Titel:
Rückforderung von Ausbildungsförderung mangels Beweis einer Treuhandabrede
Normenketten:
BAföG § 26, § 27, § 28
SGB X § 45, § 50
Leitsatz:
Dem Auszubildenden ist Vermögen u.a. dann nicht zuzurechnen, wenn er dieses - zivilrechtlich wirksam - lediglich als Treuhänder für einen Treugeber hält; hierfür ist der Auszubildende darlegungs- und beweispflichtig, wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind (hier: nicht hinreichend glaubhafte Treuhandabrede mit Eltern für einen Bausparvertrag). (Rn. 38 und 41 – 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rückforderung von Ausbildungsförderung, Vortrag einer Treuhandabrede, Ausbildungsförderung, BAföG, Rücknahme, Rückforderung, Treuhandabrede, Bausparvertrag, Vertrauensschutz
Fundstelle:
BeckRS 2020, 26555
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Ausbildungsförderung.
2
Die … … geborene Klägerin studierte im Wintersemester 2012/2013 und Sommersemester 2013 in dem Studiengang Gesundheitsökonomie (Abschluss: Bachelor) an der Universität … Mit dem Wintersemester 2013/2014 wechselte sie an die …Universität* … (künftig: …*) und nahm dort ihr Studium für das Lehramt an Grundschulen mit dem Hauptfach Sozialkunde auf.
3
Die Klägerin beantragte erstmals - für den Bewilligungszeitraum Oktober 2012 bis September 2013 - Ausbildungsförderung für ihr Studium unter dem 26. November 2012, eingegangen bei dem Beklagten am 27. November 2012. In dem Antragsformular gab sie an, über Barvermögen in Höhe von 500,00 EUR und über Bank- und Sparguthaben in Höhe von weiteren 1.328,00 EUR zu verfügen.
4
Mit Bescheid vom 15. Februar 2013 bewilligte der Beklagte der Klägerin Ausbildungsförderung für den Zeitraum November 2012 bis einschließlich September 2013 in Höhe von monatlich 368,00 EUR (jeweils hälftig als Zuschuss und darlehensweise).
5
In der Folge beantragte die Klägerin unter dem 28. Oktober 2013, eingegangen bei dem Beklagten am 30. Oktober 2013, Ausbildungsförderung für den anschließenden Bewilligungszeitraum Oktober 2013 bis September 2014. In dem Antragsformular gab sie ihr Barvermögen mit 1.000,00 EUR sowie ihr Bank- und Sparguthaben mit weiteren 1.500,00 EUR an.
6
Mit Bescheid vom 23. Januar 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin Ausbildungsförderung für den Zeitraum Oktober 2013 bis einschließlich September 2014 in Höhe von monatlich 484,00 EUR (jeweils hälftig als Zuschuss und darlehensweise).
7
Unter dem 12. August 2014, eingegangen bei dem Beklagten am 13. August 2014, beantragte die Klägerin Ausbildungsförderung für den Anschlusszeitraum Oktober 2014 bis September 2015. In dem Antragsformular gab sie an, über Barvermögen in Höhe von 700,00 EUR sowie über Bank- und Sparguthaben in Höhe von weiteren 1.128,00 EUR zu verfügen.
8
Mit Bescheid vom 22. Oktober 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin Ausbildungsförderung im Zeitraum Oktober 2014 bis einschließlich September 2015 in Höhe von monatlich 484,00 EUR (jeweils hälftig als Zuschuss und darlehensweise).
9
Mit Antrag vom 27. Oktober 2015 begehrte die Klägerin Ausbildungsförderung für den weiteren Bewilligungszeitraum Oktober 2015 bis einschließlich September 2016. In dem Antragsformular gab sie ihr Barvermögen mit 400,00 EUR und ihr Bank- und Sparguthaben mit weiteren 683,00 EUR an.
10
Mit Bescheid vom 13. Januar 2016 setzte der Beklagte die Ausbildungsförderung der Klägerin für die Vergangenheit neu fest, und zwar auf monatlich 270,00 EUR betreffend den Zeitraum November 2012 bis September 2013, auf 462,00 EUR hinsichtlich des Zeitraums Oktober 2013 bis September 2014 und auf 423,00 EUR in dem Zeitraum Oktober 2014 bis September 2015 (jeweils hälftig als Zuschuss und darlehensweise). Darüber hinaus bewilligte der Beklagte der Klägerin für den im Zeitraum Oktober 2015 bis einschließlich September 2016 Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich 409,00 EUR (jeweils hälftig als Zuschuss und darlehensweise). Schließlich setzte der Beklagte eine Rückforderung in Höhe von 438,00 EUR fest. Als Rückforderungsgrund ist in dem Bescheid die Anrechnung von Einkommens der … in den Kalenderjahren 2010 bis 2013 genannt.
11
Gegen diesen - mittlerweile bestandskräftigen und hier nicht streitgegenständlichen - Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 9. Februar 2016 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Bescheid vom 15. Juni 2016 kostenfrei zurückwies. Zur Begründung hatte die Klägerin sinngemäß im Kern ausgeführt, erst durch Hinweise des Studentenwerks im November 2015 sei die Sachlage hinsichtlich des Einkommens … klar geworden. Sie hätten daraufhin alle angeforderten Einkommensnachweise übersandt. Allerdings lasse bereits der Erstbescheid über Ausbildungsförderung des Studentenwerks Oberfranken erkennen, dass damals von einer unzutreffenden familiären Situation ausgegangen worden sei. Bereits vor Erlass des Erstbescheids seien … … in einer … bekannt gewesen. Dasselbe gelte für den Umstand, dass ihre Schwester … wohne. Unter Berücksichtigung des Einkommensfreibetrags … hätten ihr auf ihren Erstantrag monatlich 484,00 EUR zugestanden. Wenn nun die Einkommensverhältnisse … berücksichtigt würden, müsse auch der Freibetrag betreffend ihre Schwester Berücksichtigung finden. Zudem sei der Lohn … der Höhe nach unzutreffend berechnet.
12
Unter dem 27. Oktober 2016 beantragte die Klägerin schließlich Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum Oktober 2016 bis September 2017. In dem Antragsformular gab sie ihr Barvermögen mit 300,00 EUR sowie ihr Bank- und Sparguthaben mit weiteren 600,00 EUR an. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2016, eingegangen bei dem Beklagten am 7. Dezember 2016, nahm sie diesen Antrag zurück. Sie werde ab Dezember 2016 eine Beschäftigung aufnehmen, um ihren Lebensunterhalt bis zum Staatsexamen im Juli 2017 vollständig selbst zu finanzieren. Sie wolle ihr förderungsrechtliches Rückzahlungsdarlehen nicht weiter anwachsen lassen.
13
Aufgrund Datenabgleichs des Bundeszentralamts für Steuern erfuhr der Beklagte Ende Juli 2017, dass die Klägerin im Jahr 2015 freigestellte Kapitalerträge in Höhe von 85,00 EUR erzielt hatte.
14
Auf Anfrage des Beklagten vom 26. Juli 2017 führten die Klägerin und ihr Vater … … mit Schreiben vom 27. August 2017 aus, sie würden an der inhaltlichen Klärung zeitnah mitwirken und alle geforderten Angaben machen. Im Vorfeld wolle der Vater der Klägerin mitteilen, dass allein er alle bedeutenden finanziellen Angelegenheiten innerhalb der Familie mit Billigung der einzelnen Familienmitglieder verwaltet habe. Ausgenommen hiervon seien lediglich die jeweiligen „Taschengeldkonten“. Auch die Anträge auf Ausbildungsförderung für die Klägerin ab 2012 seien von ihm handschriftlich ausgefüllt, inhaltlich geprüft und dann weitergeleitet worden. Noch vor dem Ausfüllen der Formulare und anschließender Weiterleitung an das jeweilige Amt für Ausbildungsförderung habe er sich deshalb von seiner Ehefrau und der Klägerin Blankounterschriften geben lassen. Dies sei familienintern nicht unüblich und entspreche dem gegenseitigen Vertrauen. Er sei über die familiären Finanzen am besten unterrichtet und habe deshalb diesen Teilbereich wahrgenommen. Möglicherweise sei es bei der Antragstellung seinerseits zu einer Fehleinschätzung betreffend einen vor Studienbeginn 2012 abgeschlossenen Bausparvertrag gekommen. Die Verzinsung bei der Bausparkasse … sei „für junge Leute“ damals deutlich höher gewesen als für Erwachsene. Deshalb sei aus rein „finanztaktischen Gründen“ ein Bausparvertrag auf den Namen seiner Tochter angelegt worden. Es sei aber von vornherein abgesprochen gewesen, dass die letztendliche Verfügungsgewalt hierüber nur bei seiner Ehefrau und ihm liege. Das angesparte Geld habe allein für die Tilgung bestehender Eigenheimschulden mitverwendet werden sollen. Für die Konten seiner Tochter hätten seine Ehefrau und er seit jeher Kontovollmacht besessen. Die Ansparung und zwischenzeitlich erfolgte Auflösung des Bausparvertrags seien über das gemeinsame Girokonto seiner Ehefrau und ihm bei der …Bank … erfolgt. Seine Tochter habe zu keinem Zeitpunkt über das angesparte Geld verfügt und habe den Bausparvertrag auch nicht mit eigenen Mitteln angespart.
15
Mit Schreiben vom 10. November 2017 führte der Vater der Klägerin insbesondere aus, er könne nach Durchsicht seiner Unterlagen vorab mitteilen, dass seine Tochter seit ca. 20 Jahren ein damals von seiner Ehefrau und ihm angelegtes Sparbuch bei der …Bank … besitze. Insoweit teilte der Kläger die Kontostände zu den Stichtagen der jeweiligen Anträge auf Ausbildungsförderung für zwei Konten mit. Ferner sei für die Klägerin ein Genossenschaftsanteil in Höhe von 52,00 EUR vorhanden. Darüber hinaus seien von seiner Ehefrau und ihm für die Klägerin vor deren Volljährigkeit ein sog. …Young Girokonto angelegt worden. Auch insoweit teilte der Vater der Klägerin die Kontostände zu den jeweiligen Stichtagen mit und führte aus, das abnehmende Guthaben erkläre sich durch regelmäßige Abbuchungen einer Unfallversicherung bzw. durch eine Abbuchung im Jahr 2015. Weiteres Vermögen seine Tochter sei nicht vorhanden. Er weise darauf hin, dass diese Gelder als absolute Notgroschen der Studienfinanzierung angedacht gewesen seien und zu Teilsummen in den jeweiligen Anträgen auf Ausbildungsförderung als vorhandenes Barvermögen mit eingerechnet und mitgeteilt worden seien. Die Unterlagen der Konten bei der …Bank … seien ausschließlich von ihm verwahrt worden. Seine Tochter habe während der gesamten Zeit ihres Bezugs von Ausbildungsförderung keinen Zugriff hierauf gehabt und habe auch nicht über dieses „Restgeld“ verfügt.
16
In der Folge gingen bei den Beklagten Auskünfte der … … …, der …Bank … sowie der Bausparkasse … ein. Nach diesen Auskünften stellt sich die Vermögenslage der Klägerin zu den Stichtagen ihrer Anträge auf Ausbildungsförderung wie folgt dar:
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27. Nov 2012
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30. Okt 2013
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13. Aug 2014
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28. Okt 2015
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Bausparguthaben bei der Bausparkasse …
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3.100,00 EUR
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4.208,51 EUR
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5.236,84 EUR
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6.674,22 EUR
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…Bank* …- Girokonten/Darlehenskonten
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1.484,00 EUR
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1.481,58 EUR
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1.474,38 EUR
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451,31 EUR
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…Bank* …- Sparkonten
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94,34 EUR
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96,73 EUR
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99,11 EUR
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100,68 EUR
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…Bank …- Genossenschaftsanteile o.Ä.
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52,00 EUR
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52,00 EUR
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52,00 EUR
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52,00 EUR
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…- Girokonten/Darlehenskonten
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1.027,79 EUR
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1.505,21 EUR
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742,84 EUR
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675,35 EUR
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…- Genossenschaftsanteile o.Ä.
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50,00 EUR
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50,00 EUR
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50,00 EUR
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50,00 EUR
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17
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 20. November 2017 setzte der Beklagte die Ausbildungsförderung der Klägerin betreffend den Bewilligungszeitraum November 2012 bis September 2013 auf monatlich 197,00 EUR sowie betreffend den Bewilligungszeitraum Oktober 2013 bis September 2014 auf monatlich 298,00 EUR fest (jeweils hälftig als Zuschuss und darlehensweise). Darüber hinaus setzte er eine Rückforderung in Höhe von 2.771,00 EUR fest.
18
Hiergegen ließ die Klägerin, vertreten durch ihren damaligen Bevollmächtigten, Widerspruch einlegen. Zur Begründung ließ sie mit Schriftsatz vom 22. März 2018 sinngemäß im Wesentlichen ausführen, die mit dem angegriffenen Bescheid geltend gemachte Rückforderung sei unberechtigt, da sie im Zeitpunkt der jeweiligen Antragstellungen nicht über entsprechendes, anzurechnendes Vermögen verfügt habe. Bei dem Guthaben des auf ihren Namen angelegten Bausparvertrags handele es sich tatsächlich um Vermögen ihrer Eltern, auf das sie keinerlei Zugriff habe und zu keiner Zeit gehabt habe. Der Bausparvertrag sei lediglich aufgrund des günstigeren Zinsangebots für „junge Leute“ auf ihren Namen angelegt worden und habe in jedem Zeitpunkt der alleinigen Verfügungsgewalt ihrer Eltern unterlegen. Ihre Eltern hätten damit den Zweck verfolgt, das angesparte Guthaben zur Tilgung der Verbindlichkeiten für das bestehende Eigenheim zu verwenden. Die Einzahlungen auf den Bausparvertrag seien ausschließlich vom Girokonto der Eltern erfolgt. Mittlerweile sei der Bausparvertrag von ihren Eltern aufgelöst und das Guthaben an diese ausgezahlt worden. Ihre Eltern hätten die Mittel letztendlich für Reparaturarbeiten an besagtem Eigenheim verwendet. Auch für die Konten bei der …Bank hätten ihre Eltern über Kontovollmacht verfügt und die Guthaben verwaltet. Sie habe hierauf „in der Praxis“ über Barzuwendungen ihrer Eltern Zugriff gehabt. Aus diesem Grund sei bei Antragstellung auch Barvermögen in Höhe von 1.000,00 EUR angegeben worden, welches pauschaliert Guthaben auf den Konten habe umfassen sollen, das Guthaben jedoch sogar bei weitem überschritten habe, sodass dies bereits in der ursprünglichen Berechnung von Ausbildungsförderung Berücksichtigung gefunden habe. Zusammenfassend könne keine Vermögensanrechnung erfolgen.
19
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2019, dem damaligen Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 19. Oktober 2019, wies der Beklagte den Widerspruch kostenfrei zurück.
20
Zur Begründung führte er sinngemäß im Wesentlichen aus, auf den Bedarf des Auszubildenden seien Einkommen und Vermögen anzurechnen. Als Vermögen würden auch Forderungen und sonstige Rechte gelten. Darunter fielen auch Ansprüche auf Zahlung eines Geldbetrags. Für die Bewertung des Vermögens sei der Wert im Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend. Hier sei ausweislich der vorliegenden Unterlagen bei sämtlichen Konten ausschließlich die Klägerin als kontoführende Person und damit als Inhaberin der jeweiligen Forderungen gegenüber den Kreditinstituten bezeichnet. Sie sei damit Eigentümerin des Vermögens. Nach der Verwaltungspraxis seien Vermögenswerte auch dann dem Vermögen des Auszubildenden zuzurechnen, wenn er sie rechtsmissbräuchlich übertragen habe. Dies sei insbesondere der Fall, wenn der Auszubildende Teile seines Vermögens unentgeltlich oder ohne gleichwertige Gegenleistung an Dritte, insbesondere an Eltern oder andere Verwandte übertrage. Ungeachtet der bürgerlich-rechtlichen Wirksamkeit habe dies förderungsrechtlich zur Folge, dass das übertragene Vermögen weiterhin dem Auszubildenden zugerechnet und auf dessen Bedarf angerechnet werde.
21
Unstreitig habe die Klägerin bzw. ihr Vater sowohl den auf ihren Namen laufenden Bausparvertrag, als auch die auf ihren Namen laufenden Konten bei Antragstellung nicht angegeben. Nach der Begründung des Widerspruchs sei das Geld von den Eltern der Klägerin für verschiedene Zwecke benötigt worden und nicht mehr vorhanden. Nachweise seien hierfür nicht vorgelegt worden, weshalb die Behauptungen nicht belegt seien. Darüber hinaus sei vorliegend keine Abgrenzung zu Unterhaltsleistungen möglich. Dem Reinvermögen der Klägerin sei daher zu Recht der Betrag von insgesamt 4.420,00 EUR im Bewilligungszeitraum November 2012 bis September 2013 und von insgesamt 5.417,79 EUR im Bewilligungszeitraum Oktober 2013 bis September 2014 hinzugerechnet worden.
22
Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt - wie hier - dürfe nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut habe und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig sei. Auf Vertrauen könne sich indes der Begünstigte nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt habe, der Verwaltungsakt auf Angaben beruhe, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Hier beruhten die Bewilligungsbescheide auf den Angaben der Klägerin bzw. ihres Vaters dahingehend, dass sie nur über ein unter dem Freibetrag liegendes Vermögen bzw. geringeres Vermögen verfüge und demzufolge über kein bzw. kaum anrechenbares Vermögen verfüge, obwohl die Klägerin mit ihrer Unterschrift bei Antragstellung eigenhändig versichert habe, ihre Angaben seien richtig und vollständig. Die Überzahlung sei daher ausschließlich auf unvollständige bzw. unrichtige Angaben der Klägerin zurückzuführen. Hinsichtlich der Kenntnis der Rechtswidrigkeit liege zumindest grobe Fahrlässigkeit vor. Denn die Klägerin habe ihr Vermögen nicht angegeben, obwohl sie gewusst habe bzw. hätte wissen müssen, dass die Angabe des bis kurz vor Antragstellung vorhandenen Vermögens zu einer Anrechnung auf Ausbildungsförderung führen könne. Mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden keine Bedenken, von grober Fahrlässigkeit auszugehen. Denn auch wenn im Antragsformular nicht ausdrücklich nach rechtsmissbräuchlich, unentgeltlich an Dritte übertragenen Vermögen gefragt werde, müsse vorliegend der Klägerin als Abiturientin klar sein, dass auch solches Vermögen anzugeben sei. Zumindest aber habe es sich der Klägerin aufdrängen müssen, sich diesbezüglich beim Amt für Ausbildungsförderung beraten zu lassen.
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Angesichts des Grundsatzes der Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung, wonach Ausbildungsförderung nur dann beansprucht werden könne, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stünden, sei eine Herausnahme entsprechender Guthaben aus der Vermögensanrechnung auch im Fall der Klägerin nicht zu rechtfertigen. Auch die vorgesehene Ermessensprüfung führe nicht zu der Beurteilung, von der Erstattungsforderung abzusehen. Es seien keine Gründe ersichtlich, die es gerechtfertigt erscheinen ließen, die zu Unrecht gezahlte Förderung zu belassen. Denn das würde zu einer offensichtlichen Besserstellung und Ungleichbehandlung gegenüber anderen Studierenden führen, die bereits im Zeitpunkt der Antragstellung vollständige Angaben gemacht hätten. Es seien auch keine Bearbeitungsfehler oder mitwirkendes Verwaltungsverschulden feststellbar. Da die Sozialleistungen aus Steuermitteln der Allgemeinheit finanziert würden, setze der Gesetzgeber im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips voraus, dass eigenes Vermögen vorrangig zur Ausbildungsfinanzierung eingesetzt werde. Die Bescheide für die Bewilligungszeiträume November 2012 bis September 2013 und Oktober 2013 bis September 2014 seien daher zurückgenommen worden, sodass die zu Unrecht erhaltenen Leistungen in Höhe von 2.771,00 EUR zu erstatten seien.
24
Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihres nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 14. November 2019, eingegangen bei Gericht am 15. November 2019, Klage erhoben.
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Sie lässt sinngemäß im Wesentlichen ausführen, im Rahmen des Widerspruchsverfahrens habe ihr Vater dem damaligen Bevollmächtigten verschiedene Unterlagen zur Verfügung gestellt, welche der Beklagte im Rahmen der Widerspruchsentscheidung nicht berücksichtigt habe. Dies sei aus ihrer Sicht nicht nachvollziehbar, da ihr damaliger Bevollmächtigte erklärt habe, sämtliche Unterlagen an den Beklagten weitergeleitet zu haben. Die Klägerin hat die fraglichen Unterlagen in Kopie ihrer Klage beigefügt. Hierunter befinden sich insbesondere Unterlagen zur Eröffnung des Bausparvertrags bei der Bausparkasse …, zur Eröffnung der Konten bei der …Bank … sowie bei der … Darüber hinaus hat die Klägerin ein Schreiben der genannten …bank vorgelegt, wonach für ihr dortiges Girokonto Vollmachten ihrer Eltern bestünden. Des Weiteren hat die Klägerin Kontoauszüge ihres Vaters vorgelegt, aus denen Einzahlungen auf das Bausparkonto bei der Bausparkasse … ersichtlich sind. Außerdem hat die Klägerin in Kopie ein Kündigungsschreiben hinsichtlich des Bausparkontos beigefügt sowie das entsprechende Bestätigungsschreiben der Bausparkasse mit der Ankündigung der Auszahlung auf ein Konto ihres Vaters. Schließlich hat die Klägerin insbesondere Kontoauszüge betreffend ein gemeinsames Konto ihrer Eltern vorgelegt, aus denen insbesondere die Tilgung eines Darlehens mit Blick auf das „geförderte Objekt“ „… / …“ ersichtlich ist.
26
Darüber hinaus hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 14. November 2019, eingegangen bei dem Beklagten am 15. November 2019, mit Blick auf die mit der Klage vorgelegten Unterlagen einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Insoweit hat der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 26. November 2019 mitgeteilt, er sehe den Antrag aufgrund der Klageerhebung als gegenstandslos an.
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Die Klägerin beantragt wörtlich, zu erkennen:
Der Bescheid des Beklagten vom 20.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2019 wird aufgehoben der Antragstellerin wird die Förderung gemäß Bescheid über die Ausbildungsförderung vom 13.01.2016 gewährt.
28
Der Beklagte beantragt
29
Zur Begründung verweist er auf den Inhalt des ergangenen Widerspruchsbescheids.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auf die Sitzungsniederschrift vom 13. Juli 2020, und auf die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
31
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 20. November 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 15. Oktober 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a) Aufgrund eines Verwaltungsakts erbrachte Leistungen sind nach § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X zurückzugewähren, sofern der Verwaltungsakt aufgehoben, zurückgenommen oder widerrufen wird (Heße in Beckscher Online-Kommentar Sozialrecht, 52. Edition Stand: 1.3.2019, § 50 SGB X Rn. 17). Die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts kann - auch wenn dieser bereits bestandskräftig geworden ist - grundsätzlich nach § 45 Abs. 1 SGB X erfolgen, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X scheidet eine solche Rücknahme aber aus, wenn der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Letzteres ist gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X grundsätzlich der Fall, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Dagegen kann sich der Begünstigte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht auf Vertrauensschutz berufen, soweit der Verwaltungsakt kausal auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. In diesem Fall kann die Rücknahme auch mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgen, sofern dies binnen eines Jahres seit Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen geschieht (§ 45 Abs. 4 SGB X).
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b) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die angegriffene Neufestsetzung von Ausbildungsförderung mit streitgegenständlichem Bescheid vom 20. November 2017 betreffend den Bewilligungszeitraum November 2012 bis September 2013 auf monatlich 197,00 EUR sowie betreffend den Bewilligungszeitraum Oktober 2013 bis September 2014 auf monatlich 298,00 EUR rechtmäßig. Dasselbe gilt für die festgesetzte Rückforderung in Höhe von 2.771,00 EUR.
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(1) Bei dem zuletzt ergangenen Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 13. Januar 2016 insbesondere betreffend die bezeichneten Bewilligungszeiträume handelt es sich um einen begünstigenden und mittlerweile bestandskräftigen Verwaltungsakt. Zwar hatte der Beklagte mit dem genannten Bescheid die ursprünglich bewilligte Ausbildungsförderung der Kläger bereits herabgesetzt. Entsprechend handelt es sich bei dem Bescheid vom 13. Januar 2016 trotz der darin enthaltenen Leistungsgewährung mit Blick auf die Herabsetzungsbeträge um einen nicht begünstigenden Verwaltungsakt. Dagegen stellt sich der Bescheid vom 13. Januar 2016 in Höhe der dort bewilligten Ausbildungsförderung - deren Rückforderung nunmehr in Streit steht - um einen begünstigenden Verwaltungsakt (Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand Mai 2020, § 44 SGB X Rn. 12).
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(2) Die Festsetzung von Ausbildungsförderung für die Bewilligungszeiträume November 2012 bis September 2013 und Oktober 2013 bis September 2014 mit Bescheid vom 13. Januar 2016 war rechtswidrig, da der Klägerin aufgrund ihres Vermögens in den bezeichneten Bewilligungszeiträumen lediglich ein Anspruch auf Ausbildungsförderung zustand, wie mit angegriffenen Bescheid vom 20. November 2017 festgesetzt.
37
(a) Nach § 11 Abs. 1 BAföG wird Ausbildungsförderung für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet. Auf diesen Bedarf anzurechnen ist das Vermögen des Auszubildenden (§ 11 Abs. 2 Satz 1 BAföG). Entsprechend erhalten nur solche Auszubildende Ausbildungsförderung, deren Vermögen nach Maßgabe der Vorschriften über die Vermögensanrechnung nicht zu hoch ist (Winkler in Beckscher Online-Kommentar Sozialrecht, 52. Edition Stand: 01.03.2019, § 26 BAföG Rn. 1). Von dem gemäß § 26 BAföG grundsätzlich anzurechnenden Vermögen des Auszubildenden bleibt nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BAföG ein Freibetrag anrechnungsfrei. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung (§ 29 Abs. 1 Satz 2 BAföG) sah § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BAföG a.F. hier einen Freibetrag in Höhe von 5.200,00 EUR vor.
38
Außerdem ist dem Auszubildenden Vermögen insbesondere dann nicht zuzurechnen, wenn er dieses - zivilrechtlich wirksam - lediglich als Treuhänder für einen Treugeber hält. Dabei kann im Ergebnis offen bleiben, ob treuhänderisch gehaltenes Vermögen schon kein Vermögen im Sinne von § 27 Abs. 1 BAföG darstellt oder aber diesem Vermögen - wie bei der Darlehensvaluta - deckungsgleich ein Rückübertragungsanspruch als absetzbare Schuld im Sinne von § 28 Abs. 3 S. 1 BAföG gegenübersteht (Humborg in Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., Stand Mai 2009, § 27 Rn. 8.3). Hinsichtlich der Voraussetzung der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Treuhandabrede trifft den Auszubildenden eine gesteigerte Mitwirkungspflicht (für das Darlehen Hartmann in Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., Stand Mai 2009, § 28 Rn. 10.2). Er ist insoweit darlegungs- und beweispflichtig, wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind (Hartmann a.a.O.; Humborg in Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., Stand Mai 2009, § 27 Rn. 8.2). Für die Frage der Glaubhaftigkeit des Vorbringens ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Inhalt der jeweiligen Abrede und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses substantiiert dargelegt sind, ob ein plausibler Grund für den Abschluss des Rechtsgeschäfts genannt ist, ob von den dargelegten Vereinbarungen in der tatsächlichen Durchführung nicht nachvollziehbar abgewichen wurde, ob dem Auszubildenden die Verwertung des zu treuen Händen gehaltene Vermögens auch in finanziellen Notsituationen vereinbarungsgemäß verwehrt sein soll und ob Treuhandvermögen und eigenes Vermögen getrennt gehalten werden (Humborg a.a.O. Rn. 8.2 a.E.).
39
(b) Gemessen an diesen Anforderungen erweist sich die Festsetzung von Ausbildungsförderung betreffend die Bewilligungszeiträume November 2012 bis September 2013 sowie Oktober 2013 bis September 2014 mit Bewilligungsbescheid vom 13. Januar 2016 als rechtswidrig.
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(aa) Zunächst war der Klägerin im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Antragstellung über das in ihren Anträgen angegebene Vermögen hinaus Inhaberin von Bausparguthaben in Höhe von 3.100,00 EUR (betreffend den Bewilligungszeitraum November 2012 bis September 2013) bzw. in Höhe von 4.208,51 EUR (betreffend den Bewilligungszeitraum Oktober 2013 bis September 2014).
41
Zwar hat die Klägerin der Sache nach vorgebracht, nicht sie, sondern ihre Eltern seien Inhaber des fraglichen Bausparvermögens gewesen. Das Bausparvermögen habe nie ihrer, sondern stets der Verfügungsgewalt ihrer Eltern unterlegen. Damit macht die Klägerin hinsichtlich des Bausparvermögens rechtlich betrachtet eine Treuhandabrede gelten, wonach sie lediglich als Treuhänderin das fragliche Bausparvermögen für ihre Eltern als Treugeber gehalten habe.
42
Allerdings ist dieses Vorbringen der Klägerin zu der behaupteten Treuhandabrede zur Überzeugung der Kammer nicht hinreichend glaubhaft. Zwar misst die Kammer dem Umstand, dass auch nach klägerischem Vortrag keine schriftliche Vereinbarung über die fragliche Treuhandabrede vorliegt, keine wesentliche Bedeutung bei. Denn üblicherweise wird es im Rahmen familiärer Treuhandabrede an einer schriftlichen Fixierung fehlen. Allerdings hat die Klägerin auch keine mündliche Treuhandabrede substantiiert dargelegt. So fehlt es insbesondere an Vortrag, wann genau und mit genau welchem Inhalt die Treuhandabrede zustande gekommen sein soll. Auch erscheint es nicht fernliegend, dass die Klägerin insoweit Einzelheiten hinsichtlich Zeitpunkt und Inhalt hätte vorbringen können. Denn im Zeitpunkt des Abschlusses des Bausparvertrags war die Klägerin nicht etwa minderjährig, sondern … Jahre alt und stand kurz vor dem Beginn ihres Studiums. Auch ist der von der Klägerin geltend gemachte Grund für die Treuhandabrede, wonach bei einem Abschluss auf ihre Person höhere Zinsen hätten erzielt werden können, nach den vorgelegten Unterlagen fraglich, jedenfalls aber nicht belegt. So ist aus der klägerseits als Anlage K5 vorgelegten Bausparurkunde, ausgestellt auf die Klägerin, lediglich ein „Bonus extra für junge Leute“ in Höhe von 300,00 EUR ersichtlich. Höhere Zinsen etwa aufgrund des Alters der Klägerin gehen dagegen aus der Urkunde nicht hervor. Darüber hinaus hat die Klägerin zwar exemplarisch belegt, dass die Einzahlungen auf den Bausparvertrag von dem Konto ihres Vaters erfolgt sind. Dieser Umstand ist allerdings nicht allein mit einer Treuhandabrede, sondern auch damit vereinbar, dass die Eltern der Klägerin für diese schenkweise Vermögen ansparen wollten. Auch der aus den klägerseits vorgelegten Anlagen K7 und K8 ersichtliche monatliche Einzahlungsbetrag in Höhe von grundsätzlich 100,00 EUR wäre hierfür zumindest nicht untypisch. Darüber hinaus hat die Klägerin einerseits vorbringen lassen, das mit Hilfe des Bausparvertrags angesparte Vermögen habe für die Tilgung bestehender Eigenheimschulden der Eltern verwendet werden sollen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat sie sodann ausführen lassen, das Bausparvermögen sei für Reparaturarbeiten verwendet worden. Danach wird jedenfalls nicht klar, warum sich ggf. eine Änderung hinsichtlich der Mittelverwendung ergeben hat. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin als Anlagen K16 bis K19 Kontoauszüge betreffend einen Kreditvertrag ihrer Eltern vorgelegt hat, um nach den Ausführungen der Klageschrift die Verwendung der Mittel zur Eigenheimfinanzierung nachzuweisen. Nachweise hinsichtlich etwaiger Reparaturarbeiten an der Immobilie ihrer Eltern hat die Klägerin wiederum nicht vorgelegt.
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Tendenziell für das Vorliegen einer Treuhandabrede spricht indes, dass der Aktenvermerk des Beklagten betreffend die Erkenntnisse des Bundeszentralamts für Steuern ausweislich Bl. 345 der Behördenakte vom 26. Juli 2017 datiert, der Bausparvertrag aber ausweislich einer Quittung der Deutschen Post - klägerseits vorgelegt als Anlage K11 - bereits mit Aufgabe des Kündigungsschreibens zur Post am 20. Juli 2017 - also noch vor Kenntniserlangung des Beklagten von den fraglichen Zinserträgen - gekündigt wurde, wobei um Überweisung der Bausparsumme auf das Konto des Vaters des Klägers gebeten wurde. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass auch eine später erfolgte Überweisung des angesparten Bausparvermögens auf das Konto des Vaters der Klägerin letztlich nicht belegt, wie das Vermögen aus dem Bausparvertrag tatsächlich verwendet wurde. Dies gilt umso mehr, als nach dem Vorbringen der Klägerin hierfür sowohl die Darlehenstilgung als auch die Finanzierung von Reparaturarbeiten im Raum stehen.
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Nicht unerheblich gegen die Glaubhaftigkeit des Vortrags der Treuhandabrede spricht schließlich, das die Klägerin bzw. nach eigenem Vortrag ihr Vater unrichtige Angaben hinsichtlich des klägerischen Vermögens gemacht haben, auch wenn die die fragliche Treuhandabrede unberücksichtigt bleibt. Sogar bei Wahrunterstellung des Vortrags der Klägerin, wonach ihr Kontoguthaben bei der …Bank … und der … … zu Teilsummen in den jeweiligen Anträgen auf Ausbildungsförderung als vorhandenes Barvermögen mit eingerechnet und mitgeteilt“ worden sei, stimmen ihre Vermögensangaben nicht dem später ermittelten, tatsächlichen Vermögen der Klägerin überein. So hat die Klägerin für den Bewilligungszeitraum November 2012 bis September 2013 Bankguthaben sowie Barguthaben in Höhe von insgesamt 1.828,00 EUR angegeben. Tatsächlich wiesen aber - zuletzt unstreitig - allein ihre Girokonten in diesem Zeitpunkt Guthaben in Höhe von 2.511,79 EUR aus. Das Gleiche gilt für den Bewilligungszeitraum Oktober 2013 bis September 2014. Auch hier hat die Klägerin zum Stichtag Bankguthaben sowie Barvermögen in Höhe von insgesamt 2.500,00 EUR angegeben, wohingegen allein ihre Girokonten im fraglichen Zeitpunkt ein Guthaben in Höhe von 2.989,79 EUR ausgewiesen haben. Angesichts dieses Kontostands trifft auch das Vorbringen der Klägerin nicht zu, angegebenes Barvermögen in Höhe von 1.000,00 EUR (betreffend den Bewilligungszeitraum Oktober 2013 bis September 2014) habe „pauschaliert“ Kontoguthaben umfassen sollen, dieses Kontoguthaben aber bei weitem überschritten. Darüber hinaus hatte die Klägerin Genossenschaftsanteile sowohl bei der …Bank … als auch bei der … überhaupt nicht angegeben. Schließlich hat die Klägerin hinsichtlich ihres Kontoguthabens und der Genossenschaftsanteile auch keine Treuhandabrede geltend gemacht. Vielmehr hat sie in diesem Zusammenhang ausführen lassen, es handele sich um „absolute Notgroschen der Studienfinanzierun“. Danach bleibt festzuhalten, dass die Klägerin auch unter Ausklammerung des Bausparguthabens unzutreffend über ihr Vermögen Auskunft gegeben hat. Dies wiederum zieht die Glaubhaftigkeit ihres Vortrags hinsichtlich der Treuhandabrede nicht unerheblich in Zweifel.
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Nach alledem konnte sich die Kammer auch im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller für und gegen die Glaubhaftigkeit der Treuhandabrede sprechenden Umstände nicht mit hinreichender Sicherheit davon überzeugen, dass diese wie vorgetragen abgeschlossen wurde.
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Die Kammer hat zudem bedacht, dass der Zweck einer Treuhandabrede im Einzelfall auch in der Verschleierung von Zinseinkünften liegen kann, etwa wenn nicht der Treugeber als wirtschaftlicher Vermögensinhaber, sondern der Treuhänder als Kontoinhaber faktisch die Einkommensteuer auf Kapitalerträge bzw. die Abgeltungssteuer abführt. Sofern solche Abreden das rechtswidrige Vorenthalten von Steuern auf Kapitalerträge bezwecken sollen, werden sie regelmäßig nach §§ 134, 138 BGB nichtig sein (BVerwG, U.v. 4.9.2008 - 5 C 12/08 - NVwZ 2009 395/398). Dennoch wird in diesen Fällen das fragliche Vermögen förderungsrechtlich oftmals nicht dem Auszubildenden, sondern dem das Vermögen übertragenden Dritten zuzurechnen sein. Denn wegen der Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts kann der Übertragende grundsätzlich das fragliche Vermögen aufgrund Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zurückverlangen (zum Ganzen hinsichtlich einer ggf. unwirksamen Treuhandabrede BVerwG a.a.O.). Zudem mag der Vortrag einer solchen (unwirksamen) Treuhandabrede in besonderem Maße glaubhaft sein, weil sich der Auszubildende so erkennbar dem Vorwurf der Steuerhinterziehung und der Gefahr der Strafverfolgung aussetzt. Hier hat die Klägerin einen solchen Vortrag aber gerade nicht gehalten.
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(bb) Im Übrigen war das beklagtenseits ermittelte Vermögen der Klägerin bei der …Bank … und der … im Zeitpunkt der jeweiligen Stichtage betreffend die Bewilligungszeiträume November 2012 bis September 2013 und Oktober 2013 bis September 2012 zuletzt unstreitig. Bereits ausgeführt ist, dass die Klägerin insoweit auch keine Treuhandabrede geltend macht. Soweit die Klägerin ausführt, in ihren jeweiligen Angaben zu Barvermögen sei zum Teil Kontoguthaben enthalten gewesen, konnte die Kammer dies letztlich nicht berücksichtigen. Denn bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung hatte die Klägerin keinen Vortrag gehalten, inwieweit in den Angaben zu Barvermögen Kontoguthaben enthalten gewesen sein soll. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin sodann vortragen lassen, sie habe im Zeitpunkt ihrer Anträge auf Ausbildungsförderung jeweils über kein Barvermögen verfügt. Dies wiederum ist zur Überzeugung der Kammer nicht hinreichend glaubhaft. Denn nach der Lebenserfahrung erscheint es zunächst unwahrscheinlich, dass die Klägerin als Studentin zu den jeweiligen Stichtagen überhaupt kein Barvermögen bei sich geführt hat. Zudem bleibt unklar, warum auf Klägerseite insoweit noch eine feste Erinnerung an gänzlich fehlendes Barvermögen bezogen auf bestimmte Stichtage besteht, die nunmehr über sieben bzw. über sechs Jahre zurückliegen. Schließlich erscheint es auch zweifelhaft, dass - unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags - bei dem in finanziellen Angelegenheiten nicht unerfahrenen Vater der Klägerin im Zeitpunkt der jeweiligen Antragstellung Zweifel über den an sich auch in der Laiensphäre eindeutigen Begriff des Barvermögens aufgekommen sein sollen.
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(cc) Nach alledem zeigt sich auch rechnerisch die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheids vom 13. Januar 2016. So belief sich das Vermögen der Klägerin zum Stichtag betreffend den Bewilligungszeitraum November 2012 bis September 2013 unter Berücksichtigung eines zehnprozentigen Abzugs von Bausparvermögen (Ziff. 28.3.4 BAföGVwV 1991 - Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz vom 15. Oktober 1991 (GMBl S. 770), zuletzt geändert durch Art. 1 BAföGÄndVwV 2013 vom 29. 10. 2013) auf 5.998,13 EUR, woraus nach Abzug des Freibetrags in Höhe von 5.200,00 EUR für den elfmonatigen Bewilligungszeitraum eine monatliche Vermögensanrechnung in Höhe von 72,55 EUR ergibt. Aufgrund unstreitigen Bedarfs in Höhe von 484,00 EUR sowie unstreitiger Anrechnung von* … ergibt sich ein monatlicher, gerundeter (§ 51 Abs. 3 BAföG) Zahlbetrag in Höhe von lediglich 197,00 EUR statt zuvor bewilligter 270,00 EUR. In gleicher Weise belief sich das Vermögen der Klägerin für den Bewilligungszeitraum Oktober 2013 bis September 2014 zum Stichtag auf 7.973,18 EUR. Hiervon waren fiktiver Vermögensverbrauch aus dem vorangegangenen Bewilligungszeitraum in Höhe von 798,13 EUR (5.998,13 EUR - 5.200,00 EUR) sowie der Freibetrag in Höhe von 5.200,00 EUR abzusetzen, so dass sich eine monatliche Vermögensanrechnung in Höhe von 164,59 EUR ergibt. Aufgrund unstreitigen Bedarfs in Höhe von 484,00 EUR und unstreitig anzurechnendem … folgt hieraus eine monatliche Förderung in Höhe von gerundet 298,00 EUR statt zuvor 462,00 EUR. Insgesamt ergibt sich insoweit eine Überzahlung in Höhe von 2.771,00 EUR ([270,00 EUR - 197,00 EUR] x 11 + [462,00 EUR - 298,00 EUR] x 12).
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(3) Die Klägerin kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Zwar mag sie auf die Bewilligung der Ausbildungsförderung vertraut haben. Jedoch war dieses Vertrauen nicht schutzwürdig, da die Bewilligung von Ausbildungsförderung auf Angaben der Klägerin beruhte, die in wesentlichen Fragen zumindest grob fahrlässig unrichtig bzw. unvollständig waren. Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, weil er schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BVerwG, U.v.14.3 2013 - 5 C 10/12 - NVwZ-RR 2013, 689 Rn. 24). Hier ist - wie ausgeführt - davon auszugehen, dass keine Treuhandabrede getroffen war, sodass die Klägerin mangels anderer Anhaltspunkte davon ausgehen musste, selbst Inhaberin des Bausparvermögens zu sein. Entsprechend musste es sich der Klägerin im Zeitpunkt der jeweiligen Antragstellung mindestens aufdrängen, dass auch das Bausparvermögen bei Antragstellung anzugeben war. Jedenfalls musste es sich der Klägerin aber ohne weiteres aufdrängen, dass das Bausparvermögen auch angesichts des nicht unerheblichen Werts für die Frage der Bewilligung von Ausbildungsförderung eine maßgebliche Rolle spielen könnte. Entsprechend liegt grobe Fahrlässigkeit zumindest darin, dass die Klägerin das Bausparvermögen weder im Vorfeld der Antragstellung - etwa durch die Frage, ob das Bausparvermögen anzugeben sei - noch im Rahmen der Antragstellung thematisiert hat. Entsprechendes gilt erst Recht hinsichtlich des übrigen, nicht angegebenen Vermögen der Klägerin.
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Soweit mit dem Vorbringen der Klägerin zugrunde gelegt wird, dass nicht sie, sondern allein ihr Vater die fraglichen Antragsformulare ausgefüllt hat, ist der Klägerin nach vorzugswürdiger Ansicht jedenfalls dessen Verschulden entsprechend § 278 BGB zuzurechnen (vgl. zum Streitstand Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand Mai 2020, § 45 SGB X Rn. 36a; BVerfG, B.v. 30.8.2006 - BvR 955/06 - NVwZ-RR 2007, 352). Denn die Klägerin hat sich bei der Beantragung von Ausbildungsförderung nach eigenem Vortrag ihres Vaters entsprechend eines Erfüllungsgehilfen bedient, so dass sie sich mangels Verschiebung der Rechts- und Pflichtenlage hierdurch sowie aufgrund vergleichbarer Interessenlage mit den Fällen aus § 278 BGB das oben näher ausgeführte Verschulden jedenfalls ihres Vaters gegen sich gelten lassen muss (so betreffend § 47 Abs. 3 VerwVG BSG, U.v. 22.10.1968 - 9 RV 418/65 - NJW 1969, 206). Im Übrigen waren die ausgebliebenen Angaben zur Vermögenshöhe auch kausal für die Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Ausbildungsförderung.
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(4) Auch die Jahresfrist nach § 45 Abs. 4 SGB X ist eingehalten, so dass die Rückforderung aufgrund fehlerhafter Angaben im Sinne von § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X auch mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgen konnte.
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(5) Schließlich sind auch die Ermessenserwägungen des Beklagten nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO), den Bewilligungsbescheid auch mit Wirkung für die Vergangenheit der Sache nach zurückzunehmen, indem die Ausbildungsförderung in reduzierter Höhe festgesetzt wurde. Zwar besteht insoweit auch mangels einer § 48 Abs. 2 S. 4 VwVfG vergleichbaren Vorschrift kein intendiertes Ermessen hinsichtlich der Rücknahme (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2013 - 5 C 10/12 - NStZ-RR 2013, 689 Rn. 30 ff.). Jedoch war sich der Beklagte hier zum einen des ihm eingeräumten Ermessens bewusst. Zum anderen hat er das Interesse der Klägerin am Bestand des Bewilligungsbescheids mit dem staatlichen Rücknahmeinteresse unter den Gesichtspunkten der Gleichbehandlung und fehlendem Verwaltungsverschulden ohne Ermessensfehler abgewogen. Bei der Rückforderung nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X handelt es sich schließlich um eine gebundene Entscheidung.
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(6) Bereits ausgeführt und rechnerisch dargelegt ist, dass der Beklagte die Ausbildungsförderung der Klägerin für die hier allein in Frage stehenden Bewilligungszeiträume November 2012 bis September 2013 und Oktober 2013 bis September 2014 in zutreffender Höhe neu festgesetzt hat. Gleiches gilt für den festgesetzten Rückforderungsbetrag.
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Nach alledem war die Klage abzuweisen.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.