Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 29.06.2020 – AN 2 K 19.01702
Titel:

Rückforderung von Ausbildungsförderung bei zu niedrig angesetztem Einkommen

Normenkette:
BAföG § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 21, § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Leitsatz:
§ 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BAföG, der zulasten der Auszubildenden eine Nachberechnung ermöglicht, wenn sie im Bewilligungszeitraum ein höheres Einkommen als bei der Bewilligung zugrunde gelegt erzielt haben, ist lex speciales zu §§ 45 ff. SGB X und unabhängig von etwaigem Vertrauen der Auszubildenden sowie davon anwendbar, ob anrechenbares Einkommen bereits im Zeitpunkt der Bewilligung vom Amt für Ausbildungsförderung hätte erkannt werden können oder ob Auszubildende die fehlende Berücksichtigung von Einkommen zu vertreten haben. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rückforderungsvoraussetzungen nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG, BAföG, Ausbildungsförderung, Rückforderung, Bewilligungszeitraum, Einkommen, Vertrauensschutz, Vertretenmüssen
Fundstelle:
BeckRS 2020, 26552

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Ausbildungsförderung.
2
Die Klägerin nahm im Wintersemester 2018/2019 ihr Studium der Wirtschaftswissenschaften (Abschluss: Bachelor) an der … auf (künftig: …*). Für ihr Studium beantragte sie unter dem 24. Oktober 2018, eingegangen bei dem Beklagten am 30. Oktober 2018, Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum Oktober 2018 bis September 2019. In dem Antragsformular gab sie hinsichtlich ihres Einkommens in der Zeile Brutto-Einnahmen aus bestehenden oder ruhenden Arbeitsverhältnissen, Ferien-, Gelegenheitsarbeit und Mini-Jobs an: EUR „mon. 892,29“. In ihrem Begleitschreiben zu dem Antrag teilte sie sinngemäß mit, es sei noch unklar, welche Einnahmen sie ab November 2018 erzielen werde. Bis 1. Oktober 2018 sei sie noch geringfügig beschäftigt. Ab 1. November 2018 sei sie entweder bei dem Unternehmen … … in … beschäftigt oder studiere bei dem Unternehmen … in … dual. Sobald dies geklärt sei, werde sie hierüber informieren.
3
Mit Schreiben vom 19. November 2018, eingegangen bei dem Beklagten am 22. November 2018, teilte die Klägerin mit, sie arbeite ab dem 22. November 2018 neben ihrem Studium als … bei dem Unternehmen … … in … Der Arbeitsvertrag liege noch nicht vor.
4
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum Oktober 2018 bis einschließlich September 2019 Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich 104,00 EUR (jeweils hälftig als Zuschuss und darlehensweise). Bei der Berechnung der Ausbildungsförderung nahm er Einkünfte der Klägerin im Bewilligungszeitraum in Höhe von von insgesamt 9.707,48 EUR an. Auf den monatlichen Bedarf der Klägerin (451,00 EUR) rechnete er monatliches Einkommen der Klägerin in Höhe von 347,45 EUR an.
5
Mit Schreiben vom 15. Januar 2019, eingegangen bei dem Beklagten am 18. Januar 2019, erhob die Klägerin gegen den Bescheid Widerspruch. Zur Begründung führte sie sinngemäß im Wesentlichen aus, sie habe im Oktober und November 2018 keine Einkünfte erzielt. Daher stehe ihr für diese Monate der volle Förderungsbetrag zu. Ihrem Widerspruch fügte sie insbesondere in Kopie Bestätigungen ihres Arbeitgebers hinsichtlich der Verlängerung ihres Beschäftigungsverhältnisses bis … sowie hinsichtlich der Höhe ihres monatlichen Bruttogehalts von … EUR bei. Darüber hinaus wies sie darauf hin, ihr Gehalt für November 2018 sei erst im Dezember 2018 abgerechnet und am 27. Dezember 2018 ausgezahlt worden. Aus den beigefügten Entgeltnachweisen ihres Arbeitgebers ergab sich für November und Dezember 2018 ein Bruttoeinkommen in Höhe von insgesamt 1.439,20 EUR.
6
Mit Bescheid vom 8. Mai 2019 setzte der Beklagte die Ausbildungsförderung der Klägerin im Zeitraum Oktober 2018 bis einschließlich September 2019 neu auf monatlich 312,00 EUR fest (jeweils hälftig als Zuschuss und darlehensweise). Dem lagen beklagtenseits berechnete Einkünfte der Klägerin über den gesamten Bewilligungszeitraum in Höhe von 6.538,67 EUR zugrunde. Auf den monatlichen Bedarf der Klägerin (451,00 EUR) wurde monatliches Einkommen der Klägerin in Höhe von 139,36 EUR angerechnet. Aufgrund der Erhöhung der Ausbildungsförderung leistete der Beklagte eine Nachzahlung in Höhe von 1.872,00 EUR.
7
Zur Begründung ist in dem Bescheid ausgeführt, mit dem neuen Bescheid habe sich der Widerspruch der Klägerin erledigt. Die Berechnung ihres Einkommens sei gemäß der nunmehr vorliegenden Unterlagen angepasst worden. Auf den Bedarf jedes Kalendermonats des Bewilligungszeitraums werde der Betrag angerechnet, der sich ergebe, wenn das Gesamteinkommen durch die Zahl der Kalendermonate des Bewilligungszeitraums geteilt werde. Des Weiteren wurde die Klägerin gebeten, zu gegebener Zeit anzugeben bzw. nachzuweisen, ob sich ihre Beschäftigung als … über den 28. Juni 2019 hinaus verlängere.
8
Mit Schreiben vom 13. Juni 2019, eingegangen bei dem Beklagten am 18. Juni 2019, legte die Klägerin in Kopie eine Bestätigung ihres Arbeitgebers vor, wonach ihr Beschäftigungsverhältnis bis zum … verlängert worden sei und sich ihr Bruttogehalt mit Wirkung vom 1. Juni 2019 auf monatlich … EUR erhöht habe.
9
Daraufhin setzte der Beklagte mit Bescheid vom 25. Juni 2019 die Ausbildungsförderung der Klägerin für den Zeitraum Oktober 2018 bis einschließlich September 2019 neu auf monatlich 69,00 EUR fest (jeweils hälftig als Zuschuss und darlehensweise). Dem lagen beklagtenseits berechnete Einkünfte der Klägerin im Bewilligungszeitraum in Höhe von 10.227,76 EUR zugrunde. Auf den monatlichen Bedarf der Klägerin (451,00 EUR) wurde monatliches Einkommen der Klägerin in Höhe von 381,62 EUR angerechnet. Darüber hinaus errechnete der Beklagte eine Rückforderung in Höhe von insgesamt 2.430,00 EUR. Nach Aufrechnung in Höhe von 69,00 EUR setzte er eine verbleibende Rückforderung in Höhe von 2.361,00 EUR fest.
10
Mit Schreiben vom 3. Juli 2019, eingegangen bei dem Beklagten am 4. Juli 2019, legte die Klägerin gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie sinngemäß im Wesentlichen aus, ihr sei völlig unverständlich, wie der Beklagte auf einmal auf eine derartige Berechnung komme und weshalb sie Geld zurückzahlen solle. Sie habe den Beklagten laufend über ihr Einkommen informiert und sogar eine Nachzahlung erhalten. Auf ihrer Seite bestehe kein Fehlverhalten. Sie habe keine Informationen zurückgehalten oder gar falsch informiert. Dies wiederum bedeute, dass der Beklagte ihre Ausbildungsförderung fehlerhaft berechnet habe. Sie habe nach § 45 Abs. 2 SGB X i.V.m. mit § 242 BGB auf den Bestand des Bewilligungsbescheids vertrauen dürfen. Selbstverständlich habe sie dahingehend auch Vermögensdispositionen getroffen und die ihr zustehende Ausbildungsförderung verbraucht. Sie sei auch finanziell nicht in der Lage, die rechtswidrig festgesetzte Rückzahlung zu leisten. Für die Nichtberücksichtigung ihre Einkünfte könne sie nichts. Das Versäumnis liege auf Seiten des Beklagten.
11
Mit Bescheid vom 30. Juli 2019, der Klägerin zugestellt am 3. August 2019, wies der Beklagte den Widerspruch kostenfrei zurück. Zur Begründung führte er sinngemäß im Wesentlichen aus, die Berechnung des voraussichtlichen Einkommens der Klägerin sei jeweils auf Grundlage der von ihr getätigten Angaben und eingereichten Unterlagen angepasst und neu berechnet worden. Im Erstbescheid sei Einkommen der Klägerin entsprechend ihren Angaben im Antragsformular - monatlich 892,29 EUR - angenommen worden. Weitere Angaben und Nachweise bezüglich des voraussichtlichen Einkommens im Bewilligungszeitraum hätten zum fraglichen Zeitpunkt noch nicht vorgelegen. Für die Anrechnung des Einkommens des Auszubildenden seien die Einkommensverhältnisse im gesamten Bewilligungszeitraum maßgeblich, hier also von Oktober 2018 bis einschließlich September 2019. Vorliegend seien daher 12 Monate mit einem Monatseinkommen in Höhe von jeweils 892,29 EUR zugrunde zu legen gewesen. Dies entspreche einer Summe von 10.707,48 EUR. Hiervon seien der Pauschbetrag für Werbungskosten in Höhe von 1.000,00 EUR sowie Freibeträge in Höhe von 171,50 EUR und weiteren 290,00 EUR abzuziehen gewesen. Entsprechend seien monatlich 347,45 EUR auf den Bedarf der Klägerin angerechnet worden.
12
Nach Widerspruch der Klägerin unter Nachreichung weiterer Unterlagen sei die Ausbildungsförderung mit Bescheid vom 8. Mai 2019 an das voraussichtliche Einkommen der Klägerin im Bewilligungszeitraum angepasst worden. Unter den eingereichten Unterlagen hätten sich bisher nicht vorgelegte Dokumente befunden, etwa der Arbeitsvertrag mit einer Laufzeit vom … bis … mit einer monatlichen Vergütung in Höhe von … EUR, darüber hinaus eine Einkommensmitteilung vom 7. Dezember 2018 bezüglich einer rückwirkenden Erhöhung des Monatseinkommens mit Wirkung vom … auf … EUR und ein Entgeltnachweis für die Monate November und Dezember 2018 samt Kontoauszug vom 6. Januar 2019. Danach habe sich für die Monate November und Dezember 2018 ein Einkommen der Klägerin in Höhe von 1.439,20 EUR ergeben. Da im Zeitpunkt der Neuberechnung der Ausbildungsförderung noch keine aktualisierten Entgeltnachweise vorgelegen hätten, sei die Gehaltserhöhung vorerst ab 1. Januar 2019 berücksichtigt worden. Nach Abzug aller Freibeträge habe sich anrechenbares Einkommen in Höhe von monatlich 139,36 EUR - statt bislang 347,45 EUR - ergeben. Entsprechend sei eine Nachzahlung in Höhe von 1.872,00 EUR erfolgt.
13
Sodann habe sich aufgrund der am 18. Juli 2019 eingereichten Unterlagen ergeben, dass sich die Beschäftigung der Klägerin bis zum … verlängert habe und sich ihr monatliches Einkommen mit Wirkung vom … auf monatlich … EUR erhöht habe. Aufgrund dessen sei nun im Bewilligungszeitraum ein voraussichtliches Einkommen der Klägerin in Höhe von insgesamt 10.227,76 EUR ermittelt und die Ausbildungsförderung mit Bescheid vom 25. Juni 2019 entsprechend angepasst worden. Die Anpassung sei auf Grundlage von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG erfolgt, sodass sich die Klägerin nicht nach § 45 Abs. 2 SGB X auf den Bestand des Verwaltungsakts berufen könne.
14
Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 2. September 2019, eingegangen bei Gericht am selben Tag, Klage erhoben.
15
Sie trägt sinngemäß im Wesentlichen vor, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei bei der nachteiligen Änderung eines Bescheids mit Wirkung auch für zurückliegende Zeiträume ein Mindestmaß an Vertrauensschutz verfassungsrechtlich geboten. Insoweit verweist die Klägerin auf die Urteile des Bundesverwaltungsrechts vom 25. Juni 2015 (Az. 5 C 15/14) und 16. Dezember 1994 (Az. 11 C 6.92). Das Gebot des Vertrauensschutzes sei durch das Rechtsstaatsprinzip garantiert und verlange eine gewisse Voraussehbarkeit staatlicher Eingriffe und damit die Möglichkeit des Einzelnen, sich auf solche Eingriffe einzustellen bzw. sich vorzubereiten. Dementsprechend sei auch bei der Anwendung des BAföG eine Abwägung des Gewichts des Vertrauensschutzinteresses des Auszubildenden gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer gesetzmäßigen und gesetzeszweckentsprechenden Verwendung der für die Ausbildungsförderung eingesetzten öffentlichen Finanzmittel vorzunehmen. Vorliegend sei die Klägerin in besonderem Maße schutzwürdig, da sie auf die monatliche Ausbildungsförderung angewiesen sei und diese benötige, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Änderung des Bescheids zu ihrem Nachteil sei daher unter strenge Voraussetzungen zu stellen und nur gerechtfertigt, wenn das Gewicht ihres Vertrauensschutzinteresses dem öffentlichen Interesse an der Gesetzmäßigkeit der öffentlichen Verwaltung unterliege, was vorliegend nicht der Fall sei. Das Vertrauen der Klägerin auf den Fortbestand der Bewilligung sei schutzwürdig, da sie ihre Einkommensverhältnisse stets rechtzeitig und vollumfänglich dargelegt und daher nicht damit habe rechnen müssen, dass die Höhe der bewilligten Ausbildungsförderung möglicherweise unzutreffend sei. Sie habe darauf vertraut, mit der ihr zugesprochenen monatlichen Ausbildungsförderung rechnen zu dürfen. Hierfür spreche auch, dass der Beklagte offenbar selbst mit einer weiteren Verlängerung ihres Beschäftigungsverhältnisses gerechnet habe. Denn der Beklagte habe sie in dem Bescheid vom 8. Mai 2019 darauf hingewiesen, etwaige Veränderungen, insbesondere die erneute Verlängerung ihres Arbeitsverhältnisses, unverzüglich mitzuteilen. Es sei daher unverständlich, dass der Beklagte bei der Berechnung der Einkünfte gemäß Bescheid vom 8. Mai 2019 von der ursprünglichen Berechnung des Erstbescheids abgerückt sei. Dort sei noch ohne entsprechende Belege davon ausgegangen worden, sie werde über den gesamten Bewilligungszeitraum von 12 Monaten monatlich 892,29 EUR verdienen. Daher überwiege das Vertrauensschutzinteresse der Klägerin das öffentlichen Interesse an einer gesetzmäßigen und gesetzeszweckentsprechenden Verwendung der für die Ausbildungsförderung eingesetzten öffentlichen Finanzmittel. Der angegriffene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids sei aufzuheben.
16
Die Klägerin beantragt wörtlich, zu erkennen:
Der Bescheid des Beklagten vom 25.06.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2019 wird aufgehoben.
17
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
18
Er trägt unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheids sinngemäß im Wesentlichen vor, die Rückforderung von Ausbildungsförderung erfolge auf Grundlage von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG. Hätten die Voraussetzungen für die Leistung von Ausbildungsförderung an keinem Tag des Kalendermonats vorgelegen, für den sie gezahlt worden sei, so sei der Bewilligungsbescheid insoweit aufzuheben und der Förderungsbetrag zurückzuerstatten, als dass der Auszubildende Einkommen im Sinne des § 21 BAföG erzielt habe, das bei der Bewilligung der Ausbildungsförderung nicht berücksichtigt worden sei. Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da in den Fällen des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG Vertrauensschutz generell versagt sei. Hintergrund sei, dass für das Amt für Ausbildungsförderung zu Beginn des Bewilligungszeitraums noch nicht feststehe, welches Einkommen der Auszubildende im Bewilligungszeitraum erzielen werde, da über die Förderung in der Regel zu Beginn des Bewilligungszeitraums und daher mit Wirkung für die Zukunft entschieden werde. Das Amt müsse daher der Bewilligung die mutmaßliche Höhe des Einkommens des Auszubildenden zugrunde legen. Erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraum sei feststellbar, ob das tatsächliche Einkommen mit der mutmaßlichen Höhe übereinstimme oder ob es höher oder niedriger gewesen sei. Aus der Natur der Sache ergebe sich daher, dass nahezu jede Bewilligung von Ausbildungsförderung sozusagen unter dem stillschweigenden Vorbehalt der Änderung für den Fall stehe, dass Auszubildende anrechenbares Einkommen erzielten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stelle die genannte Rechtsgrundlage eine eigenständige und in sich abgeschlossene Anspruchsgrundlage dar, bei der Vertrauensschutz keine Rolle spiele. Der Erstattungsanspruch entstehe immer schon dann, wenn zwei objektive Umstände vorlägen, d.h. wenn der Auszubildende Einkommen erziele und die Behörde dieses Einkommen bei der Bewilligung von Ausbildungsförderung nicht berücksichtigt habe. Subjektive Elemente spielten für die Entstehung des Rückforderungsanspruchs weder auf Seiten des Auszubildenden noch auf Seiten der Behörde eine Rolle. Vorliegend habe aufgrund der am 18. Juni 2019 eingereichten Unterlagen eine erneute Neuberechnung der Ausbildungsförderung vorgenommen werden müssen, da aufgrund der Nachweise bekannt geworden sei, dass die Klägerin Einkommen erzielt habe, das in dem Bescheid vom 8. Mai 2019 nicht berücksichtigt worden sei.
19
Die Parteien haben auf die mündliche Verhandlung verzichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20
Gemäß § 101 Abs. 2 VwGO konnte das Gericht aufgrund des beiderseitigen Verzichts ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
21
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
22
1. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 25 Juni 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juli 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der angegriffene Bescheid beruht auf § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG.
23
a) Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG ist die Bewilligung von Ausbildungsförderung insoweit aufzuheben und der Förderungsbetrag zu erstatten, als der Auszubildende Einkommen im Sinne des § 21 BAföG erzielt hat, dass bei der Bewilligung der Ausbildungsförderung nicht berücksichtigt worden ist, und die Voraussetzungen für die Leistung von Ausbildungsförderung an keinem Tag des Kalendermonats vorgelegen haben, für den sie gezahlt worden ist. Anerkannt ist, dass die dargestellte Norm lex specialis gegenüber den allgemeinen Bestimmungen nach §§ 45 ff. SGB X über die Rücknahme und Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte ist (Steinweg in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 20 Rn. 6). Die Vorschrift ermöglicht zulasten der Auszubildenden eine Nachberechnung, wenn Auszubildende im Bewilligungszeitraum ein höheres Einkommen erzielt haben, als dies im Zeitpunkt der Bewilligung zugrunde gelegt wurde. Einer solchen Regelung bedarf es, weil Ausbildungsförderung regelmäßig für die Zukunft bewilligt wird, sodass im Bewilligungszeitpunkt noch nicht sicher feststeht, ob und in welcher Höhe Auszubildende im Bewilligungszeitraum Einkommen erzielen werden (vgl. so zum Ganzen Steinweg a.a.O. Rn. 26). Insbesondere erfasst die Vorschrift Fälle, in denen das Einkommen Auszubildender zu niedrig angesetzt wurde, wobei es auf die Gründe hierfür nicht ankommt (vgl. Steinweg a.a.O. Rn. 28). Die Vorschrift bleibt auch dann anwendbar, wenn anrechenbares Einkommen bereits im Zeitpunkt der Bewilligung von dem Amt für Ausbildungsförderung hätte erkannt und angerechnet werden können (Schepers, BAföG, 3. Online-Auflage 2016, § 20 Rn. 2 m.w.N.). Unerheblich ist auch, ob Auszubildende die fehlende Berücksichtigung von Einkommen zu vertreten haben (Steinweg in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 20 Rn. 28). Schließlich wird der Anwendungsbereich von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG auch nicht durch Vertrauensschutz beschränkt (Steinweg a.a.O. Rn. 11). Etwaiges Vertrauen von Auszubildenden auf den Bestand des Bewilligungsbescheids hat der Gesetzgeber - zulässigerweise - nicht für schutzwürdig erachtet (Steinweg a.a.O. m.w.N.). Hierfür ist auschlaggebend, dass Auszubildende spätestens im Rahmen der Antragstellung aufgrund der obligatorischen Angaben zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen erfahren, dass die Bewilligung von Ausbildungsförderung insbesondere von ihren Einkommensverhältnissen abhängt. Auch im nachfolgenden Bewilligungszeitraum sind Auszubildende in keiner Weise darüber im Ungewissen, ob und ggf. in welcher Höhe sie neben der Ausbildungsförderung Einkommen erzielen. Sollten sie im Bewilligungszeitraum weiteres Einkommen erzielen, muss es sich Auszubildenden also zumindest aufdrängen, dass sie - je nach Höhe ihres zusätzlichen Einkommens - ggf. nicht mehr oder nicht mehr in der bisherigen Höhe der Ausbildungsförderung förderfähig sind. Sofern Auszubildende in solchen Fällen dennoch auf den unveränderten Bestand des Bewilligungsbescheids vertrauen, wäre dieses Vertrauen nach dem Vorgesagten nicht mehr schutzwürdig (vgl. zum Ganzen Steinweg a.a.O. Rn. 25). Anders ausgedrückt steht die Bewilligung von Ausbildungsförderung sozusagen unter dem stillschweigenden Vorbehalt der Änderung mit Blick auf ggf. noch zu erzielendes Einkommen (BayVGH, B.v. 24.2.2014 - 12 ZB 13.780 - BeckRS 2014, 48496; Seinweg a.a.O.). Schließlich erfolgt die Neuberechnung von Ausbildungsförderung nach dem Monatsprinzip (Steinweg a.a.O. Rn. 23).
24
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze beruht der angegriffene Rückforderungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids auf § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG. Denn unstreitig hat die Klägerin vorliegend im Bewilligungszeitraum Oktober 2017 bis September 2019 Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit - also Einkommen im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 1 BAföG - erzielt, das der Beklagte im Zeitpunkt der Bewilligung von Ausbildungsförderung mit vorangegangenem Bescheid vom 8. Mai 2019 noch nicht berücksichtigt hatte. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG sieht eine gebundene Entscheidung des Amts für Ausbildungsförderung vor, so dass diesem kein Ermessen eingeräumt war. Rechtlich unerheblich ist, dass die Klägerin ihrer Verpflichtung zur Angabe ihrer aktuellen Einkommensverhältnisse gegenüber dem Beklagten stets nachgekommen war. Etwaiges Vertrauen der Klägerin in den Bestand des Bewilligungsbescheids war nach dem Vorgesagten auch vorliegend nicht schutzwürdig. Soweit die Klägerin auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juni 2015 (Az. 5 C 15/14) und 16. Dezember 1994 (Az. 11 C 6/92) verweist, sind diese hier nicht einschlägig. Beide Entscheidungen beziehen sich vielmehr auf die Rechtsgrundlage nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG. Nach dieser Vorschrift ist das Amt für Ausbildungsförderung ebenfalls im Rahmen einer gebundenen Entscheidung verpflichtet, zuungunsten von Auszubildenden Bewilligungsbescheide abzuändern, sofern sich ein maßgeblicher Umstand für die Leistung der Ausbildungsförderung ändert. Im Rahmen solcher Entscheidungen über die Neufestsetzung von Ausbildungsförderung ist auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass Auszubildende verfassungsrechtlich durch ein Mindestmaß an Vertrauensschutz geschützt sind. Denn im Unterschied zu dem hier in Frage stehenden, von Auszubildenden selbst erzielten Einkommen, über das Auszubildende regelmäßig nicht in Zweifel sein können, kann die Änderung von Umständen im Sinne von § 53 Abs. 1 BAföG für Auszubildenden mitunter kaum oder nur schwer vorhersehbar sein.
25
Nach alledem war der Beklagte nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG - ohne dass ihm Ermessen eingeräumt gewesen wäre - verpflichtet, die Ausbildungsförderung der Klägerin nach dem Monatsprinzip neu zu berechnen und etwaige Überzahlungen zurückzufordern. Die Berechnung des Beklagten zur Neufestsetzung und Rückforderung von Ausbildungsförderung als solche war zwischen den Beteiligten außer Streit.
26
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
27
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1,154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.