Titel:
Verkehrsbeschränkende Maßnahmen zur Lärmbekämpfung – Verpflichtungsklage
Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 1, Abs. 2, § 113 Abs. 5, § 114 S. 1
StVO § 45 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3, Abs. 9
16. BImSchV
Lärmschutz-Richtlinien-StV
Leitsätze:
1. Die Vorschrift des § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 iVm S. 1 StVO gibt dem Einzelnen einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein straßenverkehrsrechtliches Einschreiten, wenn Verkehrslärm oder Abgase Beeinträchtigungen mit sich bringen, die jenseits dessen liegen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen und damit zugemutet werden muss. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Frage, ab welcher Lärmbelastung die Zumutbarkeits- bzw. Schädlichkeitsgrenze überschritten ist, existieren zwar keine unmittelbar geltenden Grenzwerte. Aus der 16. BImSchV, deren Immissionsgrenzwerte nicht für bestehende Verkehrswege, sondern nur für den Bau oder die wesentliche Änderung von öffentlichen Straßen gelten, lassen sich aber Orientierungswerte zur Beurteilung der Zumutbarkeit einer Lärmbelastung für die Umgebung ableiten, sodass bei einer Überschreitung ihrer Grenzwerte die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Straßenverkehrsbehörde als erfüllt anzusehen sind und sie unter Gebrauch ihres Ermessens über Beschränkungen des fließenden Verkehrs zu entscheiden hat; bei einem entsprechenden Antrag etwa eines Anwohners ist sie in diesem Fall zu einer Ermessensentscheidung verpflichtet. (Rn. 32 und 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bei entsprechend hoher Lärmbelastung verdichten und gegebenenfalls auch auf Null reduzieren kann, etwa wenn sogar die Werte nach den Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-Richtlinien-StV) überschritten werden, die den Straßenverkehrsbehörden eine Orientierungshilfe an die Hand geben sollen, nur für bestehende Straßen gelten und sich an die Grundsätze des baulichen Lärmschutzes an bestehenden Straßen (Lärmsanierung) anlehnen.(Rn. 36 und 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, Zumutbarkeitsgrenze für Lärmbelastung, Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV, Orientierungswerte, Ermessensreduzierung auf Null, Werte der Lärmschutz-Richtlinien-StV, Lärmsanierung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 23.03.2022 – 11 ZB 20.2082
Fundstelle:
BeckRS 2020, 56115
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über den Erlass verkehrsbeschränkender Maßnahmen auf der Bundesstraße 301 in M. Die Bundesstraße 301 (B 301) trägt im nördlichen Bereich der Ortsdurchfahrt von M. den Namen R. H1. Straße und im südlichen Bereich den Namen F. H1. Straße. Der Kläger ist nach seinen Angaben Eigentümer des Mehrfamilienhauses mit der Anschrift R. H1. Straße … in M. und zugleich einer der Bewohner dieses Hauses.
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Der Kläger und seine Ehefrau beantragten erstmals mit Schreiben vom 18. Juni 2016 bei der Regierung von Niederbayern verkehrslenkende Maßnahmen in der R. H1. Straße in M., mit denen der Schwerlastverkehr auf der B 301 herausgeleitet werde, insbesondere durch die Anordnung eines ganztägigen Durchfahrtsverbots für Transit-LKW sowie den landwirtschaftlichen Schwerlastverkehr zur Versorgung der Bioerdgasanlage H. Zur Begründung ist unter anderem ausgeführt, dass in den Jahren zuvor der Schwerlastverkehr, insbesondere durch „Mautflüchtlinge“ und „Transit-Lkw“ auf der B 301, durch die Stadt M. stark zugenommen habe. Dazu komme noch der landwirtschaftliche Schwerlastverkehr zur Versorgung der Bioerdgasanlage H. bei O. seit deren Inbetriebnahme im Jahr 2012. Der Schwerlastverkehr habe früher die Bundesautobahn A 93 genutzt und sei somit an M. vorbeigefahren. Seit der Einführung der Lkw-Maut auf Bundesautobahnen habe das Verkehrsaufkommen durch unzulässige Nutzung der Bundesstraßen als Ausweichstrecke in nicht mehr zumutbarer Weise zugenommen. Die durch den Schwerlastverkehr verursachte Lärm- und Abgasbelastung der Wohnräume des Klägers, der Außenanlagen und der häuslichen Umgebung sei nicht mehr zumutbar, weil der Lärm dadurch vermeidbar sei, dass der Schwerlastverkehr auch weiterhin die Autobahn benutze. Insofern liege eine nicht funktionsgerechte bzw. funktionswidrige Nutzung der Bundesstraße vor. Ortsüblich sei nur der Lärm, der durch den Verkehr verursacht werde, der auch bislang die Bundesstraße genutzt habe. Gegebenenfalls seien eine schalltechnische Untersuchung erforderlich, die sich an den Vorschriften der 16. BImSchV orientiere, sowie eine Ermittlung der Schadstoffbelastung unter Berücksichtigung der Immissionsgrenzwerte der 22. BImSchV. Zudem entstünde durch den Verkehr eine erhöhte und nicht mehr zu verantwortende Unfallgefahr. Ein Überqueren der Straße im Ort sei kaum noch möglich. Es seien mehrere Schul- bzw. Zugangswege, insbesondere für Kindergarten, Grundschule, Musikschule, Krankenpflegeschule betroffen. Es gebe auch Schäden an den Straßen. Außerdem befürchte der Kläger durch die vom Schwerlastverkehr verursachten Erschütterungen Schäden an seinem Haus; Vibrationen in den Wohnräumen hätten bereits zu Gebäudeschäden bzw. Rissen im Mauerwerk geführt.
3
Die Regierung von Niederbayern gab den Antrag an das Landratsamt K. ab, da für die Anordnung eines Lkw-Durchfahrtverbots auf der B 301 in M. dessen untere Straßenverkehrsbehörde zuständig sei. Das Landratsamt holte in der Folge Stellungnahmen mehrerer Fachbehörden ein.
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Mit Schreiben vom 22. September 2016 nahm das Bayerische Landesamt für Umwelt insbesondere zur Luftschadstoffbelastung der Anwohner an der B 301 in M. Stellung. Nach den Ergebnissen der angestellten Abschätzung der Schadstoffbelastung am Anwesen des Klägers auf Grundlage der Immissionsberechnungen mit dem Ausbreitungsmodell „Richtlinien zur Ermittlung der Luftqualität an Straßen ohne oder mit lockerer Randbebauung“ (RLuS) unter Berücksichtigung der an Messstationen in K., S. an der Donau und N. an der Donau (E..) gemessenen Vorbelastung und des Verkehrsaufkommens nach der Straßenverkehrszählung 2010 werden die Grenzwerte für Feinstaub (PM10 und PM2,5) sowie Stickstoffdioxid (NO2) am Anwesen des Klägers mit ca. vier Meter Abstand zum Fahrbahnrand nicht überschritten.
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Laut Mitteilung der Polizei vom 16. November 2016 habe es in der Zeit seit 1. Januar 2011 in M. im Bereich von der Bahnhofskreuzung bis zur Musikschule (600 m) insgesamt 25 Unfälle mit Personenschaden (26 Leicht- und 7 Schwerverletzte) gegeben. Unter den Schwerverletzten sei ein Jugendlicher gewesen, der mit dem Rad gestürzt sei. Bei einem der Unfälle sei ein Lkw beteiligt gewesen: Einem Tanklaster, der mit 50 km/h gefahren sei, sei die Vorfahrt genommen worden.
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Das Landratsamt K. antwortete dem Kläger und seiner Ehefrau mit Schreiben vom 8. Februar 2017, dass die Voraussetzungen für Maßnahmen gegen den Mautausweichverkehr, für verkehrslenkende Maßnahmen aus Gründen unzumutbarer Lärmbelästigung oder nicht hinnehmbarer Schadstoffbelastung und auch wegen der anderen vorgetragenen Gesichtspunkte der Unfallgefahr, der Straßen- und Gebäudeschäden nicht vorlägen. Selbst bei Vorliegend er sachlichen Voraussetzungen wäre in ganztägiges Durchfahrtverbot für Lastkraftwagen unverhältnismäßig.
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Mit Schreiben vom 6. März 2017 beantrage allein der Kläger nochmals den Erlass von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Straßenverkehrsordnung (StVO) beim Landratsamt K. und begründete sein Begehr insbesondere mit der Lärmbelastung an seinem Anwesen, das zu ungefähr 90% zu Wohnzwecken genutzt werde. Eine Unterhaltung sei tagsüber bei geöffnetem Fenster nicht möglich. Nachts sei der Schlaf gestört. Dies sei unter anderem auf die zahlreichen Lkw auf der R. H1. Straße zurückzuführen, die auch zu einer unverhältnismäßig hohen Abgasbelastung (vor allem Stickstoffdioxid und Feinstaub) beitrügen. Bei der Bewertung durch das Landratsamt werde der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht Rechnung getragen, wonach bei Lärmwerten von mehr als 54 dB(A) in der Nacht bzw. 64 dB(A) am Tage (16. BImSchV) in Mischgebieten die Straßenverkehrsbehörde verpflichtet sei, im Ermessenswege konkrete lärmmindernde Maßnahmen zu erwägen und die Belange der Betroffenen mit denen des Verkehrs abzuwägen. Bei Überschreiten der höheren Werte der Lärmschutz-Richtlinie-StV von 62 dB(A) in der Nacht bzw. 72 dB(A) am Tage in Mischgebieten sei nach der Rechtsprechung sogar davon auszugehen, dass den Betroffenen ein Rechtsanspruch auf Lärmschutz zustehe, da eine erhebliche Gesundheitsgefährdung vorliege. Beantragt werde nunmehr eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf der R. H1. Straße auf maximal 30 km/h, hilfsweise der Erlass anderer Maßnahmen.
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Das Staatliche Bauamt L. teilte dem Landratsamt K. per E-Mail vom 24. April 2017 die Ergebnisse der Lärmberechnung nach der Lärmschutz-Richtlinie-StV mit und legte Lärmbelastungskarten mit Darstellung der prognostizierten Beurteilungspegel während der Tag- und Nachtzeit in 5,5 Metern über Geländeoberkante entlang der B 301 in M. vor. Danach sei der Untersuchungsbereich in fünf Abschnitte mit folgenden Beurteilungspegeln aufgeteilt worden:
- Abschnitt 1 (Norden): 67 dB(A) am Tag und 57 dB(A) in der Nacht (allgemeines Wohngebiet, Schulen, Krankenhaus)
- Abschnitt 2 (Mitte): 67 dB(A) am Tag und 57 dB(A) in der Nacht (allgemeines Wohngebiet, Schulen, Krankenhaus)
- Abschnitt 3 (Mitte): 69 dB(A) am Tag und 59 dB(A) in der Nacht (Mischgebiet)
- Abschnitt 4 (Mitte): 69 dB(A) am Tag und 59 dB(A) in der Nacht (Mischgebiet)
- Abschnitt 5 (Süden): 72 dB(A) am Tag und 62 dB(A) in der Nacht (Gewerbegebiet)
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Die Gebietseinstufung der Bebauung sei anhand der Darstellung im Flächennutzungsplan erfolgt. Die als Flächen für den Allgemeinbedarf eingetragenen Grundstücke seien entsprechend der tatsächlichen Nutzung eingestuft worden: die Staatliche Berufsschule im Abschnitt 1, die P. H1. Schule und das Krankenhaus im Abschnitt 2 als Schulen bzw. Krankenhaus, das Gebäude der Verwaltungsgemeinschaft M., die Polizeiinspektion und das Dienstgebäude des Roten Kreuzes entlang der F. H1. Straße hingegen als Mischgebiet.
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Auf Grundlage dieser Einstufungen seien zusätzlich Konfliktpläne für die Tag- und Nachtzeit erstellt worden, aus denen hervorgehe, ob bzw. inwieweit der jeweils geltende Grenzwert für die Auslösung einer Lärmsanierung eingehalten oder überschritten werde. Für das Gebäude „R. H1. Straße …“ sei ein kleinerer Ausschnitt gewählt worden. Danach werde der Grenzwert vor der vom Verkehrslärm am stärksten betroffenen Westfassade tagsüber teilweise eingehalten bzw. gering um 1 dB(A) überschritten. In der Nachtzeit hingegen seien deutliche Überschreitungen um bis zu 5 dB(A) zu verzeichnen. Auch die Nord- und Südfassaden seien abschnittsweise noch von relevanten Überschreitungen betroffen.
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Laut ergänzender E-Mail-Erläuterung vom 8. September 2017 (s. S. 149 Behördenakte) habe die Berechnung für das Erdgeschoss des Mehrfamilienhauses des Klägers Werte von maximal 71 dB(A) am Tag und 64 dB(A) in der Nacht ergeben. Für das 1. und das 2. Obergeschoss ergäben sich Werte von maximal 70 dB(A) tagsüber und 63 dB(A) nachts.
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Die Berechnungen des Staatlichen Bauamts L. wurden nach Aktenlage mit den Zahlen der Straßenverkehrszählung 2010 erstellt. Die Verkehrszahlen 2015 lägen noch nicht vor, da zur Auswertung dieser elektronisch erhobenen Messdaten ein Berechnungsverfahren benötigt werde, das aber noch erst entwickelt werden müsse und erst frühestens im Jahr 2018 vorliege (s. S. 112 Behördenakte).
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Mit Bescheid vom 20. Juli 2017 teilte das Landratsamt K. dem Kläger wiederum mit, dass die Voraussetzungen zur Anordnung von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen nicht erfüllt seien. In der Begründung ist unter anderem ausgeführt, dass die Richtwerte der Lärmschutz-Richtlinie-StV zwar geringfügig überschritten seien. Für Mischgebiete betrage der Beurteilungspegel 72 dB(A) tags und 62 dB(A) nachts. Die für das in einem Mischgebiet gelegene klägerische Anwesen ermittelten Werte ergäben für das Erdgeschoss 71 dB(A) tags und 64 dB(A) nachts, für den 1. und 2. Stock 70 dB(A) tags und 63 dB(A) nachts. Nachts sei also eine geringfügige Überschreitung der Richtwerte vorhanden. Aus einem überschrittenen Schallpegel ergebe sich noch kein Anspruch des Einzelnen auf behördliche Schutzmaßnahmen, sondern nur auf fehlerfreie Entscheidung. Die Belange des Straßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer wögen aber schwerer. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung sei nach dem ministeriellen Einführungserlass zur Lärmschutz-Richtlinie-StV im Zuge der Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen nur in reinen und allgemeinen Wohngebieten sowie an Krankenhäusern, Schulen sowie Kur- und Altenheimen möglich. Bundesstraßen dienten der Aufnahme des überregionalen Verkehrs. Auf Grund der Widmung könne den Anliegern in diesem Bereich grundsätzlich mehr Lärm zugemutet werden.
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Der Kläger ließ mit Anwaltsschreiben vom 28. August 2017 zunächst eine auf Verpflichtung zur Verbescheidung gerichtete Untätigkeitsklage erheben, später erweitert um Hilfsanträge auf Verpflichtung zur Durchführung verkehrsbeschränkender Maßnahmen am Wohnort des Klägers an der B 301 und weiter hilfsweise auf Verpflichtung zur Neuverbescheidung. Mit rechtskräftig gewordenem Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 19. April 2018 (Az. RN 5 K 17.1540) wurde der Bescheid des Landratsamtes K. vom 20. Juli 2017 aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, den Antrag des Klägers vom 6. März 2017 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden; im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Untätigkeitsklage sei unzulässig, da im Zeitpunkt der Klageerhebung der Antrag bereits verbeschieden gewesen sei. Die Verpflichtungsklage sei mangels Spruchreife unbegründet. Die auf Neuverbescheidung gerichtete Klage war erfolgreich, weil die Sachentscheidung der Behörde nicht ermessensfehlerfrei ergangen sei.
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Daraufhin führte das Landratsamt K. das Verwaltungsverfahren fort und beteiligte erneut mehrere Fachbehörden.
16
Das Staatliche Bauamt legte mit E-Mail vom 28. Mai 2018 (s. S. 212 ff Behördenakte) zusätzliche Schallausbreitungsberechnungen zur Prognose der Lärmemissionen am Wohn- und Geschäftshaus „R. H1. Straße …“ unter Ansatz der Verkehrsmengen-Zahlen 2015 vor, die im Vergleich zur Zählung 2010 eine niedrigere Verkehrsbelastung auf der B301 ergeben hätten. Daraus resultierten tags wie auch nachts um 1 bis 2 dB(A) niedrigere Beurteilungspegel gegenüber der Berechnung aus dem Jahr 2017. Bei erlaubten 50 km/h ergäben sich auf Höhe des Anwesens des Klägers nachts eine Lärmspitze von 61 dB(A), abschnittsweise (Frontseite Erker) 62 dB(A), und tags eine Lärmspitze von 68 dB(A), abschnittsweise (Frontseite Erker) 69 dB(A). Der nur abschnittsweise erhöhte Wert ergebe sich aus der Lage des Erkers, wonach dieser in seiner Breite auf der Grenzlinie zwischen 61 und 62 dB(A) bzw. 68 und 69 dB(A) liege. Bei Begrenzung der zulässigen Geschwindigkeit auf 30 km/h wäre der in einem Mischgebiet geltende Grenzwert für die Auslösung einer Lärmsanierung während der Tagzeit auf Höhe aller Geschossebenen eingehalten. Der Grenzwert der 16. BImSchV wäre lediglich vor der Westfassade um 3 bis 4 dB(A) verletzt. In der Nachtzeit würde im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss vor der Westfassade eine Überschreitung des Auslösegrenzwertes um 1 bis 2 dB(A) verbleiben. Der beim Neubau und der wesentlichen Änderung von öffentlichen Verkehrswegen geltende Immissionsgrenzwert der 16. BImSchV, den der Gesetzgeber als Kennzeichen gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse und als zumutbar ansehe, wäre nachts jedoch selbst in diesem Fall vor der Nord-, West- und Südfassade auf Höhe aller Geschossebenen teilweise deutlich überschritten.
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Laut Mitteilung der Polizei vom 14. Juni 2018 kam es im Zeitraum von 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2017 in M. auf der B 301 im Bereich von der Bahnhofskreuzung auf einer Strecke von 600 Metern insgesamt zu 17 Verkehrsunfällen, davon 7 Kleinunfälle; bei fünf Unfällen seien insgesamt fünf Personen leicht verletzt worden. In der Auflistung der Unfälle (s. S. 221 - 223 Behördenakte) sind sich als unfallbeteiligte Fahrzeuge ausschließlich Pkw, Roller, Kleinkraftrad und Fahrrad benannt.
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Mit Schreiben vom 25. Juni 2018 nahm das Bayerische Landesamt für Umwelt erneut zur Luftschadstoffbelastung der Anwohner an der B 301 in M. Stellung. Nach den Ergebnissen der angestellten Abschätzung der Schadstoffbelastung am Anwesen des Klägers auf Grundlage der Immissionsberechnungen mit dem Ausbreitungsmodell „Richtlinien zur Ermittlung der Luftqualität an Straßen ohne oder mit lockerer Randbebauung“ (RLuS) unter Zugrundelegung der Emissionsfaktoren für das Jahr 2018 und Berücksichtigung der an Messstationen in K., S. an der Donau und N. an der Donau (E..) gemessenen Vorbelastung sowie des Verkehrsaufkommens nach der Straßenverkehrszählung 2015 werden die Grenzwerte für Feinstaub (PM10 und PM2,5) sowie Stickstoffdioxid (NO2) am Anwesen des Klägers mit ca. vier Meter Abstand zum Fahrbahnrand nicht überschritten. Das angewandte Rechenmodell „RLuS“ ermittle die Luftschadstoffkonzentrationen konservativ. Die Rechenwerte lägen am Anwesen des Klägers deutlich unter den Grenzwerten.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 13. August 2018 lehnte das Landratsamt K. den Antrag des Klägers auf Erlass einer verkehrsrechtlichen Anordnung (Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h oder hilfsweise verkehrsrechtliche und/oder allgemeine Maßnahmen zum Schutz vor Lärm und Abgasen) ab. Zur Begründung ist unter anderem ausgeführt, dass die Lärmwerte der 16. BImSchV für den Bau oder die wesentliche Änderung von öffentlichen Straßen maßgeblich seien und deshalb allenfalls als Orientierungshilfe dienen könnten; auch die Werte der Lärmschutz-Richtlinie-StV hätten indizielle Wirkung dahingehend, dass bei deren Überschreiten sich die Annahme zur Notwendigkeit von Lärmschutzmaßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen verdichte. Die Grenze der tatsächlichen Zumutbarkeit werde jedoch nicht durch einen bestimmten Schallpegel oder Abgaswert bestimmt. Bei einer Abwägung seien die Belange des Straßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer insgesamt sowie des Betroffenen selbst zu würdigen. Die Interessen anderer Anlieger, die durch lärm- oder abgasreduzierende Maßnahmen ihrerseits übermäßig durch Lärm und Abgase beeinträchtigt würden, seien ebenfalls zu berücksichtigen. Die Richtwerte der Lärmschutz-Richtlinie-StV seien nach den Berechnungen der Fachbehörden nachts eingehalten und tags sogar um 2, abschnittsweise 3 dB(A) unterschritten. Bei erlaubten 50 km/h sei nachts eine Überschreitung von 7 dB(A), abschnittsweise 8 dB(A) bei einem Basiswert nach der 16. BImschV von 54 dB(A) vorhanden, tags eine Überschreitung von 4 dB(A), abschnittsweise 5 dB(A) bei einem Basiswert nach der 16. BImschV von 64 dB(A). Die Überschreitung der Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV sei bereits ein gewichtiges Indiz für die Verneinung der Zumutbarkeit. Um die Lärmwerte tags und nachts zu senken, kämen folgende verkehrsrechtliche Maßnahmen in Betracht: Verkehrslenkung, Lichtzeichenregelung, Geschwindigkeitsbeschränkungen und Verkehrsverbot; darüber hinaus könnten Maßnahmen zur Unterbindung eines Mautausweichverkehrs getroffen werden, soweit die Richtwert-Überschreitung auf Mautausweichverkehr beruhe. Abzustellen sei jedoch auf alle Umstände des Einzelfalles. Die R. H1. Straße in M. werde vor allem von einem hohen Ziel- und Quellverkehr befahren, nicht zuletzt aufgrund der vielen großen ansässigen Unternehmen. Eine Änderung der Verkehrslenkung (Wegweisung) stelle daher kein geeignetes Mittel dar, um eine Reduzierung des Verkehrslärms zu erreichen. Nachdem in der R. H1. Straße nur zwei Lichtzeichenanlagen vorhanden seien, stelle auch eine geänderte Lichtzeichenregelung („Grüne Welle“) kein geeignetes Mittel zur Reduzierung von Verkehrslärm und Abgasen dar. Die Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung stelle zwar den Berechnungen nach ein geeignetes Mittel dar, um den Lärm um 3 dB(A) zu reduzieren; dennoch würde die Senkung um lediglich 3 dB(A) für die Anwohner der R. H1. Straße keine spürbare Verbesserung der Verkehrslärmsituation zur Folge haben, da nach den Grundregeln der Lärmphysik eine Erhöhung sowie eine Reduzierung des Lärmpegels erst ab 3 dB(A) „gerade mal wahrnehmbar“ sei. Darüber hinaus wären trotz Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h die Immissionsgrenzwerte des 16. BImSchV weiterhin nachts um 2 dB(A) überschritten. Die Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung scheitere an der fehlenden Angemessenheit. Einer Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung stehe auf einer Bundesstraße in der Regel deren besondere Verkehrsfunktion entgegen, den Anliegern einer Bundesstraße könne aufgrund ihrer Widmung mehr Verkehrslärm zugemutet werden als beispielsweise Anliegern von reinen Wohnstraßen. Die Freizügigkeit des Verkehrs sowie die Interessen der Verkehrsteilnehmer an zügigem, kraftstoffsparendem und fließendem Vorankommen seien mit den Interessen der Anwohner auf Schutz vor Lärm und Abgasen sowie dem Schutz vor Verletzung der Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Eigentum abzuwägen. Es bestehe die Gefahr, dass sich während der „Rush-Hour“ zwischen dem Kreisverkehr und der Lichtzeichenanlage große Rückstaus bildeten, die wiederum mehr Lärm und Abgase für die Anwohner entlang der R. H1. Straße zur Folge hätten. Nach Abwägung der widerstreitenden Belange des Schutzes der Wohnbevölkerung vor unzumutbarem Verkehrslärm mit den Belangen des Straßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer sei ein Einschreiten der unteren Straßenverkehrsbehörde nicht geboten. Der Verkehrslärm-Beurteilungspegel bringe keine Beeinträchtigungen mit sich, die jenseits dessen lägen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall nicht als ortsüblich hingenommen werden müsse und zumutbar sei. Die Nachteile für die Verkehrsteilnehmer stünden in keinem Verhältnis zu den subjektiven, relativ gering empfundenen Vorteilen der Anwohner der R. H1. Straße. Auch aus Sicherheitsgründen sei eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h nicht zwingend; die Unfallanalyse habe gezeigt, dass die Voraussetzungen weder für eine innerörtliche Unfallhäufungslinie (in drei Jahren mindestens drei Unfälle mit Personenschaden mit maximal 300 m Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Überschreiten-Unfällen) noch für eine Unfallhäufungsstelle (in drei Jahren mindestens fünf Verkehrsunfälle mit Personenschaden an einer Straßenstelle mit geringer Längenausdehnung unabhängig von der Fahrtrichtung) gegeben seien. Den Fachbehörden seien keinerlei Informationen bekannt, dass häufig gefährliche Verkehrssituationen aufgrund unangemessener Geschwindigkeit festgestellt worden seien. Ein Verkehrsverbot entlang der R. H1. Straße auf einer Länge von ca. 600 bis 1.000 m hätte eine Umleitung von mindestens 15 km zur Folge und würde über die Kreisstraße K. 31, Bundesautobahn A 93 und die S. straße St 2049 erfolgen. Die Kreisstraße K. 31 und die S. straße St 2049 seien nicht geeignet, den Verkehr aufzunehmen; sie seien in einigen Abschnitten sehr schmal (ca. 5,50 m) und nicht für den entgegengesetzt fahrenden fortgesetzten Schwerlastverkehr geeignet. Eine Umleitung des Verkehrs hätte eine Schaffung zusätzlicher Gefahrensituationen zur Folge. Eine weitere Umleitungsstrecke über die Kreisstraßen K. 31, L. 40, L. 39, K. 33, K. 35 und die S. straße St 2049 hätte eine Streckenverlängerung von mindestens 25 km zur Folge, was zu einem Mehraufwand an Zeit für den Ziel- und Quellverkehr, höherem Kraftstoffverbrauch, höherem Ausstoß an Schadstoffen und Feinstaubbelastungen und einer Mehrbelastung der an der Umleitungsstrecke wohnhaften Anlieger führe. Zudem seien Kreisstraßen und Staatsstraßen nicht vergleichbar mit der Bundesstraße für die dauerhafte Belastung durch den täglichen Schwerlastverkehr ausgelegt, wie sie bei einer Umleitung über diese Straßen der Fall wäre. Ohnehin müsste wegen des Ziel- und Quellverkehrs ein Verkehrsverbot mit dem Zusatzzeichen „Anlieger frei“ ausgestattet oder entsprechende Einzelausnahmegenehmigungen erteilt werden; wegen des hohen Anteils des Ziel- und Quellverkehr in M. würden daher weiterhin viele Verkehrsteilnehmer die R. H1. Straße passieren. Auch Mautausweichverkehr führe vorliegend nicht zum Erlass verkehrsrechtlicher Maßnahmen. Die Lkw-Maut auf Bundesautobahnen sei zum 1. Januar 2005 eingeführt worden. Der Schwerverkehr habe bei den zurückliegenden Verkehrszählungen folgende Werte erbracht: Bei der Verkehrszählung 2015 seien in der R. H1. Straße in M. 608 Schwerverkehr-Fahrzeuge gezählt worden, 2010 seien es 749, 2005 seien es 927 und im Jahr 2000 seien es 748 Schwerverkehr-Fahrzeuge gewesen. Der Schwerverkehr-Anteil habe also seit 2005 abgenommen; daher sei auch davon auszugehen, dass der Lärmpegel durch Mautausweichverkehr seither nicht um 3 dB(A) angestiegen sei. Hinzu komme wiederum der hohe Anteil an Ziel- und Quellverkehr in M. Auch aus den Lärmberechnungen für das Krankenhaus, die Berufsfachschule für Krankenpflege und den Kinderhort veranlasse nicht zu verkehrsrechtlichen Lärmschutzmaßnahmen. Nachdem die Grenzwerte der 39. BImSchV am Immissionsort nach dem Gutachten des Bayerischen Landesamtes für Umwelt vom 25. Juni 2018 unterschritten würden, scheide auch eine verkehrsrechtliche Anordnung zur Senkung der Luftschadstoffbelastung aus. Insgesamt sei nach Abwägung der widerstreitenden Belange des Schutzes der Wohnbevölkerung vor unzumutbarem Verkehrslärm mit den Belangen des Straßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer ein Einschreiten der unteren Straßenverkehrsbehörde mit verkehrsregelnden Maßnahmen unverhältnismäßig; keine der Maßnahmen sei geeignet, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Die Freiheit des Verkehrs und die Interessen der Verkehrsteilnehmer an kurzen Fahrwegen, fließendem und zügigem Vorankommen würden schwerer wiegen als die Interessen der Anlieger der R. H1. Straße an Schutz vor Lärm und Abgasen. Die Nachteile für die Verkehrsteilnehmer wären gravierender als die Vorteile des Antragstellers. Verkehrsrechtlicher Lärmschutz an Straßen könne keinen Ersatz für bauliche Lärmschutzmaßnahmen darstellen; es sei zu prüfen, ob ein baulicher Lärmschutz umgesetzt werden könne, wofür jedoch das Staatliche Bauamt L. als Straßenbaulastträger zuständig sei. Dieses habe dem Kläger im Rahmen der Lärmsanierung einen Zuschuss in Höhe von 75% für den Einbau von Lärmschutzfenstern in Aussicht gestellt, ein entsprechender Antrag auf bauliche Lärmschutzmaßnahmen sei dort zu stellen.
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Mit Anwaltsschriftsatz vom 3. September 2018 ließ der Kläger die gegenständliche Klage erheben. Zur Begründung wird insbesondere vorgetragen, dass das klägerische Anwesen nicht in einem Mischgebiet, sondern einem allgemeinen Wohngebiet liege. Maßgeblich sei nicht die Bezeichnung im Flächennutzungsplan, sondern die tatsächliche Gebietsprägung. Das Gebiet, in dem sich das klägerische Anwesen befinde, sei vorrangig von Wohnnutzung, der Schule und dem Krankenhaus geprägt, nur einzelne nicht störende und der Versorgung des jeweiligen Gebiets dienende Gewerbebetriebe wie ein Hundesalon und ein Blumengeschäft seien vorhanden. Weiter entfernt sei nur noch ein Fotogeschäft. Der Kläger selbst betreibe kein Steuerberatungsbüro zu Hause, sondern sei bei einer Münchner Wirtschaftsprüfergesellschaft angestellt und mache zu Hause höchstens Home-Office. Das Verwaltungsgebäude der Verwaltungsgemeinschaft verändere nicht den Gebietscharakter des allgemeinen Wohngebiets. Die Grenzwerte des allgemeinen Wohngebiets seien nach der Lärmschutz-Richtlinie-StV bei 70 dB(A) am Tag und 60 dB(A) in der Nacht und mit berechneten Werten von 62 dB(A) in der Nacht deutlich überschritten und tagsüber mit 69 dB(A) fast erreicht. Die Werte der 16. BImSchV seien offensichtlich und erheblich überschritten, selbst wenn man von einem Mischgebiet ausgehe. Nehme man zu Recht ein allgemeines Wohngebiet an, so seien die Grenzwerte von 54 dB(A) (tagsüber) und 49 dB(A) (nachts) um 15 dB(A) tagsüber und 13 dB(A) nachts überschritten. Der Beklagte habe sein Ermessen auch nicht ergebnisoffen ausgeübt, er sei schlicht nicht bereit, gesunde Wohnverhältnisse herzustellen, und suche krampfhaft Argumente, um die hohe Lärmintensität vor dem Anwesen des Klägers zu relativieren. Die Auffassung des Beklagten, die Überschreitung der unteren Grenzen der Lärmschutzrichtlinie sei Tatbestandsgrenze für Lärmschutzmaßnahmen, sei offensichtlich falsch. Außerdem bringe auch nach den Ausführungen des Beklagten eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h eine Lärmreduzierung um mindestens 3 dB(A). Dies bedeute immerhin eine Halbierung des Lärmpegels, da die dB-Skala logarithmisch sei. Die Behauptung des Beklagten, eine solche Reduzierung habe keine spürbare Verbesserung der Lebensqualität für den Kläger zur Folge, sei daher nicht verständlich. Ausführungen des Beklagten zu einer Geschwindigkeitsbeschränkung, die auf 600 m höchstens einen Zeitverlust von 29 Sekunden zur Folge hätte, erschöpften sich in allgemeinen Erwägungen ohne konkreten Ortsbezug. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung habe keinerlei spürbare Auswirkungen auf Staubildung auf der B 301 in der „Rush-Hour“, in der in der R. H1. Straße wegen deren mangelnder Priorisierung durch den Kreisverkehr bei der Berufsschule ohnehin nur „Stop-and-Go“-Verkehr möglich sei. Auch spreche wenig gegen ein Nachtfahrverbot für Lkw, da die örtliche Wirtschaft tagsüber beliefert werde und der Nachtverkehr überwiegend den Fernverkehr betreffe, der ohne weiteres die A 93 befahren könne. Die Lebensqualität des Klägers und seiner Familie sei aufgrund der sehr konkreten Lärmbelästigung rund um die Uhr doch erheblich gestört, die Schlafqualität werde empfindlich beeinträchtigt. Der Kläger arbeite drei Werktage die Woche im Home-Office und habe Konzentrationsprobleme bei derart großem Schalldruck.
1. den Verwaltungsakt des Beklagten vom 13. August 2018, Aktenzeichen: 35_1402_2_B 301 aufzuheben,
2. den Beklagten zu verpflichten, am Wohnort des Klägers an der B 301 verkehrsbeschränkende Maßnahmen durchzuführen,
3. hilfsweise für den Fall, dass das Gericht zur Auffassung gelange, dass der Verwaltungsakt vom 13. August 2018 zwar aufzuheben, aber nur ein Anspruch des Klägers auf erneute, ermessensfehlerfreie Verbescheidung des Antrags vom 6. März 2017 bestehe, den Beklagten zu verpflichten, den Antrag des Klägers auf Erlass verkehrsbeschränkender Maßnahmen auf der B 301 am Wohnort des Klägers vom 6. März 2017 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden.
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Der Beklagte beantragt,
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Zur Begründung wiederholt er inhaltlich teilweise die Ausführungen aus dem Bescheid. Ergänzend trägt er unter anderem vor, die Gebietseinstufung erfolge anhand der Darstellung im Flächennutzungsplan sowie der tatsächlichen Nutzung, danach sei das Anwesen des Klägers einem Mischgebiet zugeordnet und nicht einem allgemeinen Wohngebiet. Der Kläger selbst unterhalte in seinem Anwesen ein Steuerberatungsbüro. Ein weiteres Steuerberatungsbüro befinde sich in unmittelbarer Nähe. Inwiefern darüber hinaus ein Hundesalon, Blumen- und Fotogeschäft als Läden zur Versorgung des Gebiets dienen sollen, könne dahingestellt bleiben. Die Einstufung in ein allgemeines Wohngebiet lediglich aufgrund einer räumlichen Nähe zu einem Krankenhaus und einer Schule sei nicht gegeben. Grundlage der Lärmberechnung sei die im Fünfjahresrhythmus ermittelte durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (sog. DTV-Wert), der dem Programm „Bayerisches Straßeninformationssystem“ (BaySIS) entnommen sei und im Vergleich von 2010 (13.902 Fahrzeuge) zu 2015 (12.738 Fahrzeuge) einen Rückgang von 1.164 ergeben habe. Dementsprechend sei auch die Lärmbelastung gesunken. Das Gebäude des Klägers werde zwar überwiegend zum Wohnen genutzt, es liege jedoch in einem Mischgebiet und der Grenzwert werde entsprechend der Lärmschutz-Richtlinie-StV nur nachts im Bereich der Frontseite des Erkers im Mittelungspegel gerade eben erreicht (der Wert dort liege mit 62 dB(A) exakt am Auslösewert; der restliche Bereich des Hauses unterschreitet die Auslösewerte). Eine Beschränkung auf 30 km/h wirke sich nicht wesentlich auf den Lärm aus; Verkehrslärm sei kein kontinuierliches Geräusch, man nehme eine Reduzierung des Lärms spürbar war, wenn er sich um 10 dB(A) verringere, eine Wahrnehmung ab 3 dB(A) sei nicht gegeben. Verkehrsverbote würden Umleitungen erforderlich machen, von denen entweder die Ortschaften O. und U. mit ca. 1.500 bzw. 300 Einwohnern in besonderem Maß betroffen wären und mit denen ein Umweg von rund 34 km in Kauf genommen werden müsste; alternativ erfolge eine Streckenführung über die Ortschaften P1. (ca. 230 Einwohner), A. (ca. 1.370 Einwohner), K. (ca. 100 Einwohner), R1. (ca. 240 Einwohner), L1. (ca. 250 Einwohner), T. (ca. 20 Einwohner) und S1. (ca. 2.200 Einwohner) mit einer zusätzlichen Strecke von ca. 25 km. Der Verkehr würde sich auf Dorfgebiete verlagern, die bislang nicht von einem derartig hohen Verkehrs- und Lärmaufkommen betroffen seien.
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Mit Anwaltsschreiben vom 4. November 2019 erhob der Kläger Verzögerungsrüge. Mit Schreiben vom 28. Februar 2020 wurde zur mündlichen Verhandlung am 1. April 2020 geladen. Der Termin musste jedoch wegen der „Corona“-bedingten Einstellung des Sitzungsbetriebs am Verwaltungsgericht Regensburg wieder abgesetzt werden. Nach Wiederaufnahme des Sitzungsbetriebs erfolgte mit gerichtlichem Schreiben vom 29. April 2020 Ladung zur mündlichen Verhandlung am 27. Mai 2020 als dem ersten Termin, an dem der Kammer ein für Kammersitzungen geeigneter Saal zur Verfügung stand.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in den Verfahren RN 5 K 17.1540 und RN 3 K 18.1435, die vorgelegten Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 2020 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, hat aber in der Sache weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg.
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Die vom Kläger im Hauptantrag erhobene Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO) ist statthaft, da die abgelehnten verkehrsbeschränkenden Maßnahmen im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO als Verwaltungsakte einzuordnen sind. Der Kläger ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO auch klagebefugt, da er als Anlieger der R. H1. Straße in M. für sein Begehren, den Beklagten wegen der für unzumutbar gehaltenen Beeinträchtigungen durch den an seinem Anwesen vorbeiführenden Verkehr zum Erlass einer verkehrsbeschränkenden Maßnahme zu verpflichten, ein geschütztes Recht geltend machen kann. Zwar ist § 45 Abs. 1 StVO, der die Verkehrsbehörde ermächtigt, insbesondere aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs verkehrsbeschränkende Maßnahmen anzuordnen, grundsätzlich auf den Schutz der Allgemeinheit und nicht auf die Wahrung der Interessen Einzelner gerichtet; die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat aber anerkannt, dass der Einzelne jedenfalls dann einen - auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde begrenzten - Anspruch auf Einschreiten haben kann, wenn die Verletzung seiner geschützten Individualinteressen in Betracht kommt (vgl. VG München, U.v. 1.4.2009 - M 23 K 07.1874 - juris Rn. 25 m.w.N.). Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 45 Abs. 1 StVO, insbesondere soweit Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 dieser Vorschrift den Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen bezweckt, umfasst nicht nur die Grundrechte wie körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) und Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG). Dazu gehört im Vorfeld des Grundrechtsschutzes auch der Schutz vor Einwirkungen des Straßenverkehrs, die das nach allgemeiner Anschauung zumutbare Maß übersteigen (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.1979 - 7 C 46/78 - juris Rn. 25). Demzufolge ist der Kläger gemäß § 42 Abs. 2 VwGO auch klagebefugt.
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Die Klage ist jedoch unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 13. August 2018, mit dem das Landratsamt den Antrag des Klägers auf Erlass einer verkehrsrechtlichen Anordnung abgelehnt hat, stellt sich als rechtmäßig dar; er verletzt den Kläger damit auch nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Damit hat der Kläger aber auch keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts nochmals über seinen Antrag auf Erlass verkehrsbeschränkende Maßnahmen entscheidet, da dessen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bereits erfüllt ist; auch der in zulässiger Weise unter einer innerprozessualen Bedingung erhobene Hilfsantrag bleibt somit erfolglos.
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Rechtsgrundlage für die begehrte Anordnung kann nur § 45 StVO sein. Die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken kann auf Grundlage dieser Vorschrift beschränkt oder verboten werden. Eine entsprechende verkehrsrechtliche Maßnahme ist danach insbesondere möglich aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StVO) oder etwa zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO). Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind gemäß § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO jedoch nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Eine den fließenden Verkehr beschränkende Anordnung kommt dabei gemäß § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO grundsätzlich nur in Betracht, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in § 45 StVO genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Diese Einschränkung gilt nach § 45 Abs. 9 Satz 5 StVO wiederum insbesondere nicht für Beschränkungen oder Verbote des fließenden Verkehrs nach § 45 Abs. 1 Satz 1 oder 2 Nr. 3 StVO zur Beseitigung oder Abmilderung von erheblichen Auswirkungen veränderter Verkehrsverhältnisse, die durch die Erhebung der Maut nach dem Bundesfernstraßenmautgesetz hervorgerufen worden sind.
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1. Konkret kommt hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Lärmbeeinträchtigungen, auf die er sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung letztlich beschränkt hat, der Erlass der begehrten verkehrsrechtlichen Anordnung auf Grundlage von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. Satz 1 StVO in Betracht. Danach kann die Straßenverkehrsbehörde die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zum Schutz der Wohnbevölkerung insbesondere vor Lärm beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten.
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Die Vorschrift gibt dem Einzelnen einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein straßenverkehrsrechtliches Einschreiten, wenn Lärm oder Abgase Beeinträchtigungen mit sich bringen, die jenseits dessen liegen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen und damit zugemutet werden muss (vgl. BVerwG, U.v. 4.6.1986 - 7 C 76/84 - juris; BayVGH, U.v. 21.3.2012 - 11 B 10.1657 - juris). Mit Lärm im Sinne dieser Norm ist nur Verkehrslärm gemeint. § 45 Abs. 1 StVO befugt damit grundsätzlich nicht zum Erlass von Verkehrsverboten zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen, die nicht vom Kfz-Verkehr herrühren (vgl. VG Würzburg, U.v. 20.3.2019 - W 6 K 17.1463 - juris Rn. 39). Der Umstand, dass § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO den Kfz-Verkehr nicht (wie § 45 Abs. 1a StVO) eigens erwähnt, lässt nicht den Schluss zu, die Vorschrift ermögliche die Bekämpfung auch von Lärm, der nur mittelbar auf den Straßenverkehr zurückzuführen ist (vgl. BayVGH, B.v. 7.12.1995 - 11 CS 95.3741 - juris Rn. 16). Dies wird v.a. durch die Ausgestaltung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d StVG deutlich, der ausdrücklich (nur) zum Erlass von Verordnungen über Maßnahmen (u.a.) zum Schutz der Wohnbevölkerung und Erholungssuchenden gegen Lärm und Abgase durch den Kfz-Verkehr ermächtigt (vgl. BayVGH, B.v. 7.12.1995 - 11 CS 95.3741 - juris).
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a) Ein gesetzgeberischer oder verordnungsrechtlicher Wert, bei dessen Überschreiten eine Verpflichtung zum Einschreiten im Sinne eines rechtlichen Automatismus entsteht, besteht jedoch nicht. Für die Frage, ab welcher Lärmbelastung die Zumutbarkeits- bzw. Schädlichkeitsgrenze in diesem Sinne überschritten ist, existieren nämlich keine unmittelbar geltenden Grenzwerte. Insbesondere finden die Vorschriften der 16. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmverordnung - 16. BImSchV) bei dieser Beurteilung von Lärmimmissionen keine unmittelbare Anwendung, da deren Immissionsgrenzwerte nicht für bestehende Verkehrswege, sondern nur für den Bau oder die wesentliche Änderung von öffentlichen Straßen gelten (vgl. VG München, U.v. 1.4.2009 - M 23 K 07.1874 - juris Rn. 32 m.w.N.). Insofern wird beim Lärmschutz zwischen Lärmvorsorge und Lärmsanierung unterschieden.
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Aus der 16. BImSchV lassen sich aber nach ständiger Rechtsprechung immerhin Orientierungswerte zur Beurteilung der Zumutbarkeit einer Lärmbelastung für die Umgebung ableiten (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 22.12.1993 - 11 C 45/92 - juris; BayVGH, U.v. 18.2.2002 - 11 B 00.1769 - juris; BayVGH, U.v. 21.3.2012 - 11 B 10.1657 - juris Rn. 28). Denn die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV bringen allgemein die Wertung des Normgebers zum Ausdruck, von welcher Schwelle an eine nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung der Nachbarschaft durch Verkehrslärm gegeben ist. Das bedeutet, dass bei einer Überschreitung der Grenzwerte der 16. BImSchV die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Straßenverkehrsbehörde als erfüllt anzusehen sind und die Behörde unter Gebrauch ihres Ermessens über Beschränkungen des fließenden Verkehrs zu entscheiden hat; bei einem entsprechenden Antrag etwa eines Anwohners ist sie in diesem Fall zu einer Ermessensentscheidung verpflichtet.
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Die Lärmbelastung des klägerischen Grundstücks lässt sich nach Ansicht des Gerichts aus den in sich widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Berechnungen des vom Landratsamt beauftragten Staatlichen Bauamtes ermitteln, die als solche klägerseitig auch nicht substantiiert in Frage gestellt wurden. Danach ist für das Anwesen des Klägers in der R. H1. Straße … auf Basis der Ergebnisse der jüngsten ausgewerteten und veröffentlichten Verkehrszählung 2015 und unter Berücksichtigung der derzeit vor Ort zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h von einer Lärmbelastung in Höhe von 68 dB(A) am Tag (unmittelbar entlang der Erkerfrontseite: 69 dB(A)) und von 61 dB(A) in der Nacht (unmittelbar entlang der Erkerfrontseite: 62 dB(A)) auszugehen. Damit sind am Wohnhaus des Klägers sowohl die niedrigeren Grenzwerte des § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV für ein allgemeines Wohngebiet (59 dB(A) am Tag und 49 dB(A) in der Nacht) wie auch die etwas höheren Grenzwerte des § 2 Abs. 1 Nr. 3 der 16. BImSchV für ein Mischgebiet (64 dB(A) am Tag bzw. 54 dB(A) in der Nacht) überschritten.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Straßenverkehrsbehörde sind also unabhängig davon erfüllt, ob sich das klägerische Anwesen in einem allgemeinen Wohngebiet befindet (wie vom Kläger im vorbereitenden Verfahren geltend gemacht) oder in einem Mischgebiet (wie vom Landratsamt angenommen). Somit hat der Kläger einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag.
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b) Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass sich dieser Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bei entsprechend hoher Lärmbelastung verdichten und gegebenenfalls auch auf null reduzieren kann, etwa wenn sogar die Werte nach den Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-Richtlinien-StV) überschritten werden (vgl. z.B. VG Oldenburg, U.v. 13.6.2014 - 7 A 7110/13 - juris Rn. 13). Eine solche Überschreitung ist vorliegend jedoch nicht gegeben.
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Die Lärmschutz-Richtlinien-StV verfolgen das Ziel, den Straßenverkehrsbehörden eine Orientierungshilfe zur Entscheidung über straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Straßenverkehrslärm an die Hand zu geben. Sie gelten nur für bestehende Straßen und lehnen sich an die Grundsätze des baulichen Lärmschutzes an bestehenden Straßen (Lärmsanierung) an. Ihre Grenzwerte für ein allgemeines Wohngebiet liegen mit 70 dB(A) am Tag und 60 dB(A) in der Nacht jeweils um 11 dB(A) höher als die der 16. BImSchV; für ein Mischgebiet liegen sie mit 72 dB(A) am Tag und 62 dB(A) in der Nacht jeweils um 8 dB(A) höher.
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Die vom Staatlichen Bauamt für den Tag berechnete Lärmbelastung am klägerischen Anwesen erreicht mit 68 dB(A) (bzw. 69 dB(A) unmittelbar entlang der Erkerfrontseite) weder die Tages-Grenzwerte der Lärmschutz-Richtlinie-StV für ein Mischgebiet (72 dB(A)) noch die für ein allgemeines Wohngebiet (70 dB(A)). Auch die für die Nacht ermittelten Belastungswerte am klägerischen Anwesen überschreiten mit 61 dB(A) bzw. entlang der Erkerfrontseite 62 dB(A) den Nacht-Grenzwert der Lärmschutz-Richtlinien-StV für ein Mischgebiet (62 dB(A)) nicht; vielmehr wird er lediglich entlang der Frontseite des aus der Hausmauer hervorragenden Erkers gerade so erreicht, aber eben nicht überschritten. Anders stellt sich die Situation jedoch in Bezug auf den Nacht-Grenzwert bei einer Lage in einem allgemeinen Wohngebiet dar, da dieser 60 dB(A) beträgt und damit überschritten wäre.
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Allerdings befindet sich das klägerische Anwesen entgegen der im vorbereitenden Verfahren erfolgten Darstellung der Klägerseite tatsächlich gerade nicht in einem allgemeinen Wohngebiet, sondern in einem Mischgebiet.
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Liegt das fragliche Anwesen - wie vorliegend - nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, ist das Gebiet entsprechend seiner tatsächlichen Nutzung einzuordnen. Auf die Darstellungen im Flächennutzungsplan kommt es hingegen nicht an. Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen (§ 4 Abs. 1 Baunutzungsverordnung - BauNVO). Dementsprechend sind außer Wohngebäuden nur funktional gebietsbezogene und immissionsverträgliche sonstige Nutzungsarten allgemein zulässig (vgl. BayVGH, B.v. 23.8.2010 - 2 ZB 10.1618 - beck-online Rn. 5). Nach § 4 Abs. 2 BauNVO sind dies Wohngebäude, die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften, nicht störende Handwerksbetriebe sowie Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke; auf die in § 4 Abs. 3 BauNVO genannten Nutzungen, die ausnahmsweise zugelassen werden können, wird ergänzend hingewiesen. Demgegenüber dienen Mischgebiete dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören (vgl. § 6 Abs. 1 BauNVO). Zulässig sind nach § 6 Abs. 2 BauNVO Wohngebäude, Geschäfts- und Bürogebäude, Einzelhandelsbetriebe, Schankund Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes, sonstige Gewerbebetriebe, Anlagen für Verwaltungen sowie kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke, Gartenbaubetriebe, Tankstellen und in Gebietsteilen, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind, auch bestimmte Vergnügungsstätten.
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Der Umgriff um das klägerische Anwesen in der R. H1. Straße …, für den die bauplanungsrechtliche Einstufung vorzunehmen ist, wird im Westen durch die Bundesstraße B301 (R. H1. Straße) begrenzt, der aufgrund ihrer Dimension vor Ort bauplanungsrechtlich ohne weiteres trennende Wirkung zukommt. Die Nutzungen auf der dem Anwesen des Klägers gegenüberliegenden Seite der Bundesstraße sind für die Einstufung des hier maßgeblichen Gebietes daher nicht maßgeblich. Ungeachtet dessen wäre dieser Bereich durch den Bebauungsplan „M1.-S2. H1. Straße“ ohnehin als Mischgebiet festgesetzt. Im Osten wird der Umgriff durch die B. H1. straße bzw. die B1. H1. straße begrenzt, denen aufgrund ihrer Breite ebenfalls jeweils trennende Wirkung zukommt.
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Selbst wenn man den maßgeblichen Umgriff um das klägerische Anwesen nun auf die beiden unmittelbar nördlich und südlich angrenzenden Straßenzüge, also die S3. H1. Straße sowie die C. H2. Straße, begrenzt, stellt sich das Gebiet in seiner Nutzung als mischgebietstypisch dar. Zwar hat die Klägerseite im vorbereitenden Verfahren versucht, das Gericht glauben zu lassen, in dem Gebiet bestünden außer Wohnnutzung, einer Schule und einem Krankenhaus nur noch vereinzelt nicht störende Gewerbebetriebe. Dies ergebe sich aus einem Blick in „Google Maps“, wo sich ein Hundesalon und die weiter südlich liegende „Blumenfrau“ fänden. Auch in der mündlichen Verhandlung hat sich der klägerische Anwalt auf eine besonders ausgeprägte eigene Ortskenntnis berufen, da er nicht weit vom klägerischen Anwesen entfernt wohne. Die vom Gericht beim Beklagten veranlasste Erhebung der Nutzungen im Umgriff des klägerischen Anwesens, deren Ergebnisse klägerseitig weitgehend unbestritten blieben, brachten jedoch ein deutlich anderes Bild zu Tage. Im Umgriff des klägerischen Anwesens bestehen danach nicht nur Wohngebäude und funktional gebietsbezogene und immissionsverträgliche sonstige Nutzungsarten, wie dies für die Einstufung als allgemeines Wohngebiet erforderlich wäre. Vielmehr finden sich gleich mehrere Gewerbebetriebe, wie sie teilweise für ein Mischgebiet typisch sind und in einem allgemeinen Wohngebiet als störender Fremdkörper unzulässig wären. So wird im Anwesen mit der Anschrift S3. H1. Straße … eine Spenglerei und im Anwesen mit der Anschrift S3. H1. Straße … eine Schreinerei betrieben, die typischerweise immissionsrelevant sind und die jeweils nicht als funktional allein bzw. wenigstens vorwiegend gebietsbezogene Nutzungen einzustufen sind, selbst soweit es sich um einen Einmannbetrieb handeln sollte. Ferner befinden sich im klägerischen Anwesen selbst (R. H1. Straße ….) ein Hundesalon, in der C. H2. Straße … eine Bäckerei bzw. ein Laden zum Verkauf von Backwaren, in der C. H2. Straße … eine Arztpraxis, in der C. H2. Straße … eine Steuerberaterkanzlei, in der C. H2. Straße … ein Versicherungsbüro und in der C. H2. Straße … eine Heilpraktikerpraxis. Darüber hinaus werden in der C. H2. Straße … und … unter anderem bearbeitete Natursteine angeboten, wobei es insoweit vorliegend nicht mehr darauf ankommt, ob es sich dabei tatsächlich um einen bloßen Gartenbaubetrieb handelt, wie klägerseitig geltend gemacht, oder doch um einen Steinmetzbetrieb, wie vom Landratsamt vorgetragen. Denn selbst bei einem Gartenbaubetrieb würde das Gebiet aufgrund des bereits hinreichend ausgeprägten sonstigen Umfangs an gewerblichen Nutzungen als Mischgebiet anzusehen sein. Diese gewerblichen Nutzungen finden nicht nur in einem weitgehend untergeordneten Umfang statt, sondern geben dem Gebiet durchaus ebenfalls ein maßgebliches Gepräge; dabei kommt es entgegen der klägerischen Ansicht im Übrigen nicht darauf an, dass in den oberen Geschossen der jeweiligen Anwesen auch eine Wohnnutzung stattfindet, da eine solche die gewerblichen Nutzungen nicht aufhebt. Wegen der mitprägenden Wirkung der vorgenannten gewerblichen Nutzungen kommt es vorliegend auch nicht mehr auf die derzeit womöglich ruhenden Nutzungen in der C. H2. Straße … (Gaststätte) und in der C. H2. Straße … (Metzgerei) an.
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Auch dann, wenn man den für die Gebietseinstufung maßgeblichen Umgriff um das klägerische Anwesen größer ziehen und ihn auch im Norden bis zur B. H1. straße und im Süden bis zur B1. H1. straße reichen lassen wollte, würde sich nach Auffassung der Kammer am Ergebnis der Einstufung als Mischgebiet nichts ändern. Vielmehr treten dann noch weitere Nutzungen hinzu, die die Einstufung als Mischgebiet bekräftigen. So wird in der B. H1. Straße … ein Getränkemarkt betrieben und in der B. H1. Straße … ein Raumausstatterladen; beide Anwesen befinden sich auch in einem durch den Bebauungsplan „M1.-S2. H1. Straße“ festgesetzten Mischgebiet. In der B. H1. Straße 1 wird ein Apartment Hotel betrieben, in der B1. H1. straße … befindet sich ein Immobilienbüro, in der B1. H1. straße … ein Bekleidungsgeschäft, in der B1. H1. straße … ein Friseurladen, in der B1. H1. straße … eine Bäckerei mit Café, außerdem ein Lohn- und Gehaltsbüro, und in der B1. H1. straße … befindet sich eine Gaststätte. Zudem wurde für einen Teil dieses Bereichs mit dem Bebauungs- und Grünordnungsplan „B1. H1. straße“ ebenfalls eine Mischgebietsnutzung förmlich festgesetzt. Auch bei einer solchermaßen weiten Grenzziehung wäre das Gebiet, in dem sich das klägerische Anwesen befindet, aufgrund der im Umfeld tatsächlich vorhandenen Nutzungen also als Mischgebiet einzustufen.
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Damit ist zur weiteren Orientierung vorliegend nicht auf die Grenzwerte abzustellen, die die Lärmschutz-Richtlinien-StV für allgemeine Wohngebiete vorsehen, sondern diejenigen für Mischgebiete. Diese werden vorliegend jedoch gerade nicht überschritten, sodass es auch unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung nicht allein schon deshalb zu einer Ermessensreduzierung auf null kommt. Es besteht insoweit nämlich keine Gefahrenlage, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in § 45 StVO genannten Rechtsgüter so erheblich übersteigt, dass das Landratsamt zur Anordnung weitergehender verkehrsbeschränkender Maßnahmen gegenüber dem fließenden Verkehr gezwungen wäre (vgl. § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO). Vielmehr hat der Kläger weiterhin nur einen Anspruch auf eine behördliche Entscheidung, die nach wie vor im Ermessen steht, dabei freilich ermessensfehlerfrei ergehen muss.
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c) Die vorgenannte Eingriffsschwelle des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO wäre zwar nach § 45 Abs. 9 Satz 5 StVO abgesenkt, soweit Maßnahmen zur Beseitigung oder Abmilderung von erheblichen Auswirkungen veränderter Verkehrsverhältnisse getroffen werden sollten, die durch die Erhebung der Maut nach dem Bundesfernstraßenmautgesetz hervorgerufen worden sind. Derartige Veränderungen der Verkehrsverhältnisse sind vorliegend jedoch ebenfalls nicht gegeben.
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Die Mautpflicht auf der Bundesautobahn A93, die in wenigen Kilometern Entfernung an M. vorbeiführt, wurde zum 1. Januar 2005 eingeführt. Die Ergebnisse der in der Vergangenheit durchgeführten Verkehrszählungen ergaben jedoch keinen Anhaltspunkt für einen relevanten Anstieg der Verkehrsbelastung für die R. H1. Straße in M., der auf sogenannten Mautausweichverkehr zurückzuführen wäre. Vielmehr stellen sich die Zahlen zum durchschnittlichen täglichen Verkehr (DTV) im fraglichen Zeitraum als stabil bis sogar rückläufig dar. So stieg die Zahl der Kraftfahrzeuge, die bei den jeweiligen Verkehrszählungen an der Bundesstraße B301 in M. erfasst wurden, zwar zunächst durchaus etwas an (2000: 13.592 Kfz; 2005: 13.704 Kfz; 2010: 13.902 Kfz), bei der jüngsten Verkehrszählung im Jahr 2015 sank die Zahl der erfassten Kraftfahrzeuge mit 12.738 aber sogar um mehr als 6% unter den Ausgangswert aus dem Jahr 2000, der bei der letzten Verkehrszählung vor Einführung der Mautpflicht auf Autobahnen für die Bundesstraße B301 in M. ermittelt wurde. Noch ausgeprägter ist diese Entwicklung gerade beim insoweit maßgeblichen Schwerlastverkehr, der allein ja einer Mautpflicht unterfällt. Dessen Anteil hatte zwar bei der Verkehrszählung an der B301 in M. im Jahr 2005, zu dessen Beginn die Mautpflicht eingeführt wurde, gegenüber der Verkehrszählung im Jahr 2000 durchaus mehr als unerheblich zugenommen (927 Fahrzeuge in 2005 im Vergleich zu 748 Fahrzeugen in 2000). Schon im Jahr 2010 ging die Zahl der bei der Verkehrszählung erfassten Schwerlastfahrzeuge mit 749 aber auf das Niveau der Zeit vor Einführung der Mautpflicht zurück; und bei der Verkehrszählung im Jahr 2015 sank sie mit 608 Fahrzeugen sogar unter den Wert aus der Zeit vor Bestehen einer Mautpflicht ab. Sie liegt damit auch deutlich unter den DTV-Mittelwerten, die bei der Verkehrszählung 2015 für Bayern mit 886 Fahrzeugen, für Niederbayern mit 1.131 Fahrzeugen und für den Landkreis K. mit 1.182 Fahrzeugen ermittelt wurden.
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Damit sind jedoch - ungeachtet der allgemeinen Zunahme des Verkehrs - keine erheblichen Auswirkungen veränderter Verkehrsverhältnisse erkennbar, die durch die Erhebung der Maut nach dem Bundesfernstraßenmautgesetz hervorgerufen sein könnten. Schon das Gesamtverkehrsaufkommen ist in der Tendenz rückläufig, vor allem aber hat insbesondere das Schwerlastverkehrsaufkommen abgenommen, im Vergleich zum Jahr 2005 deutlich auf rund 2/3 und im Vergleich zum Jahr 2000 immerhin auch noch auf gut 4/5 des Niveaus vor Einführung der Mautpflicht.
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Hinzu kommt, dass inzwischen seit 1. Juli 2018, also nach der bislang jüngsten ausgewerteten und veröffentlichten Verkehrszählung aus dem Jahr 2015, auch auf der Bundesstraße B301 in M. selbst eine Mautpflicht besteht. Auch dieser Umstand wird gerade nicht zu einer Steigerung der Attraktivität der Ortsdurchfahrt von M. für Mautausweichverkehr geführt haben bzw. künftig führen.
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d) Auf dieser Grundlage ist die Ermessensentscheidung des Landratsamtes K. nicht zu beanstanden. Dabei ist das Gericht auf die Überprüfung, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten sind und ob die Behörde von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, beschränkt (§ 114 Satz 1 VwGO). Die streitgegenständliche Ermessensentscheidung stellt sich unter dieser Maßgabe aber als ermessensfehlerfrei dar.
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So hat das Landratsamt die Betroffenheit des Klägers durch den Verkehrslärm im Ergebnis zutreffend ermittelt und in die Abwägungsentscheidung eingestellt. Die Behörde hat insbesondere erkannt, dass die Grenzwerte der 16. BImSchV als Orientierungshilfe dienen und teilweise doch deutlich überschritten sind. Sie hat ferner berücksichtigt, dass die Werte der Lärmschutz-Richtlinie-StV ebenfalls als Orientierung herangezogen werden können, jedoch gerade noch nicht überschritten, aber immerhin teilweise gerade erreicht sind. Aus der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids ergibt sich auch hinreichend, dass sich die Behörde der Bedeutung bewusst war, die der ermittelten Lärmbelastung am klägerischen Anwesen beizumessen ist. Sie erkennt auch an, dass Anwohner ein berechtigtes Interesse daran haben, von übermäßigem Lärm verschont zu bleiben.
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Dem klägerischen Bedürfnis, eine Reduzierung der Verkehrslärmbelastung zu erwirken, hat die Behörde verschiedene Handlungsmöglichkeiten gegenübergestellt und die Auswirkungen dieser Maßnahmen mit dem klägerischen Anliegen umfassend abgewogen. Das Landratsamt hat insbesondere die Möglichkeiten verkehrslenkender Maßnahmen, der Regelung durch Lichtzeichenanlage, von Geschwindigkeitsbeschränkungen und Verkehrsverboten geprüft. Dabei kam sie jeweils mit ausreichend stichhaltigen Gründen zum Ergebnis, dass die eintretenden Nachteile etwa für die verkehrliche Situation oder für Dritte, die von entsprechenden Anordnungen betroffen wären, gewichtiger sind als das klägerische Interesse an einer Reduktion des Verkehrslärms an seinem Anwesen.
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In Bezug auf eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h hat das Landratsamt insbesondere den Umfang einer lärmphysikalisch daraus resultierenden Reduzierung des Verkehrslärms gewürdigt und diesen als zu gering angesehen, als dass er es rechtfertigen würde, die verkehrlichen Auswirkungen auf die Bundesstraße B301 im fraglichen Bereich mit ihrer überörtlichen Bedeutung sowie der Bedeutung für den erheblichen Ziel- und Quellverkehr, etwa für die ansässigen Gewerbebetriebe, zurücktreten zu lassen. Die R. H1. Straße in M. sei Teilabschnitt einer Bundesstraße, welche integraler Bestandteil des Bundesfernstraßennetzes und zugleich Ortsdurchfahrt sei. Sie sei nach der Linienführung und ihrem Ausbauzustand ausreichend leistungsfähig, um den weiträumigen wie den innerörtlichen Verkehr zu bündeln und dadurch die Wohngebiete zu entlasten. Diese besondere Verkehrsfunktion der R. H1. Straße stehe vorliegend aus Sicht der Straßenverkehrsbehörde einer Geschwindigkeitsbeschränkung entgegen, weil die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt würde bzw. im Hinblick auf eintretende Änderungen von Verkehrsströmen beachtliche Lärm- und Abgasbeeinträchtigungen von Anliegern anderer Straße zur Folge haben könne. Verkehrsteilnehmer hätten durch Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung finanzielle sowie zeitliche Einbußen zu erwarten, da der Verkehr aufgrund der Beschränkung nicht zügig abgewickelt werden könnte. Außerdem leide das Interesse der Verkehrsteilnehmer an einem Kraftstoff sparenden Vorankommen. Die Gefahr weiterer Rückstauungen im betroffenen Bereich der R. H1. Straße habe auch für deren Anlieger wiederum mehr Lärm und Abgase durch Beschleunigen und Bremsen zur Folge.
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Die Möglichkeiten eines Verkehrsverbotes oder von verkehrslenkenden Maßnahmen, die zu einer Verlagerung des Verkehrs auf andere Straßen führen würden, hat die Straßenverkehrsbehörde vorliegend ebenfalls erwogen. Sie kam dabei zum Ergebnis, dass die dann erforderlichen Umleitungsstrecken keine zumutbare und geeignete Alternative darstellen. Durch die Umleitungen würden - je nach geprüfter Variante in unterschiedlichem, jeweils aber als erheblich angesehenen Umfang - zahlreiche Ortsteile mit mehreren hundert Einwohnern nachteilig betroffen, da diese ein deutlich erhöhtes Verkehrsaufkommen zu erwarten hätten. Der Verkehr würde sich auf Dorfgebiete verlagern, die bislang nicht von einem derartig hohen Verkehrs- und Lärmaufkommen betroffen seien. Durch die großräumig erforderlichen Umleitungen und die daraus resultierenden längeren Fahrstrecken würden die Verkehrsteilnehmer zudem erheblichen zusätzlichen Zeitaufwand in Kauf zu nehmen haben. Folge sei auch entsprechend höherer Verbrauch von Kraftstoff und damit einhergehender Ausstoß an Schadstoffen und Feinstaubbelastungen. Darüber hinaus handle es sich bei den Umleitungsstrecken um Kreis- und Staatsstraßen, die einerseits nicht für eine entsprechende dauerhafte Belastung durch täglichen Schwerlastverkehr wie bei einer Bundesstraße ausgelegt seien, andererseits drohe eine Zunahme von Unfällen insbesondere im Gegenverkehr, wenn der Schwerlastverkehr auf diesen schmaleren Straßen zunehme. Eine Sperrung der Bundesstraße B301 im Zuge der R. H1. Straße führe lediglich zu einer Verlagerung der Lärmproblematik und der Schadstoffbelastung. Der Kreis der betroffenen Bürger entlang der Umleitungsstrecke habe erhebliche Nachteile zu erwarten, die außer Verhältnis zu den damit verbundenen Vorteilen der Anlieger der R. H1. Straße stünden. Diese vom Landratsamt in die Entscheidung eingestellten Gesichtspunkte sind als durchaus einschlägig und beachtlich anzuerkennen, sie durften vom Landratsamt in die Abwägung auch mit dem beigemessenen Gewicht eingestellt werden.
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Das Landratsamt hat ferner die Möglichkeit geänderter Lichtzeichenregelungen im fraglichen Bereich geprüft und schon als ungeeignetes Mittel zur Reduzierung insbesondere von Verkehrslärm verworfen. Durch eine Nivellierung der Schaltphasen könnte bei Ampelanlagen eines Straßenzuges an sich zwar eine sogenannte „Grüne Welle“ eingerichtet werden, durch die beim Befahren der Straße mit einer bestimmten Geschwindigkeit jede Ampel in ihrer Grünphase erreicht werden könne. In der R. H1. Straße sei die Einrichtung einer solchen „Grünen Welle“ jedoch praktisch nicht möglich, da hier nur ein Kreuzungsbereich mit einer Lichtzeichenanlage und nicht ein ganzer Straßenzug mit mehreren Lichtzeichenanlagen geregelt sei. Damit ist durch eine veränderte Lichtzeichenregelung aber tatsächlich keine lärmrelevante Beeinflussung des Verkehrslärms zu erwarten.
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Insgesamt stellt sich damit die streitgegenständliche Entscheidung in Bezug auf die für den Kläger bestehende Verkehrslärmbelastung und die diesbezügliche Abwägungsentscheidung als ermessensfehlerfrei und rechtmäßig dar.
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2. Auch die Luftschadstoffbelastung entlang der R. H1. Straße in M. führt nicht dazu, dass die antragsablehnende Ermessensentscheidung des Landratsamtes als fehlerhaft anzusehen wäre.
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Die Straßenverkehrsbehörden können zwar wiederum nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. Satz 1 StVO die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zwar auch zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Abgasen beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Die ablehnende Entscheidung des Landratsamtes K. ist aber auch insoweit wiederum nicht zu beanstanden.
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Das Landratsamt hat vorliegend die angezeigten Ermittlungen zur Luftschadstoffbelastung am Anwesen des Klägers veranlasst und hierfür vom Landesamt für Umwelt entsprechende Berechnungen anstellen lassen. Nach dem Ergebnis der Untersuchungen durch das Landesamt für Umwelt sind die einschlägigen straßenverkehrsrelevanten Grenzwerte der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen - 39. BImSchV) am Anwesen des Klägers jedoch deutlich unterschritten. So hat das Landesamt für Umwelt für das klägerische Anwesen in der R. H1. Straße … in ca. vier Meter Abstand zum Fahrbahnrand auf Grundlage der Ergebnisse der zuletzt ausgewerteten und veröffentlichten Verkehrszählung des durchschnittlichen täglichen Verkehrs eine Feinstaubbelastung mit Partikeln PM10 von 19 μ/m³ im Jahresmittelwert errechnet, der Grenzwert liegt nach Anlage 11 zur 39. BImSchV seit 1. Januar 2005 mit 40 μ/m³ jedoch mehr als doppelt so hoch. Nach Auswertungen des Landesamtes für Umwelt kann bei einem PM10-Jahresmittelwert von 19 μ/m³ und weniger außerdem davon ausgegangen werden, dass der Grenzwert von 50 μ/m³ im Tagesmittel nicht öfter als an 35 Tagen pro Kalenderjahr überschritten wird, die nach Anlage 11 zur 39. BImSchV ebenfalls einen Grenzwert darstellen. Für die Feinstaubbelastung mit Partikeln PM2,5 hat das Landesamt für Umwelt am klägerischen Anwesen einen Wert von 15 μ/m³ errechnet; hier beträgt der Grenzwert seit dem 1. Januar 2015 nach der Anlage 12 zur 39. BImSchV 25 μ/m³. Für die Stickstoffdioxidbelastung (NO2) hat das Landesamt für Umwelt am klägerischen Anwesen auf Basis der Verkehrszahlen eine Belastung von 22 μ/m³ ermittelt; insoweit beträgt der Grenzwert seit dem 1. Januar 2010 nach der 11. BImSchV 40 μ/m³. Die konkret für das klägerische Anwesen ermittelte Abgasbelastung erreicht damit jeweils Werte von knapp unter oder etwas über der Hälfte der jeweiligen Grenzwerte, diese werden also durchaus deutlich unterschritten.
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Bei einer solchen Ausprägung der Abgasbelastung war das Landratsamt nicht gehindert, die Beeinträchtigung des Klägers durch Luftschadstoffe als zumutbar anzusehen und unter Berücksichtigung der anderweitig einzustellenden und eingestellten Belange von der Anordnung verkehrsbeschränkender oder gar verkehrsverbietender Maßnahmen abzusehen. Auf die obigen Ausführungen zur Ermessensabwägung wird insoweit wiederum Bezug genommen. Auch der Kläger hat offenbar wiederum erkannt bzw. anerkannt, dass die Abgasbelastung seiner Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen vermag; immerhin erklärte er im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausdrücklich, er sehe keine Probleme mehr hinsichtlich der Abgasbelastung.
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3. Lediglich ergänzend sei noch angemerkt, dass sich auch unter Berücksichtigung des örtlichen Unfallgeschehens keine Ermessensfehlerhaftigkeit der streitgegenständlichen Entscheidung des Landratsamtes ergibt. Die Behörde hat auch hierzu Ermittlungen durch Einholung einer Auskunft der zuständigen Polizeidienststelle angestellt und die Ergebnisse der Ermittlungen in vertretbarer Weise in die Abwägung eingestellt.
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Nach den Darlegungen der Polizei kam es in den Jahren seit 2015 zu Unfällen im Wesentlichen wegen missachteter Vorfahrt, zu Abbiege- und zu Auffahrunfällen. Eine Beteiligung von Lkw war jeweils nicht gegeben. Auch speziell eine Betroffenheit von Kindern lässt sich den polizeilichen Zusammenstellungen nicht entnehmen, insbesondere auch keine solcher Kinder, die sich etwa auf dem Weg zu bzw. von Kindergarten oder Schule befunden haben. Aus den aufgezeigten Unfallgeschehen der letzten Jahre ergibt sich auch keine besondere Auffälligkeit in Bezug auf die vor Ort zulässige Geschwindigkeit. Insbesondere liegt kein besonderer Unfallschwerpunkt vor, der Rückschlüsse darauf zuließe, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit in diesem Streckenabschnitt zu hoch bemessen sei. Von einer besonders erhöhten Unfallgefahr, die der Kläger ursprünglich geltend gemacht hatte, kann danach nicht ausgegangen werden.
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Die Behörde hat das ermittelte Unfallgeschehen auch in die Entscheidung mit eingestellt und diesem dabei kein Gewicht beigemessen, das sie zu einer der vom Kläger geforderten verkehrsrechtlichen Maßnahmen veranlasst hätte. Aus den erhobenen Zahlen ergeben sich weder Anhaltspunkte für eine innerörtliche Unfallhäufungslinie noch für eine innerörtliche Unfallhäufungsstelle. Auf Höhe des Kinderhortes befinde sich außerdem eine „Drückerampel“ für Fußgänger, im weiteren Verlauf der R. H1. Straße seien außerdem Fußgängerüberquerungshilfen eingerichtet. Auch eine relevante Erhöhung der Fußgängersicherheit durch Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung hat das Landratsamt daher nicht gesehen. Dies ist vorliegend ebenfalls nicht zu beanstanden. Auch der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung darauf verzichtet, diesen Umstand noch als problematischen Ermessensaspekt geltend zu machen.
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4. Das Landratsamt hätte auch nicht unter Berücksichtigung von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StVO zur Durchführung verkehrsbeschränkender Maßnahmen zum Zweck der Verhütung außerordentlicher Schäden an der Straße veranlasst sein können. Entsprechendes gilt für die Anordnung solcher Maßnahmen zum Zweck der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO, unter den unter anderem auch der Schutz des Eigentums von Anwohnern bzw. Anliegern fallen kann, etwa gegenüber durch den Verkehr hervorgerufenen physikalischen Kräften in Form von Erschütterungen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1999 - 3 C 25.98 - juris).
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Soweit der Kläger im ursprünglichen Verwaltungsverfahren zum gemeinsam mit seiner Ehefrau gestellten Antrag auf Anordnung verkehrslenkender Maßnahmen noch geltend gemacht hatte, es gebe Schäden an der Straße und durch den Schwerlastverkehr verursachte Erschütterungen drohten auch Schäden an seinem Haus, hat er dies im gegenständlichen Verfahren ausdrücklich nicht mehr aufrechterhalten. Vielmehr hat er sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung letztlich auf die Lärmproblematik beschränkt und ausdrücklich mitgeteilt, dass er keine Probleme mehr in Bezug auf andere von ihm in der Vergangenheit vorgetragene Aspekte sehe. Ungeachtet dessen blieb das Vorbringen bezüglich der ursprünglich einmal behaupteten (drohenden) Schäden an Straße und Haus ohnehin gänzlich unsubstantiiert.
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Auch sonst liegen dem Gericht keine Erkenntnisse etwa über Straßenschäden vor, die das übliche Maß bei langjähriger Nutzung in relevanter Weise übersteigen würden. Ebenso liegen keine Erkenntnisse über Umstände vor, die prognostisch außerordentliche Schäden an der Straße erwarten ließen, die wiederum das Landratsamt auf Grundlage des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StVO durch Erlass verkehrsbeschränkender Maßnahmen zu verhüten haben könnte. Entsprechendes gilt mit Blick auf § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO für die Gefahr von Schäden am klägerischen Anwesen Nachdem sich der streitgegenständliche Bescheid vom 13. August 2018 also insgesamt als rechtmäßig darstellt, ist der Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag bereits erfüllt. Der Bescheid hat daher Bestand und war nicht aufzuheben.
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Damit bleibt die Klage sowohl im Hauptantrag wie auch im Hilfsantrag, der in zulässiger Weise an eine innerprozessuale Bedingung geknüpft war, ohne Erfolg. Die Klage war insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.