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VG Ansbach, Beschluss v. 16.09.2020 – AN 3 S 20.01646
Titel:

inzidente Normenkontrolle im Eilverfahren, Zweckentfremdung von Wohnraum, Bauantrag vor Inkrafttreten der Satzung, Zweckentfremdungsverbotssatzung der Stadt N., Nutzungsuntersagung und Rückführungsverpflichtung, Konzentrationswirkung einer Baugenehmigung, Zusicherung einer funktional nicht zuständigen Behörde

Normenketten:
ZwEWG § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Art. 3 Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5
ZwEWG Art. 1
ZwEWG Art. 2
ZwEVS § 2
ZwEVS § 4
ZwEVS § 5
Schlagworte:
inzidente Normenkontrolle im Eilverfahren, Zweckentfremdung von Wohnraum, Bauantrag vor Inkrafttreten der Satzung, Zweckentfremdungsverbotssatzung der Stadt N., Nutzungsuntersagung und Rückführungsverpflichtung, Konzentrationswirkung einer Baugenehmigung, Zusicherung einer funktional nicht zuständigen Behörde
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 20.10.2020 – 12 CS 20.2141
Fundstelle:
BeckRS 2020, 58855

Tenor

1. Die Anträge werden abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 30.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 14. August 2020 gegen die auf Grundlage der Zweckentfremdungsverbotssatzung der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 14. Juli 2020 in den Ziffern 3 und 4 angeordnete Nutzungsuntersagung und Rückführungsverpflichtung für 12 als Ferienwohnungen genutzte Wohnungen.
2
Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstückes FlNr. … der Gemarkung …, … in … Dort befinden sich neben 33 langzeitvermieteten Wohnungen folgende 12 als Ferienwohnungen genutzte Wohnungen mit einer Wohnfläche zwischen 24 und 53 qm:
- im Erdgeschoss: Wohnung 0.2
- im 2. Obergeschoss: Wohnung 2.22
- im 3. Obergeschoss: Wohnungen 3.35 und 3.37
- im 4. Obergeschoss: Wohnung 4.44
- im 5. Obergeschoss: Wohnungen 5.51, 5.52, 5.53, 5.54 und 5.55
- im 6. Obergeschoss: Wohnungen 6.63 und 6.66.
3
Mit Baugenehmigungsbescheiden vom 30. März 1965, vom 16. Dezember 2010 sowie vom 27. Mai 2016 wurde für die streitgegenständlichen Wohnungen sukzessive die Wohnnutzung genehmigt.
4
Nachdem im Herbst 2018 aus der Bevölkerung ein Hinweis an die Antragsgegnerin dahingehend erfolgte, dass in dem Anwesen der Antragsteller Wohnungen in Appartements für Kurzzeiturlauber umgewandelt wurden, wurde zunächst der Außendienst der Bauordnungsbehörde der Antragsgegnerin tätig. Anlässlich einer Ortseinsicht seitens der Antragsgegnerin am 12. Oktober 2018 wurde die Nutzung der 12 Wohnungen als Ferienwohnungen beanstandet. Die Antragsteller wurden aufgefordert, hierfür die Genehmigung einer Nutzungsänderung zu beantragen.
5
Am 5. Dezember 2018 reichten die Antragsteller zunächst für die fünf Einheiten im 5. Obergeschoss des streitgegenständlichen Anwesens einen Bauantrag für die „Nutzungsänderung von 5 Wohnungen in Ferienwohnungen (Beherbergungsbetrieb)“ ein.
6
Mit E-Mail vom 20. Dezember 2018 teilte die Bauordnungsbehörde der Antragsgegnerin den Antragstellern hierzu mit, dass das Anwesen wie eine Beherbergungsstätte mit mehr als 12 Betten für ortsfremde Gäste betrachtet und damit als Sonderbau eingestuft werden müsse. Sinnvoll sei daher, die entsprechend genutzten anderen Appartements in den Antrag aufzunehmen und zu legalisieren. Dies gelte nicht nur vor dem Hintergrund, dass für diese ohnehin zeitnah auch eine Baugenehmigung zu beantragen sei, falls keine Rücknutzung erfolgen sollte, sondern auch vor dem Hintergrund, dass in Nürnberg irgendwann eine Zweckentfremdungssatzung kommen könnte.
7
Mit geändertem Bauantrag, welcher am 6. Februar 2019 bei der Antragsgegnerin einging, beantragten die Antragsteller schließlich die Erteilung einer Baugenehmigung für eine „Nutzungsänderung von 12 Wohnungen in Ferienwohnungen (Beherbergungsbetrieb)“.
8
Am 30. Mai 2019 trat die am 29. Mai 2019 bekannt gemachte „Satzung der Stadt … über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsverbotssatzung - ZwEVS)“ vom 27. Mai 2019 (Amtsblatt S. 185) in Kraft.
9
Mit Beschluss des Personal- und Organisationsausschusses der Antragsgegnerin in der Sitzung vom 23. Juli 2019 wurde der Vollzug der Zweckentfremdungsverbotssatzung auf den Stab Wohnen übertragen.
10
Mit bestandskräftigem Bescheid der Bauordnungsbehörde der Antragsgegnerin vom 21. Oktober 2019 wurde den Antragstellern unter Zulassung einer Ausnahme gemäß § 4 Abs. 3 BauNVO wegen des nicht störenden Gewerbebetriebes im Allgemeinen Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB eine entsprechende Baugenehmigung erteilt. Die Begründung hierzu enthält folgenden Zusatz
„Öffentlichrechtliche Belange sprechen nicht gegen das Vorhaben (…).
Der Antrag auf Nutzungsänderung wurde längst vor Inkrafttreten der Satzung der Stadt … über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsverbotssatzung, ZwEVS) am 29. Mai 2019 eingereicht.
Die Satzung ist daher für diese Nutzungsänderung noch nicht anzuwenden“.
11
Mit Schreiben des Stab Wohnen vom 11. Dezember 2019 wurden die Antragsteller darauf hingewiesen, dass die Zweckentfremdungsverbotssatzung am 30. Mai 2019 in Kraft getreten sei.
12
Für das Zweckentfremdungsrecht sachlich zuständig sei der Stab Wohnen im Wirtschaftsreferat der Antragsgegnerin. Aufgrund einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 30. Oktober 2019 sei man darauf aufmerksam geworden, dass für das Anwesen der Antragsteller eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung in 12 Ferienwohnungen erteilt wurde. Ein entsprechender Antrag auf Genehmigung zur Zweckentfremdung von Wohnraum sei jedoch bei dem zuständigen Stab Wohnen noch nicht eingegangen und noch zu stellen.
13
Daraufhin verwiesen die Antragsteller mit Schreiben vom 17. Dezember 2019 auf die erteilte Baugenehmigung sowie die hierin getroffene Aussage zur Nichtanwendbarkeit der Zweckentfremdungsverbotssatzung.
14
Mit Schreiben vom 30. Januar 2020 teilte die Bauordnungsbehörde schließlich mit, man müsse die in dem Baugenehmigungsbescheid aufgeführte Formulierung „zurücknehmen, da die Bauordnungsbehörde nicht für den Vollzug der Zweckentfremdungsverbotssatzung zuständig ist und daher keinerlei Berechtigung für eine solche Feststellung hat“. Der zuständige Stab Wohnen habe die Bauaufsichtsbehörde um diese Klarstellung gebeten.
15
Der Stab Wohnen teilte den Antragstellern mit Schreiben vom 4. Februar 2010 mit, dass eine Zweckentfremdungsgenehmigung nur dann entbehrlich sei, wenn der Raum bereits vor Inkrafttreten der Satzung in baurechtlich genehmigter Weise anderen als Wohnzwecken gedient hat. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt, nachdem die Baugenehmigung erst am 21. Oktober 2019 erteilt worden sei. Der bloße Bauantrag oder die materielle Genehmigungsfähigkeit würden keinen Vertrauens- oder Bestandsschutz bezüglich des satzungsrechtlichen Zweckentfremdungstatbestandes begründen. Auch seien beide Genehmigungsverfahren unabhängig voneinander durchzuführen. Weder begründe die Erteilung einer Baugenehmigung einen Anspruch auf Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung noch sei dies umgekehrt der Fall.
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Anhaltspunkte, die auf eine Genehmigungsfähigkeit aufgrund vorrangiger öffentlicher oder schutzwürdiger privater Interessen schließen lassen, seien bisher nicht ersichtlich.
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Hierauf teilte der Antragstellervertreter mit Schreiben vom 7. Februar 2020 mit, dass die bestandskräftige Baugenehmigung vom 21. Oktober 2019 feststellende Wirkung in Bezug auf die Anwendbarkeit der Zweckentfremdungsverbotssatzung habe und diese Feststellung mit dem übrigen Regelungsgehalt in Bestandskraft erwachsen sei. Eine nachträgliche Durchbrechung dieser sei nur unter den Voraussetzungen der Art. 48 ff. BayVwVfG statthaft. Ungeachtet dessen, dass die materiellen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen würden, genüge die Erklärung im Schreiben der Bauordnungsbehörde vom 30. Januar 2020 den gesetzlichen Anforderungen nicht und lasse damit die getroffene Feststellung auch nicht nachträglich entfallen.
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Selbst wen man von einer wirksamen „Rücknahme“ der Feststellung ausgehen und damit das Erfordernis einer Erlaubnis nach der Zweckentfremdungsverbotssatzung bejahen würde, wäre jedoch von einem strikten Anspruch auf Erteilung der Genehmigung im Sinne von § 4 Abs. 2 ZwEVS auszugehen, nachdem der Bauantrag bereits am 7. Februar 2019 bei der Bauordnungsbehörde eingegangen sei. Die Bauordnungsbehörde habe die Amtspflicht, Baugenehmigungsverfahren gemäß Art. 10 Satz 2 BayVwVfG einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Amtshaftungsrecht werde regelmäßig ein Bearbeitungszeitraum von maximal drei Monaten für angemessen erachtet. Hätte die Bauordnungsbehörde diesen Zeitraum eingehalten, wäre der Baugenehmigungsbescheid noch vor Inkrafttreten der Zweckentfremdungsverbotssatzung erteilt worden. Schuldhafte Verzögerungen bei der Bearbeitung des Bauantrages könnten nicht zu Lasten der Antragsteller gehen.
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Der Amtsträger habe die Pflicht, rechtmäßig zu handeln. Dies erfordere auch, richtige Auskünfte und Bescheide zu erlassen. Sofern durch diese möglicherweise rechtswidrige Feststellung in der Baugenehmigung ein Schaden für die Antragsteller erwachsen sollte, etwa durch die Verpflichtung, Ausgleichsmaßnahmen zu ergreifen oder eine Ausgleichszahlung zu leisten, stünden den Antragstellern gegen die Antragsgegnerin entsprechende Schadensersatzansprüche aufgrund einer Amtspflichtverletzung zu.
20
Darüber hinaus bestünden auch Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zweckentfremdungsverbotssatzung, nachdem diese keine geeignete Überleitungsvorschrift enthalte. Bauanträge, die vor Inkrafttreten der Zweckentfremdungsverbotssatzung in entscheidungsreifer Form eingereicht worden sind, müssten bereits von Verfassungs wegen (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) den Fällen des § 2 Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS gleichgestellt werden. Insofern sei die Feststellung zur fehlenden Anwendbarkeit der Zweckentfremdungsverbotssatzung im Baugenehmigungsbescheid im Ergebnis richtig und bedürfe keiner- wie auch immer gearteten - Korrektur.
21
Aus den genannten Gründen würden seitens der Antragsteller schutzwürdige private Interessen vorliegen, welche das Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraumes überwiegen, so dass im Falle der Anwendbarkeit der Zweckentfremdungsverbotssatzung ein durchsetzbarer Anspruch auf Erteilung der Genehmigung bestünde.
22
Der Stab Wohnen teilte hierzu mit Schreiben vom 28. Februar 2020 mit, dass die baurechtliche Nutzungsänderungsgenehmigung keine Konzentrationswirkung entfalte.
23
Die Baugenehmigung treffe überdies keine bindende Feststellung zur Anwendung der Zweckentfremdungsverbotssatzung, nachdem die entsprechende Äußerung nicht im Tenor der Genehmigung enthalten sei. Mithin könne auch keine Bestandskraft bestehen, so dass es auf das Vorliegen der Voraussetzungen der Art. 48 ff. BayVwVfG nicht ankomme.
24
Eine Amtspflichtverletzung liege indes nicht vor. Darüber hinaus könnte selbst ein begründeter Amtshaftungsanspruch kein Recht auf Erteilung einer rechtswidrigen Genehmigung begründen. Des Weiteren würden die geäußerten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der inmitten stehenden Satzung fehlgehen, nachdem die Antragsgegnerin in der Satzung geregelt habe, dass das Zweckentfremdungsverbot keine Räume betreffe, die bereits vor Inkrafttreten der Satzung ohne Unterbrechung in baurechtlich genehmigter Weise anderen als Wohnzwecken dienten.
25
Eine Zusage der Erteilung einer Genehmigung nach § 4 Abs. 2 ZwEVS könne nicht gegeben werden, da nach wie vor keine Anhaltspunkte zur Genehmigungsfähigkeit der Ferienwohnungsnutzung vorliegen würden.
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Mit Zweckentfremdungsantrag vom 11. März 2020 beantragten die Antragsteller schließlich die Erteilung einer Nutzungsänderungsgenehmigung für die Wohnungen Nrn. 2, 22, 35, 37, 44, 51 bis 55, 63 und 66 in dem Wohn- und Geschäftshaus in der … in … zu Ferienwohnungen sowie die Feststellung der Genehmigungsfreiheit (Negativattest) unter Verweis auf die bisherigen Schreiben des Antragstellervertreters.
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Mit Schreiben vom 26. Mai 2020 teilte der Stab Wohnen den Antragstellern mit, dass für die Wohnungen Nrn. 2, 22, 35, 37, 44, 51 bis 55, 63 und 66 davon ausgegangen wird, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Negativattestes nicht gegeben seien und auch der Antrag auf Nutzungsänderung nicht genehmigungsfähig sei. Anhaltspunkte für eine Genehmigung nach § 4 Abs. 2 ZwEVS seien bislang nicht ersichtlich. Ausführungen zu den Voraussetzungen nach § 4 Abs. 3 ZwEVS seien im Zweckentfremdungsantrag nicht erfolgt. Da man davon ausgehe, dass die Wohnungen bereits als Ferienwohnungen genutzt werden, sei beabsichtigt, im Falle der Ablehnung des Antrages, die Nutzung als Ferienwohnungen zu untersagen und anzuordnen, dass der Wohnraum wieder Wohnzwecken zugeführt wird.
28
Der Antragstellervertreter teilte hierzu mit Schreiben vom 8. Juni 2020 mit, dass die Antragsgegnerin nach wie vor den Umstand ausblende, dass die Antragsteller mit der Erteilung der beantragten Baugenehmigung vor Inkrafttreten der Zweckentfremdungsverbotssatzung hätten rechnen dürfen. Vor diesem Hintergrund sei der Hinweis auf die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 ZwEVS geradezu zynisch.
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Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Juli 2020 wurden schließlich für die als Ferienwohnungen genutzten Wohnungen Nrn. 2, 22, 35, 37, 44, 51 bis 55, 63 und 66 in der … in … die Anträge auf Feststellung der Genehmigungsfreiheit (Negativattest) sowie auf Erteilung einer Genehmigung zur Zweckentfremdung von Wohnraum (Nutzungsänderungsantrag) abgelehnt (Ziffern 1 und 2) und den Antragstellern unter Androhung von Zwangsgeldern in Höhe von 1.500,00 EUR bzw. 2.500,00 EUR pro Wohneinheit (Ziffern 5 und 6) die Nutzung des Wohnraumes zu anderen als Wohnzwecken untersagt (Ziffer 3) sowie die unverzügliche Rückführung des Wohnraumes zu Wohnzwecken angeordnet (Ziffer 4).
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In der Begründung wird ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Negativattestes nicht vorliegen würden. Diese sei nur möglich, wenn kein Wohnraum oder keine Zweckentfremdung im Sinne der Zweckentfremdungsverbotssatzung vorliegen würden. Insbesondere entfalle die Wohnraumeigenschaft nicht nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS, da zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der inmitten stehenden Satzung keine baurechtliche Genehmigung vorgelegen habe. Der bloße Bauantrag oder die materielle Genehmigungsfähigkeit würden keinen Vertrauens- oder Bestandsschutz bezüglich des satzungsrechtlichen Zweckentfremdungstatbestandes begründen. Die baurechtliche Nutzungsänderungsgenehmigung entfalte trotz der Ausführungen zur Zweckentfremdungsverbotssatzung keine Konzentrationswirkung. Die Baugenehmigung enthalte keine bindende Feststellung zur Anwendbarkeit der Satzung, nachdem die entsprechende Äußerung nicht im Bescheidtenor getroffen worden sei. Eine Übergangsvorschrift sei nicht erforderlich.
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Des Weiteren sei auch nicht vorgetragen worden, dass die Vermietung als Ferienwohnungen auf maximal acht Wochen im Kalenderjahr beschränkt sei.
32
Ferner seien die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 2 ZwEVS nicht erfüllt, nachdem unter Berücksichtigung der Konkretisierung in § 5 Abs. 2 ZwEVS ein mit der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz vergleichbares überwiegendes schutzwürdiges Interesse nicht gegeben sei.
33
Auch aus einem - nach Auffassung der Antragsgegnerin unbegründeten - Amtshaftungsanspruch könne kein schutzwürdiges privates Interesse im Sinne des § 5 Abs. 2 ZwEVS abgeleitet werden.
34
Nachdem ausweislich der Homepage der Antragsteller (www. …de) sowie der baurechtlichen Anzeige der Nutzungsaufnahme vom 16. Juni 2020 die Wohnungen bereits als Ferienwohnungen genutzt werden, liegen des Weiteren die Voraussetzungen für die Anordnungen in den Ziffern 3 und 4, welche unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens erfolgt seien, vor. Diese seien insbesondere geeignet, die rechtswidrige Nutzung der Wohnungen zu beenden und den schutzwürdigen Wohnraum zu erhalten. Mildere Mittel seien nicht ersichtlich, insbesondere sei die Möglichkeit der freiwilligen Beendigung der Zweckentfremdung sowie der Rückführung der Wohnungen zu Wohnzwecken nicht wahrgenommen worden. Das Interesse am Erhalt des betroffenen Wohnraumes überwiege das Interesse am Fortbestehen der Nutzung als Ferienwohnungen und die damit verbundene Gewinnmaximierung. Der Wegfall dieser Einnahmequellen hätte lediglich geringe wirtschaftliche Folgen für die Antragsteller, nachdem durch die dauerhafte Vermietung der Wohnungen zu Wohnzwecken ebenfalls regelmäßige Einkünfte generiert werden könnten.
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Die Höhe der Zwangsgelder sei angemessen im Hinblick auf das Wohnraumerhaltungsinteresse und den wirtschaftlichen Vorteil aus der Nichtbeachtung der Anordnungen.
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Am 14. August 2020 ließen die Antragsteller Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Juli 2020 erheben und beantragten am 21. August 2020 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin angeordnete Nutzungsuntersagung und Rückführungsverpflichtung (Ziffern 3 und 4). Zur Begründung werden die Ausführungen in dem Schreiben des Antragstellervertreters vom 7. Februar 2020 vertieft und ausgeführt, dass schon bei summarischer Prüfung feststehe, dass das Interesse der Antragsteller an der Aussetzung der Vollziehung das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin überwiege, da ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 14. Juli 2020 bestünden. Hinsichtlich der fehlenden Übergangsvorschrift in der inmitten stehenden Satzung wird ausgeführt, dass neue Regelungen keine Sachverhalte bzw. Rechtsverhältnisse erfassen würden, die beim Inkrafttreten einer neuen Satzung bereits abschließend geregelt waren. Hierzu würden nicht nur solche Sachverhalte bzw. Rechtsverhältnisse zählen, bei denen die gesetzlich angeordneten Folgen bereits eingetreten sind. Auch diejenigen, die die tatbestandlichen Voraussetzungen einer bislang gültigen Rechtsnorm in der Vergangenheit erfüllt haben, würden die darin angeordnete Rechtsfolge grundsätzlich weiterhin beanspruchen können. Für diese Rechtsverhältnisse bleibe also die Rechtslage ausschlaggeben, die bei ihrem Entstehen galt. In solche abgeschlossenen Sachverhalte einzugreifen, sei aus Gründen des Vertrauensschutzes grundsätzlich nicht zulässig. Als Grundsatz gelte, dass bei bestehenden Zweifeln, inwieweit Sachverhalte abgeschlossen oder noch offen sind, eine Übergangsvorschrift erforderlich sei, die festlegt, wie diese Sachverhalte künftig zu behandeln sind. Es sei auch stets abzuwägen zwischen dem Vertrauen, das in den Fortbestand einer bestimmten Rechtslage gesetzt wird, und dem Interesse des Staates an der sofortigen Durchsetzung einer neuen Regelung. Je dringender das Anliegen des Satzungsgebers sei, welches er mit der Neuregelung verfolgt, und je zwingender die Notwendigkeit ihres sofortigen Vollzuges sei, desto mehr spreche für eine sofortige Anpassung der Rechtsverhältnisse an die neuen Vorschriften. Eine derartige Dringlichkeit sei vorliegend jedoch nicht geboten. Zweck der Zweckentfremdungsverbotssatzung sei zwar die Versorgung der Bevölkerung der Antragsgegnerin mit ausreichendem Wohnraum und die Beseitigung des Wohnraummangels innerhalb der nächsten fünf Jahre. Dies könne jedoch nicht dem Schutz der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes im Falle von lediglich 12 Wohnräumen vorgehen. Es hätte daher eine Übergangsvorschrift in die Satzung aufgenommen werden müssen, die solche Einzelfälle wie den hier vorliegenden Fall der Antragsteller umfasst.
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Es wird beantragt,
Die aufschiebende Wirkung der am 14. August 2020 erhobenen Klage gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Juli 2020 angeordnete Nutzungsuntersagung und Rückführungsverpflichtung (Ziffern 3 und 4) wird angeordnet.
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Die Antragsgegnerin beantragt
Antragsablehnung.
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Zur Begründung wird unter Ergänzung der Ausführungen in dem streitgegenständlichen Bescheid im Wesentlichen ausgeführt, dass mit dem Baugenehmigungsbescheid vom 21. Oktober 2019 keine Erlaubnis nach § 4 ZwEVS erteilt worden sei und diesem auch kein feststellender Verwaltungsakt über die Anwendbarkeit der Zweckentfremdungsverbotssatzung zu entnehmen sei. Mit den diesbezüglichen Aussagen in den Bescheidsgründen gehe die Bauordnungsbehörde lediglich auf eine bauordnungsrechtliche Vorfrage ein, treffe jedoch keinerlei verbindliche Feststellungen zu außerhalb des Bauordnungsrechts und des eigenen Zuständigkeitsbereichs liegenden Rechtsverhältnissen. Da mangels Regelung kein Verwaltungsakt vorliegen würde, könnten die Aussagen mithin weder in Bestandskraft erwachsen noch Bindungswirkung entfalten.
40
Des Weiteren sei weder mit dem streitgegenständlichen Bescheid noch mit der inmitten stehenden Satzung eine unzulässige Rückwirkung verbunden. Fälle wie der vorliegende seien dadurch gekennzeichnet, dass mit der Zweckentfremdung bereits vor dem Inkrafttreten der Satzung begonnen wurde und diese zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses immer noch andauert. Anknüpfungspunkt für den Bescheid sei dabei jedoch nicht der Beginn der Zweckentfremdung, sondern deren Andauern. Der Bescheid regele damit lediglich einen nach Inkrafttreten der Satzung vorliegenden Sachverhalt und untersage ausschließlich die zukünftige Nutzung als Ferienwohnungen. Selbst wenn man dies anders sehen würde, würden Satzung und Bescheid zumindest keinen in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhalt aufgreifen, so dass eine echte Rückwirkung ausscheide. Dem bei der dann verbleibenden unechten Rückwirkung maßgeblichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz werde durch die Übergangsregelung in § 2 Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS ausreichend Rechnung getragen. Ein Einschreiten sei damit nur gegen baurechtlich nicht genehmigte Nutzungsänderungen möglich. Dies sei sachgerecht und verhältnismäßig, da formell rechtswidrige Nutzungen keinen Vertrauens- oder Bestandsschutz erzeugen könnten oder jedenfalls nur einen solch geringen Schutz verdienen würden, dem das mit dem Zweckentfremdungsrecht verfolgte öffentliche Interesse an der Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum vorgehe.
41
Im vorliegenden Fall hätten die Antragsteller die Wohnungen bereits vor der Bauantragsstellung als Ferienwohnungen genutzt. Dieser Sachverhalt habe den Makel der Illegalität erst mit der Erteilung der Baugenehmigung verloren. Zu diesem Zeitpunkt sei die Zweckentfremdungsverbotssatzung jedoch bereits in Kraft getreten.
42
Ein - zu verneinender - Amtshaftungsanspruch sei auf Geldersatz gerichtet und könne jedenfalls keine verwaltungsrechtlichen Wirkungen erzeugen.
43
Rein vorsorglich wird vorgetragen, dass im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eine Interessensabwägung selbst dann zu Lasten der Antragsteller ausfallen würde, wenn man den Ausgang des Klageverfahrens als offen ansehen würde. Zu berücksichtigen sei insoweit, dass die Nutzungsänderung ohne die erforderliche Baugenehmigung erfolgt und daher nicht schutzwürdig gewesen sei. Zu beachten sei indes, dass der Gesetzgeber die aufschiebende Wirkung gemäß § 3 Abs. 3 ZwEWG ausschließe und damit nochmals die besondere Bedeutung des öffentlichen Interesses an einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum hervorhebe. In der Gesamtschau - kein Vertrauensschutz der Antragsteller einerseits und Betonung des öffentlichen Interesses am Sofortvollzug durch den Gesetzgeber andererseits - falle eine Interessensabwägung daher zu Lasten der Antragsteller aus. Hierfür spreche auch, dass die Nutzung der Ferienwohnung ohne größeren Aufwand beendet werden könnte. Insbesondere würden dem keine längerfristigen vertraglichen Bindungen entgegenstehen. Mit einer Beendigung der bisherigen Nutzung seien auch keine unumkehrbaren Folgen verbunden. Den Antragstellern sei es überdies unbenommen, die Wohnung ab sofort dauerhaft zu vermieten.
44
Mit Schriftsatz vom 8. September 2020 teilte der Antragstellervertreter mit, dass sich das von den Antragstellern im Jahr 2015 erworbene Anwesen damals in einem desolaten Zustand befunden habe. Im Zuge der Sanierung habe das Anwesen schließlich ein komplett neues Dach, neue Fenster sowie eine neue Fassade erhalten. Die Räumlichkeiten im 6. und 7. Obergeschoss seien zum Erwerbszeitpunkt gewerblich genutzt und im Zuge des Umbaus in Wohnraum umgewandelt worden. Die Räumlichkeiten im 5. Obergeschoss seien damals unbewohnt gewesen. Nachdem die Antragsteller von ihrem Architekten die Auskunft erhalten hätten, dass für die Herstellung von Kurzzeitappartements keine Genehmigung erforderlich sei, hätten sie die Räumlichkeiten im 5. Obergeschoss für diesen Zweck grundsaniert und die neu geschaffenen Appartements ab Ende 2017 vermietet. Die restlichen Appartements seien sukzessive in der Zeit zwischen Juli 2018 und November 2018 hinzugekommen. Die Grundsanierung der Appartements sei immer dann erfolgt, wenn ein Mieter aus einer der nicht renovierten Wohnungen ausgezogen sei. Derzeit befänden sich in dem Anwesen 33 langzeitvermietete Wohnungen, von denen 24 komplett saniert sowie neun unsanierter Altbestand seien.
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Den Antragstellern sei bei Aufnahme der Nutzungen zur Kurzzeitvermietung nicht bewusst gewesen, dass hierfür eine Nutzungsänderungsgenehmigung erforderlich sei, so dass die genehmigungslose Nutzung allenfalls fahrlässig erfolgt sei. Jedenfalls aber hätten sich die Antragsteller bereits im Jahr 2018 um eine Legalisierung der Nutzungsänderung bemüht.
46
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
47
Streitgegenstand des vorliegenden Eilverfahrens sind die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Juli 2020 angeordnete Nutzungsuntersagung und Rückführungsverpflichtung (Ziffern 3 und 4).
48
Die zulässigen Anträge gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, insoweit die aufschiebende Wirkung der Klagen der Antragsteller vom 14. August 2020 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Juli 2020 anzuordnen, sind unbegründet.
49
In Fällen, in denen die gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO dem Grundsatz nach gegebene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wie vorliegend durch Landesgesetz ausgeschlossen ist (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 3 Abs. 3 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum - ZwEWG), kann das Gericht der Hauptsache gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung der innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtzeitig erhobenen Klage anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht in einer den Charakter des summarischen Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprechenden Weise die Interessen der Antragstellerseite und der Antragsgegnerin gegeneinander abzuwägen, wobei die bereits überschaubaren Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen sind.
50
Nach diesen Grundsätzen müssen die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der von den Antragstellern erhobenen Klagen ohne Erfolg bleiben.
51
Bei summarischer Prüfung ist der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin formell und materiell rechtmäßig.
52
1. Er findet, soweit sich dies im einstweiligen Rechtsschutzverfahren beurteilen lässt, in Art. 3 Abs. 2 ZwEWG i.V.m. § 12 ZwEVS seine Rechtsgrundlage.
53
In einem Eilverfahren, in dem - wie bereits ausgeführt - nur eine überschlägige Prüfung der Sach- und Rechtslage stattfinden kann, ist von der Gültigkeit einer Norm auszugehen, wenn nicht ausnahmsweise Gründe, die die Annahme der Nichtigkeit rechtfertigen, offen zu Tage treten (ständige Rechtsprechung des BayVGH, z.B. B. v. 4.6.1997 - 6 ZS 97.1305 - juris; B.v. 15.2.1999 - 6 ZS 99.84 - BeckRS; B.v. 28.11.2005 - 23 CS 05.1804 - juris).
54
In dem nur auf summarischer Überprüfung ausgerichteten Antragsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ist in aller Regel kein Raum für eine inzidente Normenkontrolle. Etwas anderes mag - wie oben ausgeführt - dann gelten, wenn die betreffenden Satzungsregelungen bereits nach dem Ergebnis überschlägiger Prüfung mit Sicherheit oder aller Voraussicht nach unwirksam sind (vgl. z.B. OVG Saarland, B.v. 10.11.2006 - 3 W 5.06 - juris).
55
Vorliegend bestehen keine Zweifel an der Rechtswirksamkeit der hier einschlägigen Zweckentfremdungsverbotssatzung der Antragsgegnerin. Solch ausnahmsweise vorkommende Gründe, welche die Annahme der Nichtigkeit rechtfertigen könnten, sind nach Überzeugung der Kammer nicht offen zu Tage getreten.
56
In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die mit der streitgegenständlichen Zweckentfremdungsverbotssatzung der Antragsgegnerin nahezu deckungsgleiche Satzung der Stadt München (ZeS vom 11.12.2017 i.d.F. vom 4.11.2019, MüABl. S. 452) schon in einer Reihe verwaltungsgerichtlicher Verfahren als Rechtsgrundlage inmitten stand, ohne dass Zweifel an ihrer Wirksamkeit aufgetreten sind (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 20.5.2020 - 12 B 19.1648 - juris).
57
Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Gegebenheiten ist im vorliegenden Eilverfahren insbesondere von der Wirksamkeit der Regelung in § 2 Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS auszugehen.
58
Aus der Zusammenschau von § 2 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS ergibt sich, dass die nachträgliche Umwandlung von Wohnraum in gewerbliche Nutzung zum Entfallen des im Rahmen des Art. 3 Abs. 2 ZwEWG tatbestandlich vorausgesetzten Begriffs „Wohnraum“ nur dann führt, wenn dieser Raum bereits vor dem 30. Mai 2019 baurechtlich zu anderen als einer Wohnnutzung genehmigt und ununterbrochen so genutzt wurde.
59
Das heißt, nach dem Willen des Satzungsgebers soll es nicht ausreichen, einen (möglicherweise nicht ernst gemeinten oder offensichtlich nicht zum Erfolg führenden) Bauantrag zu stellen und damit i.S.d. § 2 Abs. 2 ZwEVS eine zum Verlust der ursprünglich gegebenen Wohnraumeigenschaft führende „subjektive Bestimmung durch spätere Umwidmung“ herbeizuführen, sondern diese „spätere Umwidmung“ ist nur dann für den Verlust der Wohnraumeigenschaft relevant, wenn sie über die bloße (gänzlich in der Disposition des Antragstellers stehende) Antragstellung hinaus Niederschlag in Gestalt der behördlichen Genehmigung und in der tatsächlichen Nutzungsausübung als „Nichtwohnraum“ gefunden hat.
60
Im Hinblick auf die Rechtsprechung, wonach zur Änderung der subjektiven Zweckbestimmung ein nach außen erkennbarer und auf Dauer angelegter Umwidmungsakt nötig ist (vgl. etwa BayVGH, B.v. 12.12.2004 - 24 ZB 04.941 - juris; B.v. 1.12.1997 - 24 B 95.3612 - juris; B.v. 25.4.1990 - 7 B 89.1121 - juris; VGH BaWÜ, B.v. 6.8.2020 - 3 S 1483/20 - juris), erscheint diese in § 2 Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS enthaltene, der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dienende Konkretisierung des subjektiven Bestimmungsrechts des § 2 Abs. 2 ZwEVS noch vom Normzweck getragen und gedeckt und damit im hier vorliegenden summarischen Verfahrung nicht zu beanstanden.
61
Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund des ausdrücklichen Willens des Landesgesetzgebers, wonach das Zweckentfremdungsrecht in Gebieten, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, einen effektiven Schutz des Wohnraums vor Zweckentfremdung gewährleisten und damit der Erhaltung des Gesamtwohnraumangebotes dienen soll; dabei gebiete das den Gemeinden eingeräumte Selbstverwaltungsrecht, dass die Gemeinden den ihnen zukommenden eigenen wohnungspolitischen Gestaltungsspielraum eigenverantwortlich ausschöpfen dürfen (vgl. hierzu LT-Drs. 17/15781, S. 1 ff. und 7 sowie LT-Drs. 15/8369, S. 1 ff.).
62
2. Gemäß Art. 3 Abs. 2 ZwEWG i.V.m. § 12 ZwEVS kann die Antragsgegnerin anordnen, dass eine nicht genehmigungsfähige Zweckentfremdung beendet und der Wohnraum wieder Wohnzwecken zugeführt wird.
63
Eine genehmigte oder genehmigungsfähige Zweckentfremdung von Wohnraum liegt hier nicht vor.
64
a) Die streitgegenständlichen Einheiten stellen Wohnraum im Sinne von Art. 1 Satz 1 ZwEWG, § 2 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 ZwEVS dar.
65
Nach § 2 Abs. 1 und Abs. 2 ZwEVS sind Wohnraum sämtliche Räume, die zu Wohnzwecken objektiv geeignet und subjektiv bestimmt sind. Objektiv geeignet sind Räume dann, wenn sie die Führung eines selbstständigen Haushalts ermöglichen; die subjektive Bestimmung (erstmalige Widmung oder spätere Umwidmung) treffen die Verfügungsberechtigten ausdrücklich oder durch nach außen erkennbares schlüssiges Verhalten.
66
Von der objektiven Eignung zu Wohnzwecken ist - nicht zuletzt ausweislich der in der Behördenakte befindlichen Grundrisse und Auszüge von der Internetpräsenz der Antragsteller -offensichtlich auszugehen.
67
Die subjektive (Zweck-) Bestimmung treffen die Verfügungsberechtigten ausdrücklich oder durch nach außen erkennbares schlüssiges Verhalten. Durch einfachen Sinneswandel, der nicht durch einen nach außen erkennbaren und auf Dauer angelegten Umwidmungsakt umgesetzt wird, ändert sich die subjektive Zweckbestimmung nicht.
68
Wie bereits ausgeführt, ergibt sich aus der Zusammenschau von § 2 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS, dass die nachträgliche Umwandlung von Wohnraum in gewerbliche Nutzung nur dann zu bejahen ist, wenn dieser Raum bereits vor dem 30. Mai 2019 baurechtlich zu anderen als einer Wohnnutzung genehmigt und ununterbrochen so genutzt wurde.
69
Vorliegend wurden die streitgegenständlichen Wohnungen ausweislich der von der Antragsgegnerin übermittelten Baugenehmigungsbescheide vom 30. März 1965, vom 16. Dezember 2010 sowie vom 27. Mai 2016 als Wohnraum genehmigt. Erst mit Baugenehmigungsbescheid vom 21. Oktober 2019 und damit nach dem Inkrafttreten der inmitten stehenden Satzung wurde die Nutzungsänderung für die 12 Wohnungen in Ferienwohnungen genehmigt, so dass im vorliegenden Fall mangels Vorliegen einer Baugenehmigung im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS die von den Antragstellern am 5. Dezember 2018 bzw. am 6. Februar 2019 gestellten Bauanträge keine zum Verlust der ursprünglich gegebenen Wohnraumeigenschaft führende „subjektive Bestimmung durch spätere Umwidmung“ herbeizuführen vermögen.
70
b) Die streitgegenständlichen Einheiten wurden zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses und werden auch gegenwärtig vollständig gewerblich genutzt im Sinne von Art. 1 Satz 2 Nr. 1 ZwEWG i.V.m. § 3 Abs. 1 ZwEVS, was durch die Ermittlungen der Antragsgegnerin belegt und im Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitig ist.
71
c) Gemäß § 4 Abs. 1 ZwEVS darf Wohnraum nur mit Genehmigung anderen als Wohnzwecken zugeführt werden.
72
Vorliegend ist die Zweckentfremdung der streitgegenständlichen Wohnräume nach dem Ergebnis überschlägiger Prüfung nicht genehmigungsfähig gemäß § 4 i.V.m. § 5 ZwEVS.
73
aa) Nach § 4 Abs. 2 Alt. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 ZwEVS ist eine Genehmigung zu erteilen, wenn das Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraumes durch vorrangige schutzwürdige private Interessen, welche insbesondere bei einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz gegeben sind, überwogen wird. Dabei darf die Existenzgefährdung nicht durch das Unterlassen möglicher und gebotener Abwendungsmaßnahmen selbst herbeigeführt werden.
74
Vorliegend erfolgte im Hinblick auf eine etwaige Existenzgefährdung aufgrund des Entfallens der Einnahmequellen aus der Vermietung als Ferienwohnungen seitens der Antragsteller weder ein substantiierter Vortrag, noch ist eine solche ersichtlich. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Antragsteller ohne Weiteres die Möglichkeit haben, die streitgegenständlichen Räume - wie auch die übrigen 33 Wohnungen in dem Anwesen - dauerhaft als Wohnraum zu vermieten und damit regelmäßige und im Hinblick auf die in der Stadt … üblichen Mietzinsen nicht unerhebliche Einkünfte zu erzielen.
75
Auch aus einem etwaigen, vorliegend nicht zu prüfenden Amtshaftungsanspruch kann kein schutzwürdiges privates Interesse im Sinne des § 5 Abs. 2 ZwEVS und insbesondere kein Recht auf Erteilung einer zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung abgeleitet werden.
76
bb) Nachdem seitens der Antragsteller dem Interesse an der Erhaltung des Wohnraumes durch Ausgleichsmaßnahmen in verlässlicher und angemessener Weise, etwa durch die Schaffung von Ersatzwohnraum oder durch eine Ausgleichszahlung, nicht Rechnung getragen wurde, kommt des Weiteren vorliegend auch die Erteilung einer Genehmigung gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZwEWG i.V.m. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 6 und § 7 ZwEVS nicht in Betracht.
77
d) Die erforderliche Zweckentfremdungsgenehmigung ist auch nicht in der den Antragstellern erteilten Baugenehmigung vom 21. Oktober 2019 enthalten.
78
aa) Entgegen dem Vortrag der Antragsteller entfaltet die Baugenehmigung keine Konzentrationswirkung.
79
Da die Baugenehmigung nach bayerischem Bauordnungsrecht nicht den „Schlusspunkt“ der öffentlichrechtlichen Zulässigkeitsprüfung eines Vorhabens bildet (vgl. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO), darf sie auch erteilt werden, wenn noch offen ist, ob eine andere öffentlichrechtliche Gestattung erteilt werden kann, die für das Vorhaben neben der Baugenehmigung erforderlich ist (vgl. etwa BayVGH, B.v. 11.1.2013 - 15 ZB 11.128 - jurisB.v. 18.3.1993 - GrS 1/1992 - 1 B 90.3063 - juris).
80
Im Hinblick auf das Zweckentfremdungsrecht ist im Übrigen auszuführen, dass die Zweckentfremdung von Wohnraum auf dem Gebiet der Antragsgegnerin zwar nur gegen eine entsprechende Genehmigung zulässig ist, wie sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 ZwEWG i.V mit § 4 Abs. 1 ZwEVS ergibt. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um Normen, die Anforderungen an das Bauvorhaben enthalten. Kompetenztitel für das Zweckentfremdungsrecht ist weder das Bauordnungs- noch das Bodenrecht, sondern das Recht des Wohnungswesens. Voraussetzung für den Erlass eines Zweckentfremdungsverbotes durch kommunale Satzung sind dementsprechend auch nicht Gesichtspunkte der bauordnungsrechtlichen Gefahrenabwehr oder der Bodenordnung. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen i.S. der §§ 1, 2 Abs. 1 ZwEWG besonders gefährdet ist.
81
Über die Erteilung der Zweckentfremdungsgenehmigung einerseits und der Baugenehmigung andererseits entscheidet überdies funktional auch jeweils eine andere Behörde. Entscheidet die Antragsgegnerin als kreisfreie Stadt über die Erteilung einer Baugenehmigung, so wird sie im übertragenen Wirkungskreis als untere staatliche Verwaltungsbehörde tätig (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayGO). Bei der Entscheidung über die Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung nimmt die Antragsgegnerin hingegen eine nur der Rechtsaufsicht unterliegende Selbstverwaltungsaufgabe wahr; dabei eröffnet das den Gemeinden verfassungsrechtlich eingeräumte Selbstverwaltungsrecht ihnen einen Gestaltungsspielraum in wohnungspolitischen Fragen, den sie mit dem Recht des Verbots der Zweckentfremdung von Wohnraum eigenverantwortlich ausschöpfen können (vgl. hierzu auch VGH BaWÜ, B.v. 6.8.2020 - 3 S 1493/20 - juris).
82
bb) Auf die - wohl zu verneinende - Frage, ob im Hinblick auf die in dem Baugenehmigungsbescheid vom 21. Oktober 2019 enthaltene Formulierung über die Nichtanwendbarkeit der Zweckentfremdungsverbotssatzung der Antragsgegnerin eine schriftliche Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen, nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG vorliegt, kommt es vorliegend nicht an, nachdem eine derartige Zusage von der Bauordnungsbehörde und damit nicht von der funktional zuständigen Behörde, vorliegend dem Stab Wohnen, erteilt worden wäre.
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Nach dem Wortlaut des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ist eine Zusage, die von einer nicht zuständigen Behörde erteilt wird, schon keine Zusicherung im Sinne der Legaldefinition.
84
e) Nach dem Ergebnis überschlägiger Prüfung erfolgten die streitgegenständlichen Anordnungen unter Ausübung ordnungsgemäßen Ermessens; Ermessensfehler gemäß § 114 Satz 1 VwGO sind nicht ersichtlich.
85
Nach alledem können die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. August 2020 angeordnete Nutzungsuntersagung und Rückführungsverpflichtung nicht beanstandet werden, so dass die noch anhängige Klage insoweit aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird und demgemäß im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens auch kein überwiegendes Interesse der Antragsteller für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung erkennbar ist. Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf den streitgegenständlichen Bescheid und seine Begründung Bezug genommen, § 117 Abs. 5 VwGO analog.
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Mithin waren die Anträge mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 2 i.V.m. Nr. 56.6.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.