Titel:
bodenschutzrechtliche Sanierungsanordnung, Sanierungsziel, fehlerhafte Störerauswahl, Haftungsbegrenzung
Normenketten:
BBodSchG § 4 Abs. 3, 6
BBodSchG § 10
Schlagworte:
bodenschutzrechtliche Sanierungsanordnung, Sanierungsziel, fehlerhafte Störerauswahl, Haftungsbegrenzung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 53336
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2018 (Az. …*) wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen eine bodenschutzrechtliche Sanierungsanordnung.
2
Seit 1943 betrieb die damalige … in … auf dem Gelände zwischen der Hellip straße im Osten, der Hellip straße im Westen und der Hellip Straße im Süden eine Fabrik zur Herstellung von elektrischen Messgeräten.
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Im Jahre 1969 wurde das 1919 gegründete Unternehmen in die …GmbH umgewandelt. Das ehemalige Fabrikgelände der …werke bestand aus den Anwesen Hellip straße … (FlNr. …*), An der* Hellip straße (FlNr. …*), Hellip straße * (FlNrn. …, …, …, …*), An der Hellip straße (FlNr. …*), Hellip straße … (FlNr. …*) und Hellip Straße (FlNr. …*) in … Auf dem nördlichen Teilbereich des Geländes befand sich das Werk II mit der Galvanik und dem Weberhaus. Das Werk III im südlichen Bereich des Geländes umfasste den Lackbunker, Regalcontainer und einen Parkplatz.
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Das gesamte ehemalige Fabrikgelände ist als Altstandort im Altlastenkataster registriert.
5
Im Rahmen eines Ortstermins am 23. April 1987 durch das Wasserwirtschaftsamt … und das Amt für Umweltschutz der Beklagten zur Überprüfung der Lagerung von grundwassergefährdenden Stoffen wurde auf dem Gelände der …GmbH festgestellt, dass aufgrund des Umgangs mit grundwassergefährdenden Stoffen eine mögliche Grundwasserverunreinigung vorliege. Die Hellip GmbH erklärte sich bereit, die empfohlenen Grundwasseruntersuchungen und die Einrichtung von Probenahmestellen durchzuführen. Nach deren Angaben sei in den letzten Jahren in der Galvanik mit Galvanikbädern (Chrom, Nickel und Zink) sowie in den Reinigungsanlagen mit Perchloräthylen und Trichloräthylen gearbeitet worden.
6
Bis zum Jahr 2004 erfolgte die Sanierung durch die …GmbH, danach übernahm die Klägerin die Sanierung des Geländes.
7
Der von der Hellip GmbH beauftragte Sachverständige des Geowissenschaftlichen Büros …, …, kam in seinem Bericht über Bodengasmessungen der Werke II und III der Hellip GmbH vom 29. November 1991 zu dem Ergebnis, dass die LHKW-Anomalie im Werk II nach Westen und Norden als abgegrenzt angesehen werden könne. Zur weiteren Erkundung sollten hier im Süden und Osten hin 5 weitere Sondierungen erfolgen. Ein Großteil des Werkes III mit den Bereichen Lackbunker, Regalcontainer und Parkplatz könne als zusammenhängende kontaminierte Fläche angesehen werden. Der Belastungsschwerpunkt befinde sich beim Altmateriallager.
8
Aus dem Besprechungsprotokoll über den Start und Ablauf des Sanierungsprojektes auf dem Betriebsgelände der Hellip GmbH am 14. Januar 1992, an dem Vertreter der Hellip GmbH, des Umweltamtes der Beklagten, des Wasserwirtschaftsamtes … sowie Sachverständige teilnahmen, ergibt sich, dass aufgrund der Analysen der bisherigen 72 Bodenluft-Sondierungen und der kartographischen Auswertung der Ergebnisse die Bodenkontaminierung des Werksgeländes weitgehend lokalisiert sei. Die restlichen Flächen seien mit 18 ergänzenden Sondierungsbohrungen zu fixieren. Aufgrund der Auswertung sei ausgeschlossen, dass die Kontaminierung auf dem Werksgelände durch Fremdeinwirkung von Nachbargrundstücken herrührte. Beim Gesamtprojekt müsse zwischen der Bodenluft-Sanierung und der Grundwasser-Sanierung unterschieden werden. Der Grundwasserspiegel werde bei 5 m Tiefe vermutet.
9
In dem Bericht des Geowissenschaftlichen Büros … vom 9. Oktober 1992 führt der Sachverständige aus, eine abgegrenzte sanierungsbedürftige Anomalie befinde sich in der Shed-Halle (Werk II). Die Grundwasser-Untersuchung zeige in beiden Werken LHKW-Belastungen, die eine Sanierung erforderten. Zur Sanierung seien Absaugbohrungen vorgesehen. Mit insgesamt 93 Bodengas-Messungen sei auf dem Werksgelände die Ausdehnung erhöhter LHKW-Konzentrationen in der ungesättigten Bodenzone (Bodenluft) untersucht worden. Die Analytik des Grundwassers zeige, dass die Ausdehnung der LHKW-Belastungen im Grundwasser keinesfalls als abgegrenzt angesehen werden könne.
10
Aus dem Besprechungsvermerk vom 14. Dezember 1992 über den Stand und Fortgang der Sanierung auf dem Betriebsgelände der Hellip GmbH, an der u. a. neben Vertretern der Beklagten und des Wasserwirtschaftsamtes auch ein Vertreter der …GmbH sowie Herr Hellip und Herr Hellip von der …KG teilgenommen hatten, ergibt sich „…dass, das Grundstück und die Gebäude in …, Hellip straße, am 1. Oktober 1992 an die …KG, …, übergegangen sind. Die Koordinierung der Sanierungsaktivitäten wird zunächst noch von Herrn Hellip durchgeführt.“
11
Des Weiteren wurde in dem Aktenvermerk zu der Besprechung vom 14. Dezember 1992 festgehalten, dass für die langfristige Sanierungsbetreuung des heutigen …Grundstücks, Hellip straße …, die Firma … (* …, …*) beauftragt werde, die in geologischen Fragen mit dem Geobüro … bei Bedarf zusammenarbeite.
12
Aus dem Bericht des Geowissenschaftlichen Büros … vom 25. Februar 1993 über die Sanierung der ungesättigten Bodenzone von August 1992 bis Januar 1993 auf dem Werk II und III der Hellip GmbH in … ergibt sich, dass bis zum 31. August 1992 aus der ungesättigten Bodenzone 607,98 kg LHKW entfernt worden sei. Insgesamt seien auf dem Betriebsgelände 21 Absaugbohrungen zur Sanierung der ungesättigten Bodenzone niedergebracht worden. Von August bis Mitte Januar 1993 seien nochmals 418,83 kg LHKW und somit insgesamt 1.026,81 kg entfernt worden.
13
Mit Bescheid der Beklagten vom 9. November 1993, adressiert an die Hellip GmbH, wurde die Genehmigung erteilt, das im Rahmen der Altlastenerkundung auf dem ehemaligen Betriebsgelände, Hellip straße …, bei Pumpversuchen anfallende Grundwasser, rückwirkend ab Einleitungsbeginn, in die öffentliche Entwässerungsanlage einzuleiten.
14
Die Hellip Hellip GmbH teilte ihrer Haftpflichtversicherung am 24. November 1993 (Behördenakten Bd. 2 Aktenordner 12, S. 1-4) mit, Herr Hellip, der von 1943 - 1989 bei … in den letzten Jahrzehnten als Mitarbeiter und zuletzt Leiter der Betriebsverwaltung gewesen sei, habe über den Zeitablauf mitgeteilt, dass das Shedhallen-Gebiet vor dem Krieg von einer Weberei bebaut und als Produktionsstätte genutzt worden sei. Ende der Fünfzigerjahre sei das Gelände mit den Hallen von der Firma … erworben worden. Neu errichtet worden seien folgende Werkstätten: Kunststoffpresserei (1960), Stanzerei, Dreherei und Lackiererei (1961), Sandstrahlen und Schleifen (1962) sowie die Galvanik mit Teilwäscherei und Neutralisation im Oktober 1962. Nach dem Umzug der Galvanik im Jahr 1962 von der Hellip straße auf den jetzigen Standort sei Anfang 1963 auch das Lager für Reinigungshilfe (LHKW) in die Hellip straße (Gelände südlich des Hauptgebäudes) im Erdbunker umgesiedelt worden. Am Bunkereingang und auf dem Platz davor (kleiner Parkplatz) seien von 1963 - 1981 Reinigungsstoffe abgefüllt und an die verschiedenen Werkstätten ausgegeben worden. Erst im Jahr 1988 seien geschlossene Regalcontainer mit Auffangwannen gekauft und die Reinigungsmittel auslaufsicher gelagert worden. Der Schadstoffeintrag im Boden und im Grundwasser im Geländeteil Nord müsse daher in der Zeit zwischen Oktober 1962 und Dezember 1992 und im Geländeteil Süd zwischen 1963 (Erdbunker) bzw. 1981 (Lagerhalle) und 1988 (Container mit Auffangwanne) erfolgt sein.
15
Im Bereich der ehemaligen Galvanik seien ausweislich des Berichts der …GmbH, beauftragt von der …KG, über Bausubstanzuntersuchungen im Galvanikgebäude, Werk II, in den folgenden Anlagen die jeweiligen Einsatzstoffe eingebracht worden:
„Waschanlagen LHKW, insbesondere Tetrachlorethylen Kleinteilerreinigung Kaltreiniger, LHKW-haltig Wasserdampfbad Wasser Freonbad LHKW Säurebäder Schwefelsäure, Salzsäure galvanische Bäder schwermetallhaltige Chemikalien Schleiftrommeln Schleifemulsionen Photoplattenbearbeitung kupferhaltige Inhaltsstoffe Eloxierung schwermetallhaltige Chemikalien“
16
Seit Juni 1994 wurden auf dem ehemaligen Betriebsgelände der Hellip GmbH Maßnahmen zur Sanierung des mit leichtflüchtigen Halogenkohlenwasserstoffen (LHKW) verunreinigten Grundwassers und der Bodenluft durchgeführt, indem das verunreinigte Grundwasser mittels Unterwasserpumpen aus den sechs Sanierungsbrunnen gefördert und in ein zentrales Vorlagebehältnis eingeleitet wurden. Die Sanierungsmaßnahmen der gesättigten Bodenzone auf dem Areal der Klägerin (Südgelände) erfolgten seit Juni 1994 über die Brunnen P8, P9, P13 und P15. Im nördlichen Geländebereich (ehemaliges Sparkassengelände) erfolgten Sanierungsmaßnahmen an den Brunnen P22 und P23.
17
Mit Bescheid der Beklagten vom 12. April 1994 erteilte diese der nunmehrigen …GmbH, …, die befristete wasserrechtliche Erlaubnis zur vorübergehenden Grundwasserabsenkung auf dem ehemaligen Betriebsgelände Hellip straße … und Einleitung in den … Die Befristung der Erlaubnis wurde mit Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 1996 dergestalt geändert, dass die beschränkte Erlaubnis so lange gelte, bis das Sanierungsziel erreicht sei.
18
Der Bebauungsplan Nr. … Hellip straße Nord der Beklagten für das Gebiet westlich der Hellip straße und östlich der Bahnlinie …- … vom 23. April 1996 setzt als Art der baulichen Nutzung Kerngebiet fest. Die Flächen des Betriebsgeländes sind als für bauliche Nutzung vorgesehene Flächen gekennzeichnet, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.
19
Die …GmbH kommt in ihrem Gutachten vom 8. März 2005, beauftragt durch die Stadt- und Kreissparkasse …, da diese beabsichtigte, das ehemalige Betriebsgrundstück …werk II zwischen der …- und der Hellip straße in … einer neue Nutzung zuzuführen bzw. zu verkaufen, zu folgenden Bewertungen und Ergebnissen: Hinsichtlich der Bodenverhältnisse sei davon auszugehen, dass auf dem ehemaligen Werksgelände II unterhalb der Oberflächenversiegelung flächendeckende Auffüllungen anzutreffen seien. Das sandige Auffüllungsmaterial weise zum Teil Fremdbestandteile in Form von Bauschutt, Dachpappen und Schlacken auf und in diesen befänden sich stellenweise leicht erhöhte Schwermetallgehalte (Blei, Cadmium, Kupfer und Zink). Auf den Freiflächen westlich, nördlich und östlich der Gebäude seien lokal stark erhöhte PAK-Gehalte im Auffüllungsmaterial nachgewiesen worden.
20
Die Bodenluftsanierung im Bereich der ehemaligen Galvanik bzw. der Fertigungsbereiche sei nach Mitteilung des Wasserwirtschaftsamtes … als erfolgreich beendet eingestellt worden. Eine Gefährdung von Schutzgütern im Sinne des BBodSchG bestehe auf der Grundlage der ermittelten Bodenverunreinigungen derzeit nicht.
21
Bezüglich der Grundwassersituation seien auf dem gesamten Gelände seit 1994 zur Sanierung eines Lösemittelschadens über eine Vielzahl von Brunnen Grundwasser entnommen und abgereinigt worden. Ein kontinuierlicher Pumpbetrieb finde derzeit nur an den Messstellen P22 und P23 statt; die übrigen Messstellen dienten zur Beobachtung. Ein deutlicher Rückgang der LHKW-Belastung im Grundwasser sei nur zu Beginn der Sanierung in den Jahren 1994 und 1995 festzustellen gewesen. Bei P23 schwankten die LHKW-Konzentrationen im langjährigen Mittel sehr stark. Stillstandszeiten der Anlage führten zu einem drastischen Anstieg der LHKW-Gehalte in den jeweils vom Stillstand betroffenen Sanierungsbrunnen; dies sei ein deutliches Indiz dafür, dass noch ein beträchtlicher Schadstoffpool im Untergrund vorhanden sein müsse. Nach Informationen des Wasserwirtschaftsamtes … hätten sich im Zuge der Erkundungsbohrungen zum Bau der … Hinweise ergeben, wonach sich der Grundwasserschaden in nördlicher Richtung (Abstrom) bis auf das zukünftige Baufeld ausgebreitet habe. Es stelle sich die Frage, inwieweit die LHKW-Quelle(n) bzw. das Schadenszentrum auf dem Gelände in der Vergangenheit ausreichend lokalisiert worden seien. Neben der unzureichenden flächenhaften Abgrenzung gebe es bisher keine Erkenntnisse, in welcher Tiefe die Schadensquellen lägen. Ein Ende der Sanierungsmaßnahmen sei aufgrund dessen derzeit nicht abzusehen. Für eine Verwertung des Areals bedeute dies, dass noch für lange Zeit Nutzungseinschränkungen bestünden bzw. dass Baumaßnahmen mit Eingriffen in den Boden erheblichen Aufwand hinsichtlich Arbeitsschutz und Entsorgung von Aushubmaterial verursachten. Die Tatsache, dass sich die Verunreinigung des Grundwasserkörpers trotz laufender Sanierungsmaßnahmen in Richtung Norden auf angrenzende Grundstücke ausgebreitet habe, zeige die Ineffizienz der Sanierungstechnik.
22
Die Stadt … beantragte im Januar 2006 von der Beklagten die Genehmigungsfreistellung für den Abbruch bzw. Beseitigung des Vorhabens „Vollständiger Rückbau der Gebäude …“, „Kopfbau Süd“ (beide FlNr. …*) und „Feuerwehrgerätehaus“ (FlNrn. … und …*) im Zuge des Ausbaus der Hellip straße.
23
Mit Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 2006 wurde die Stadt- und Kreissparkasse … als derzeitige Eigentümerin des nördlichen …-Geländes verpflichtet, die auf den Grundstücken mit den FlNrn. …, … und …, Gemarkung …, vorhandenen Untergrundverunreinigungen durch polycylische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) spätestens nach Aufhebung der Überbauung zu sanieren, mit dem Ziel, dass zumindest die Z 2-Werte nach der LAGA Richtlinie von 1997 nicht überschritten und die Anforderungen nach der Bundesbodenschutz-Verordnung eingehalten werden. In der Begründung verwies die Beklagte auf das Gutachten der Landesgewerbeanstalt … vom 17. Oktober 2001, wonach auf den Grundstücken Untergrundverunreinigungen durch PAK vorhanden seien, die spätestens nach Aufhebung der Überbauung zu sanieren seien. An der westlichen Grundstücksgrenze befinde sich entlang der Hellip straße eine stillgelegte Neutralisationsanlage für Galvanikabwässer, die aus mehreren hintereinandergeschalteten Becken bestehe, die ebenfalls abgebrochen werden sollten. In rechtlicher Hinsicht verwies die Beklagte auf § 4 Abs. 3 Satz 1, § 9 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG.
24
Die …GmbH kommt in ihrem Gutachten vom 15. Juli 2013 zu dem Sachstand, aufgrund der erhöhten Arsenkonzentration werde die Messstelle P3 regelmäßig überwacht. Die im P3 analysierten Arsenkonzentrationen seien von der Größenordnung her als erhebliche Grundwasserverunreinigungen einzustufen, jedoch sei zu vermuten, dass die Arsenkonzentration zukünftig weiter abnehmen werde und vollständig entfernt werde könne.
25
Der Sachverständige der …GmbH vom 4. Dezember 2013 kommt hinsichtlich der Sanierung der LHKW-Grundwasserkontamination zu den Ergebnissen, dass die Maßnahme am Sanierungsbrunnen P9 im Jahr 1997 aufgrund geringer Konzentrationen im Bereich der Geringfügigkeitsschwelle eingestellt worden sei. Im südlichen Areal seien zeitweise an der Messstelle P26 Sanierungsmaßnahmen zur Verhinderung des Abstroms aus dem Bereich P13/P15 durchgeführt worden; auch diese Maßnahmen seien 2005 aufgrund geringer Konzentrationen eingestellt worden. Da die Sanierung der LHKW-Konzentrationen über die Messstelle P15 nur zögerlich verlaufe, sei diese größer dimensioniert neu gebohrt und die Grundwassersanierung auf diese Messstelle verlegt worden.
26
Für das Nordgelände des ehemaligen Betriebsgeländes hätten insgesamt über die Sanierungsmaßnahmen im Jahr 2013 2,8 kg LHKW aus dem Grundwasser ausgetragen werden können; bei der im Jahr 2013 an den Sanierungsbrunnen P8 und P15 durchgeführten Sanierungsmaßnahme seien es ca. 0,7 kg LHKW gewesen. Am südlichen Betriebsgelände seien die LHKW-Konzentrationen nur im Nahbereich von P15 noch deutlich erhöht.
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Mit E-Mail vom 3. November 2016, konkretisiert mit Schreiben vom 25. November 2016, teilte die Klägerin der Beklagten mit, die Klägerin sei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aufgrund von § 4 Abs. 3, 6 BBodSchG weiterhin zur Gefahrenabwehr verpflichtet.
28
Verursacher der Grundwasserkontamination sei die Hellip GmbH, die 1999 zur Hellip GmbH verschmolzen sei. Die …GmbH sei damit Gesamtrechtsnachfolgerin der Verursacherin und existiere auch heute noch.
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Kein Unternehmen der …-Gruppe sei jemals Gesamtrechtsnachfolger der Verursacherin gewesen. Die von der Beklagten genannte Hellip KG sei niemals Eigentümerin des sog. …-Geländes in … oder von Teilflächen gewesen. Die Klägerin (vormals firmirend als …KG) sei ebenfalls keine Gesamtrechtsnachfolgerin der Verursacherin. Sie sei zwischenzeitlich Eigentümerin des betroffenen Geländes gewesen, maßgebliche Teilflächen seien 1995 an die Stadt- und Kreissparkasse … und 2005 an die Stadt … veräußert worden; die Stadt- und Kreissparkasse … wiederum habe Teilflächen weiterveräußert, sodass ein sehr komplexer Sachverhalt mit mehreren öffentlich-rechtlichen Verantwortlichen existiere. Soweit eine Restfläche des vormaligen …-Geländes im Jahr 2014 an die Hellip KG veräußert worden sei, sei auch hier Verursacherin die …GmbH. Öffentlichrechtlich verantwortlich sei neben der Verursacherin jeweils der aktuelle Eigentümer und, da die Veräußerung nach dem Stichtag des § 4 Abs. 6 BBodschG erfolgt sei, grundsätzlich auch der frühere Eigentümer.
30
Zudem sei zu beachten, dass aktuell die Grundwasserkontaminationen im Bereich des Grundstücks des Landratsamtes nicht von der von der …KG erworbenen Fläche herrührten. Es dürften sich um eigenständige Schadstoffeinträge - verursacht wohl von der …- Hellip GmbH - auf den übrigen Teilflächen des vormaligen …-Geländes handeln. Eine öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit der aktuellen und früheren Eigentümer der Grundstücke im Bereich der …scheide daher aus. Eine Zustandsverantwortlichkeit eines aktuellen wie eines früheren Eigentümers für Kontaminationen außerhalb seines Grundstückes bestehe nicht.
31
Auf Anfrage der Beklagten vom 13. Dezember 2016, die komplexe Situation der Eigentumswechsel der streitgegenständlichen Grundstücke mitzuteilen, erläuterte die Klägerin schriftlich am 20. Januar 2017, nach deren Aktenlage vom 14. Mai 1992 seien die nachfolgenden Flurstücke in …, die das Gesamtareal „…werk“ darstellten, von der Hellip GmbH auf die Hellip KG übergegangen:
- Hellip straße …, FlNr. … Gebäude- und Freifläche
- An der Hellip straße, FlNr. … Gebäude- und Freifläche, Verkehrsfläche
- Hellip straße** FlNrn. … Gebäude- und Freifläche
- An der Hellip straße, FlNr. … Gebäude- und Freifläche
- Hellip straße …, FlNr. … Gebäude- und Freifläche, Verkehrsfläche
- Hellip Straße, Verkehrsfläche FlNr. …
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Die Eigentümerwechsel und derzeitigen Eigentumsverhältnisse der jeweiligen Teilflächen, unterschieden in den nördlichen Teil (N1, N2, N3) und südlichen Teil des …-Geländes (S1, S2, S3) entsprechend der beigefügten Anlage, stelle sich nach dem Kenntnisstand der Klägerin wie folgt dar:
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Mit Kaufvertrag vom 21. August 1995 sei der nördliche Teil des …geländes (Teilflächen N1, N2, N3) auf die Stadt- und Kreissparkasse … übergegangen. Die Teilfläche N1 sei im Folgenden als „Fläche öffentliche Straße“ auf die Stadt … übergegangen.
34
Mit Kaufvertrag vom 28. Juli 2003 sei die Teilfläche S2 an die Hellip GbR übergegangen. Die Teilfläche S1 sei im Jahr 2005 ebenfalls als öffentliche Straße an die Stadt … übergegangen. Die nördliche Teilfläche (N2) sei mit Kaufvertrag vom 30. Dezember 2013 an die Objektgesellschaft der … übergegangen. Neuer Eigentümer der Teilfläche N3 für den „Neubau Landratsamt“ sei der Landkreis … Im Jahr 2016 sei die Teilfläche S3 (Kaufvertrag vom 20. März 2014) auf die Hellip KG übergegangen.
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Die Hellip KG sei von 2004 bis Ende 2016 Eigentümerin zumindest einer Teilfläche des betroffenen Geländes gewesen. Seit dem Jahr 2016 habe kein Unternehmen der … Gruppe mehr eine Eigentümerstellung auf diesem Gelände. Bis zu diesem Zeitpunkt sei keine eingehende Prüfung der Verantwortlichkeiten für die einzelnen Teilflächen erfolgt. Es sei davon ausgegangen worden, dass die laufenden Sanierungsmaßnahmen alsbald endgültig beendet werden könnten. Es bedürfe einer eingehenden juristischen Begründung für weitere Forderungen gegenüber der Klägerin, eine pauschale Verantwortlichkeit der … Gruppe bestehe nicht.
36
In einem Gespräch am 23. Mai 2017 mit dem Amt für Umweltschutz und Energiefragen sowie dem Wasserwirtschaftsamt … wurde der Klägerin anhand des Sachstandsberichts der …GmbH aufgezeigt, dass aufgrund der Sanierungsentwicklung und der derzeit laufenden Baumaßnahmen mittelfristig von einer Beendigung der Sanierungsmaßnahmen ausgegangen werden könne. Entsprechend dem Bericht der Sachverständigen (Sachstand April 2017) könnten im Bereich P15 („5/10“) noch erhöhte Konzentrationen mit zuletzt ansteigender Tendenz auftreten. Aufgrund der geringen Ergiebigkeit sei der Austrag hier jedoch gering. Im Einzugsbereich P32 scheine noch ein LHKW-Potenzial vorhanden zu sein, das zu LHKW-Konzentrationen bis zu 100 µg/l führe. Die Grundwassermessstelle P34 zeige mit rund 40 µg/l dauerhaft erhöhte Konzentrationen an; eine LHKW-Fahne werde vermutlich nur unzureichend erfasst. Es solle zusätzlich zu der zwischen P28 und P34n vorgesehenen Neuanbringung eines Pegels noch südwestlich des Pegels P28n (etwa in Höhe „Knick“ der Hellip straße) eine weitere, neue Grundwassermessstelle errichtet werden, um die Abstromsituation weitestgehend zu erfassen.
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Am 30. Mai 2017 wurde dies der Klägerin von der Beklagten nochmals schriftlich dargelegt; es sei davon auszugehen, dass nach 2020 keine nachhaltige Sanierung des Grundwassers mehr erreicht werden könne. Der Abschluss einer Sanierungsvereinbarung für diesen kurzfristigen Zeitraum sei nicht mehr erforderlich. Es werde davon ausgegangen, dass die Klägerin die Sanierungsmaßnahmen bis Ende 2020 fortführe.
38
Die Klägerin teilte der Beklagten am 13. Juli 2017 schriftlich mit, dass sie nicht länger bereit sei, die Sanierung durchzuführen. Die rechtlichen Haftungs- und Anspruchsgrundlagen seien nach wie vor nicht geklärt. Die bisherigeren Sanierungsmaßnahmen seien freiwillig und zur gütlichen Einigung übernommen worden, ohne dass eine rechtliche Verpflichtung hierzu bestehe. Der nördliche Teil des betroffenen Areals sei Jahre vor Inkrafttreten des Bundesbodenschutzgesetzes veräußert und übertragen worden. Für den südlichen Teil des …areals müsse die Beklagte eine Auswahl zwischen dem Handlungsstörer, der Klägerin als frühere Eigentümerin und den heutigen Eigentümern treffen und sei an die Grundsätze fehlerfreier Ermessensausübung gebunden. Alle Grundstückseigentümer seien gleichermaßen leistungsfähig. Zudem sei die Klägerin hinsichtlich keiner Teilfläche des ehemaligen …-Geländes mehr Eigentümerin.
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Der Beklagten wurde zugleich der Entwurf eines öffentlich-rechtlichen Sanierungsvertrages ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und zur Vermeidung eines langwierigen Verwaltungsprozesses vorgelegt, wonach die Klägerin der Beklagten einen Pauschalbetrag in Höhe von 31.000,00 EUR zur Verfügung stelle, damit diese fortan die Sanierung durchführe.
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Auf Nachfrage der Beklagten bei dem damaligen Insolvenzverwalter, der …, …, in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma Hellip GmbH teilte dieser schriftlich am 25. September 2017 mit, das Insolvenzgericht … habe am 1. November 2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Hellip GmbH eröffnet. Der Schlusstermin in diesem Verfahren vor dem Insolvenzgericht … sei am 25. Oktober 2016 erfolgt. Am 1. November 2004 sei über das Vermögen der …GmbH das Insolvenzverfahren mit ihm als Insolvenzverwalter eröffnet worden. Auch hier sei Schlussbericht vor dem Insolvenzgericht … am 25. Oktober 2016 gewesen.
41
Ohne exakte Einsichtnahme in die notariellen Verträge, in die Handelsregister und die Grundbücher habe er in dem seinerzeitigen Insolvenzgutachten vom 22. Oktober 2004 für die vormalige Firma … und die …GmbH vermerkt, dass im Jahr 1919 in … die Hellip GmbH gegründet worden sei. Im Jahr 1960 habe die … die Gesellschaftsanteile der Hellip GmbH erworben. Im Jahr 1989 sei die …KG neue (Allein-)Gesellschafterin der Hellip GmbH geworden. Die …GmbH sei im Jahr 1992 von der …übernommen und mit der Hellip GmbH zur heutigen Gesellschaft in die …GmbH vereinigt worden. Im Jahr 1999 hätten die …KG die Gesellschaften Hellip GmbH und … …AG unter dem Dach einer Holding mit Namen …GmbH gebündelt. Mit Wirkung zum 1. April 2004 sei von der …KG die Hellip GmbH an die Hellip AG mit Sitz in … verkauft worden.
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Das Wasserwirtschaftsamt … teilte der Beklagten am 23. Oktober 2017 mit, basierend auf dem Sachstandsbericht vom April 2017 der …GmbH sei die weitere Sanierung des Geländes mit den bereits laufenden Maßnahmen erforderlich. Es seien immer noch signifikante LHKW-Konzentrationen festzustellen. Eine vollumfängliche Umsetzung der gutachterlichen Empfehlungen sei erforderlich. Wesentliche Ziele dieser Maßnahmen seien die weitere Reduktion des in der wassergesättigten Schicht noch in signifikanter Größenordnung vorhandenen Schadstoffpotenzials (LHKW) bis auf Werte dauerhaft < 10µg/l (= grundsätzlich zu erreichendes Sanierungsziel), die Verhinderung des offenbar nach wie vor stattfindenden, über das …-Gelände hinausgehenden Abstroms von signifikant mit LHKW belasteten Grundwassers, die Verhinderung einer nicht ausschließbaren Tiefenverlagerung der LHKW-Belastungen und das Ausloten von möglichen Optimierungsmaßnahmen.
43
Die Beklagte hörte am 17. Mai 2018 die Klägerin dazu an, dass beabsichtigt sei, die Klägerin gemäß § 10 BBodSchG zur weiteren Sanierung des Areals zu verpflichten und insbesondere die erforderlichen Maßnahmen anzuordnen.
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Im Rahmen der Anhörung erklärte die Klägerin am 20. Juni 2018, sie werde die Kosten der Sanierungsmaßnahmen ab dem 1. Juli 2018 nicht mehr freiwillig tragen. Die Nutzungsdauer der streitgegenständlichen Grundstücke sei auf den 30. Juni 2018 beschränkt. Die Klägerin habe keinerlei Verfügungsgewalt mehr über die sich im Privateigentum fremder Dritter befindlichen Grundstücke. Zudem werde darauf hingewiesen, dass nicht die* Hellip KG, sondern die Klägerin Vertragspartner in dem Gestattungsvertrag vom 16. Mai 1994 sowie den Nachträgen - hinsichtlich der Gestattung der Grundstücksnutzung von öffentlichen Verkehrsflächen - sei.
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Mit Schreiben vom 8. Juni 2018, dem Klägervertreter am 18. Juni 2018 zugegangen, erließ die Beklagte folgenden Bescheid:
„1. Die …KG wird verpflichtet, die Sanierung des Grundwassers auf dem ehemaligen Gelände der Firma Hellip GmbH (siehe Plan in Anlage 1 des Bescheides) fortzusetzen und die in Anlage 2 dieses Bescheides aufgeführten Maßnahmen zur Sanierung des Grundwassers durchzuführen. Die Anlagen 1 und 2 sind Bestandteil dieses Bescheides.
2. Die sofortige Vollziehbarkeit der Nr. 1 dieses Bescheides wird angeordnet.
3. Für den Fall, dass die …KG der Verpflichtung aus Nr. 1 dieses Bescheides nicht bis spätestens drei Monate nach Bekanntgabe dieses Bescheides nachkommt, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 8.000 EUR für jede einzelne in Anlage 2 aufgeführte Maßnahme fällig.
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In den Gründen des Bescheides ist ausgeführt, die Rechtsgrundlage der Anordnung ergebe sich aus § 4 Abs. 3, 6 i.V. m. § 10 Abs. 1 BBodSchG. Hiernach könne die zuständige Behörde Maßnahmen zur Abwehr schädlicher Bodenveränderungen und zur Sanierung von dadurch verursachten Gewässerverunreinigungen treffen. Auch der frühere Eigentümer eines Grundstückes sei nach § 4 Abs. 6 BBodSchG zur Sanierung verpflichtet, wenn er das Eigentum nach dem 1. März 1999 übertragen habe und dabei die schädliche Bodenveränderung gekannt habe oder habe kennen müssen und kein schutzwürdiges Vertrauen vorgelegen habe. Die Auswahl des zur Sanierung Verpflichteten liege im pflichtgemäßen Ermessen und stehe mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang, Art. 8 LStVG. Maßgeblich sei eine möglichst schnelle und effektive Gefahrenbeseitigung. Eine Rang- oder Reihenfolge ergebe sich aus § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG nicht.
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Verursacherin der Altlast sei die Hellip GmbH. Im Jahr 1943 habe die Firma das betroffene Gelände in der Hellip straße bezogen, wo infolge des Betriebes die Kontamination mit leichtflüchtigen halogenierten Kohlenwasserstoffen (LHKW) entstanden sei. 1989 sei die …KG Alleingesellschafterin der Hellip GmbH geworden und diese im Jahr 1993 mit der Firma …, die ebenfalls zuvor durch die Hellip KG übernommen worden sei, zur Hellip GmbH verschmolzen. Das Grundstück sei mit den Gebäuden zum 1. Oktober 1992 an die …- …KG übergegangen, die seitdem Eigentümerin des Geländes sei und nach und nach die verschiedenen Grundstücke verkauft habe.
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Die Firma … habe die Verunreinigungen zwar nicht verursacht, komme aber als Gesamtrechtsnachfolgerin der Hellip GmbH in Betracht.
49
Die Firma Hellip GmbH habe sich von 2004 - 2016 im Insolvenzverfahren befunden, weshalb sie als nicht geeignete Sanierungsverantwortliche erscheine. Zwischen der aktuellen Hellip GmbH und der ursprünglichen Hellip GmbH bestehe aufgrund der Fusion, der Eigentümerwechsel und diversen Umstrukturierungen kaum noch ein Zusammenhang, insbesondere keine direkte Gesamtrechtsnachfolge. Wer Gesamtrechtsnachfolger im Falle der Hellip GmbH gewesen sei, lasse sich aufgrund der vielen Verkäufe, Umbenennungen, Spaltungen usw. der verschiedenen Firmen nicht eindeutig im Handelsregister nachvollziehen.
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Grundsätzlich könnten auch Leitungspersonen des Verursachers und deren Gesamtrechtsnachfolger ordnungspflichtig sein. … komme hierbei nicht in Betracht, da er noch vor der Betriebsaufgabe verstorben sei.
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Weitere in Betracht kommende Gesamtrechtsnachfolger, die effektiv zur Sanierung verpflichtet werden könnten, seien nicht ersichtlich. Die Recherche im Handelsregister habe ergeben, dass die Gesamtrechtsnachfolge unzweifelhaft mit der Klägerin verwoben sei, jedoch nicht lückenlos nachvollzogen werden könne. Für eine Verantwortlichkeit nach § 4 BBodSchG müsse kein Verschulden vorliegen, allein dass der Zustandsverantwortliche Eigentümer sei, mache ihn zeitlich unbegrenzt haftbar. Die Zustandsverantwortlichkeit entstehe bei jedem Eigentumswechsel kraft Gesetzes neu, der Eintritt einer Rechtsnachfolge sei für die Verpflichtung zur Sanierung nicht notwendig.
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Die Voraussetzungen für die Zustandstörerhaftung lägen in Bezug auf die Klägerin vor.
53
Die Eigentumsübertragung auf den nachfolgenden Eigentümer müsse nach dem Inkrafttreten des Bundesbodenschutzgesetzes am 1. März 1999 stattgefunden haben. Dies sei für alle veräußerten Grundstücke, außer dem der Stadt- und Kreissparkasse … 1995 veräußerten nördlichen Teil des Geländes, der Fall. Hier sei nach Kenntnis der Beklagten die Verantwortlichkeit für die Sanierung privatrechtlich geregelt, wobei die Stadt- und Kreissparkasse die Sanierung des Bodens übernommen habe (vgl. unter anderem Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2006) und die Klägerin weiterhin die des Grundwassers. Die Klägerin habe für den gesamten Zeitraum die Sanierung für das gesamte Gelände getragen.
54
Die Klägerin habe bei der Übernahme des Geländes von der vorhandenen Altlast gewusst, da zu diesem Zeitpunkt bereits Maßnahmen auf dem Gelände stattgefunden hätten, beispielsweise sei ein Schreiben der Firma … am 12. Juni 1992 im Nachgang zu einem Gespräch am 25. Mai 1992 über „Stand und Fortgang der Sanierung“ auch an die Klägerin zur Kenntnis übermittelt worden. Der Übergang des Eigentums habe erst später stattgefunden. Ein schutzwürdiges Vertrauen liege daher nicht vor.
55
Die Klägerin habe im Zeitraum von 1992 - 2016 als Eigentümerin des Geländes die jeweiligen Grundstücke sukzessive verkauft. Im Zuge dessen habe sie seit 2004 die Sanierung des Geländes übernommen, und damit Verantwortlichkeit gezeigt. In einer Mail der Hellip KG vom 19. März 2013 an das Amt für Umweltschutz und Energiefragen der Beklagten sehe sie sich „unstreitig“ als Sanierungspflichtige an.
56
Nach dem Verkauf des letzten Grundstückes 2016 sehe die Klägerin keine Grundlage mehr, die Sanierungskosten zu tragen. Der Beklagten sei bekannt, dass die Klägerin mit den neuen Eigentümern der Grundstücke privatrechtliche Vereinbarungen geschlossen habe, in der sie sich weiterhin als für die Sanierung des Grundwassers verantwortlich erkläre. Diese Kenntnis der Vereinbarungen sei bei den Ermessenserwägungen mit in Betracht zu ziehen.
57
Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme liege vor, da die Liste der Eigentümer übersichtlich und die Klägerin als frühere Eigentümerin des südlichen Geländeteils und ohne große Verkettung auch als frühere Eigentümerin des nördlichen Grundstücksteils anzusehen sei. In Anbetracht der Sanierung als Gesamtmaßnahme sei die alleinige Heranziehung der Klägerin am effektivsten für die Fortführung der weiterhin erforderlichen Maßnahmen der Sanierung, da sie die Sanierung des gesamten Geländes seit einer nicht unerheblichen Zeitspanne trage, seit Jahren in Kontakt mit dem die Sanierung begleitenden Gutachterbüros stehe, die Kosten übernommen und Folgeaufträge vergeben habe.
58
Auch die erforderliche finanzielle Leistungsfähigkeit könne unterstellt werden. Der Verkehrswert des Grundstückes diene als Zumutbarkeitsgrenze im Rahmen der Verhältnismäßigkeit. Der frühere Eigentümer könne keinen Nutzen aus dem Eigentum ziehen. Es sei der Beklagten nicht bekannt, zu welchen Preisen die Grundstücke verkauft worden seien, dennoch habe sie für die Übertragung des Eigentums ein Äquivalent erhalten. Die Nachfrage nach bebaubarer Wohnfläche sei in … sehr hoch, sodass davon auszugehen sei, dass der Gewinn aus den Verkäufen die noch zu erwartenden Sanierungskosten erheblich übersteige.
59
Die Grundwassersanierung auf dem Gelände könne in den nächsten 3 - 5 Jahren zum Abschluss gebracht werden, sodass insgesamt ungefähr noch Kosten zwischen 70.000 und 100.000 EUR auf die Klägerin zukämen. Es sei zumutbar, das durch die Grundstücke entstandene Vermögen für die Sanierung einzusetzen. Dies sei im Hinblick auf die Gewinne durch den Verkauf der Grundstücke verhältnismäßig.
60
Die geforderten Maßnahmen seien geeignet, die Schadstoffkonzentration im Grundwasser weiter zu verringern und erforderlich, um die Gefahren, die von kontaminierten Grundwasser ausgingen, abzuwehren. Die Angemessenheit ergebe sich daraus, da das öffentliche Interesse an sauberem Grundwasser das Interesse der Klägerin, nicht weiter für die Sanierung verantwortlich zu sein, überwiege.
61
Die Nr. 3 des Bescheides stütze sich auf Art. 29, 31, 36 BayVwZVG. Das Zwangsgeld sei das mildeste denkbare Mittel. Bei der Bemessung der Zwangsgeldhöhe sei das wirtschaftliche Interesse der Klägerin berücksichtigt worden.
62
Die Klägerin erhob mit Schriftsatz vom 11. Juli 2018 gegen den Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2018 Klage und beantragte,
den Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2018, Aktenzeichen: …
- dem Kläger zugestellt am 18. Juni 2018 - aufzuheben.
63
Zur Begründung der Klage wurde mit Schriftsatz vom 11. Februar 2019 ausgeführt, die Klägerin führe bis heute freiwillig - ohne eine behördliche Anordnung - umfangreiche Grundwassersanierungsmaßnahmen auf dem ehemaligen Betriebsgrundstück der Hellip GmbH durch und finanziere diese. Bis Ende 2018 habe die Klägerin ca. netto 800.000 EUR aufgewendet.
64
Nunmehr stelle sich die Situation so dar, dass einerseits die Sanierungsmaßnahmen auf den Grundstücksbereichen, die die Klägerin erst im Jahre 2014 veräußert habe (Bereich „… …“) inzwischen beendet werden könnten und aus Gründen der Verhältnismäßigkeit beendet werden müssten. Andererseits seien die noch bestehenden Sanierungserfordernisse Folge von Grundwasserkontaminationen auf Grundstücksbereichen, für die die Klägerin öffentlich-rechtlich nicht verantwortlich sei. Einvernehmliche Lösungen mit der Beklagten seien gescheitert, da es für die Beklagte nur einen Verpflichteten, die Klägerin, gebe.
65
Die Klägerin sei weder Verursacherin der Kontaminationen noch als Gesamtrechtsnachfolgerin der Verursacherin Verantwortliche im Sinne von § 4 Abs. 3 BBodSchG. Die Beklagte setze sich nur oberflächlich mit der Frage auseinander, ob die Verursacherin der Kontaminationen ordnungsrechtlich in Anspruch genommen werden könne. Die Ausführungen der Beklagten zur angeblichen Zustandsverantwortlichkeit der Klägerin seien völlig unzureichend, obwohl die Klägerin im Vorfeld im Detail schriftlich die Beklagte über die komplexe Eigentumssituation informiert habe.
66
Die Rechtswidrigkeit der Anordnung ergebe sich auch aus deren Unbestimmtheit. Die Klägerin solle die Sanierungsmaßnahme an bestimmten, benannten Brunnen „fortführen“; es sei unklar, was dies bedeute. Es seien keine Fördermengen benannt und werden keine Anforderungen an die Abgasreinigung des mit nicht benannter Fördermenge geförderten Grundwassers von nicht benannten Schadstoffen formuliert. Zudem solle eine „Grundwasserbeobachtung“ an benannten Messstellen erfolgen; wie diese Beobachtung stattfinden solle, werde nicht vorgegeben. Die genaue Lage der „zwei Grundwassermessstellen“ werde nicht bezeichnet. Wie die Messstellen ausgestaltet sein sollten (Tiefe, Durchmesser etc.), bleibe offen. Zudem sei nach der Auffassung des Sachverständigen nur eine Messstelle (zwischen P28n und P34n) sinnvoll und erforderlich. Aus dem Bescheid ergebe sich auch nicht, wie und in welcher Art und Weise „Pumpversuche durchzuführen“ und bei welcher „Bestätigung des Verdachts“ die neuen Grundwassermessstellen zur Sicherung des Wachstums heranzuziehen seien. Unbestimmt seien zudem die „versuchsweise Einbindung P2n in Sanierung“ zur „Überprüfung der Entwicklung der LHKW-Konzentrationen im längerfristigen Weiterbetrieb“ sowie der geforderte „intermittierende Sanierungsbetrieb am P4“.
67
Die behördliche Anordnung sei so klar und eindeutig zu formulieren, dass dem Adressaten unzweifelhaft klar sei, was er im Detail zu tun habe. Diese Anforderung sei nicht erfüllt. Zudem liege ein eklatanter Ermessensfehler vor.
68
Verursacherin der Kontaminationen sei unzweifelhaft die …GmbH. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 12. April 2017 bestätigt, dass Verursacherin der Kontaminationen die im Jahre 1919 gegründete Hellip GmbH sei. Zu der Zeit, als durch die Produktion die Kontaminationen verursacht worden seien, habe die Firma noch als Hellip GmbH firmiert. Diese sei Eigentümerin des aus mehreren Flurstücken gebildeten Betriebsgeländes in … gewesen. Die Verunreinigungen seien im Zeitraum zwischen 1943 - 1987 entstanden, lange bevor die Klägerin Beziehungen zu diesem Unternehmen gehabt habe. Die Sanierungsmaßnahmen seien von diesem Unternehmen begonnen worden. Am 12. April 1994 sei der Hellip GmbH die zur Grundwassersanierung erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis erteilt und mit Bescheid vom 6. Mai 1996 die ursprüngliche Befristung aufgehoben worden.
69
Die firmenrechtliche Entwicklung der Verursacherin stelle sich wie folgt dar: Ausweislich des Handelsregisterauszugs des Amtsgerichts … sei die …GmbH mit Verschmelzungsvertrag vom 7. Dezember 1992 mit der Hellip GmbH verschmolzen. Das Vermögen der Hellip GmbH sei als Ganzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die …GmbH übertragen worden. Die Hellip GmbH sei somit öffentlich-rechtlich Verursacherin der Kontaminationen, damit öffentlich-rechtlich Verursacherin der Kontaminationen und Verpflichtete im Sinne des § 4 Abs. 3 BBodSchG. Die Klägerin sei zu keinem Zeitpunkt auf dem ehemaligen, ca. 49.000 m² großen Betriebsgelände der Hellip GmbH tätig gewesen. Weder die Klägerin noch ein anderes Unternehmen der …-Gruppe sei jemals Gesamtrechtsnachfolger der Verursacherin gewesen.
70
Die Klägerin sei identisch mit der Hellip KG; auf den Handelsregisterauszug des Amtsgerichts …, HRA* …, werde Bezug genommen.
71
Die Beklagte vermute eine Gesamtrechtsnachfolge der Hellip Hellip KG und nehme deshalb die Klägerin in Anspruch. Aufgrund dessen werde im weiteren Verlauf der Bescheidsbegründung nur noch von der Firma … gesprochen, die irgendwie mit der Gesamtrechtsnachfolge „verwoben“ sei. Die Beklagte hätte sich zwingend mit den rechtlichen Grundlagen der Verantwortlichkeit auseinandersetzen müssen. Die durchgeführte Rechtsprüfung sei unzureichend, inakzeptabel und könne niemals Grundlage einer fehlerfreien Ermessensentscheidung bei der notwendigen Störerauswahl sein.
72
Durch bescheidenen Aufwand hätte die Beklagte die Situation ermitteln können: Die … …KG - also die heutige Hellip KG - sei am 14. Mai 1992 gegründet worden. Gründer seien die Hellip GmbH (Amtsgericht …, HRB …*) und die …KG (Amtsgericht …, HRA* …*). Persönlich haftender Gesellschafter sei die Hellip KG, die Hellip GmbH sei Kommanditist gewesen. Die Hellip GmbH sei Eigentümerin des gesamten Betriebsgeländes in … gewesen und habe sämtliche, ihr Betriebsgelände bildende Grundstücke in die neu gegründete …KG (heute firmierend als Hellip KG) zum Stichtag 1. April 1992 eingebracht. Damit sei die heutige Klägerin zwar Eigentümerin des gesamten Betriebsgeländes, nicht jedoch Gesamtrechtsnachfolgerin der Hellip GmbH. Diesen entscheidenden Aspekt übersehe die Beklagte offensichtlich.
73
Weiterhin übersehe die Beklagte, dass bis zum Stichtag 1. März 1999 (§ 4 Abs. 6 BBodSchG) jegliche öffentlich-rechtliche Zustandsstörerverantwortung mit Übertragung des Eigentums auf einen Dritten geendet habe. Ferner sei angemerkt, dass die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 4 BBodSchG erstmals mit Inkrafttreten des Bundesbodenschutzgesetzes eingeführt worden und vorliegend nicht anwendbar sei, da die Kontaminationen lange vorhanden gewesen seien, als diese neue Vorschrift in Kraft getreten sei. Zudem wären die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt, da Gesellschaften der … Gruppe zur Zeit der Verursachung der Kontaminationen - also von 1943 -1987 - überhaupt noch keine Beziehungen zur Verursacherin gehabt hätten.
74
Mit Verschmelzungsvertrag vom 7. Dezember 1992 sei die …GmbH mit der Hellip GmbH verschmolzen. Das Vermögen der Hellip GmbH sei als Ganzes auf die …GmbH übertragen worden, damit sei diese Gesamtrechtsnachfolgerin der Hellip GmbH und öffentlich-rechtliche Handlungstörerin geworden. Eine irgendwie geartete Gesamtrechtsnachfolge im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG von Gesellschaften der … Gruppe sei nicht eingetreten.
75
Ein öffentlich-rechtlicher Handlungsstörer sei nach wie vor existent, da am 30. Juli 1999 die …- …GmbH mit der Hellip GmbH als aufnehmende Gesellschaft verschmolzen sei (Amtsgericht …, HRB …*). Diese Gesellschaft sei damit Gesamtrechtsnachfolgerin der Hellip GmbH im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG. Sie habe zwar ein Insolvenzverfahren durchlaufen, sei aber ausweislich des Handelsregisterauszugs weiterhin existent und habe ihren Sitz in der* Hellip straße …, … Durch das Insolvenzverfahren sei die öffentlich-rechtliche Handlungsstörerverantwortlichkeit nicht erloschen. Auf die Handelsregisterauszüge AG …, HRB …, und AG …, HRB …, werde verwiesen.
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Die öffentlich-rechtliche Zustandsstörerverantwortlichkeit bezüglich des ehemaligen Betriebsgrundstückes sei außerordentlich komplex und bestehe hinsichtlich der Klägerin überhaupt nur noch für den Grundstücksbereich „…“. Da die Klägerin nicht mehr Eigentümerin eines Flurstücks des ehemaligen Betriebsgeländes sei, bestehe eine Zustandsstörerverantwortlichkeit allenfalls nach § 4 Abs. 6 BBodSchG. Ein erheblicher Teil der Grundstücksflächen (nördlicher Bereich) sei von der Klägerin bereits 1995 an die Stadt- und Kreissparkasse … veräußert worden. In diesem Bereich seien aktuell weitere grundwasserbezogene Maßnahmen erforderlich. In dem beigefügten Lageplan sei diese Fläche mit „Landratsamt …“ und „…quartier“ gekennzeichnet. Käufer sei die Stadt- und Kreissparkasse … und die Stadt … selbst. Die Stadt- und Kreissparkasse habe am 30. Dezember 2013 die von ihr erworbene Fläche an die … …GmbH weiterveräußert. Diese wiederum habe die Flächen an die …KG weiterveräußert. Die Fläche, auf der das neue Landratsamt errichtet worden sei, stehe heute offensichtlich im Eigentum des Landkreises … Damit bestehe keine Verantwortlichkeit der Kläger für die Grundstücksflächen „…quartier“ und „Landratsamt …“
77
Der Grundstücksbereich „…“ sei am 20. März 2014 an die Hellip KG weiterveräußert worden. Diese habe das Gelände geräumt, neu bebaut und an verschiedene Erwerber weiterveräußert. Bezüglich dieser Fläche seien Zustandsverantwortliche die aktuellen Eigentümer, die der Klägerin nicht bekannt seien und nach § 4 Abs. 6 BBodSchG die …KG sowie die Klägerin, jeweils als ehemalige Eigentümerin.
78
Die überwiegende Zahl der von der Beklagten angeordneten Maßnahmen beträfen die Grundstücksbereiche „…quartier“ und „Landratsamt …“, sodass das Verlangen, die Sanierungsmaßnahmen an P8 und P15-5/10 (Bereich …*) fortzuführen, unverhältnismäßig sei. Bis auf die Brunnen P8 und P15-5/10 befänden sich alle Brunnen auf den Grundstücksteilen, für die die Klägerin nicht öffentlich-rechtlich verantwortlich sei. Die Fortführung der Sanierungsmaßnahme an P8 und P15-5/10 sei nicht mehr erforderlich und völlig unverhältnismäßig. An P8 seien - nach baubedingter Verlegung um ca. 2-3 m nach Norden (abstromig des alten Standortes) - seit Oktober 2017 lediglich LHKW-Summenkonzentrationen zwischen 3,3 µg/Liter und 8,6 µg/Liter gemessen worden. Auch die zuletzt ermittelten LHKW-Summenkonzentrationen zwischen 56,2 µg/Liter und 91,8 µg/Liter an P15-5/10 würden keinesfalls die Fortsetzung der aufwändigen Sanierungsmaßnahme rechtfertigen. Auf den Statusbericht des Sachverständigen Hellipvom 26. März 2018 werde verwiesen.
79
Für die Sanierung des kontaminierten Grundwassers in den Bereichen „…quartier“ und „Landratsamt …“ sei die Klägerin nicht verpflichtet. Soweit es um die angeordnete Grundwasserbeobachtung gehe, befänden sich die Messstellen P3n, P2n, P1n, P 28n, P27a/n und P3 auf Grundstücksflächen, für die keine Verantwortlichkeit der Klägerin bestehe. Auch die zwei neuen Grundwassermessstellen sollten ebenfalls auf Grundstücksteilen errichtet werden, für die die Klägerin nicht verantwortlich sei. Anzumerken sei hier, dass der Sachverständige Hellip nur die Errichtung einer Messstelle empfohlen habe. Die Begründung, warum die Beklagte zwei Messstellen fordere, fehle sachlich.
80
Im Verlauf der Baumaßnahmen zur Errichtung des neuen Landratsamtes im Jahre 2015 sei in der Baugrube ein in das Grundwasser einbindendes Gussrohr entdeckt worden und in der aus dem Rohr entnommenen Wasserprobe seien hohe LHKW-Konzentrationen festgestellt worden. Es sei während der Baumaßnahmen im Bereich des nicht mehr existierenden P35 ein bis zu diesem Zeitpunkt unentdeckter und nicht sanierter LHKW-Eintrag mit Konzentrationen von über 1000 µg/Liter vorgefunden worden; hierzu werde auf den Bericht des Sachverständigen* … … vom 2. Mai 2016 verwiesen. Dieser Umstand sei ursächlich für die Gefahr, dass von den Grundstücksbereichen „…quartier“ und „Landratsamt …“ mit der Grundwasserfließrichtung Schadstoffe über die Grundstücksgrenzen abströmten. Dass die Kontaminationen auf diesen Geländeteilen erheblich umfangreicher gewesen seien als auf dem Geländeteil „…“, ergebe sich aus der Geländehistorie. Während sich im Bereich „…“ die Verwaltung des früheren Werkes befunden habe, habe auf den Bereichen „…quartier“ und „Landratsamt …“ die Produktion stattgefunden. Hier seien systematisch Platinen unter Einsatz von LHKW gereinigt worden.
81
Da die Beklagte eine Vielzahl von Verantwortlichen völlig außeracht gelassen habe, habe sie sich auch nicht mit deren Leistungsfähigkeit beschäftigt. Soweit die Beklagte auf privatrechtliche Vereinbarungen zwischen der Klägerin und Grundstückserwerbern abstelle, sei dies ermessensfehlerhaft. Denn zumindest müsste die Beklagte die Vereinbarungen kennen, um daraus Entscheidungen abzuleiten.
82
Die Klägerin habe bis Ende 2018 ca. netto 800.000 EUR für die Sanierung des durch den Betrieb der Hellip GmbH verunreinigten Grundwassers aufgewendet, obwohl es nie eine behördliche Verfügung gegeben habe. Außergerichtliche Verhandlungen mit der Beklagten seien gescheitert. Trotz dieser eindeutigen Rechtslage habe sich die Klägerin entschlossen, kein Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO anzustrengen, sondern die Maßnahmen durchzuführen und vorzufinanzieren. Es verstehe sich von selbst, dass die Klägerin nach erfolgreichem Klageverfahren von der Beklagten die Erstattung dieser Aufwendungen verlangen werde.
83
Mit E-Mail vom 24. August 2018 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass der Gestattungsvertrag über den 30. Juni 2018 verlängert werden solle, da die Bodenschutzbehörde eine Anordnung mit Sofortvollzug erlassen habe, gegen den zwar Klage eingereicht worden sei, aber - zumindest zunächst - kein Eilverfahren eingeleitet werde.
84
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 28. März 2019
86
Zur Begründung wurde zunächst auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid vom 8. Juni 2018 verwiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet, da der Bescheid rechtmäßig sei und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletze.
87
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides sei § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG, der der Bodenschutzbehörde ein Auswahlermessen bezüglich der Adressaten einer Sanierungsverpflichtung einräume. Die Aufzählung im § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG begründe keine Reihenfolge dahingehend, dass der Verursacher stets vor dem Zustandsverantwortlichen in Anspruch zu nehmen sei, vorrangig bestimme die Effektivität der Gefahrenabwehr das Auswahlermessen bezüglich des Verantwortlichen, da die meisten Altlasten eine lang zurückliegende, oft verwickelte und nicht mehr aufklärbare Entstehungsgeschichte vorwiesen. Der Zweck einer möglichst umgehenden Altlastensanierung durch schnelles und effektives Vorgehen bei der Auswahl der Verantwortlichen sei erschwert oder im Ergebnis vereitelt, wenn eine lückenlose Aufklärung verlangt werde oder im Falle verbleibender Unsicherheiten der Nachteil der Allgemeinheit aufgebürdet werde (VGH Kassel, B.v. 03.03.1992 - 14 TH 2158/91).
88
Art. 20 Abs. 3 GG verpflichte die Bodenschutzbehörden nicht, im Rahmen ihres Auswahlermessens unabhängig von den Gegebenheiten des jeweiligen Sachverhalts zu klären, wer neben dem Grundstückseigentümer als weiterer Pflichtiger anzusehen sei, in jedem Fall abschließend zu beantworten (BVerwG, B.v. 16.02.2017). Das Anknüpfen an den Gesichtspunkt des effektiven Behördenhandelns im Rahmen des § 4 Abs. 3 BBodSchG begegne insoweit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
89
Der Klägerin sei mit Schreiben vom 12. April 2017 die Rechtsauffassung der Beklagten mitgeteilt worden, unter Hinweis auf § 4 Abs. 6 Satz 1 BBodSchG, wonach der frühere Eigentümer eines Grundstückes zur Sanierung verpflichtet sei, sofern er sein Eigentum nach dem 1. März 1999 übertragen habe und die schädlichen Bodenveränderungen hierbei bekannt gewesen seien. So sei der Fall hier.
90
Die Hellip GmbH habe als Verursacherin bereits 1987 mit Maßnahmen zur Sanierung des Grundwassers begonnen. Die Klägerin habe ab 2004 die weitere Sanierung übernommen, was sie ohne rechtliche Verpflichtung kaum getan hätte, da sie als Grundstückseigentümerin die Gesamtrechtsnachfolge der Hellip GmbH angetreten habe.
91
Den Ausführungen zur Unbestimmtheit der Anordnung sei zu widersprechen. Das Ingenieurbüro …GmbH …, das die Sanierungsmaßnahmen seit Jahren im Auftrag der Klägerin betreue, habe anlässlich einer Besprechung am 23. Mai 2017, an der auch die Klägerin sowie Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes … teilgenommen hätten, die aktuellen Untersuchungsbefunde wie auch die abzuleitenden Maßnahmen mitgeteilt. Das Wasserwirtschaftsamt … halte die umfängliche Umsetzung der gutachterlichen Empfehlungen für geboten. Die Errichtung einer weiteren Abstrommessstelle (südöstlich der Messstelle P28n) sei notwendig. Der Maßnahmenkatalog in der Anlage 2 des Bescheides nehme auf diese Maßnahmen Bezug und konkretisierte diese. Basierend auf den fachlichen Expertisen sei der Maßnahmenkatalog inhaltlich hinreichend bestimmt.
92
In der mündlichen Verhandlung am 12. Februar 2020 wurde mit den Parteien die Sach- und Rechtslage erörtert und auf die bereits schriftlich gestellten Klageanträge Bezug genommen.
93
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie auf die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
94
Bei der Niederlegung des am 12. Februar 2020 unterschriebenen Entscheidungstenors wurde in der Ziffer 1 versehentlich die Formulierung „Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2018 (Az. …*) aufzuheben.“ verwendet. Hierbei handelt es sich um ein offensichtliches Versehen im Sinne von § 118 Abs. 1 VwGO, welches vom Gericht mit der Zustellung des Urteils und der hier erfolgten Begründung von Amts wegen berichtigt wird. Ein gesonderter Berichtigungsbeschluss ist entbehrlich, da der Urteilstenor nicht verkündet wurde und somit das Urteil ohnehin erst mit der Zustellung der Urteilsausfertigung mit dem hierin enthaltenen Urteilstenor wirksam wird (vgl. VG Bayreuth, U.v. 13.12.2005 - B 1 K 04.1349 - juris).
95
Die zulässige Klage ist begründet.
96
Die angefochtene Sanierungsanordnung der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Bescheid vom 8. Juni 2018 ist daher aufzuheben.
97
I. Das Bodenschutzgesetz ist auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar.
98
Der Anwendungsbereich des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) erstreckt sich auch auf schädliche Bodenveränderungen und Altlasten, die - wie im vorliegenden Fall - bereits vor Inkrafttreten des BBodSchG verursacht wurden. Dies ergibt sich aus § 1 BBodSchG, der die Zielsetzung enthält, auch in der Vergangenheit beeinträchtigte Bodenfunktionen wiederherzustellen. Auch § 4 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 BBodSchG, der an die Gesamtrechtsnachfolge anknüpft, lässt erkennen, dass die Haftung auf Handlungen eines Rechtsvorgängers in der Vergangenheit erstreckt wird (vgl. hierzu grundlegend BVerwG U.v. 16.3.2006 - 7 C 3/05 - juris).
99
Auch wenn vorliegend eine Sanierung des Grundwassers verlangt wird, so richten sich die behördlichen Befugnisse dennoch nach dem Bodenschutzrecht und nicht nach dem Wasserrecht. Im Fall einer - wie hier - durch schädliche Bodenveränderungen verursachten Gewässerveränderung ist das BBodSchG gegenüber dem Wasserrecht vorrangig (vgl. Wortlaut des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG und Gößl in Sieder/Zeitler WHG, 48. Ergänzungslieferung 2014, § 100 WHG Rn. 52). Das Bodenschutzrecht bestimmt das „Ob“ der Inanspruchnahme, das Wasserrecht das „Wie“, vgl. § 4 Abs. 3 Satz 4 BBodSchG.
100
II. Unabhängig davon, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der seitens der Beklagten herangezo-genen Rechtsgrundlage der § 10 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 3, 6 BBodSchG vorliegen, erweist sich die bodenschutzrechtliche Sanierungsanordnung hinsichtlich des Fehlens eines konkreten Sanierungsziels als nicht hinreichend bestimmt (unten 1.). Darüber hinaus erfolgte die Auswahl der Störer ermessensfehlerhaft (unten 2.). Die fehlende Haftungsgrenze im Bescheid verstößt zudem gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (unten 3.).
101
1. Das gänzliche Fehlen des Sanierungszieles im streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten verstößt gegen den Bestimmtheitsgrundsatz.
102
Der Erlass einer bodenschutzrechtlichen Sanierungsanordnung erfordert in der Regel sowohl die Bestimmung des mit ihr verfolgten Ziels als auch die Angabe des Mittels durch die Behörde.
103
Die verbindliche Vorgabe von Sanierungszielwerten im Sanierungsbescheid setzt dabei eine einzelfallbezogene Abwägung nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit voraus. Eine bodenschutzrechtliche Sanierungsanordnung ist nämlich nicht hinreichend bestimmt, soweit dem Sanierungspflichtigen keine oder allenfalls langfristig erreichbare Sanierungszielwerte vorgegeben werden, ohne dass zugleich die dazu einzusetzenden, diesen Erfolg versprechenden Sanierungsverfahren festgelegt werden (VGH Mannheim, U.v. 08.03.2013 - 10 S 1190/09 - juris). Das Bestimmtheitsgebot des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG verlangt hierbei, dass aus der getroffenen Regelung, d. h. aus dem Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen, für den Adressaten der Inhalt der Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass er sein Verhalten danach richten kann. Abzustellen ist dabei nicht auf die Vorstellungen oder den subjektiven wirklichen oder gegebenenfalls hypothetischen Willen der Behörde, sondern auf den objektiven Erklärungswert und Erklärungsinhalt des dem Betroffenen Mitgeteilten, so wie dieses nach Treu und Glauben verstanden werden darf und muss. Unklarheiten gehen hierbei zulasten der Behörde. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick darauf, dass der Verwaltungsakt ohne weitere Erläuterungen als Grundlage für die Vollstreckung und die spätere Durchsetzung von Kostenersatzansprüchen geeignet sein muss (vgl. BVerwG, U.v. 15.02.1990 - 4 C 41.87 - BVerwGE 84, 335; U.v. 18.04.1997 - 8 C 43.95 - juris; VG Augsburg, B.v. 8.10.2010 - Au 3 S 10.1132 - juris).
104
Der Bescheid der Beklagten enthält weder Angaben von Sanierungszielwerten noch eine hinreichende einzelfallbezogene Ableitung einer Sanierungszielwertbestimmung. Die Beklagte verweist in den Anlagen 1 und 2 zum Bescheid lediglich auf die Grundwassermessstellen (Anlage 1) sowie auf einen Maßnahmenkatalog (Anlage 2), ohne dass sich hieraus Sanierungszielwerte ergeben, die der Klägerin als Verantwortlicher klar und unmissverständlich aufzeigen, wann die Pflicht zur Sanierung beendet und erfüllt ist.
105
Zwar hat das Wasserwirtschaftsamt … der Beklagten am 23. Oktober 2017 mitgeteilt, dass u.a. die weitere Reduktion der in der wassergesättigten Bodenzone in signifikanter Größenordnung vorhandenen LHKW-Konzentrationen bis auf Werte dauerhaft < 10 µg/Liter als grundsätzlich zu erreichendes Sanierungsziel erforderlich ist. Die Beklagte hat jedoch dieses Sanierungsziel weder in den Bescheid aufgenommen noch darauf verwiesen.
106
Damit ist der hier angefochtene Bescheid mangels eines konkreten Sanierungszieles rechtswidrig.
107
Auch der Regelungsgehalt der einzelnen Maßnahmen in der Anlage 2, wie beispielsweise „Fortführung der Sanierungsmaßnahmen an folgenden Brunnen“, „Versuchsweise Einbindung P2n in Sanierung zur Überprüfung der Entwicklung der LHKW-Konzentrationen im längerfristigen Förderbetrieb“ sowie „Intermittierender Sanierungsbetrieb am P4“ erschließt sich nicht eindeutig. Zudem wird von der Klägerin verlangt, zwei neue Grundwassermessstellen zu errichten und bei „Bestätigung des Verdachts sind die neuen Grundwassermessstellen zur Sicherung des Abstroms heranzuziehen“, an keiner Stelle ist jedoch ausgeführt, wann der erwähnte Verdacht als bestätigt gilt.
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2. Darüber hinaus erweist sich der angefochtene Bescheid hinsichtlich der getroffenen Störerauswahl als ermessensfehlerhaft.
109
Eine Sanierungsanordnung ist nur dann rechtmäßig, wenn sie an eine solche natürliche oder juristische Person gerichtet ist, die nach dem Gesetz für die jeweilige bodenschutzrechtliche Maßnahme in Anspruch genommen werden darf, und wenn unter ggf. mehreren möglichen Verpflichteten eine nach dem Maßstab von Art. 40 BayVwVfG und § 114 Satz 1 VwGO ermessensfehlerfreie Auswahl getroffen worden ist. Gemäß § 10 Abs. 1 BBodSchG kann die Anordnung an eine der in § 4 BBodSchG genannten Personen gerichtet werden, die Pflichten zur Gefahrenabwehr haben. Dies sind der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast, dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück, ferner derjenige, der aus handelsrechtlichem oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund für eine juristische Person, der ein belastetes Grundstück gehört, einzustehen hat, und auch derjenige, der das Eigentum an einem belasteten Grundstück aufgibt. Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 BBodSchG ist der frühere Eigentümer eines Grundstücks zur Sanierung verpflichtet, wenn er sein Eigentum nach dem 1. März 1999 übertragen hat und die schädliche Bodenveränderungen oder Altlast hierbei kannte oder kennen musste, wobei nach dem Satz 2 dies für denjenigen nicht gilt, der beim Erwerb des Grundstücks darauf vertraut hat, dass schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten nicht vorhanden sind, und sein Vertrauen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles schutzwürdig ist.
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Das Gesetz bestimmt in § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG keine Rangfolge der dort genannten potentiell Verantwortlichen (vgl. hierzu z.B. BVerfG, B.v. 26.2.2000 - 1 BvR 242/91; BayVGH B.v. 31.8.2006 - 22 CS 06.2055; BayVGH B.v. 22.3.2001 - 22 ZS 01.731 - juris). Es gibt insbesondere keinen generellen abstrakten Vorrang des Handlungsstörers vor dem Zustandsstörer. Ein wichtiges Kriterium bei der Störerauswahl ist das Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Gefahrenabwehr neben - und je nach Fallgestaltung auch in Konkurrenz und in einem Interessenskonflikt oder im Gleichklang mit dem Kriterium der effektiven Gefahrenabwehr - anderen öffentlich-rechtlichen Grundprinzipien wie dem Verursacherprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Weil bei lange zurück liegenden Altlastenursachen ein noch existenter und vor allem solventer Verursacher oft nicht mehr identifizierbar ist, darf in solchen Fällen auch der Zustandsstörer dann in Anspruch genommen werden, wenn der Handlungsstörer nicht ohne unangemessenen und unzumutbaren Verwaltungsaufwand greifbar ist oder wenn aus faktischen, rechtlichen oder finanziellen Gründen eine Gefahrenbeseitigung durch ihn nicht gewährleistet ist. Ein Ermessensfehler liegt aber immer dann vor, wenn nicht alle in Betracht kommenden Störer in die Auswahl einbezogen werden oder bei einer Vielzahl von in Betracht kommenden Verursachern einer ausgewählt wird, ohne den Verursachungsbeiträgen der anderen nachzugehen. Bei der Auswahl zwischen Zustands- und Verhaltensverantwortlichem darf auch der Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers einer Bodenverunreinigung als Sanierungspflichtiger nicht von vornherein ausgeschlossen werden (vgl. BayVGH, B.v. 22.5.2009 - 22 ZB 08.1820 - juris; BayVGH, B.v. 17.2.2005 - 22 ZB 04.3472 - juris Rn. 14).
111
Die Beklagte hat unter Heranziehung dieser verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bei ihrer Auswahl unter den potentiell in Anspruch zu nehmenden Sanierungsverpflichteten ermessensfehlerhaft nicht alle in Betracht kommenden Störer einbezogen (unten 2.1.). Dieser Ermessensfehler konnte auch nicht im Gerichtsverfahren durch das Nachschieben von Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO behoben werden (unten 2.2.).
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2.1. Es liegt im Rahmen der zu treffenden Störerauswahl ein Ermessensfehler vor, da die Beklagte nicht alle der potentiell in Betracht kommenden Sanierungsverpflichteten in ihre Auswahlentscheidung mit einbezogen hat.
113
Insbesondere hat die Beklagte es unterlassen, eine Inanspruchnahme der …GmbH als Gesamtrechtsnachfolgerin der Handlungsstörerin …GmbH sowie der aktuellen Grundstückseigentümer und Inhaber der tatsächlichen Gewalt nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG und der früheren Grundstückseigentümerin nach § 4 Abs. 6 Satz 1 BBodSchG zu prüfen. Als derzeitige Eigentümer der streitgegenständlichen Grundstücke kommen namentlich in Betracht die Stadt … (S1, N1), der Landkreis … (N3), die …GbR (S2), die* … Gruppe (N2) sowie die Hellip KG (S3). Darüber hinaus kommt als frühere Eigentümerin des nördlich Grundstückteils nach § 4 Abs. 6 BBodSchG die Stadt- und Kreissparkasse … in Betracht.
114
Die Beklagte hat vor Erlass der Sanierungsanordnung lediglich bei dem damals zuständigen Insolvenzverwalter der Rechtsanwälte Hellip in … in den Insolvenzverfahren über das Vermögen der …GmbH als auch über das Vermögen der Hellip GmbH Auskunft eingeholt, dessen Auskünfte gerade nicht auf einer Einsichtnahme in die notariellen Verträge, in das Handelsregister und die Grundbücher basierten.
115
Die Beklagte konnte auch in der mündlichen Verhandlung keine Anhaltspunkte dafür aufzeigen, warum die genannten potentiellen Sanierungspflichtigen nicht in die Ermessensauswahl miteinbezogen wurden. Derartige Anhaltspunkte sind auch nicht aus den Akten erkennbar.
116
Der Ermessensfehler bei der Störerauswahl ist vorliegend auch relevant, da das der Beklagten zustehende Ermessen nicht dahingehend auf Null reduziert gewesen ist, dass das Ergebnis der Ermessensausübung - also die angefochtene Sanierungsverpflichtung der Klägerin - auch ohne die Defizite der Entscheidungsfindung dasselbe hätte sein müssen, oder wenn offensichtlich ist, dass der Fehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (vgl. BayVGH, B.v. 18.10.2010 - 22 CS 10.439 - BayVBl 2011, 762, juris, Rn. 14).
117
Ein Großteil der Gesichtspunkte, die die Beklagte bei der Störerauswahl unter Vermeidung der beschriebenen Ermessensfehler hätte berücksichtigen müssen, waren ihr im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses bereits bekannt - sie wurden lediglich nicht oder nicht ausreichend verwertet. Denn die Klägerin hatte auf Nachfrage der Beklagten mit Schreiben vom 20. Januar 2017 eine Übersicht der damaligen Eigentumsverhältnisse entsprechend der der Klägerin vorliegenden Dokumentenlage und bezogen auf die jeweiligen Flurstücke zusammengetragen und die Eigentümerwechsel je Grundstücksbereich bzw. je Teilfläche chronologisch mitgeteilt, sodass der Beklagten auch die neuen Eigentümer der einzelnen Flugnummern bekannt waren.
118
Vielmehr hat sich die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung deutlich dadurch leiten lassen, dass die Klägerin nach Ansicht der Beklagten als Gesamtrechtsnachfolgerin der …- …GmbH nach § 4 Abs. 3 BBodSchG in Betracht komme und die Klägerin bereits in der Vergangenheit seit Jahren die Sanierungskosten für die Grundwassersanierung auf dem streitgegenständlichen Gelände übernommen hat.
119
Im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 8. Juni 2018 durfte die Beklagte jedoch nicht davon ausgehen, dass die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin anzusehen ist. Der zwischen den Parteien (der Klägerin und der …GmbH) geschlossene Vertrag hat ihr nicht vorgelegen, weshalb nicht abschließend beurteilt werden konnte, ob die …KG (vormals Hellip KG) als Gesamtrechtsnachfolgerin anzusehen ist. Vielmehr teilte die Klägerin der Beklagten wiederholt vor Erlass des Bescheides mit, dass die …GmbH Rechtsnachfolgerin der …GmbH ist.
120
Andere Anhaltspunkte wie beispielsweise Auszüge aus dem Handelsregister bzw. Grundbuchauszüge, woraus sich ergibt, dass entgegen den Ausführungen der Klägerin diese Rechtsnachfolgerin der …GmbH ist, liegen nicht vor.
121
Darüber hinaus ist die Klägerin entgegen den Ausführungen der Beklagten im Sanierungsbescheid auch nicht nach § 4 Abs. 6 BBodSchG als frühere Eigentümerin des gesamten …-Geländes verantwortlich.
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Nach § 4 Abs. 6 BBodSchG muss die Eigentumsübertragung auf den nachfolgenden Eigentümer nach dem Inkrafttreten des Bundesbodenschutzgesetzes am 1. März 1999 stattgefunden haben. Dies ist für alle veräußerten Grundstücke, außer denen der Stadt- und Kreissparkasse … der Fall. Nach dem unstreitigen Vortrag der Klägerin wurde bereits im Jahr 1995 der gesamte nördliche Teil des …-Geländes an die Stadt- und Kreissparkasse … veräußert. Dies war der Beklagten auch aufgrund der umfassenden Ausführungen zu den Eigentumsverhältnissen mit Schreiben der Klägerin vom 20. Januar 2017 bekannt. Eine Inanspruchnahme der Klägerin nach § 4 Abs. 6 BBodSchG kommt in der Folge für den nördlichen Bereich des Geländes keinesfalls in Betracht.
123
Es kann vorliegend entgegen den Ausführungen der Beklagten auch nicht mit Erfolg vorgebracht werden, dass angesichts des Gebotes der möglichst effektiven Gefahrenabwehr, die Klägerin als Sanierungspflichtige heranzuziehen ist.
124
Bei der bodenschutzrechtlichen Störerauswahl hat sich die Behörde zwar in erster Linie von dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes leiten lassen und zitiert das Urteil des VGH Mannheim, wonach das Einschreiten gegen den Zustandsstörer, der auch Inhaber der tatsächlichen Gewalt und wirtschaftlich leistungsfähig ist, jedenfalls dann nicht ermessensfehlerhaft ist, wenn aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unklar ist, ob und in welchem Umfang die Haftung anderer Personen als Gesamtrechtsnachfolgerin Betracht kommt (vgl. VGH Mannheim, U.v. 18.12.2012 - 10 S 744/12 - juris). Dieses greift jedoch hier nicht ein.
125
Vorliegend hat die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses alle Grundstücke an die jetzigen Eigentümer verkauft, sodass sie nicht mehr Inhaberin der tatsächlichen Gewalt über die streitgegenständlichen Flurstücke ist.
126
2.2.. Der Ermessensfehler konnte vorliegend auch nicht gemäß § 114 Satz 2 VwGO behoben werden.
127
Zwar dürfen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Ermessenserwägungen nachgeschoben werden. Begründet wird dies damit, dass bereits der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) das Gericht verpflichte, angefochtene Hoheitsakte von Amts wegen unter allen denkbaren rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten zu überprüfen, dass § 114 Satz 2 VwGO der Prozessökonomie diene, dass der Gesetzgeber mit dieser Regelung die schon zuvor anerkannten Möglichkeiten des prozessualen Nachschiebens von Gründen nicht habe verkürzen wollen und dass sich die Zulässigkeit des Nachschiebens von Gründen letztlich aus dem materiellen Recht, nicht aber aus § 114 Satz 2 VwGO ergebe, der lediglich die prozessuale Seite des Nachschiebens von Gründen betreffe.
128
Die Beklagte hat vorliegend keine konkreten Ermessenserwägungen - auch nicht in der mündlichen Verhandlung am 12. Februar 2020 - nachgeschoben. Zudem wäre ein Nachschieben von Gründen im vorliegenden Fall unzulässig.
129
Vorliegend leidet nämlich der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2018 an einem wesentlichen Ermessensfehler, der einem Nachschieben von Ermessensgründen mit „heilender Wirkung“ gemäß § 114 Satz 2 VwGO nicht zugänglich ist. Dieser Ermessensausfall liegt darin, dass von der Beklagten in Bezug auf mehrere, der Beklagten bekannte und nicht von vornherein ausscheidbare, nach § 4 Abs. 3, 6 BBodSchG Pflichtige überhaupt keine Erwägungen dazu angestellt worden sind, ob und warum diese Pflichtigen ggf. nicht in Anspruch genommen wurden. Eine Begründung, die solche Erwägungen erstmals überhaupt enthält, geht über ein nach § 114 Satz 2 VwGO zulässiges Nachschieben weiterer Ermessensgründe hinaus (VGH München, U.v. 30.1.2018 - 22 B 16.2099 - juris: OVG NW, U.v. 21.11.2012 - 16 A 85/09 - juris Rn. 58 und 59; OVG Berlin-Bbg, U.v. 24.2.2011 - 11 B 10.09 - juris, Rn. 51). Es handelt sich im Grunde nicht lediglich um eine Anreicherung der bisher schon gegebenen Begründung dafür. Erwägt vielmehr die Behörde, ob ein anderer nach § 4 Abs. 3 BBodSchG Pflichtiger in Betracht kommt, so erfordert dies (auch) eine abwägende Gegenüberstellung der bisher Betroffenen einerseits mit dem - möglicherweise „vorzugswürdigen“ - anderen Adressaten eines ggf. neu zu erlassenden belastenden Verwaltungsakts andererseits. Diese Einbeziehung eines weiteren Pflichtigen in die Auswahlentscheidung führt zu einer neuen (zusätzlichen) Ermessensentschließung darüber, ob die bisherige Wahl des Adressaten auch bei Berücksichtigung eines anderen potentiell in Anspruch zu Nehmenden Bestand haben kann.
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3. Darüber hinaus erweist sich die Inanspruchnahme der Klägerin im angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2018 aufgrund Fehlens einer Haftungsobergrenze als unverhältnismäßig. Nachdem hier entsprechend der obigen Ausführungen die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin des Verursachers nach § 4 Abs. 3 BBodSchG nicht vorliegen, wäre es für die dann infrage kommende teilweise Inanspruchnahme als frühere Eigentümerin des …-Geländes nach § 4 Abs. 6 BBodSchG erforderlich, die inhaltliche Reichweite der Kostenhaftung zu begrenzen. Dies gilt für eine mögliche Haftung nach § 4 Abs. 6 BBodSchG genauso wie für die Zustandsstörerhaftung nach § 4 Abs. 3 BBodSchG, für die sich die Pflicht zur Begrenzung der Haftung im Bescheid aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 16. Februar 2000 (Az. 1 BvR 242/91, NJW 2000, Seite 2573) ergibt.
131
Es obliegt damit der Verwaltung, unter Berücksichtigung der Vorgaben und Garantien des Art. 14 GG im jeweiligen Bescheid über die Begrenzung der Kostenbelastung des Verantwortlichen zu entscheiden. Der in Anspruch genommene Störer muss dem Bescheid eindeutig entnehmen können, ob er unbegrenzt haftet bzw. welche Kostenbelastung er höchstens zu erwarten hat. Nur auf der Grundlage dieser Informationen kann er entscheiden, ob er die Sanierungsanordnung angreift oder bestandskräftig werden lässt (vgl. VG Regensburg, U.v. 5.10.2009 - RO 8 K 09.1452 - juris).
132
Vor diesem Hintergrund ist es nicht hinnehmbar, dass seitens der Beklagten noch nicht einmal die grundlegende Entscheidung, inwieweit die Haftung begrenzt werden soll, getroffen wurde. Ausweislich der Bescheidsbegründung erfolgte keine Ermittlung des Kaufpreises und der hierzu erforderlichen Aufwendungen. Die Beklagte führt im Bescheid lediglich aus, die erforderliche finanzielle Leistungsfähigkeit der Klägerin könne unterstellt werden. Die Klägerin habe für die Übertragung des Eigentums ein Äquivalent erhalten.
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Dies stellt aber für die Klägerin eine nicht hinnehmbare Unsicherheit dar, da das Haftungsrisiko - auch mangels Angaben von konkreten Sanierungszielwerten - unüberschaubar wird.
134
Auch die bisher klägerseits erbrachten Aufwendungen für die Sanierung in Höhe von 800.000,00 EUR sind bei der Ermittlung der Belastungsgrenze zu berücksichtigen und vermögen die Höhe der Belastungsgrenze zu mindern. Im Bescheid werden die bisher von der Klägerin übernommenen Sanierungskosten in Höhe von rund 800.00,00 EUR nicht einmal genannt.
135
4. In der Folge ist auch die Nr. 3 des Bescheides der Beklagten (Zwangsgeldandrohung) rechtswidrig und aufzuheben, Art. 29, 31, 36 BayVwZVG.
136
Vor diesem Hintergrund war der Klage stattzugeben und der Bescheid vollumfänglich aufzuhe-ben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.