 C 12.1256 - juris Rn. 8). Bei Vermögensdelikten ist daher der von § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO geforderte Gewerbebezug generell für alle Gewerbezweige zu bejahen (siehe auch VG München, U.v. 4.6.2014 - M 16 K 13.4868 - juris Rn. 35; Ennuschat in Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Auflage 2011, § 35 Rn. 38). Eigentums- oder Vermögensdelikte eines Gewerbetreibenden können darauf schließen lassen, dass er dazu neigt, sich fremdes Eigentum oder Vermögen in strafbarer Weise zu verschaffen, und die betroffenen Rechtsgüter nicht respektiert (BayVGH, U.v. 20.2.2014 - 22 BV 13.1909 - juris Rn. 28). Es liegt auf der Hand, dass die Redlichkeit des Wirtschaftsverkehrs ganz erheblich gefährdet ist, wenn Personen, die vor betrügerischen Handlungen nicht zurückschrecken, als selbständige Gewerbetreibende oder als Vertretungsberechtigte eines anderen Gewerbetreibenden tätig werden.
45
2.1.3 Die mehrfachen und erheblichen Betrugstaten des Antragstellers erschüttern das notwendige Vertrauen in die künftige Redlichkeit seines gewerblichen Wirtschaftsgebarens deshalb so erheblich, dass eine Gewerbeuntersagung zum Schutze der Allgemeinheit erforderlich ist. Sie lassen einen Hang des Antragstellers zur Nichtbeachtung geltender Vorschriften erkennen. Der Antragsteller hat in der Vergangenheit in erheblicher und strafbarer Weise erkennen lassen, dass er aufgrund Gewinnstrebens bereit war, unter Verletzung der Rechtsordnung das Vermögen Dritter zu schädigen. Er bietet deshalb auch bei prospektiver Betrachtung keine Gewähr dafür, dass er nunmehr seinen G. … redlich und ordnungsgemäß sowie unter Einhaltung der Vorschriften führen wird.
46
Die dabei maßgebliche Prognose, ob in Zukunft ein gewerbebezogenes Fehlverhalten des Antragstellers wahrscheinlich ist, erfordert grundsätzlich keine feste Gewissheit; vielmehr genügt bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit, wobei auch eine abstrakte Gefahr - also eine nach der Lebenserfahrung typischerweise zu bejahende Gefährdungslage - grundsätzlich ausreicht (vgl. BT-Drs. 7/111, S. 5; siehe auch Ennuschat in Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Auflage 2011, § 35 Rn. 31).
47
Die Betrugstaten des Antragsstellers begründen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass dieser auch künftig in rechtswidriger Weise das Vermögen Dritter schädigen könnte und deshalb nicht die erforderliche Zuverlässigkeit zur selbstständigen gewerblichen Betätigung besitzt. Tragfähige Gesichtspunkte, die es ausschließen könnten, dass der Antragsteller sein Gewerbe künftig nicht ordnungsgemäß betreibt, sind nicht erkennbar. Insbesondere ist dies nicht deshalb ausgeschlossen, weil sein Gewerbe eigenen Angaben zufolge aktuell wirtschaftlich erfolgreich ist, sodass eine wirtschaftliche Notwendigkeit, sich rechtswidrig zu bereichern, für den Antragsteller aktuell nicht bestehen soll. Die zum Beleg dieser Behauptung vorgelegten betriebswirtschaftlichen Berichte zeigen ein vorläufiges Betriebsergebnis des Gewerbes des Antragstellers für den Zeitraum von September 2019 bis Dezember 2019 in Höhe von insgesamt 8.084,79 EUR, sodass insoweit kaum von einem wirtschaftlich prosperierenden Betrieb ausgegangen werden kann. Im Übrigen hat der Antragsteller weder vorgebracht, dass er die früheren Betrugstaten aus wirtschaftlichen Zwängen verübte, noch ist dies den strafgerichtlichen Urteilen zu entnehmen. Vielmehr hat der Antragsteller aus zwei seiner Betrugstaten überhaupt keinen finanziellen Vorteil gezogen, sondern diese aus reiner Gefälligkeit verübt (L. A. …, Urteil vom …2016, S. 24). Selbst wenn das Gewerbe des Antragstellers künftig erfolgreich besteht, ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass dieser erneut das Vermögen Dritter schädigt.
48
Auch die vom Antragsteller behauptete (indes nicht näher belegte) Schadenswiedergutmachung taugt nicht als Umstand für eine günstige Prognose. Da der Antragsteller von Rechts wegen zum Ausgleich des verübten Schadens verpflichtet ist (§ 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB) spricht dies im Hinblick auf seine gewerberechtliche Zuverlässigkeit weder für ihn noch gegen ihn. Ferner steht die (ebenfalls nicht belegte) Rückzahlung eines Gründerzuschusses in keinem erkennbaren Zusammenhang mit den verübten Betrugstaten.
49
Eine günstige gewerberechtliche Prognose folgt auch nicht aus der Aussetzung der verbleibenden Freiheitsstrafe des Antragstellers zur Bewährung. Die dem Beschluss des L. A. … - Strafvollstreckungskammer vom ... 2019 zugrundeliegende günstige Sozialprognose zwingt nicht zugleich zur Annahme einer gewerberechtlichen Zuverlässigkeit. Den Regelungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 StGB sowie des § 35 Abs. 1 GewO liegen nach einhelliger Rechtsprechung unterschiedliche Gefahrenmaßstäbe zugrunde (siehe BayVGH, B.v. 24.11.2016 - 22 ZB 16.1784 - GewArch 2017, 162 m.w.N.). Die Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ist für die gewerberechtliche Beurteilung nicht bindend, sondern für die Zuverlässigkeitsprognose nur von tatsächlichem Gewicht (BayVGH, B.v. 2.7.2014 - 22 CS 14.1186 - juris Rn. 16 m.w.N.). Andere Umstände des Einzelfalls können den Ausschlag dafür geben, eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit anzunehmen.
50
Eine nähere Würdigung der strafgerichtlichen Prognose lässt vorliegend keine tragenden Gesichtspunkte erkennen, die zu einer für den Antragsteller günstigen gewerberechtlichen Prognose führen. Inhaltlich zeigt die im Beschluss des L. A. … - Strafvollstreckungskammer vom ... 2019 enthaltene und am Maßstab des § 56 Abs. 2 StGB ausgerichtete Sozialprognose keine konkreten Anhaltspunkte, die einer positiven gewerberechtlichen Prognose zugrunde gelegt werden könnten. Konkrete Umstände, die eine künftige Einhaltung der mit einem Gewerbe verbundenen gesetzlichen Verpflichtungen erwarten lassen, sind den Ausführungen jedenfalls nicht zu entnehmen. Dass sich der Antragsteller im Vollzug gut geführt habe, lässt nicht zwingend auf eine künftige gewerberechtliche Zuverlässigkeit schließen, da dies zumindest auch durch den Druck des Strafverfahrens sowie zum Zwecke der Aussetzung der Strafvollstreckung bedingt sein kann. Auch die weiteren im Beschluss des L. A. … - Strafvollstreckungskammer vom ... 2019 genannten günstigen Umstände erscheinen nicht geeignet für eine positive gewerberechtliche Prognose. Insoweit ist zu berücksichtigten, dass gerade das gesicherte soziale Umfeld, in das der Antragsteller nunmehr zurückkehrt, eine tragende Bedeutung im Rahmen der Begehung der gemeinschaftlichen Betrugstaten hatte. So wirkte etwa der Bruder des Antragstellers ebenfalls bei mehreren Betrugstaten mit. Die Ehefrau des Antragstellers war nach den Feststellungen des A. A. … mit ihrem Fahrzeug zumindest bei einem der fingierten Unfälle involviert (siehe Urteil vom …2016 gegen den anderweitig verfolgten B. … K., Az. ... …, S. . f. bzw. Bl. … der Behördenakte). Die Rückkehr des Antragstellers in sein soziales Umfeld bietet deshalb keine Gewähr dafür, dass sich dieser künftig gewerberechtlich ordnungsgemäß verhalten wird. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass dem Antragsteller die im Bewährungsbeschluss als günstiger Umstand aufgeführte Arbeitsstelle bei der Firma M. (S. ….) inzwischen betriebsbedingt gekündigt wurde.
51
2.2 Auch die mit Bescheid vom 5. Februar 2020 ausgesprochene erweiterte Gewerbeuntersagung, die dem Antragsteller in Bezug auf das ausgeübte Gewerbe „H. … m.. K.. (G. ….)“ die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden sowie die Tätigkeit als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person untersagt, ist rechtmäßig, da die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO vorliegen und die Behörde das ihr zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat.
52
Es liegt auf der Hand, dass die Redlichkeit des Wirtschaftsverkehrs auch dann erheblich gefährdet ist, wenn Personen, die wie der Antragsteller vor betrügerischen Handlungen nicht zurückschrecken, als Vertretungsberechtigte eines anderen Gewerbetreibenden bzw. als Betriebsleiter eines Gewebebetriebes tätig werden. Der Antragsteller hat sich deshalb auch insoweit als unzuverlässig erwiesen. Besondere Umstände, die es ausschlössen, dass der Antragsteller in Zukunft solche Funktionen im Rahmen eines Gewerbebetriebes ausüben wird, wurden weder vorgetragen, noch sind solche ersichtlich. Die Behörde hat ermessensfehlerfrei unter Verweis auf das bisherige Verhalten des Antragstellers sowie sein Lebensalter angenommen, dass ein Ausweichen des Antragstellers auf eine Vertretungs- oder Leitungsfunktion eines Gewerbebetriebes möglich erscheint. Die Untersagung wurde daher zu Recht auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als Leiter eines Gewerbebetriebs ausgedehnt.
53
2.3 Die (erweiterte) Gewerbeuntersagung ist auch nicht unverhältnismäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine den gesetzlichen Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GewO entsprechende Gewerbeuntersagung allenfalls in extremen Ausnahmefällen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn verstoßen kann und mit Art. 12 Abs. 1 GG im Einklang steht (siehe etwa VGH München B.v. 23.11.2011 - 22 CS 11.2600 - juris). Ein solcher Ausnahmefall kann hier bereits deshalb nicht angenommen werden, weil dem Antragsteller mit Bescheid vom 5. Februar 2020 nur ein Teil seines Gewerbes - der H. … mit G. … - untersagt worden ist, obwohl aufgrund der Vermögensdelikte von einer gewerbeübergreifenden Unzuverlässigkeit ausgegangen werden kann. Auch ist deshalb das Vorbringen des Antragstellers nicht nachvollziehbar, wonach ihm die Gewerbeuntersagung seine Existenzgrundlage entziehe. Der Antragsteller kann nach Maßgabe des Bescheids vom 5. Februar 2020 seinen Maschinenhandel weiterführen. Im Übrigen bleibt es dem Antragsteller unbenommen, in abhängiger Stellung Arbeit anzunehmen, soweit damit nicht die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter oder mit der Leitung eines Gewerbetriebs beauftragte Person eines G. … verbunden ist.
54
2.4 Auch die dem Antragsteller eingeräumte Abwicklungsfrist begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Gleiches gilt für die Androhung der Zwangsgelder in gestaffelter Höhe sowie die sonstigen Nebenentscheidungen des Bescheids.
55
3. Auch eine von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs losgelöste gerichtliche Abwägung des Vollzugs- und Suspensivinteresses ergibt kein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfordert bei der Untersagung eines Gewerbes im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip die aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls gewonnene zusätzliche Feststellung, dass die sofortige Vollziehbarkeit schon vor der Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter notwendig ist (BayVGH, B.v. 11.12.2013 - 22 CS 13.2348 - juris Rn. 16 mit Verweis auf BVerfG, B.v. 13.8.2003 - 1 BvR 1594/03 - NJW 2003, 3617; BVerfG, B.v. 24.10.2003 - 1 BvR 1594/03 - NJW 2003, 3618; BayVGH, B.v. 10.11.2011 - 22 CS 11.1928 - juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 13.12.2011 - 22 CS 11.2428 - juris Rn. 6 f.; siehe auch VG Würzburg, B.v. 15.9.2016 - W 6 S 16.909 - juris Rn. 21). Dies erfordert tragfähige Feststellungen, dass über das allgemeine öffentliche Interesse am Bescheiderlass hinaus auch ein besonderes öffentliches Interesse den Sofortvollzug gebietet (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2013 - 22 CS 13.2348 - juris Rn. 17).
56
Allerdings ist auch unter Berücksichtigung des Vorstehenden anerkannt, dass das Interesse am Erlass und das besondere Interesse am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts auf dasselbe Ziel gerichtet sein kann und daher zusammenfällt, wenn schon der Erlass des Verwaltungsakts als solcher zur Abwehr entsprechender konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2019 - 22 CS 19.1417 - juris Rn. 35; BayVGH, B.v. 17.1.2012 - 22 CS 11.1972 - juris Rn. 21 f.; Heß in Friauf, GewO, Stand: Mai 2019, § 35 Rn. 520; Ennuschat in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 35 Rn. 170).
57
Vor diesem Hintergrund ist es nach Maßgabe einer Gesamtwürdigung der Umstände gerechtfertigt, dem Antragsteller die Ausübung des gewerblichen G. … schon vor rechtskräftigem Ausgang des Hauptsacheverfahrens zu untersagen. Bei dem von ihm ausgeübten Gewerbe des H. … mit gebrauchten F. … handelt es sich um ein sog. „Vertrauensgewerbe“ (vgl. Ennuschat in Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 35 Rn. 68), das im Hinblick auf die tangierten Rechtsgüter hohe Anforderungen an die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden stellt und bei dem in besonderem Maße auf die Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen geachtet werden muss (siehe zum Maklergewerbe BayVGH, B.v. 8.2.2017 - 22 C 16.1107 - juris Rn. 13). Dies spiegelt sich nicht zuletzt auch in der Aufnahme des G. … im Katalog der überwachungsbedürftigen Gewerbe (§ 38 Abs. 1 GewO) wider. Kriminalpolitischer Hintergrund dieser Einordnung ist unter anderem das Ziel, zum Schutz von Eigentum und Vermögen Dritter eine Perpetuierung von Eigentumsdelikten, insbesondere durch Hehlerei, zu verhindern (Schönleiter in Landmann/Rohmer, GewO, 82. EL Oktober 2019, § 38 Rn. 7; Tettinger/Wank/Ennuschat/Ennuschat, 8. Aufl. 2011, GewO § 35 Rn. 68). Ferner besteht beim Handel mit G. … in besonderem Maße die Möglichkeit zu unlauterem Geschäftsgebaren und zur Übervorteilung der mit den Wert- und Preisverhältnissen nicht vertrauten Kunden (vgl. BVerwG, U.v. 18.8.1960 - 1 C 103.57 - GewA 1961, 7). Neben dem Schutz vor Eigentums- und Vermögensschäden hat die von einem G. … geforderte gewerberechtliche Zuverlässigkeit auch Bezüge zum höchstrangigen Schutz von Leben und Gesundheit. Kunden sowie die übrigen Verkehrsteilnehmer sind auch davor zu schützen, dass gewerbliche H. … von G. … - etwa aus übersteigertem Profitstreben - ohne Wissen der Kunden mangelhafte bzw. nicht verkehrssichere Fahrzeuge in Verkehr bringen.
58
Die Verurteilungen des Antragstellers wegen (gewerbsmäßigen) Betruges zeigen jedoch, dass dieser gewillt war, sich mit erheblicher krimineller Energie und Raffinesse und im Zusammenwirken mit mehreren Beteiligten unter Verletzung der Rechtsordnung zu Lasten Dritter rechtswidrig zu bereichern. Die zum Schutz der genannten Rechtsgüter gestellten hohen Anforderungen an die Zuverlässigkeit eines Händlers mit gebrauchten K.. erfüllt er daher nicht. Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers indiziert die konkrete Gefährdung der von der Gewerbeuntersagung geschützten Rechtsgüter und rechtfertigt zugleich den Sofortvollzug, da es nach Ansicht des Gerichts nicht ausgeschlossen ist, dass sich die abzuwehrende Gefahr bereits vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisiert. Von Bedeutung sind insoweit gerade auch die zeitlichen Umstände. Der Antragsteller hat sein Gewerbe nicht wie behauptet bereits seit 20 Jahren tadellos geführt. Vielmehr begann er ein oder zwei Jahre nach Beginn seiner gewerblichen Tätigkeit mit der gemeinschaftlichen Begehung der Betrugstaten. Die Tatsache, dass der Antragsteller kurze Zeit nach seiner vorläufigen Entlassung aus der Haft sein Gewerbe wieder anmeldete und es im Anschluss an die betriebsbedingte Kündigung seines anderweitigen Arbeitsverhältnisses nunmehr im Haupterwerb betreiben möchte, begründet die Gefahr, dass dieser alsbald erneut und bereits vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens seine gewerbebezogenen Pflichten außer Acht lassen wird. Im Hinblick auf die gerade erst begonnene und noch bis 8. September 2022 andauernde Bewährungszeit steht der gesicherte Nachweis eines beständigen und vom Druck des Strafverfahrens unbeeinflussten Wohlverhaltens aus, das der Annahme einer künftigen Zuverlässigkeit des Antragstellers zugrunde gelegt werden könnte.
59
Schließlich ist im Rahmen einer gesonderten Verhältnismäßigkeitskontrolle für den Sofortvollzug zu berücksichtigten, dass dieser den Antragsteller zwar in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) einschränkt. Indes bezieht sich die Gewerbeuntersagung und damit auch der Sofortvollzug nur auf den Handel mit gebrauchten K.. und somit bloß auf einen Teil des vom Antragsteller angemeldeten Gewerbes. Die sofort vollziehbare Untersagung kommt deshalb auf Basis des angemeldeten Gewerbes in ihrer beschränkenden Intensität keinem vollumfänglichen Berufsverbot gleich. Auch bleiben dem Antragsteller nach Maßgabe des streitgegenständlichen Bescheids bis zum Abschluss des Hauptsachverfahrens sowie darüber hinaus anderweitige gewerbliche Tätigkeiten erlaubt. Da dem Antragsteller mithin Möglichkeiten zur Einnahmeerzielung sowohl im Rahmen seines Gewerbes „M. …“ als auch darüber hinaus verbleiben, trifft der bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens fortbestehende Sofortvollzug den Antragsteller nicht unverhältnismäßig.
60
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
61
5. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 sowie Nr. 54.2.1 und Nr. 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der summierte Wert von 20.0000,00 EUR war im Eilverfahren auf 10.000,00 EUR zu halbieren.