Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 12.10.2020 – W 8 K 19.1540
Titel:

Kürzung und Rückforderung landwirtschaftlicher Subventionen

Normenketten:
RL 2008/71/EG Art. 2c, Art. 4 Abs. 1
VO (EU) Nr. 809/2014 Art. 7 Abs. 1
VO (EU) 1306/2013 Art. 91 Abs. 2, Art. 93 Abs. 1, Art. 97
BayVwVfG Art. 48, Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Nr. 2
MOG § 10 Abs. 2
ViehVerkV § 25 Abs. 3, § 42
Leitsätze:
1. Die fehlerhafte Führung eines Bestandsregisters stellt einen Verstoß gegen § 42 Abs. 2 ViehVerkV iVm Art. 4 der RL 2008/71/EG und gegen die GAB 6 (Kennzeichnung und Registrierung von Tieren) dar. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus Art. 91 Abs. 1, Art. 97 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr.1306/2013 sowie § 10 Abs. 2 MOG ergibt sich, dass festgestellte Verstöße zu sanktionieren sind und die Kürzung an sich eine gebundene behördliche Entscheidung darstellt (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine mögliche Existenzbedrohung befreit nicht von der Pflicht zur Einhaltung der erforderlichen Vorschriften. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Fall „höherer Gewalt“ oder „außergewöhnlicher Umstände“ ist ein ungewöhnlicher, vom Willen des Betroffenen unabhängiger und unvorhersehbarer Umstand, der trotz äußerster, nach den Umständen erforderlicher und zumutbarer Sorgfalt von den Beteiligten nicht zu vermeiden war. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anfechtungsklage, Kürzung landwirtschaftlicher Subventionen, Cross-Compliance-Verstoß, ordnungsgemäßes Führen eines Bestandsregisters, Relevanz der ViehVerkV im Hinblick auf Cross-Compliance, bundeseinheitliche Bewertungsmatrix, Kürzung, landwirtschaftliche Subventionen, Schweinehaltung, Bestandsregister, Dokumentation, Tierhaltung, Existenzbedrohung, höhere Gewalt
Rechtsmittelinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 09.03.2021 – 6 ZB 21.137
VGH München, Beschluss vom 19.04.2021 – 6 ZB 21.137
Fundstelle:
BeckRS 2020, 30649

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

I.
1
Der Kläger wehrt sich gegen die Kürzung und Rückforderung von EU-Direktzahlungen für das Jahr 2017 wegen „Cross-Compliance“-Verstoßes.
2
1. Der Kläger betrieb im Jahr 2017 im schwiegerelterlichen Betrieb in B. eine Schweinehaltung. Am 4. Mai 2017 beantragte er beim Amt für Ernährung Landwirtschaft und Forsten (AELF) Karlstadt mittels Mehrfachantrag die Basisprämie durch Aktivierung der Zahlungsansprüche und Zahlung für dem Klima- und Umweltschutz förderliche Landbewirtschaftungsmethoden (Greeningprämie), die Umverteilungsprämie für aktivierte Zahlungsansprüche, die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten und die Auszahlung für das Kulturlandschaftspflegeprogramm (KULAP) jeweils für das Jahr 2017.
3
Mit Bescheid des AELF Karlstadt vom 23. November 2017 wurden dem Kläger eine Ausgleichszulage in Höhe von 2.713,54 EUR und mit Bescheid vom 11. Dezember 2017 (1. Auszahlungsmitteilung) Zuwendungen für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUM) in Höhe von insgesamt 10.283,20 EUR gewährt. Mit Bescheid des AELF Karlstadt vom 13. Dezember 2017 wurden dem Kläger für das Jahr Direktzahlungen aus Mitteln der EU in Höhe von insgesamt 56.785,39 EUR bewilligt.
4
Im Rahmen einer Vor-Ort-Kontrolle durch das Veterinäramt des Landratsamts Main-Spessart am 29. November 2017 wurde festgestellt, dass das Bestandsregister für die insgesamt 22 im Betrieb gehaltenen Schweine, inklusive 17 noch nicht abgesetzten Ferkeln, hinsichtlich Vollständigkeit, Aktualität und Chronologie nicht die Cross Compliance (CC) Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB) erfüllt hat, da im bei der Kontrolle vorliegenden Bestandsregister keinerlei Zu- und Abgänge im Schweinebestand verzeichnet waren (GAB 6 PK 02).
5
Mit Bescheid vom 23. Juli 2018 nahm das AELF Karlstadt den Bescheid vom 23. November 2017 über die Gewährung der Ausgleichszulage zurück, soweit er den Betrag von 2.632,13 EUR für das Jahr 2017 übersteigt (Nr. 1 des Bescheides) und kürzte die Ausgleichszulage für das Jahr 2017 um 81,41 EUR auf 2.632,13 EUR (Nr. 2). Der überzahlte Betrag wurde zurückgefordert (Nrn. 3 und 4) und dem Kläger wurden die Kosten des Bescheides in Höhe von 15,00 EUR auferlegt (Nr. 5).
6
Mit weiterem Bescheid des AELF Karlstadt vom 23. Juli 2018 wurden der Bescheid vom 11. Dezember 2017 über die Gewährung der AUM zurückgenommen, soweit er den Betrag von 9.974,68 EUR für das Jahr 2017 übersteigt (Nr. 1 des Bescheides) und die Zuwendungen für das Jahr 2017 um 308,52 EUR auf 9.974,68 EUR gekürzt (Nr. 2). Der überzahlte Betrag wurde zurückgefordert (Nrn. 3 und 4) und dem Kläger wurden die Kosten des Bescheides in Höhe von 15,00 EUR auferlegt (Nr. 5).
7
Ebenfalls mit Bescheid vom 23. Juli 2018 nahm das AELF Karlstadt den Bescheid vom 13. Dezember 2017 über die Gewährung der Direktzahlungen zurück, soweit er den Betrag von 55.081,84 EUR für das Jahr 2017 übersteigt (Nr. 1 des Bescheides) und kürzte die Direktzahlungen für das Jahr 2017 um 1.703,55 EUR auf 55.081,84 EUR (Nr. 2). Der überzahlte Betrag wurde zurückgefordert (Nrn. 3 und 4) und dem Kläger wurden die Kosten des Bescheides in Höhe von 40,00 EUR auferlegt (Nr. 5).
8
Zur Begründung der Bescheide wird jeweils ausgeführt, bei der Vor-Ort-Kontrolle am 29. November 2017 seien Verstöße gegen die Anforderungen der Vieh-Verkehrs-Verordnung festgestellt worden. Bei dem Verstoß (Fehlen eines korrekten Bestandsregisters) entspreche es der ständigen Verwaltungspraxis, eine Einstufung als mittleren Verstoß (3% Kürzung) vorzunehmen. Besondere Umstände, die ein Abweichen von dieser Regeleinstufung rechtfertigen würden, seien nicht ersichtlich. Bei flächenbezogenen Beihilfen bestehe die Pflicht, zu Unrecht gezahlte Beträge zurückzufordern.
9
Mit Schreiben je vom 16. August 2018 ließ der Kläger gegen die Bescheide des AELF Karlstadt vom 23. Juli 2018 Widerspruch einlegen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, bei dem Verstoß handle es sich nicht um einen Wiederholungsfall. Es gehe zudem nicht um einen Fall des Verstoßes wegen unmittelbarer Gefährdung von Menschen oder das Tierwohl. Es handle sich um einen marginalen Fehler, begangen aus Versehen. Wenn im Bereich der Tierkennzeichnung trotz angemessener Sorgfalt eine sehr geringe Anzahl von Tierbewegungen verspätet oder nicht gemeldet worden sei, könne im Einzelfall auf Sanktionen verzichtet werden. Diese Fehler müssten dann auch nicht nach dem o.g. Frühwarnsystem verwarnt werden. Voraussetzung sei, dass die kleineren Fehler dem Landwirt trotz angemessener Sorgfalt unterlaufen seien. Dabei seien neben einer Gesamtbetrachtung des Betriebes und dem generellen Meldeverhalten auch mögliche erschwerende Umstände zu berücksichtigen. Ebenfalls in Betracht zu ziehen sei, inwieweit eine evtl. fehlende Meldung bereits kurzfristig nachgeholt worden sei. Nachdem solche Feststellungen in der Akte fehlen würden, werde davon ausgegangen, dass diese bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt geblieben seien.
10
Das AELF Karlstadt half dem Widerspruch nicht ab und legte ihn der Widerspruchsbehörde zur Entscheidung vor.
11
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2019 wies die Staatliche Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (FüAk) den Widerspruch des Klägers zurück (Nr. 1). Dem Kläger wurden die Kosten des Widerspruchsverfahrens auferlegt (Nr. 2). Es wurde eine Gebühr von 105,00 EUR festgesetzt (Nr. 3). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe mit Absenden seines Mehrfachantrags vom 4. Mai 2017 versichert, von den Verpflichtungen und Hinweisen Kenntnis genommen zu haben, die in den Broschüren „Umsetzung der EU-Agrarreform in Deutschland, Ausgabe 2015“ und „Cross Compliance 2017“, im Merkblatt zum Mehrfachantrag, in den Merkblättern zu den beantragten Einzelmaßnahmen sowie in der Anleitung zum Ausfüllen des Flächen- und Nutzungsnachweises (FNN) genannt seien, und diese Verpflichtungen einzuhalten bzw. die Fördervoraussetzungen zu erfüllen. Er habe bestätigt, dass seine in diesem Antrag und den Anlagen enthaltenen Angaben richtig und vollständig seien sowie die Erklärungen im Antrag eingehalten würden. Nach § 42 Abs. 1 ViehVerkV habe der Tierhalter ein Register über seinen Schweinebestand zu führen. In dieses Bestandsregister seien die im Bestand vorhandenen Tiere sowie die Zu- und Abgänge unter Angabe ihrer Ohrmarkennummer einzutragen. Zum Zeitpunkt der Kontrolle habe das vorgelegte Bestandsregister diese Anforderungen nicht erfüllt. Da keinerlei Zu- oder Abgänge verzeichnet gewesen seien, hätten die Kontrolleure berechtigterweise einen Verstoß festgestellt. Die vorgenommene Bewertung der Verstöße sei hinsichtlich der Kriterien „Ausmaß“, „Schwere“, „Dauer“ und „Häufigkeit“ nicht zu beanstanden. Allein diese Kriterien würden für die Bewertung eines Verstoßes herangezogen. Die Wahrscheinlichkeit eines zukünftigen Verstoßes spiele hierfür keine Rolle. Außerdem sei die Bewertung des Verstoßes aufgrund der Feststellungen am Kontrolltag erfolgt. Zur europarechtskonformen Anwendung dieser Vorgaben würden im Wege einer Bund-Länder-Abstimmung für jedes Kontrolljahr Bewertungsmatrizen für die einzelnen Rechtsakte und Standards beschlossen. In diesen sei jeweils definiert, unter welchen Voraussetzungen die dazu bestimmte Regelbewertung Anwendung finden solle. Die dort beschriebenen Fallkonstellationen stellten antizipiert diejenigen dar, die nach Schwere, Ausmaß, Dauer und Häufigkeit zur Regelbewertung führen sollten. Im vorliegenden Fall seien keine Umstände ersichtlich, von der Regelkürzung abzuweichen. Auch wenn es sich um keine direkte Gefährdung der Gesundheit von Mensch und Tier handle, könne der Verstoß alleine schon deshalb nicht als geringfügig eingestuft werden, da es sich nicht um einzelne Schweine gehandelt habe, welche nicht ordnungsgemäß im Bestandsregister geführt worden seien, sondern das komplette Bestandsregister im Hinblick auf alle Schweine Mängel aufgewiesen habe. Der Kläger habe während der Vor-Ort-Kontrolle auch keine andere Art der Dokumentation vorlegen können. Für Rückforderungen aufgrund von Verstößen gegen die CC-Verpflichtungen gebe es keine „Bagatellgrenze“ bzw. Kleinbetragsregelung. Im Widerspruchsverfahren betrage die Gebühr gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 1 KG das Eineinhalbfache der vollen Amtshandlungsgebühr. Das AELF Karlstadt habe für die Bescheide vom 23. Juli 2018 Gebühren in Höhe von insgesamt 70,00 EUR festgesetzt, so dass eine Gebühr von 105,00 EUR zu erheben gewesen sei.
12
2. Mit Schriftsatz vom 21. November 2019, eingegangen bei Gericht am 22. November 2019, ließ der Kläger Klage erheben. Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 17. April 2020 im Wesentlichen ausgeführt: Betroffen sei eine angeblich fehlende Dokumentation bei der Tierhaltung von fünf Schweinen gewesen. Die Schweinehaltung sei 2017 im schwiegerelterlichen Betrieb erfolgt. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt im fraglichen Zeitraum Hinweise gehabt, dass dort ein Bestandsbuch für die Schweinehaltung angeblich nicht ordnungsgemäß geführt worden sei. In dem fraglichen Prüfbericht fehle jeder Hinweis auf eine angeblich fehlerhafte Kennzeichnung von Schweinen. Ab dem Jahr 2018 habe der Kläger die fragliche Schweinehaltung vollständig aufgegeben. Bei den hier einschlägigen Fördervorschriften handle es sich um einen sog. „Echten mitgliedsstaatlichen Vollzug“. Nachdem im Anhang II i.V.m. Art. 93 Abs. 1 VO (EU) 1306/2013 nicht auf die Viehverkehrsverordnung Bezug genommen werde, seien diese Vorschriften, auf die die Ausgangsbehörde und die Widerspruchsbehörde Bezug nähmen, selbstredend nicht Cross-Compliance relevant. Hierauf könnten die Bescheide nicht gestützt werden. Die ViehVerkV setze die Richtlinie des Rates vom 26. Juni 1964 zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen (64/432/EWG) in deutsches Recht um. Der Schwerpunkt der Vorschrift beziehe sich dabei auf die Regelungen bezogen auf den Handel von Lebendvieh zwischen den Mitgliedsstaaten. Dabei solle die Rückverfolgbarkeit auch innerhalb eines Einzelstaates ermöglicht werden. Der fragliche Betriebsteil des Klägers habe keine Tiere zugekauft. Für alle Tierabgänge (Ferkel und Schlachtsauen) lägen Lieferscheine bzw. Abrechnungen vor. Zusätzlich hätten die Aufnehmer die Tiere als Zugang in der HI-Tier geführt. Die vorstehenden Überlegungen könnten jedoch dahinstehen. Der Telos der nationalen, deutschen ViehVerkV sei nämlich ein völlig anderer wie die Zielsetzungen des Fördergebers im Rahmen der GAP. Sollte dies das Gericht anders sehen, werde beantragt, dem EuGH nach Art. 267 AEUV die entsprechende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen. Richtigerweise könne der Fördergegner natürlich seine Förderbedingungen nach seinen Zielen selbst bestimmen. Die Umsetzung dieser Richtlinie, auf die wiederum Art. 93 der EU-Verordnung Bezug nehme - solle wie der Verweis der Ausgangsbehörde im Bescheid meine - die ViehVerkV sein, hier § 42 ViehVerkV. Selbst die teleologische Auslegung der vorbezeichneten Vorschrift zeige indes, dass Geburten und Todesfälle nicht zu verzeichnen seien. Nachdem auch keine sonstigen Zugänge zum damaligen Zeitpunkt durch Zukäufe bei dem Kläger zu verzeichnen gewesen seien (es habe sich bei der Zunahme des Bestandes in B. ausschließlich um Geburten gehandelt), würden die Unterlagen, die bei der Vorortkontrolle vorgezeigt worden seien und das Bestandsverzeichnis vom 2. Februar 2018, welches innerhalb der maßgeblichen Frist aktenkundig gemacht worden sei, alle Erfordernisse des Fördergebers erfüllen. Die Beantwortung der Frage, wer Halter im Sinne des Art. 2c RL 2008/71/EG vom 15. Juli 2009 sei - dies dürfte der Schwiegervater des Klägers sein -, lasse erkennen, dass die Argumentation der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde falsch sei. Unberücksichtigt sei auch die Frage der Haltung der Tiere überwiegend zum Eigenverbrauch gelassen worden. Auf die weiteren Verstöße einer angeblich fehlenden Abhilfe oder der unstreitigen vollständigen Aufgabe der Schweinehaltung Ende 2017 als Bemessungskriterium und letzteres als Gegenargument, das für den Kläger spreche im Sinne einer nichtbestehenden Wiederholungsgefahr, komme es deshalb schon ersichtlich nicht an. Nach Art. 4 Abs. 1 RL 2008/71/EG werde zwar auch vom Fördergeber ein Bestandverzeichnis verlangt. In welcher Form diese geführt werde, stehe dem Zuwendungsempfänger frei. Nach Ansicht des Klägers erfülle bereits die HI-Tier Datenbank die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 RL 2008/71/EG. Diese Datenbank sei vom Kläger ordnungsgemäß geführt, respektive der Bestand gemeldet worden. Zusätzlich hätten die Abnehmer (Mäster, Metzger und Tierkörperbeseitigungseinrichtungen) die Tiere gemeldet, sodass am Ende die Herkunft eines jeden Tieres eindeutig dokumentiert sei. Nachdem diese Datenbank der Überwachungsbehörde jederzeit zugänglich sei, sei ein weiteres Register im Sinne des Art. 4 Abs. 1 der RL 2008/71/EG ehedem nicht zu führen gewesen. Sollte dies das Gericht anders sehen, werde beantragt, dem EuGH nach Art. 267 AEUV die entsprechende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen: Selbst diese vorstehende Frage könne aber dahinstehen. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie wären nur die Bewegungen (Anzahl der Tiere bei jedem Zu- und Abgang) zu verzeichnen. Der Fördergeber habe an Zu- und Abgänge im Sinne von Ankauf und Verkauf gedacht. Dem genüge das vorgezeigte Verzeichnis sowie das Verzeichnis vom 2. Februar 2018 in jeder Hinsicht. Zugänge durch Geburt und Abgänge durch Todesfälle seien nicht anzugeben gewesen. Rein hilfsweise solle noch zur Verwertung des angeblichen Verstoßes im Sinn des Art. 99 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 eingegangen werden. Zu keinem Zeitpunkt vor dem 30. Januar 2018 sei der Kläger aufgefordert worden, das Bestandsverzeichnis unverzüglich beizubringen. Das fragliche Protokoll der Vor-Ort-Kontrolle sei nämlich erst am 30. Januar 2018 von dem Behördenmitarbeiter persönlich bei der Ehefrau des Klägers abgegeben worden. Der Kläger sei zum fraglichen Zeitpunkt bei der nichtangekündigten Kontrolle in B. gar nicht vor Ort gewesen. Falsch sei auch die Behauptung der Behörde, der Kläger sei telefonisch aufgefordert worden, ein Bestandsverzeichnis nachzufertigen. Zu keinem Zeitpunkt im relevanten Zeitraum vor der Antragstellung im Mai 2017 habe der Kläger Kenntnis gehabt, dass das Bestandsverzeichnis angeblich fehlerhaft sei. Voraussetzung der Rechtsfolge sei nach Art. 91 Abs. 2 VO (EU) Nr. 1306/2013, dass der Verstoß dem Begünstigen als Ergebnis seiner Handlung oder Unterlassung anzulasten sei. Die Auslegung von sekundärem und primärem EU-Recht obliege ausschließlich dem EuGH. Tatsächlich fehle bis jetzt eine Entscheidung, die sich mit einem fahrlässigen Verstoß und deren Feststellung auseinandersetze. Die EU-Zahlstelle habe seit dem Jahr 2015 die Möglichkeit, dass Verstöße, die aufgrund ihrer geringen Schwere, ihres begrenzten Ausmaßes und ihrer geringen Dauer als geringfügig bewertet würden, von einer Sanktion in Form einer Beihilfekürzung ausgenommen werden können. Stattdessen sei eine schriftliche Verwarnung zu erteilen, verbunden mit der Aufforderung, Abhilfemaßnahmen zu treffen, um die Wirkung des Verstoßes zu beseitigen. Dass die Ausgangsbehörde und die Widerspruchsbehörde diese Möglichkeit ausreichend in Betracht gezogen haben, werde weder aus dem Bescheid noch aus dem Widerspruchsbescheid deutlich. Auch deshalb könnten die Bescheide schon keinen Bestand haben. Sollte dies das Gericht anders sehen, werde beantragt, dem EuGH nach Art. 267 AEUV die entsprechenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Mit keinem Wort würden in den angegriffenen Bescheiden Erwägungsgründe thematisiert wie außergewöhnliche Umstände, Frist zur Benennung von außergewöhnlichen Umständen und von Beratungsmöglichkeiten. Auch zu dem Umstand, dass die Zahlungen zur Einkommenssicherung und Risikoabsicherung des landwirtschaftlichen Betriebs dienten, finde sich in den Ausgangsbescheiden und im Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2019 nichts, das darauf hindeuten könnte, dass diese Überlegungen in die Entscheidungsfindung eingeflossen sein könnten. Keine Berücksichtigung finde in den Erwägungen der Ausgangs- und der Widerspruchsbehörde nun der Sachverhalt, dass der Zuwendungsempfänger zwar dieselben Zuwendungen erhalte wie der reine Ackerbauer mit gleicher Flächenausstattung. Das Risiko, sanktioniert zu werden aufgrund der Tierhaltung, sei demgegenüber deutlich höher. Die von dem GAP-Fördergeber geforderte Gleichbehandlung aller Zuwendungsempfänger werde damit nicht erfüllt. Die Belehrungen in den Antragsformularen sei als unzureichend anzusehen. Zwar wäre eine drucktechnische Hervorhebung der Belehrung nicht ausdrücklich vorausgesetzt. Der fördergeberische Zweck des Erwägungsgrunds Nr. 59 der EU (VO) Nr. 1306/2013 hätte aber eine Form erfordert, die darauf angelegt sein müsste, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und ihm das maßgebliche Wissen zu vermitteln. Sollte das Gericht die vorgenannte Frage anders sehen, werde beantragt, diese Frage dem EuGH nach Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorzulegen. Die Anwendung und Berechnung der Sanktionen seien von der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde rechtsfehlerhaft vorgenommen worden. Weder in den Ausgangsbescheiden noch im Widerspruchsbescheid fänden sich Überlegungen des Fördergebers im Hinblick auf einen etwaigen Prozentsatz bei Tieren mit den festgestellten Verstößen zu den übrigen Tieren, bei denen kein Verstoß festgestellt worden sei. Sollte das Gericht dies anders sehen, werde beantragt, dem EuGH die entsprechende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen. Die Widerspruchsbehörde habe ausgeführt, dass auch das Bestandsregister vom 2. Februar 2018 nur eine nachlässige Dokumentation darstelle. Aus diesem sei nicht ersichtlich, wie sich der Bestand aus Zu- und Abgängen zusammensetze. Die Zugänge seien Geburten gewesen. Diese seien ehedem nicht zu verzeichnen gewesen. Die Abgänge durch Todesfälle seien ebenfalls nicht zu verzeichnen gewesen. Die Feststellungen der Ausgangsbehörde seien demnach tatsächlich und rechtlich falsch. Bei der Berechnung der Kürzungen sei gegebenenfalls eine wiederholte Begehung des Verstoßes zu berücksichtigen. Deshalb sei es nicht ohne Belang, wenn durch die Aufgabe der Schweinehaltung wenige Tage nach der Kontrolle eine Wiederholungsgefahr denknotwendig ausgeschieden sei. Die Annahme des Regelverstoßes ohne Einzelfallprüfung sei, wie sich aus den Erwägungsgründen ergebe, rechtswidrig.
13
Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2020 machte der Klägerbevollmächtigte einen Vergleichsvorschlag, nach dem der Kläger sich eine Kürzung für das Jahr 2017 in Höhe von 1% des Förderbetrags gefallen lasse und eine Kürzung für die Folgejahre damit abgegolten wäre. Auf den Schriftsatz vom 20. Mai 2020 und die weiteren Schriftsätze vom 5. Oktober 2020 wird Bezug genommen.
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3. Die FüAK führte zur Klageerwiderung für den Beklagten im Wesentlichen aus: Seitens der Kontroll-, Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde sei eine fehlerhafte Kennzeichnung von Schweinen nie behauptet worden. Es sei ein Verstoß gegen die Grundanforderungen der Betriebsführung Nr. 6 (GAB 6), im Einzelnen gegen das Prüfkriterium (PK) 02 - Bestandsregister festgestellt worden. Die ViehVerkV diene gemäß der amtlichen Anmerkung Nr. 3 der Umsetzung der RL 92/102/EWG des Rates vom 27. November 1992. Die ViehVerkV enthalte die detaillierten und unmittelbar anwendbaren Durchführungsbestimmungen zur Kennzeichnung und Registrierung von Schweinen gemäß der RL 2008/71/EG und sei somit Cross Compliancerelevant. Der Kläger sei Leiter des landwirtschaftlichen Betriebes. Für diesen Betrieb habe er einen Mehrfachantrag für das Förderjahr 2017 gestellt. Anlage 2 dieses Mehrfachantrages sei ein Viehverzeichnis, in welches alle auf dem Betrieb gehaltenen Tiere für das betreffende Jahr einzutragen gewesen seien. Hier sei angegeben worden, dass auf dem Betrieb im Jahr 2017 ca. 28 Ferkel bis unter 30 kg und ca. sechs Zuchtsauen gehalten worden seien. Der Kläger sei durch die Angabe der voraussichtlich gehaltenen Schweine im Kalenderjahr 2017 der Anzeigepflicht nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 ViehVerkV nachgekommen und gelte daher als landwirtschaftlicher Schweinehalter. Es stehe ihm frei, das Führen eines Bestandsregisters an einen Dritten, möglicherweise den Schwiegervater, zu übertragen. Dennoch sei er für die Einhaltung dieser Anforderung verantwortlich. Anders als beispielsweise im Strafrecht werde bei Verstößen gegen die CC-Vorschriften nicht auf die Schuld des Einzelnen abgestellt. Der Betriebsinhaber alleine sei für seinen Betrieb und somit auch die Einhaltung der Vorschriften durch Dritte verantwortlich. Art. 4 Abs. 1 der RL 2008/71/EG sei u.a. durch § 42 ViehVerkV in nationales Recht umgesetzt worden. Das Muster in Anlage 12 ViehVerkV unterscheide bei der Art der Bestandsveränderung grundsätzlich in Zugang und Abgang. In der Spalte für Zugänge sei das Datum des Zugangs sowie „Name und Anschrift oder Registernummer des vorherigen Tierhalters oder Geburt im eigenen Betrieb“ anzugeben. Bei Abgängen sei ebenfalls das Datum des Abgangs sowie „Name und Anschrift oder Registernummer des Unternehmers oder Tod im eigenen Betrieb“ anzugeben. Somit sei zweifelsfrei festgelegt, dass alle Arten von Zu- und Abgängen, inkl. Geburt oder Tod im eigenen Betrieb, im Bestandsregister anzugeben seien. Eine vergleichbare Differenzierung werde auch in dem vom Kläger verwendeten Bestandsregister für Schweine vorgenommen. Eine anderweitige Auslegung sei im Übrigen auch nicht mit den Zielen der EU-Vorgaben vereinbar: Durch ein aktuelles und vollständiges Bestandsregister werde veterinärrechtlich die notwendige eindeutige Zuordnung von Tieren an einem Standort zu einem für die Tierhaltung verantwortlichen Tierhalter sichergestellt. Dies sei zum einen von tierseuchenrechtlicher Relevanz, um im Tierseuchenfall schnellstmöglich nachverfolgen zu können, an welchen Standorten infizierte Tiere Kontakt mit anderen Tieren gehabt hätten. Darüber hinaus sei für die Überwachungsbehörden die eindeutige Zuordnung aller Tiere an einem Standort zum jeweiligen Halter/Besitzer erforderlich, um die Tierhaltung aufgrund der Anzahl der gehaltenen Tiere den rechtlichen Vorgaben richtig zuordnen und um die vorgeschriebenen betrieblichen Dokumentationen plausibel nachvollziehen zu können. Es sei nur bedingt zu bejahen, dass bereits die HI-Tier Datenbank (HIT) die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 der RL 2008/71/EG erfüllen würde. Das Bestandsregister könne entweder handschriftlich oder in elektronischer Form in der HIT geführt werden. Werde es in elektronischer Form geführt, sei bei einer Überprüfung der zuständigen Behörde ein aktueller Ausdruck auf Kosten des Tierhalters vorzulegen. Bei der Kontrolle am 29. November 2017 sei dem Kontrollpersonal kein Ausdruck eines elektronisch geführten Bestandsregisters vorgelegt worden und habe daher auch nicht bewertet werden können. Der Kläger führe kein elektronisches Bestandsregister. In der Schweinedatenbank der HIT seien Abgänge in Form von Verkäufen sowie gewerbliche Schlachtungen nicht vom Abgeber, sondern vom Übernehmer zu melden. Geburten, Hausschlachtungen und Verendung seien nicht in der Datenbank zu melden. Bei der Kontrolle am 29. November 2017 seien sowohl der Kläger als auch seine Frau anwesend gewesen. Um einen zügigen Kontrollverlauf im Sinne des Betriebes zu ermöglichen, seien mit Zustimmung des Klägers Teams gebildet worden. Während ein Team die Kontrollen bei den Rindern durchgeführt habe, habe ein zweites Team zeitgleich unter Anwesenheit der Ehefrau des Klägers die Schweinehaltung kontrolliert. Der Kläger selbst sei bei der Kontrolle der Rinderhaltung anwesend gewesen. Dem Kläger sei eine Frist von zwei Wochen gewährt worden, ein vollständiges, aktuelles und chronologisch geführtes Bestandsregister für Schweine vorzulegen. Am 30. Januar 2018 sei eine Nachkontrolle seitens des Veterinäramts Main-Spessart durchgeführt worden, da bis zu diesem Zeitpunkt immer noch kein Bestandsregister habe vorgelegt werden können. Unabhängig davon, ob das nachträglich vorgelegte Bestandsregister mängelfrei gewesen wäre, habe zum Kontrollzeitpunkt ein Verstoß vorgelegen. Nur dies sei maßgeblich. Die Bewertung eines Verstoßes erfolge gemäß Art. 38 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 hinsichtlich der Kriterien Schwere, Ausmaß, Dauer und Häufigkeit. Wenn, wie im vorliegenden Fall, im Bestandsregister keine Zu- oder Abgänge verzeichnet würden, dann sei die Rückverfolgbarkeit als Ziel der Anforderung nicht einwandfrei gewährleistet. Außerdem bedürfe es in der HIT keiner Meldung von Geburten, Hausschlachtungen oder Verendungen. Diese Art von Bestandsveränderungen könnten daher ausschließlich über das Bestandsregister nachvollzogen werden. Wenn kein Bestandsregister geführt werde, dann habe der Verstoß weitreichende Auswirkungen, weil die Rückverfolgbarkeit der Tiere nicht zu 100% gewährleistet sei. Von einer Beschränkung des Verstoßes auf dem Betrieb könne daher nicht ausgegangen werden. Der Verstoß wäre grundsätzlich leicht abzustellen und er habe so lange angedauert, bis das Bestandsregister den Vorgaben gemäß aktualisiert und berichtigt worden sei. Hinsichtlich des Kriteriums Häufigkeit würden nur mögliche Verstöße in der Vergangenheit berücksichtigt und der Kürzungssatz dann gegebenenfalls erhöht. Dass die Schweinehaltung bereits zum 31. Januar 2018 aufgegeben worden sei und daher keine Verstöße in der Zukunft mehr möglich seien, spiele daher keine Rolle. Bei dem festgestellten Verstoß handle es sich um einen Erstverstoß. Bei einem Wiederholungsverstoß wäre der angewendete Kürzungssatz zu verdreifachen gewesen. Das sei jedoch nicht erfolgt. Damit die Möglichkeit bestünde, den Verstoß im Rahmen des Frühwarnsystems zu werten, müsste dieser zunächst als leichter Verstoß eingestuft werden. Vorliegend könne der Verstoß allein schon deshalb nicht als geringfügig eingestuft werden, da das komplette Bestandsregister im Hinblick auf alle Schweine Mängel aufgewiesen habe, das keinerlei Zu- und Abgänge verzeichnet gewesen seien. Zudem sei den Behörden vorliegend kein Umstand mitgeteilt worden, welcher als Fall höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände zu werten gewesen sei und deshalb auf eine Sanktion zu verzichten sei. Allen Kategorien der Fälle höherer Gewalt sei gemein, dass sie nicht im Verantwortungsbereich des Betroffenen zuzurechnen seien. Bei den vom Kläger beantragten Förderungen, auf welche die Cross Compliance-Kürzung angewendet worden sei, handle es sich um flächenbezogene Fördermaßnahmen. Diese würden nicht aufgrund der Zahl von gemeldeten Tieren oder Vieheinheiten gewährt, sondern auf Grundlage der bewirtschafteten landwirtschaftlichen Fläche im betreffenden Kalenderjahr. Weitere Ausführungen zum angesprochenen Prozentsatz an Tieren würden sich daher erübrigen. Eine Abgeltung der Kürzungen in den Folgejahren sei nicht möglich. Bei dem Verstoß im Jahr 2019 (W 8 K 20.201) habe es sich um den ersten Wiederholungsverstoß zur Kontrolle vom 29. November 2017 gehandelt, da dieselbe Anforderung mehr als einmal innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von drei Kalenderjahren nicht eingehalten worden sei.
15
Auf den weiteren Schriftsatz der FüAk vom 7. Oktober 2020 wird Bezug genommen.
16
4. In der mündlichen Verhandlung am 12. Oktober 2020 ließ der Kläger beantragen,
1.
Die Bescheide des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Karlstadt vom 23. Juli 2018, mit denen die Zuwendungen für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen, die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten sowie die Direktzahlungen jeweils um drei Prozent gekürzt und entsprechend zurückgefordert werden, in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 10. Oktober 2019, werden aufgehoben.
2.
Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
17
Die Beklagtenvertreterin beantragte,
die Klage abzuweisen.
18
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akten der Verfahren W 8 K 20.201, W 8 K 20.563 Und W 8 K 20.564), die beigezogenen Behördenakten sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19
Die zulässige Klage ist unbegründet, da die Bescheide des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Karlstadt vom 23. Juli 2018, mit denen die Zuwendungen für Argrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUM), die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten sowie die Direktzahlung für das Jahr 2017 jeweils um drei Prozent gekürzt und entsprechend zurückgefordert werden, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides der staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (FüAk) vom 10. Oktober 2019, rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
20
Der Beklagte hat vorliegend infolge des Fehlens eines korrekt geführten Bestandsregisters zutreffend einen Verstoß gegen die „Cross-Compliance“ Vorschriften angenommen und diesen ermessensfehlerfrei als mittleren Verstoß gegen die Grundanforderungen der Betriebsführung Nr. 6 (GAB 6) - Kennzeichnung und Registrierung von Schweinen, im Einzelnen gegen das Prüfkriterium (PK) 2 - Bestandsregister, mit der Folge einer Kürzung der streitgegenständlichen Förderungen um drei Prozent bewertet. Ein atypischer Fall, der eine Abweichung von dieser Regelbewertung rechtfertigen würde, liegt nicht vor. Insoweit kann auf die streitgegenständlichen Bescheide Bezug genommen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO).
21
Rechtsgrundlage für die Rückforderung der gewährten Direktzahlungen ist Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BayVwVfG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 809/2014 (Durchführungsverordnung zur Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 - DurchführungsVO) für die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten, Art. 48 BayVwVfG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 809/2014 für die Zuwendungen für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen und § 10 Marktorganisationsgesetz (MOG) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 DurchführungsVO für die Direktzahlung gemäß Titel III der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013.
22
Art. 7 Abs. 1 DurchführungsVO regelt, dass bei zu Unrecht bezahlten Beträgen der Begünstigte zur Rückzahlung der betreffenden Beträge zuzüglich etwaiger Zinsen, verpflichtet ist. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger hat die jeweiligen Zuwendungen zu Unrecht in voller Höhe erhalten, da er gegen die Vorgaben der Cross-Compliance verstoßen hat, welche nach Art. 93 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 zu sanktionieren waren.
23
Die Gewährung der Direktzahlung gemäß Titel III der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 vom 17. Dezember 2013 Haushaltsdisziplin des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft gemäß Art. 26 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. Art. 169 der Verordnung (EU, EURATOM) Nr. 966/2012, die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten gemäß Art. 31 und 32 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 sowie die Zuwendungen für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen sind an die Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen (sog. „Cross-Compliance“) geknüpft.
24
Dies ergibt sich aus Art. 91 und 92 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013, wonach bei Direktzahlungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 und Zahlungen gemäß Art. 31 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 die Cross-Compliance Vorschriften gemäß Art. 93 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 zu beachten sind, welche im Einzelnen in Anhang II der Verordnung aufgeführt sind und die Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB) und die auf nationaler Ebene aufgestellten Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischem Zustand (GLÖZ) umfassen.
25
Die dem Kläger mit Bescheiden vom 18. August 2015 und 30. Juni 2017, 23. November 2017 und 13. Dezember 2017 jeweils für das Jahr 2017 bewilligten Zahlungen waren damit grundsätzlich von der Einhaltung der Cross-Compliance-Vorschriften nach Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 abhängig. Der Kläger hat nach der europarechtlichen Fördersystematik keinen isolierten Anspruch auf Förderung als Ausgleich für seine Nachteile als Landwirt, ohne die Cross-Compliance-Vorschriften einhalten zu müssen. Die daneben bestehende Möglichkeit von Maßnahmen etwa nach dem Tierschutz- oder Tierseuchenrecht ist insoweit ohne Belang.
26
Der Kläger legte bei der Vorortkontrolle am 29. November 2017 lediglich ein nicht ausgefülltes Bestandsregister und auch keine sonstigen Nachweise über Ver- und Zukäufe vor. Diese fehlerhafte Führung des Bestandsregisters durch den Kläger stellt einen Verstoß gegen § 42 Abs. 2 ViehVerkV i.V.m. Art. 4 der RL 2008/71/EG und gegen die GAB 6 (Kennzeichnung und Registrierung von Tieren) dar und war deshalb gemäß Art. 91 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 mit einer Verwaltungssanktion zu sanktionieren.
27
1. Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten sind die Vorschriften der ViehVerkV Cross-Compliance relevant. Die ViehVerkV dient zwar ausweislich deren amtlicher Anmerkung Nr. 4 zum einen der Umsetzung der RL 2000/15/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. April 2000 zur Änderung der RL 64/432/EWG des Rates zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen, daneben u.a. aber auch der RL 92/102/EWG des Rates vom 27. November 1992 (s. amtliche Anmerkung Nr. 3 der ViehVerkVO), welche durch die RL 2008/71/EG des Rates vom 15. Juli 2008 über die Kennzeichnung und Registrierung von Schweinen ersetzt wurde. Diese Richtlinie ist im Anhang II i.V.m. Art. 93 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 als Cross-Compliance-Vorschrift genannt. Richtlinien haben nach Art. 288 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) keine allgemeine Geltung wie eine Verordnung, sondern sind für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet sind, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlassen jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Richtlinien bedürfen folglich der Umsetzung durch den Mitgliedstaat.
28
Einer Aussetzung des Verfahrens und Vorlage im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens zum Europäischen Gerichtshof bezüglich der vom Klägerbevollmächtigten formulierten Frage, ob das Unionsrecht, insbesondere Art. 93 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 dahin auszulegen ist, dass es sich bei der deutschen Verordnung zum Schutz gegen die Verschleppung von Tierseuchen (ViehVerkV) insbesondere das Führen eines Bestandsverzeichnisses nach Anlage 12 der deutschen ViehVerkV um eine Cross-Compliance relevante Vorschrift i.S.d. Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 handelt, bedurfte es nicht. Denn ungeachtet dessen, dass für das Verwaltungsgericht in erster Instanz keine Pflicht zur Vorlage zum Europäischen Gerichtshof besteht (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2019, § 94 Rn. 21 m.w.N.), ergeben sich nach den obigen Ausführungen für das erkennende Gericht keine entscheidungserheblichen Zweifel hinsichtlich der Auslegung der Verträge der Europäischen Union oder der Gültigkeit bzw. Auslegung von Handlungen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union (Art. 267 AEUV).
29
2. In dem bei der Kontrolle am 29. November 2017 bzw. im Nachgang vorgelegten Bestandsregister für Schweine waren keinerlei Zu- oder Abgänge verzeichnet.
30
a) Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten werden die Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 1 der RL 2008/71/EG, wonach jeder Halter, der in das in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a genannte Verzeichnis aufgenommen ist, ein Register führen muss mit Angaben über die Anzahl der in seinem Betrieb vorhandenen Tiere, nicht schon durch die HI-Tier Datenbank erfüllt. Eine dem Art. 7 Abs. 5 der VO (EG) Nr. 1760/2000 (Kennzeichnung und Registrierung von Rindern) entsprechende Regelung, wonach die Führung eines Registers fakultativ für die Tierhalter ist, die Zugang zu der elektronischen Datenbank (HIT) haben, fehlt in der RL 2008/71/EG. Nach § 42 Abs. 2, § 25 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ViehVerkV kann das Bestandsregister zwar auch in elektronischer Form geführt werden. Aus § 42 Abs. 1, § 25 Abs. 1 ViehVerkV ergibt sich aber, dass das Bestandsregister nach dem Muster der Anlage 12 zur ViehVerkV zu führen ist. Die HI-Tier entspricht inhaltlich schon nicht diesem Muster (vgl. Anlage zur Klageerwiderung der FüAK vom 27. Mai 2020). Die erforderlichen Angaben können zudem zwar bei einem Abgang auch aus anderen Unterlagen als dem Bestandsregister hervorgehen, § 42 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 ViehVerkV, und damit wohl auch aus der HI-Tier, wobei dann in Spalte 7 auf diese Unterlagen verwiesen werden muss. Dies ist hier aber nicht erfolgt.
31
Zudem wäre bei einer elektronischen Form des Bestandsregisters bei einer Überprüfung ein aktueller Ausdruck auf Kosten des Tierhalters vorzulegen, vgl. Art. 4 Abs. 2 Buchst. c der RL 2008/71/EG. Dies ist hier - unabhängig davon, dass die HI-Tier Datenbank das Bestandregister nicht ersetzen kann - nicht erfolgt.
32
Eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens zum Europäischen Gerichtshof bezüglich der vom Klägerbevollmächtigten formulierten Frage, ob das Unionsrecht, insbesondere Art. 4 der RL 2008/71/EG dahin auszulegen ist, dass die HI-Tier Datenbank die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 RL 2008/71/EG erfüllt, ist nicht erforderlich. Wie bereits ausgeführt, besteht für das Verwaltungsgericht in erster Instanz keine Pflicht zur Vorlage zum Europäischen Gerichtshof. Zudem ist nach dem eigenen Vortrag des Klägerbevollmächtigten diese Frage nicht entscheidungserheblich.
33
b) In dem Bestandsregister sind auch Geburten und Todesfälle zu verzeichnen. Nach Art. 4 Abs. 2 der RL 2008/71/EG umfasst das Register eine stets auf dem neuesten Stand zu haltende Übersicht über die bei diesen Tieren zu verzeichnenden Bewegungen (Anzahl der Tiere bei jedem Zu- und Abgang) auf der Mindestgrundlage der Gesamtveränderungen des Bestands und unter Angabe des Ursprungs bzw. der Bestimmung der Tiere und des Zeitpunkts dieser Bestandsveränderungen. „Bewegungen“ sind damit allgemein als Zu- und Abgänge, und damit auch Geburt und Tod umfassend, definiert und nicht nur als An- und Verkäufe. Dies ergibt sich denknotwendig auch aus der Formulierung in Art. 4 Abs. 2 der RL 2008/71/EG „Gesamtveränderungen des Bestands“. Der vom Klägerbevollmächtigten vorgenommene Vergleich mit der englischen, französischen und italienischen Version ist nicht geeignet, zu einer anderen Beurteilung zu kommen. Vielmehr spricht auch Art. 4 Abs. 2 Buchst. a RL 2008/71/EG, wonach die Mitgliedstaaten ebenfalls dafür Sorge tragen, dass die Halter der zuständigen Behörde auf Verlangen alle Informationen über den Ursprung, die Kennzeichnung und gegebenenfalls die Bestimmung der Tiere liefern, die in ihrem Eigentum standen bzw. die sie gehalten, befördert, vermarktet oder geschlachtet haben dafür, dass das Bestandsregister umfassend über Zu- und Verkäufe hinaus alle Zu- und Abgänge enthalten soll.
34
Unabhängig davon ist zu beachten, dass die RL 2008/71/EG nach ihrem Art. 1 Abs. 1 Halbsatz 1 nur Mindestanforderungen für die Kennzeichnung und Registrierung von Schweinen festlegt. Dies hat zur Folge, dass die einzelnen Mitgliedstaaten auch weitere Anforderungen hinsichtlich der Kennzeichnung und Registrierung von Schweinen festsetzen dürfen. Es ist damit aus europarechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, wenn in der ViehVerkV über die RL 2008/71/EG hinaus weitere Vorgaben hinsichtlich des Bestandsregisters gemacht würden. Gem. § 42 Abs. 1 ViehVerkV ist das Bestandsregister nach dem Muster der Anlage 12 zu führen, aus der sich eindeutig ergibt, dass auch Geburt und Tod von Schweinen im eigenen Betrieb im Bestandsregister aufzunehmen sind.
35
c) Der streitgegenständliche Verstoß ist dem Kläger auch nach Art. 91 Abs. 2 Halbsatz 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 anzulasten.
36
Der Kläger stellte am 4. Mai 2017 einen Mehrfachantrag, dem als Anlage ein Viehverzeichnis beigefügt war. Aus diesem ergibt sich, dass auf dem Betrieb im Jahr 2017 Schweine gehalten werden. Damit kam der Kläger seiner Anzeigepflicht als Betriebsinhaber gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 ViehVerkV nach. Er zeigte sich somit als für die Tiere verantwortlich und ist als Halter zu sehen, Art. 2 Buchst. b der RL 2008/71/EG. Auch das Vorbringen des Klägers mit Fax vom 11. Juli 2018 an das AELF (vgl. Behördenakte Bl. 51), dass die Schweinehaltung ab 15. Januar 2018 wieder von seinem Schwiegervater übernommen worden sei, zeigt, dass die Haltung vorher dem Kläger zuzuordnen war.
37
d) Eine Haltung der Schweine nur zum Eigenbedarf wurde vom Kläger nicht substantiiert dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. Vielmehr lassen die sich aus dem Bestandsregister vom 2. Februar 2018 ergebenden Zahlen (Gesamttierzahl von 16 bzw. 20) darauf schließen, dass die Schweinehaltung über den Eigenbedarf hinausgeht. Eine Ausnahme von der Pflicht zu Eintragung in ein Verzeichnis (vgl. 8. Erwägungsgrund der RL 2008/71/EG) kommt daher vorliegend nicht in Betracht.
38
Die angegriffene Sanktion ist folglich dem Grunde nach zu Recht erfolgt.
39
3. a) Des Weiteren ist die Einstufung des Verstoßes als „mittel“ nicht zu beanstanden.
40
Aus Art. 91 Abs. 1, Art. 97 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr.1306/2013 sowie § 10 Abs. 2 MOG ergibt sich, dass festgestellte Verstöße zu sanktionieren sind und die Kürzung an sich eine gebundene behördliche Entscheidung darstellt (so auch Booth in Dombert/Witt, Münchener Anwaltshandbuch Agrarrecht, 2. Auflage 2016, § 27 Europäisches Marktordnungs- und Beihilfenrecht, Rn. 22). Nach Art. 99 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 wird zur Anwendung der Verwaltungssanktion gemäß Artikel 91 der Gesamtbetrag der in Artikel 92 genannten Zahlungen, der dem betroffenen Begünstigten gewährt wurde bzw. zu gewähren ist, für die Beihilfeanträge, die er in dem Kalenderjahr, in dem der Verstoß festgestellt wurde, eingereicht hat oder einreichen wird, gekürzt oder gestrichen. Bei der Berechnung dieser Kürzungen und Ausschlüsse werden Schwere, Ausmaß, Dauer und wiederholtes Auftreten der Verstöße sowie die Kriterien nach den Absätzen 2, 3 und 4 berücksichtigt. Nach Abs. 2 der Vorschrift beträgt bei einem Verstoß - wie hier - aufgrund von Fahrlässigkeit die Kürzung höchstens 5%, im Wiederholungsfall höchstens 15%.
41
Hinsichtlich der Beurteilung des Verstoßes als „schwer“, „mittel“ oder „leicht“ und der damit verbundenen Höhe des Kürzungssatzes kommt der Behörde ein Ermessensspielraum zu (VG Augsburg, U.v. 3.6.2020 - Au 8 K 19.1968 - juris Rn. 38; VG Würzburg, U.v. 5.2.2018 - W 8 K 16.1197 - juris). Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte sich hinsichtlich der Höhe des Kürzungsprozentsatzes auf die in einer Bund-Länder-Abstimmung beschlossenen Bewertungsmatrix „Arbeitsanweisung „Prüferhinweise CC im Bereich Schweinekennzeichnung“ für das jeweilige Kontrolljahr (hier 2017) bedient hat (vgl. auch VG Regensburg, U.v. 21.3.2019 - RN 5 K 17.1365 - juris Rn. 35). Eine gleichförmige Ermessensausübung in vergleichbaren Fällen ist im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG geboten. In den streitgegenständlichen Bescheiden wird hinreichend deutlich, dass es sich hinsichtlich der Höhe der jeweiligen Verwaltungssanktion um eine Ermessensentscheidung handelt und dass hier gerade kein Fall vorliegt, der eine Abweichung der Regelbewertung rechtfertigen würde. Zudem hat der Beklagte seine Ermessenserwägungen im Schriftsatz vom 27. Mai 2020 und in der mündlichen Verhandlung nach § 114 Satz 2 VwGO zulässigerweise noch ergänzt, soweit diese unvollständig gewesen sein könnten. Ein Ermessensausfall liegt nicht vor, sonstige Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
42
Gemäß der einschlägigen Bewertungsmatrix für das Kontrolljahr 2017 Nr. 2.2 Bestandsregister (GAB 6 PK 02) stellen das nicht vollständige Führen des Registers und das nicht chronologische Führen des Registers jeweils einen leichten Verstoß und das nicht aktuelle Führen des Registers einen mittleren Verstoß dar.
43
Im Ergebnis der Bewertung jeden Teils des Prüfkriteriums „Bestandsregister“ gilt nach der Bewertungsmatrix der als höchst bewertete Verstoß eines Teils als die ermittelte Bewertung für das Kriterium insgesamt, d.h. es erfolgt weder eine Addition aller Werte noch wird ein Mittelwert aller Werte gebildet.
44
Die Einordnung der Verstöße als mittlerer Verstoß unter Berücksichtigung der vorgelegten Bewertungsmatrix anhand von Nr. 2.2 der vorgelegten Bewertungsmatrix im Bereich Schweinekennzeichnung ist rechtmäßig und insbesondere ermessensfehlerfrei erfolgt. Gründe für die Abweichung von der Regelbewertung als mittlerer Verstoß liegen im konkreten Einzelfall nicht vor.
45
Nach Art. 38 Abs. 3 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 hängt die „Schwere“ eines Verstoßes insbesondere davon ab, welche Bedeutung den Auswirkungen des Verstoßes unter Berücksichtigung der Ziele der betreffenden Anforderung oder des betreffenden Standards beizumessen ist. Aus den Erwägungsgründen der RL 2008/71/EG ergibt sich als Zweck der Richtlinie über die Kennzeichnung und Registrierung von Schweinen u.a. die schnelle und zuverlässige Ermittlung von Tierverbringungen. Diese auch tierseuchenrechtlich relevante Rückverfolgbarkeit ist aber nicht gewährleistet, wenn im Bestandsregister die Zu- und Abgänge, sei es durch An- und Verkauf oder durch Geburt und Schlachtung/Verendung, nicht verzeichnet werden. Wie oben bereits aufgezeigt, genügt insoweit die HI-Tier Datenbank nicht.
46
Auch hinsichtlich des „Ausmaßes“ des Verstoßes, welches nach Art. 38 Abs. 2 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache bestimmt wird, ob der Verstoß weitreichende Auswirkungen hat oder auf den Betrieb selbst begrenzt ist, ergibt sich keine andere Beurteilung. Die Wirkungen des Verstoßes sind insbesondere in tierseuchenrechtlicher Hinsicht nicht auf den klägerischen Betrieb beschränkt, wenn einzelne Tierbewegungen bzw. deren Ursache nicht nachvollziehbar sind. Das Bestandsregister wurde vorliegend an sich nicht ordnungsgemäß geführt.
47
Ob ein Verstoß von „Dauer“ ist, richtet sich nach Art. 38 Abs. 4 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 insbesondere danach, wie lange die Auswirkungen des Verstoßes andauern oder welche Möglichkeiten bestehen, diese Auswirkungen mit angemessenen Mitteln abzustellen. Der Kläger legte zwar ein überarbeitetes Bestandsregister vom 2. Februar 2018 vor, jedoch enthielt auch dieses keine Zugänge, so dass der Verstoß hierdurch nicht abgestellt war.
48
Bei der Bewertung bereits berücksichtigt wurde, dass es sich um einen Erstverstoß handelt und nicht um „wiederholtes Auftreten“ i.S.d. Art. 38 Abs. 1 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014, bei dem der angewandte Kürzungssatz nach Art. 39 Abs. 4 Unterabs. 1 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 zu verdreifachen gewesen wäre. Der Umstand, dass infolge der Aufgabe der Schweinehaltung durch den Kläger zum 31. Januar 2018 keine Wiederholungsgefahr bestand, ist insofern nicht relevant.
49
b) Auch die weiteren vom Klägerbevollmächtigten angeführten Aspekte führen nicht zu einer anderen Bewertung des Verstoßes.
50
Im Rahmen der Cross-Compliance Vorschriften ist der konkrete Verstoß an sich zu bewerten, so dass es insoweit nicht relevant ist, dass es im Bereich der Rindermast, die in deutlich größerem Umfang betrieben wird, keine Beanstandungen gab. Selbiges gilt für das Vorbringen, bei der Tierhaltung sei das Risiko einer Sanktion deutlich größer als beim Ackerbau.
51
Ebenso wenig ist eine mögliche Existenzbedrohung infolge der Cross-Compliance bedingten Sanktionen bei der Bewertung zu berücksichtigen. Denn nach Art. 91 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 führt ein Verstoß gegen die Cross-Compliance Vorschriften zur Verhängung einer Verwaltungssanktion, worauf im Mehrfachantragsformular auch ausdrücklich hingewiesen wird. Die Bewertung des Verstoßes erfolgt gem. Art. 99 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 nach den oben dargelegten Kriterien. Eine mögliche Existenzbedrohung befreit nicht von der Pflicht zur Einhaltung der erforderlichen Vorschriften.
52
Insbesondere genügen die genannten Punkte nicht für die Bejahung eines Falls „höherer Gewalt“ oder „außergewöhnlicher Umstände“. Ein solcher ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein ungewöhnlicher, vom Willen des Betroffenen unabhängiger und unvorhersehbarer Umstand, der trotz äußerster, nach den Umständen erforderlicher und zumutbarer Sorgfalt von den Beteiligten nicht zu vermeiden war (EuGH, U.v. 17.12.2015 - C-330/14 - juris Rn. 58). Hierfür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte. Insbesondere fällt darunter auch nicht der Umstand, dass der klägerische Betrieb vorher von dessen Schwiegervater geführt wurde. Vielmehr ist der neue Halter selbst verantwortlich für die Einhaltung der Vorschriften.
53
Nach Art. 99 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 kann ein „Frühwarnsystem“ eingerichtet werden, das auf Verstöße Anwendung findet, die angesichts ihrer geringen Schwere, ihres begrenzten Ausmaßes und ihrer geringen Dauer in hinreichend begründeten Fällen nicht mit einer Kürzung oder einem Ausschluss geahndet werden. Das „Frühwarnsystem“, das 2015 mit der Reform der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik eingeführt wurde und von dem Deutschland nach § 5 Absatz 3 des Agrarzahlungen-Verpflichtungsgesetzes Gebrauch gemacht hat, ersetzt die bis dahin geltende Bagatellregelung (vgl. VG Stade, U.v. 15.5.2019 - 6 A 356/17 - juris Rn. 41). Nach der einschlägigen Bewertungsmatrix kommt eine Bewertung als geringfügig und damit als Frühwarnverstoß insbesondere in Betracht, wenn die Anzahl der betroffenen Tiere im Verhältnis zur Gesamtzahl der Tiere sehr klein ist oder wenn bei Verstößen gegen die Aufbewahrungspflicht kein Bestand mehr vorhanden ist und der Bestand der Tiere anderweitig belegt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, da es sich nicht um einen Verstoß gegen die Aufbewahrungspflicht handelt und der Verstoß in rechtmäßiger Weise als mittel bewertet wurde.
54
Auch insoweit ist eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens zum Europäischen Gerichtshof bezüglich der vom Klägerbevollmächtigten formulierten Frage, ob das Unionsrecht, insbesondere Art. 99 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 dahin auszulegen ist, dass ein fehlendes Verzeichnis bei einem Bestand von fünf Tieren einen Verstoß darstellt, der aufgrund seiner geringen Schwere, seines begrenzten Ausmaßes und seiner geringen Dauer als geringfügig bewertet werden, von einer Sanktion in Form einer Beihilfekürzung ausgenommen werden kann und stattdessen eine schriftliche Verwarnung zu erteilen gewesen wäre - verbunden mit der Aufforderung, Abhilfemaßnahmen zu treffen, um die Wirkung des Verstoßes zu beseitigen, nicht erforderlich. Wie bereits ausgeführt, besteht für das Verwaltungsgericht in erster Instanz keine Pflicht zur Vorlage zum Europäischen Gerichtshof. Zudem ergibt sich die Vorlagefrage schon aus dem einschlägigen Richtlinientext selbst.
55
Der Kläger wurde auch ausreichend hinsichtlich der Cross-Compliance relevanten Vorschriften belehrt i.S.d. Erwägungsgrundes Nr. 59 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013. So versicherte er auf der letzten Seite des Mehrfachantrags für das Jahr 2017, von den Verpflichtungen und Hinweisen Kenntnis genommen zu haben, die in der Broschüre „Cross Compliance 2017“ genannt sind, und diese Verpflichtungen einzuhalten bzw. die Fördervoraussetzungen zu erfüllen.
56
Einer Aussetzung des Verfahrens und Vorlage im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens zum Europäischen Gerichtshof bezüglich der vom Klägerbevollmächtigten formulierten Frage, ob das Unionsrecht, insbesondere der Erwägungsgrund Nr. 50 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 dahin, dass die fraglichen Vorschriften im Hinblick auf Anforderungen und Standards von der Bundesrepublik Deutschland in der konkreten Form nicht ausreichend umfassende und verständliche Weise mit erläuternden Angaben, soweit möglich auf elektronischem Wege, im Antragsformular in ausreichender Form mitgeteilt worden ist, bedarf es folglich nicht. Zudem besteht für das Verwaltungsgericht in erster Instanz keine Pflicht zur Vorlage zum Europäischen Gerichtshof.
57
Ferner ist es nicht ermessensfehlerhaft, dass in den streitgegenständlichen Bescheiden Überlegungen im Hinblick auf einen etwaigen Prozentsatz bei Tieren mit den festgestellten Verstößen zu den übrigen Tieren, bei denen kein Verstoß festgestellt wurde, fehlen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 28 der Verordnung (EU) Nr. 640/2014).
58
Der Erwägungsgrund Nr. 28 der Verordnung (EU) Nr. 640/2014 bezieht sich jedoch auf tierbezogene Stützungsmaßnahmen, bei denen es sich nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 14 VO (EU) Nr. 640/2014 um Maßnahmen oder Vorhabenarten zur Entwicklung des ländlichen Raums handelt, bei denen die Stützung auf der Zahl der gemeldeten Tiere oder der Zahl der gemeldeten Vieheinheiten beruht. Bei den streitgegenständlichen Förderungen handelt es sich jedoch um flächenbezogene Maßnahmen, auf die der genannte Erwägungsgrund damit nicht anwendbar ist.
59
Einer Aussetzung des Verfahrens und Vorlage im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens zum Europäischen Gerichtshof bezüglich der vom Klägerbevollmächtigten formulierten Frage, ob das Unionsrecht, insbesondere der Erwägungsgrund Nr. 28 und Art. 38 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 dahin auszulegen ist, dass der Rechtsgedanke bei der Bewertung von GAB-Verstößen, namentlich die Schwere der Verwaltungssanktion vom Prozentsatz der Tiere mit festgestellten Verstößen abhängig zu machen ist, und zwar auch dann, wenn keine Beihilferegelungen für Tiere oder tierbezogene Stützungsmaßnahmen bezogen werden und deshalb nur eine Verwaltungssanktion über flächenbezogene Stützungsmaßnahmen nach dem CC-Prinzip erfolgt, ist folglich nicht erforderlich.
60
Weiter haben die Cross-Compliance Maßnahmen entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten keinen Strafcharakter. Ein Strafverfahren hat hierbei völlig andere Zielrichtungen (vgl. VG Ansbach, U. v. 11.8.2020 - AN 14 K 16.01508 - juris Rn. 51). Der im Strafrecht geltende Grundsatz „in dubio pro reo“ ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht anzuwenden (VG Regensburg, U.v. 17.3.2016 - 5 K 14.1782 - juris Rn. 58).
61
3. Die Bescheide vom 23. Juli 2018 in Form des Widerspruchsbescheids vom 10. Oktober 2019 sind auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden. Insbesondere ist die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid nicht zu beanstanden. Insoweit sind Einwände weder von Klägerseite vorgebracht, noch besteht sonst Anlass zu rechtlichen Bedenken. Infolgedessen kann insoweit auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid Bezug genommen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO).
62
4. Gemäß vorstehender Erwägungen war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
63
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708, 711 ZPO.