Titel:
Eingruppierungsklage - Fachkraft für Abwassertechnik
Normenkette:
ZPO 256 Abs. 1
Leitsätze:
1. Streiten die Arbeitsvertragsparteien über die richtige Eingruppierung, kann der Arbeitnehmer seine Rechte mittels einer Klage auf Zahlung der Vergütungsdifferenz und/oder einer Feststellungsklage geltend machen, da nur letztere zu Rechtskraftwirkungen auch für künftige Ansprüche führt. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Eingruppierungsklagen gelten für deren Schlüssigkeit sowie für die Darlegungs- und Beweislast der Klagepartei die allgemeinen Grundsätze des Zivilprozessrechts. Im Hinblick darauf muss daher der Kläger die Einzelheiten seiner Tätigkeit und darüber hinaus diejenigen Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen der rechtliche Schluss möglich ist, dass seine Tätigkeit die Anforderungen der begehrten Vergütungsgruppe einschließlich der darin vorgesehenen Qualifizierungen bzw. Richtbeispiele im geforderten zeitlichen Umfang erfüllt. Hierfür genügt es nicht, lediglich die ausgeübten Tätigkeiten nebst ihren Zeitanteilen unter Verweis auf die von seinem Vorgesetzten erstellte Tätigkeitsdarstellung aufzuführen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fachkraft für Abwassertechnik, Tarifvertrag, Eingruppierung, Entgeltgruppe, Arbeitsleistung, Abwasseranlage, selbständige Wartung und Instandsetzung
Rechtsmittelinstanz:
LArbG Nürnberg, Urteil vom 13.11.2020 – 1 Sa 252/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 42532
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf € 9.824,59 festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.
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Der am 04.09.1979 geborene Kläger ist seit dem 01.07.2012 als Mitarbeiter in der Abwasserbeseitigung und seit 13.07.2015 als Fachkraft für Abwassertechnik in der Kläranlage bei der Beklagten gegen ein Bruttomonatsentgelt von € 3.075,00 beschäftigt. Die Kläranlage der Beklagten ist für 25.000 Einwohnergleichwerte ausgerichtet.
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Die von der Beklagten erstellte Arbeitsplatzbeschreibung des Klägers führt unter „Abwassertechnischer Bereich als Fachkraft für Abwassertechnik“ folgende Tätigkeiten des Klägers, welche einen Zeitanteil von 67% ausmachen, auf:
- Messen, Steuern und Regeln der Anlageteile der Kläranlage C-Stadt mit den Außenstellen und Auswertungen von im Klärwerksprozess anfallenden Messergebnissen
- Optimierung der Betriebsabläufe mit Dokumentationen im Bereich Abwassertechnik
- Einstellungen mit dem Fernwirksystem an der Kläranlage C-Stadt und seinen Außenstellen
- Einstellen, reparieren und Überprüfung der chemischen Phosphatfällung
- Störungssuche an komplizierten pneumatischen und elektrisch-pneumatischen Anlagen und Pumpwerken mit Vakuumanlagen inklusive Einstellungsarbeiten.
- Labortechnische Arbeiten mit Umsetzen der im Labor gewonnenen Messergebnissen im Klärwerksprozess.
- Prüfen und Kalibrieren von Messgeräten
- Wartung von Kompressoren und Vakuumkompressoren und Pneumatischen Anlagen und Behebung der Auftretenden Fehler in der Kläranlage C-Stadt und seinen Außenstationen (ohne Pneumatische Hebeanlagen)
- Messungen und Vergleichsmessungen mit dem elektromagnetischen Durchflussmessgerät
- Reinigungsarbeiten und Grünpflege und sonstiges
- Fremdfirmen anleiten und überwachen
- Schulungen und Weiterbildungen
- Arbeiten im Rahmen der EÜV (Bayern)
- Fehlersuche und Reparaturen in komplizierten elektrischen Steuerungen auf der Kläranlage und den Außenstellen (Pumpwerken Kläranlagen, Regenüberlaufbecken, Rückhaltebecken, Drosselanlagen und elektropneumatische Pumpstationen) und Störungsbehebung.
- Einstellungen von elektrischen Steuerungen, Motorschutzschaltern, Regelungen und Prüfungen auf der Kläranlage C-Stadt und seinen Außenstellen
- Austausch von Elektromotoren und Anlagenteilen
- Fehlersuche in elektrischen Anlagen
- Wartung, Instandsetzung, Einstellen und Reparaturen von Mess, -Steuer und Regeleinrichtungen
- Bereitschaftsdienst alle fünf bis sechs Wochen jeweils eine ganze Woche 24 Stunden mit Kurzdienst am Samstag, Sonntag und den Feiertagen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts dieser Arbeitsplatzbeschreibung wird auf Bl. 25 ff. d.A. verwiesen.
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Auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis finden der TVöD sowie gemäß TVÜ-VKA der Bezirkstarifvertrages Nr. 2 (BTV Nr. 2) ehemaligen zum BMT-G II Anwendung. Die Beklagte gruppierte den Kläger in die Lohngruppe 4/4 des BTV Nr. 2 ein. Diese Eingruppierung entspricht der Entgeltgruppe 5 der Anlage 3 TVÜ-VKA.
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Die Lohngruppen zum BTV Nr. 2 lauten auszugsweise wie folgt:
1. Arbeiter mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens zweieinhalb Jahren, die in ihrem oder einem diesem verwandten Beruf beschäftigt werden.“
1. Arbeiter der Lohngruppe 4 Fallgruppe 1, die hochwertige Arbeiten verrichten.
Hochwertige Arbeiten sind Arbeiten, die an das Überlegungsvermögen und das fachliche Geschick des Arbeiters Anforderungen stellen, die über das übliche Maß dessen hinausgehen, was von einem gelernten Arbeiter üblicherweise verlangt werden kann.
1. Arbeiter der Lohngruppe 4 Fallgruppe 1, die besonders hochwertige Arbeiten verrichten.
Besonders hochwertige Arbeiten sind Arbeiten, die neben vielseitigem, hochwertigem fachlichen Können besondere Umsicht und Zuverlässigkeit erfordern.
1. Arbeiter der Lohngruppe 4 Fallgruppe 1, die in einem der folgenden Fälle mit den dort bezeichneten besonderen Aufgaben beschäftigt sind:
a) schwierige Heizungsanlagen oder komplizierte Maschinen oder Anlagen (z.B. … Wasseraufbereitungsanlagen, … mechanische oder biologische oder mechanisch-biologische Kläranlagen mit getrennter Schlammbehandlung für mindestens 20.000 Einwohnergleichwerte oder mit zusätzlicher chemischer Fällung oder mit Chlorierungsanlage …), selbständig warten und instandsetzen…
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Mit Schreiben vom 20.09.2018 und 26.11.2018 forderte der Kläger von der Beklagten die Eingruppierung in Entgeltgruppe 8 der Anlage 3 TVÜ-VKA und machte die monatlichen Entgeltdifferenzen für die Zeiträume 01.01.2017 - 31.01.2017 mit 320,64 € brutto, 01.02.2017 - 28.02.2018 mit 328,17 € brutto, 01.03.2018 - 30.06.2018 mit 334,69 € brutto und 01.07.2018 - 31.10.2018 mit 216,61 € brutto geltend. Dies wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 11.01.2019 abgelehnt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts dieser Schreiben wird auf Bl. 21 ff. d.A. verwiesen.
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Der Kläger begehrt mit seiner am 24.10.2019 beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangenen Klage die Verpflichtung der Beklagten, ihn ab dem 01.01.2017 nach der Entgeltgruppe 8 der Anlage 3 TVÜ-VKA, welche der Lohngruppe 7 Fallgruppe 1.11 des BTV Nr. 2 entspreche, zu vergüten. Er sei für den Betrieb, die Kontrolle, die Wartung und die Instandsetzung sowie die Steuerung der abwassertechnischen Anlagen zuständig und erledige in diesem Zusammenhang zu deutlich mehr als 50% seiner Tätigkeit überwiegend selbständig Reparatur- und Wartungsarbeiten.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger seit dem 01.01.2017 nach EG 8 der Anlage 3 TVÜ-VKA zu vergüten und die monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge ab dem Tag der jeweiligen Fälligkeit mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.
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Die Beklagte beantragt
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Die Beklagte ist der Auffassung, dass für den Kläger die Voraussetzungen für eine Vergütung nach der Lohngruppe 7 Fallgruppe 1.11 des BTV Nr. 2 nicht vorlägen. Er sei als Fachkraft für Abwassertechnik und Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten eingesetzt. Es komme nicht nur darauf an, dass der Anlagenbegriff der Lohngruppe 7 Fallgruppe 1.11 erfüllt sei, sondern darauf, ob die Fachkraft diese auch selbständig warte und instandsetze, was nicht zutreffe. Das Tatbestandsmerkmal der Selbständigkeit sei nicht erfüllt, da der Kläger den Arbeitsanweisungen und Vorgaben des Abwassermeisters als seinem unmittelbarem Vorgesetzten unterliege, auch wenn er seine Arbeiten eigenständig erledige. Im Übrigen müssten die Tätigkeiten der selbständigen Wartung und Instandsetzung das Hälftemaß erfüllen, was nicht gegeben sei. Zudem sei anerkannt, dass die Tätigkeit der Fachkräfte für Abwassertechnik primär auf den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage ausgerichtet sei, nicht jedoch auf deren laufende Wartung und Instandsetzung.
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Der Kläger ergänzt seinen Sachvortrag im Hinblick auf die von ihm selbständig und nicht nur alleine zu erledigenden täglichen Aufgaben, wozu er vollumfänglich auf den Inhalt der von seinem Vorgesetzten erstellten Tätigkeitsdarstellung, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 99 ff. d.A. verwiesen wird, verweist. Eine Hauptaufgabe (5% der gesamten Arbeitsleistung) sei die Pumpenwerkskontrolle. Hierbei müssten ca. 30 technische Außenstationen im gesamten Stadtgebiet betreut bzw. regelmäßig angefahren und kontrolliert werden. Bei Vorliegen einer Störung entscheide der Kläger vor Ort selbständig, wie diese zu beheben sei. Eine weitere tägliche Tätigkeit (2% der gesamten Tätigkeit) sei die Anfahrt und Kontrolle von zwei Kläranlagen, hierbei seien Mess- und Zählerstand einzutragen sowie Absetzproben anzusetzen. Der Kläger müsse hierfür selbständig in der Lage sein, die Betriebsfähigkeit der Anlage beurteilen, erhalten oder ggf. wiederherstellen zu können. Weitere Aufgaben seien die regelmäßige Reinigung der Kläranlagen, worüber er meist ohne Auftrag des Dienstvorgesetzten entscheide und deren Zeitaufwand bei ca. 2 ½ bis 3 Stunden liege. Im Zusammenhang mit der Rattenbekämpfung (ca. 5% der gesamten Tätigkeit) beurteile er eigenständig ohne Weisung seines Dienstvorgesetzten, wo diese wie oft sinnvoll und notwendig sei. Bei den Ködern handle es sich um Giftstoffe, weshalb mit höchsten Sicherheitsmaßnahmen gearbeitet werden müsse. Eine weitere Tätigkeit (ca. 10% der Gesamttätigkeit) sei die Erstellung der Jahresberichte für das Kanalnetz und die Sonderbauwerke, in diesem Zusammenhang fertige er 49 Berichte selbständig an. Auch im Rahmen des Bereitschaftsdienstes - ca. 8 Mal im Jahr - sei er alleine für die komplette Abwasseranlage zuständig und tätige selbständige Arbeiten, welche eine eigene Ermessens-, Beurteilungs- und Entscheidungstätigkeit aufgrund seiner vorhandenen Fachkenntnisse erforderten. Hierbei handle es sich um eine hoch komplizierte Arbeit, welche große Anforderungen an sein Überlegungsvermögen stelle. Im Rahmen von Anrufen bzw. Störungen müsse er selbständig entscheiden, wie eine bestimmte Situation zu bewerten und zu lösen sei. Bei einer Fehleinschätzung könne es zu erheblichen Betriebsstörungen auf den Anlagen oder im Kanalnetz kommen, welche zu erheblichen Umwelt- oder wirtschaftlichen Schäden führen könnten. Auch seine den Kanal betreffende Bürotätigkeit (10% der gesamten Arbeitszeit) führe er selbständig und mit Eigenverantwortung aus. Eine weitere Tätigkeit stelle die selbständige Reinigungs- und Pflegearbeit (ca. 2% der Gesamttätigkeit) dar. Insbesondere müsse er beim Zurückschneiden von Bäumen und Hecken abschätzen, ob dadurch eine Gefahr für Leib und Leben entstehen könne. Ferner müsse der Kläger eigenständig Fremdfirmen anleiten und überwachen (ca. 2% der Gesamttätigkeit), da auf den Abwasseranlagen große Gefahrenquellen, wie z.B. offene Becken, vorhanden seien. Eine weitere Tätigkeit sei die Kanalreinigung, wofür er ein Reinigungskonzept für die Reinigungsfirma erstelle, diese überwache und die Reinigungsarbeiten überprüfe (ca. 3% der gesamten Tätigkeit). Auch diese Arbeit finde selbständig und ohne den direkten Vorgesetzten statt. Der Kläger führe regelmäßig Kamerabefahrungen (10% der gesamten Arbeitszeit) durch, welche er selbständig vorbereite und den Einsatz von Hilfsmitteln im eigenen Ermessen selbständig abschätze. Während der Befahrung müsse er jeden Fehler und jede Veränderung dokumentieren, beim Abschluss müsse er den Vorgang bewerten und die Ergebnisse zusammenfassen. Auch bei dieser Arbeit sei ein eigener Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum unerlässlich. Eine weitere Tätigkeit sei die Abnahme von baulichen Kanalarbeiten (ca. 8% der Gesamtarbeitszeit). Der Kläger müsse die entsprechenden Pläne vorbereiten sowie bei Einweisungen und Abnahmen von Hausanschlüssen im eigenen Ermessen selbständig tätig werden. Ein weiterer großer Tätigkeitsbereich liege in der Reinigung und Instandsetzung der Regenüberlaufbecken und Pumpensümpfe in den Pumpenwerken, wofür es einer eigenen Ermessens- und Überlegungsentscheidung mit großer Sorgfalt bedürfe. Der Zeitaufwand hierfür betrage ca. einen Tag pro Becken sowie zusätzlich mehrere Stunden für die Reinigung des Arbeitsmaterials. Auch im Rahmen der Fehlersuche und Reparatur an Schachtabdeckungen sei eigenständiges Arbeiten des Klägers unabhängig von seinem direkten Dienstvorgesetzten angebracht. Der Zeitaufwand betrage je nach Ort ca. zwei Stunden. Eine weitere Aufgabe sei das Molchen von Druckleitungen (ca. 1% der Gesamtarbeit), hierfür müssten viele Arbeitsschritte in der richtigen Reihenfolge ausgeführt und unterschiedliche Informationen verknüpft und abgewogen werden, um zu einer Entscheidung zu gelangen. Eine weitere Tätigkeit des Klägers bestehe darin, dass er die verschiedenen motorbetriebenen Kleingeräte der Kläranlagen selbständig und ohne Rücksprache mit seinem Dienstvorgesetzten warte und ggf. neue beschaffe. Nur bei der Reparatur und beim Austausch von Verschleißteilen von sehr hochpreisigen Teilen oder großen Reparaturen erfolge eine kurze Absprache. Der Zeitaufwand für eine Wartung betrage ca. eine Woche im Jahr. Eine weitere Arbeit sei die Wartung und Reparatur von Kompressoren, Pumpen und Antrieben (ca. 2% der Gesamttätigkeit). Diese erfordere ein hohes Maß an Selbständigkeit und Einschätzungsvermögen sowie eine besondere Ausbildung und regelmäßige Unterweisungen. Die Fehlersuche und entsprechende Reparatur erfolge komplett eigenständig. Zudem seien besondere selbständige Überlegungen erforderlich, da die Vorgaben zum Schachteinstieg eingehalten werden müssten. Im Rahmen der Wartung und Reparatur an Anlageteilen, wie z.B. Räumerbrücken, Rechen, Seil- und Kettenzüge, sei ebenfalls ein hohes Maß an selbständiger Arbeitsplanung und Arbeitsüberlegung notwendig. Bei der Anfertigung und dem Aufbau von Versuchsaufbauten zur Anlageoptimierung und Probebetrieb arbeite der Kläger komplett selbständig und mit eigenem Beurteilungsspielraum im Hinblick auf die Umsetzung, insbesondere hinsichtlich Materialbeschaffung, Herstellung und Montage der Einrichtung. Der Kläger könne mit Hilfe des Fernwirksystems die Kläranlagen sowie alle Pumpwerke und Sonderbauwerke selbständig fernsteuern und überwachen (ca. 3% der Gesamttätigkeit). Abschließend sei festzuhalten, dass er bei seinen vielen Tätigkeiten auf den 30 Außenstationen unterwegs sei und die dort anfallenden Tätigkeiten selbständig mit entsprechendem Ermessens-, Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum vornehme, ohne dass eine Möglichkeit bestehe, diese mit dem Vorgesetzten abzusprechen.
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Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig.
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1. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG gegeben.
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2. Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Nürnberg folgt aus §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG; 495, 12, 17 Abs. 1 ZPO.
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3. Das nach §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG; 495, 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist zu bejahen. Streiten die Arbeitsvertragsparteien über die richtige Eingruppierung, kann der Arbeitnehmer seine Rechte mittels einer Klage auf Zahlung der Vergütungsdifferenz und/oder einer Feststellungsklage geltend machen, da nur letztere zu Rechtskraftwirkungen auch für künftige Ansprüche führt (vgl. Hamacher, Antragslexikon Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2019, Eingruppierung). Die begehrte Entgeltgruppe ist vom Kläger genau bezeichnet worden.
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Die Klage ist jedoch unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 der Anlage 3 TVÜ-VKA bzw. Die Lohngruppe 7 Fallgruppe 1.11 des BTV Nr. 2.
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Für die Eingruppierung des Klägers ist der BTV Nr. 2 maßgeblich, da der TVöD keine Eingruppierungsvorschriften enthält. Deshalb gelten nach dem Überleitungstarifvertrag TVÜ-VKA im Arbeiterbereich die landesbezirklichen Lohngruppenverzeichnisse fort. In Bayern handelt es sich dabei um das Lohngruppenverzeichnis des Bezirkstarifvertrages Nr. 2 (Arbeiter der Städte und Gemeinden) zum ehemaligen BMT-G II vom 28.02.1991 in der Fassung vom 24.09.1997. Die vom Kläger begehrte Vergütung nach bzw. Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 ergibt sich unter Anwendung der Anlage 3 TVÜ-VKA aus der Eingruppierung in die Lohngruppe 7 nach dem Lohngruppenverzeichnis des § 2 BTV Nr. 2. Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 2 (VKA) Eingruppierung TVöD legt dabei fest, dass die gesamte auszuübende Tätigkeit den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe entspricht, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Grundlage für die begehrte Eingruppierung ist damit die Bewertung einzelner Tätigkeiten des Klägers. Für jede Teiltätigkeit ist das zeitliche Maß der Inanspruchnahme im Verhältnis zur Gesamttätigkeit festzustellen.
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Die vom Kläger begehrte Entgeltgruppe 8 der Anlage 3 TVÜ-VKA setzt mithin voraus, dass er mindestens zur Hälfte seiner Arbeitszeit Tätigkeiten der Lohngruppe 7 Fallgruppe 1.11 des BTV Nr. 2 verrichtet. Hierzu hat er jedoch keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen. Insbesondere genügt es nicht, die ausgeübten Tätigkeiten nebst ihren Zeitanteilen unter Verweis auf die von seinem Vorgesetzten erstellte Tätigkeitsdarstellung aufzuführen. Bei Eingruppierungsklagen gelten für deren Schlüssigkeit sowie für die Darlegungs- und Beweislast der Klagepartei die allgemeinen Grundsätze des Zivilprozessrechts. Im Hinblick darauf muss daher der Kläger die Einzelheiten seiner Tätigkeit und darüber hinaus diejenigen Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen der rechtliche Schluss möglich ist, dass seine Tätigkeit die Anforderungen der begehrten Vergütungsgruppe einschließlich der darin vorgesehenen Qualifizierungen bzw. Richtbeispiele im geforderten zeitlichen Umfang erfüllt. Er hat konkret die Tatsachen darzulegen, aus denen das Gericht die Bestimmung von Arbeitsvorgängen oder Gesamt- bzw. Teiltätigkeiten vornehmen kann (vgl. BAG v. 18.11.2015, 4 AZR 534/13, NZA 2016, 310 ff.).
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Die Betreuung der Kläranlage setzt sich ausweislich der vorgelegten Arbeitsplatzbeschreibung des Klägers (Bl. 25 ff. d.A.) aus einer Vielzahl einzelner Tätigkeiten zusammen, welche unabhängig voneinander bewertet werden können. Für den Inhalt sowie den Umfang der streitigen Zeitanteile ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Er hat hierzu auf die von seinem Vorgesetzten erstellte Tätigkeitsdarstellung (Bl. 99 d.A.) mit Prozentanteilen verwiesen und im Einzelnen zu bestimmten Tätigkeiten sowie der behaupteten Selbständigkeit vorgetragen. Es fehlt jedoch bereits am Vortrag, welche seiner Tätigkeiten aus welchen Gründen über die Lohngruppe 4 des BTV Nr. 2 hinausgehen. Bei aufeinander aufbauenden Lohngruppen mit Heraushebungsmerkmalen ist immer ein wertender Vergleich mit den nicht herausgehobenen Tätigkeiten erforderlich. Hierfür genügt nach dem Bundesarbeitsgericht die bloße Darstellung der Tätigkeiten nicht für eine schlüssige Begründung des Höhergruppierungsbegehrens. Denn allein aus der Betrachtung der Tätigkeiten lassen sich noch keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob sich die Tätigkeit entsprechend den Qualifizierungsmerkmalen von denjenigen der niedrigeren Lohngruppen hervorhebt. Dies erfordert vielmehr einen wertenden Vergleich mit den nicht herausgehobenen Tätigkeiten, also den „Normaltätigkeiten“ und setzt einen entsprechenden Tatsachenvortrag voraus, welcher erkennen lassen muss, weshalb sich eine bestimmte Tätigkeit von der Grundtätigkeit abhebt (vgl. BAG v. 23.10.2012, Az. 4 AZR 48/11). Insoweit fehlt trotz der Darstellung der einzelnen Tätigkeiten des Klägers sowie des Verweises auf die von seinem Vorgesetzten erstellte Tätigkeitsdarstellung ein substantiierter Sachvortrag, weshalb seine Tätigkeiten statt in Lohngruppe 4 des BTV Nr. 2 als Ausgangsgruppe in die darauf aufbauende Lohngruppe 7 Fallgruppe 1.11 des BTV Nr. 2 einzuordnen seien. Insbesondere ist die Lohngruppe 7 des BTV Nr. 2 gegenüber den Lohngruppen 5 und 6 des BTV Nr. 2 hervorgehoben, welche bereits über die Lohngruppe 4 des BTV Nr. 2 hinaus die Verrichtung hochwertiger bzw. besonders hochwertiger Arbeiten erfordern. Hierzu ist bereits festzuhalten, dass nicht jede Tätigkeit, welche ohne ständige Überwachung und Weisungen alleinverantwortlich ausgeübt wird, als hochwertig oder besonders hochwertig anzusehen ist. Eine höhere Vergütung ist vielmehr nur dann gerechtfertigt, wenn die ausgeübte Tätigkeit mit dem entsprechend geforderten Hälftemaß inhaltlich anspruchsvoller ist als die in der niedrigeren Lohngruppe genannte Tätigkeit. Zu diesem wertenden Vergleich hat der Kläger nichts vorgetragen.
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Nichts Anderes gilt in Bezug auf die vom Kläger dargestellte selbständige Ausführung der von ihm aufgelisteten Tätigkeiten. Auch hiermit nimmt er nicht ausreichend Bezug zu den Tätigkeitsmerkmalen der von ihm in Anspruch genommenen Lohngruppe 7 Fallgruppe 1.11 des BTV Nr. 2. Diese Fallgruppe erfordert über die Anforderungen der Lohngruppen 5 und 6 des BTV Nr. 2 hinaus die selbständige Wartung und Instandsetzung von bestimmten Anlagen oder Maschinen. Selbst bei Annahme der von ihm beschriebenen Tätigkeiten als „selbständig“ kommt die vom Kläger begehrte Eingruppierung nicht in Betracht. Eine selbständige Tätigkeit in diesem Sinne kann nicht damit begründet werden, dass er bei vielen seiner Aufgaben alleine und ohne Weisung seines Dienstvorgesetzten mit einem eigenen Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum arbeite. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Tarifrecht des öffentlichen Dienstes ist unter „selbständiger Leistung“ eine Gedankenarbeit zu verstehen, die im Rahmen der für die Entgeltgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges sowie insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordert. Kennzeichnend ist insbesondere ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung des Arbeitsergebnisses. Vom Arbeitnehmer werden Abwägungsprozesse verlangt und Anforderungen an das Überlegungsvermögen gestellt. Er muss also unterschiedliche Informationen verknüpfen, untereinander abwägen und zu einer Entscheidung kommen. Dies dürfe jedoch nicht mit „selbständig arbeiten“ im Sinne von „allein arbeiten“, d.h. ohne direkte Aufsicht oder Lenkung durch Weisungen tätig sein, verwechselt werden (vgl. BAG v. 15.11.1995, 4 AZR 557/94, m.w.N.). Dem klägerischen Vortrag kann zwar unterstellt werden, dass er viele seiner Aufgaben im Rahmen seines Verantwortungsbereichs - z.B. im Zusammenhang mit der Pumpenwerkskontrolle, der Reinigungs- und Pflegearbeiten, der Rattenbekämpfung, der Kamerabefahrungen - selbständig ohne Weisung seines Dienstvorgesetzten abarbeitet. Jedoch ist jeder Facharbeitertätigkeit in diesem Rahmen ein selbständiges Arbeiten mit gewissen Beurteilungsspielräumen für eigenständige Handlungen und Entscheidungen immanent und gehört zur täglichen Arbeitsausführung. Ansonsten wäre die Tätigkeit als ungelernt oder angelernt zu qualifizieren und würde es im Facharbeiterbereich trotz entsprechender Ausbildung keine eigenverantwortliche Tätigkeit geben. Soweit der Kläger seine Tätigkeiten beschreibt, sind dies nach Auffassung der Kammer schwerpunktmäßig auch typische Tätigkeiten eines Facharbeiters, bei deren routinemäßiger Ausführung naturgemäß auch eigene Entscheidungen ohne ständige Rücksprache mit dem Dienstvorgesetzten zu treffen sind. Dies gilt neben den Arbeiten auf der Anlage auch für die eigenverantwortlich zu erfüllenden organisatorischen und administrativen Tätigkeiten, wie beispielsweise der Erstellung von Berichten und Dokumentationen, welche zu einem gewissen Anteil mittlerweile nahezu fast jedem Berufsbild immanent sind. Dem Kläger obliegt nach dem Dafürhalten der Kammer auch nach seiner eigenen Darstellung primär die Überwachung und die Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs der Anlage. Selbst wenn die von ihm beschriebene Selbst- oder Eigenständigkeit bei den diversen von ihm zu verrichtenden Tätigkeiten unterstellt wird, führt dies allein noch nicht zur Einordnung seiner Tätigkeiten unter das Tatbestandsmerkmal der Selbstständigkeit der Lohngruppe 7 Fallgruppe 1.11 des BTV Nr. 2. Vielmehr lassen sich die von ihm beschriebenen Facharbeitertätigkeiten ohne weiteres immer noch unter die Aufgabenbeschreibung der Lohngruppe 4 des BTV Nr. 2 subsumieren.
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Entscheidend für die vom Kläger begehrte Eingruppierung in Lohngruppe 7, Fallgruppe 1.11 des BTV Nr. 2 ist zudem das Tatbestandsmerkmal der „Wartung und Instandsetzung von schwierigen Heizungsanlagen oder komplizierten Maschinen oder Anlagen“, wozu jeglicher Sachvortrag fehlt. Der Kläger ist zwar in der Kläranlage der Beklagten mit 25.000 Einwohnergleichwerten eingesetzt. Allein sein Einsatzgebiet führt jedoch noch nicht automatisch zur Erfüllung der entsprechenden Tatbestandsmerkmale. Selbst unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags nebst Verweis auf die von seinem Dienstvorgesetzten erstellte Tätigkeitsdarstellung machen die Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten von Kompressoren, Pumpen und Antrieben bzw. von Anlageteilen wie Räumerbrücken, Rechen, Seil- und Kettenzüge - welche nach Auffassung der Kammer nicht zu schwierigen bzw. komplizierten Anlagen oder Maschinen zählen - lediglich wenige Prozent der Gesamttätigkeit aus. Damit sind weder die Tatbestandsmerkmale der Lohngruppe 7 Fallgruppe 1.11 des BTV Nr. 2 sowie das geforderte Hälftemaß erfüllt.
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Nach alledem war die Klage als unbegründet abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG; 495, 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 61 Abs. 1 ArbGG; 42 Abs. 2 Satz 2 GKG. Insofern war der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrages der Entgeltgruppen 5 und 8 der Anlage 3 TVÜ-VKA anzusetzen (vgl. Aufstellung des Klägers im Schreiben vom 26.11.2018, zuletzt monatlich € 216,61, Bl. 22 d.A.).
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Die Berufung war nicht gesondert zuzulassen, da diese bereits nach allgemeinen Vorschriften eingelegt werden kann, § 64 Abs. 2 b) ArbGG.