Titel:
Verletzung der Verschwiegenheitspflicht eines Gemeinderats
Normenketten:
BayGO Art. 20 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 1, Art. 29
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1
Leitsatz:
Im Einzelfall ist zu prüfen, ob und inwieweit die Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 2 S. 1 BayGO erfüllt sind. Dabei stellt die Behandlung einer Angelegenheit in nichtöffentlicher Sitzung ein starkes Indiz für das Bestehen einer Verschwiegenheitspflicht der Gemeinderatsmitglieder dar. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ordnungsgeld, schuldhafter Verstoß gegen Verschwiegenheitspflicht eines Gemeinderatsmitgliedes, Amtsverschwiegenheit, Selbsteintrittsrecht, ehrenamtliche Tätigkeit, Verwirkung, Vertrauensschutz
Fundstelle:
BeckRS 2020, 19899
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen ein Ordnungsgeld, das gegen sie als Mitglied des Gemeinderates verhängt wurde.
2
Die Klägerin ist Mitglied des Gemeinderates der Beklagten. In dieser Eigenschaft nahm sie an der Gemeinderatssitzung am 9. November 2015 teil. In deren nichtöffentlichem Teil wurde unter TOP 7 der Stellenplan 2016 beraten. In diesem war eine neue Planstelle in der Entgeltgruppe 10 - Technischer Dienst als „Erweiterung Personal Bauamt - Entlastung SG 41“ vorgesehen, als Qualifikation war „Techniker, Ingenieur (FH) bzw. Bachelor mit Vorbildung Verwaltungstätigkeit (alternativ Fortbildung)“ angegeben. Ausweislich des Beschlussprotokolls der Beklagten wurde der Stellenplan 2016 bei einer Gegenstimme mit 13 Stimmen genehmigt.
3
Mit Schreiben vom 13. November 2015 wandte sich die Klägerin an den Bauamtsleiter der Beklagten und führte darin unter anderem aus:
„gerne hätte ich mit Ihnen persönlich über Inhalte der Gemeinderatssitzung vom 9.11.15 gesprochen, denn Sie sind der Hauptbetroffene. Alle Versuche Sie telefonisch zu erreichen, bzw. Bitten um Rückrufe, auf den Anrufbeantworter gesprochen, blieben ohne Resonanz. Aus diesem Grund schreibe ich Ihnen diesen Brief. Es ist mir wichtig, Ihnen meine Sicht der Dinge mitzuteilen.
Sicher wurde Ihnen zwischenzeitlich mitgeteilt, dass die Gemeinde einen Ingenieur für das Bauamt einstellen wird. Diese Entscheidung kann ich mitragen, weil sie notwendig ist, um einen auf Jahre angelegten, guten gleitenden Übergang in der Arbeit, bis zu Ihrer Pensionierung hin zu bekommen.
Meines Wissens sind sie ca. 30 Jahre im Dienst der Gemeinde …, von Anfang an als Leiter des Bauamtes beschäftigt. Trotz meiner Bitte, dem Gremium Ihren Arbeitsvertrag vorzulegen, Tage vorher, per mail an Herrn … und Frau … geäußert, geschah dies nicht.
Frau … sagte, dass Sie als technischer Angestellter eingestellt wurden. Die Tatsache, dass Sie als Leiter des Bauamtes eingestellt wurden stehe lediglich im Beschluss des Gemeinderates von damals. Dieser Beschlusstext kann für Sie nun existentiell wichtig werden. Halten Sie ihn in Händen? Können Sie nachweisen, dass Sie von Anfang an, als Bauamtsleiter eingestellt waren, dann dürfte eine Gehaltsrückstufung nur sehr schwer oder gar nicht durchzusetzen sein.
… An Ihrer Stelle würde ich in keinem Fall freiwillig einen Änderungsvertrag unterschreiben, der auf eine Gehaltskürzung hinauslaufen würde. Bitte suchen Sie Unterstützung beim Personalrat. Wehren Sie sich!!!.“
4
In der Gemeinderatssitzung am 10. April 2017, bei der die Klägerin nicht anwesend war, beschloss der Gemeinderat mit neun gegen zwei Stimmen, die Auffassung des Vorliegens eines Verstoßes gegen die Amtsverschwiegenheit durch die Klägerin durch deren Schreiben an den Bauamtsleiter vom 13. November 2015 zu teilen und die Verwaltung zu beauftragen, hierzu eine schriftliche Stellungnahme der Klägerin einzuholen. Der Klägerin wurde dementsprechend von der Beklagten mit Schreiben vom 11. Mai 2017 unter Fristsetzung bis zum 29. Mai 2017 Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
5
Mit Schreiben vom 28. Mai 2017 führte die Klägerin insbesondere aus, die dem Bauamtsleiter mitgeteilten Informationen seien für diesen offenkundig gewesen. Als leitender Mitarbeiter der Beklagten kenne dieser die Tagesordnung des Gemeinderates. Ebenso sei er in der Lage, den Tagesordnungspunkt einzusehen, so dass ihm große Teile des Inhaltes offenkundig seien. Die Einstellung eines Bauingenieurs zur Entlastung des Bauamtsleiters sei seit Jahren immer wieder Thema im Gemeinderat gewesen. Von 2008 bis 2014 sei die Klägerin Mitglied des Rechnungsprüfungsausschusses gewesen. In diesem Rahmen sei immer wieder mit dem Bauamtsleiter darüber gesprochen worden, dass die Einstellung eines Ingenieurs zur Bewältigung der Arbeit notwendig sei. Die Frage nach dem Gemeinderatsbeschluss zur Einstellung des Bauamtsleiters und die Meinungsäußerung, dass dieser Beschluss für ihn existentiell wichtig werden könne, stellten keinen Bruch der Geheimhaltungspflicht dar. Als Teil des Arbeitgebers Gemeinde habe die Klägerin gegenüber den Mitarbeitern eine Fürsorgepflicht.
6
Am 11. September 2017 wurde im nichtöffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung der Beklagten über die Anhörung der Klägerin beraten. Die Klägerin selbst nahm an Beratung und Abstimmung nicht teil und verließ den Sitzungssaal. Sie wurde jedoch zur Beantwortung der Frage, ob sie nach heutigen Erkenntnissen erneut eine Kontaktaufnahme mit dem Mitarbeiter in vorgefallener Weise vollziehen würde, angehört. Hierzu äußerte sie ausweislich des Beschlussbuchauszuges der Beklagten, dass sie dies nach heutigen Erkenntnissen in dieser Form nicht mehr tun würde. Der Gemeinderat beschloss daraufhin mit zwölf gegen vier Stimmen, dass ein Verstoß gegen die Pflichten eines Gemeinderatsmitgliedes vorliege und die Verwaltung gebeten werde, eine entsprechende Verfügung gegenüber der Klägerin auszuarbeiten. Mit Schreiben an die Beklagte vom 13. Oktober 2017 wies die Klägerin daraufhin, dass sie auf die ihr in der Sitzung vom 11. September 2017 gestellte Frage entgegen der Niederschrift „Es ist mir eine Lehre!“ geantwortet habe.
7
Der Gemeinderat der Beklagten beriet in nichtöffentlicher Sitzung am 12. März 2018 erneut über die Angelegenheit. Die Klägerin selbst nahm bei diesem Tagesordnungspunkt an Beratung und Abstimmung nicht teil und verließ den Sitzungssaal. Der Gemeinderat beschloss, unter Ausübung seines Ermessens hinsichtlich des „Ob“ und der Höhe, gegenüber der Klägerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 150,00 € zu verhängen.
8
Mit Bescheid vom 13. März 2018 setzte die Beklagte ein Ordnungsgeld in Höhe von 150,00 € gegenüber der Klägerin fest (Ziffer 1 des Bescheides), das innerhalb einer Woche nach Bestandskraft des Bescheides zur Zahlung fällig werden sollte (Ziffer 2 des Bescheides).
9
Zur Begründung wurde ausgeführt, gegen die Klägerin werde auf Grundlage von Art. 20 Abs. 4 Satz 1 der Gemeindeordnung (GO) wegen Verstoß gegen die Verpflichtungen der Klägerin nach Art. 20 Abs. 1 und 2 GO ein Ordnungsgeld verhängt. Die Klägerin habe mit ihrem Schreiben vom 13. November 2015 als Mitglied des Gemeinderates hinsichtlich der ihr in dieser Eigenschaft bekanntgewordenen, nichtöffentlichen Personalangelegenheit bezüglich der Position „Bauamt - Tiefbau, Straßenbaulast und Bauhof“ den Inhaber dieser Position, der nicht Mitglied des Gemeinderates sei, über Inhalte der Beratung und Beschlussfassung informiert. Diesem seien diese Informationen zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen. Dies sei bewusst und gezielt geschehen. Dass der Stellenplan der Gemeinde bis zu seinem verwaltungsmäßigen Vollzug nichtöffentlich sei, liege auf der Hand. Die Beratung und Beschlussfassung in der Gemeinderatssitzung am 9. November 2015 sei insoweit in nichtöffentlicher Sitzung erfolgt, weil berechtigte Ansprüche Einzelner, nämlich der Gemeindemitarbeiter einer öffentlichen Behandlung entgegenstünden. Personalangelegenheiten einzelner Gemeindemitarbeiter seien typischerweise Gegenstände, die der Verschwiegenheit unterlägen. Die von der Klägerin weitergegebenen Informationen seien auch nicht offenkundig gewesen. Auch wenn der Bauamtsleiter ein leitender Bediensteter der Beklagten sei, habe er dennoch keinen Zugriff auf Bereiche des Personalwesens, mit denen er nicht betraut sei; dieser sei vielmehr aus arbeitswie datenschutzrechtlichen Gründen beschränkt auf die sachbearbeitende Mitarbeiterin und den geschäftsleitenden Beamten und in besonderen Fällen und in seiner Eigenschaft als Dienstvorgesetzter auf den ersten Bürgermeister. Alle Sachverhalte, Personalakten, Sitzungsvorbereitungen, Beschlussempfehlungen etc. seien gegen den Zugriff Unberechtigter geschützt. Die Personalangelegenheiten einzelner Mitarbeiter seien auch keine Angelegenheiten, die wegen ihrer Bedeutung keiner Geheimhaltung bedürften. Mit ihrem Schreiben vom 13. November 2015 habe die Klägerin bewusst und gewollt Beratungen und Beschlussfassungen offenbart, die vor ihrem verwaltungsmäßigen Vollzug auch direkt Betroffenen gegenüber nicht hätten offenbart werden dürfen. Auch die Fürsorgepflicht gegenüber gemeindlichen Bediensteten obliege nicht dem einzelnen Mitglied des Gemeinderates, sondern dem Dienstherrn insgesamt und dem Dienstvorgesetzten. Insoweit bestehe auch kein Recht zum Selbsteintritt. Eine Genehmigung des Vorgehens der Klägerin sei weder vorher noch nachher erteilt worden. Die Klägerin habe absichtlich gegen ihre Verschwiegenheitspflicht aus Art. 20 Abs. 1 und 2 GO verstoßen. Eine bloße Rüge oder Ermahnung sei aufgrund der fehlenden Einsichtsfähigkeit der Klägerin nicht ausreichend, sie habe sich vielmehr hartnäckig darum bemüht, die Informationen aus der nichtöffentlichen Sitzung weiterzugeben. Daran ändere sich nichts dadurch, dass sie in der Gemeinderatssitzung vom 11. September 2017 bekundet habe, dies in dieser Form nicht wieder zu tun. Sie halte sich vielmehr immer noch für berechtigt, auch künftig in entsprechender Weise rechtswidrig vorzugehen, gegebenenfalls aber auf eine schriftliche Mitteilung an Dritte zu verzichten. Ein Ordnungsgeld in Höhe von 150,00 € sei in Anbetracht des Rahmens von bis zu 250,00 € bzw. hier wegen der Offenbarung personenbezogener Daten 500,00 € angemessen, erforderlich und ausreichend. Dabei sei berücksichtigt worden, dass die Klägerin ihre Verschwiegenheitsverpflichtung offenkundig nicht akzeptiere und sich als einzelne Gemeinderätin die Entscheidung darüber vorbehalte, was geheimhaltungsbedürftig sei und was nicht. Dies zeige ein erhebliches Maß an Pflichtvergessenheit; der Klägerin stehe kein Selbsteintrittsrecht zu, wenn sie mit Beratungsinhalt und Beschlussfassung nicht einverstanden sei. Zu ihren Gunsten sei aber zu berücksichtigen, dass der Verstoß bereits einige Zeit zurückliege. Ihre finanzielle Leistungsfähigkeit werde, soweit bekannt, nicht überschritten.
10
Der Bescheid wurde der Klägerin am 16. März 2018 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt.
11
Mit Schriftsatz vom 22. März 2018, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 23. März 2018, erhob die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 13. März 2018 und begehrte dessen Aufhebung.
12
Die in ihrem Schreiben an den Bauamtsleiter vom 13. November 2015 enthaltenen Informationen seien nicht Inhalt und Bestandteil der nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung vom 9. November 2015 gewesen. Mindestens seit 2008 sei im Gemeinderat und in der Öffentlichkeit über die Wiedereinstellung eines Ingenieurs für das Bauamt der Beklagten diskutiert worden. Im Rechnungsprüfungsausschuss, dem die Klägerin von 2008 bis 2014 angehört habe, sei der Bauamtsleiter des Öfteren hierauf angesprochen worden. Dass die Klägerin eine solche Einstellung begrüße, sei diesem seitdem bekannt. Dies stelle keinen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht dar. Die Klägerin habe in ihrem Schreiben vom 13. November vielmehr gerade nicht über den Inhalt der Sitzung vom 9. November 2015 gesprochen, sondern dem Bauamtsleiter schriftlich Fragen gestellt. Das Schreiben beinhalte nichts, was der Adressat nicht gewusst habe oder hätte wissen müssen. Als Bauamtsleiter habe er Zugriff auf die Tagesordnungen auch der nichtöffentlichen Sitzungen und damit auch auf die zu behandelnden Tagesordnungspunkte. Dass die Personalsachbearbeiterin der Beklagten der Auffassung sei, der Bauamtsleiter sei als technischer Angestellter tätig und der geschäftsleitende Beamte der Beklagten der Meinung sei, dieser sei als Bauamtsleiter eingestellt worden, hätten diese in und außerhalb von Sitzungen kundgetan; dies sei sicher kein Geheimnis für den Bauamtsleiter. Unter Mitarbeitern der Beklagten sei das Gerücht aufgekommen, der Bauamtsleiter solle „abgesägt“ werden, weswegen bei der Klägerin die Alarmglocken geklingelt hätten. Als Teil des Arbeitgebers Gemeinde sehe sie eine Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitern. Bei einer allgemein gehaltenen Nachfrage ihrerseits bei der Gewerkschaft sei die Möglichkeit eines Änderungsvertrages zur Gehaltsrückstufung angesprochen worden. Dies sei aber nicht Inhalt der Gemeinderatssitzung vom 9. November 2015 gewesen. Aus dem streitgegenständlichen Bescheid ergebe sich nicht, welche Inhalte der Sitzung bzw. Beschlussfassung die Klägerin offenbart habe. Der streitgegenständliche Bescheid sei daher aufzuheben.
13
Mit Schriftsatz vom 9. April 2018 beantragte der Beklagtenbevollmächtigte,
14
Mit weiterem Schriftsatz vom 16. April 2018 trug die Klägerin ergänzend vor, der Bauamtsleiter habe - noch vor den Mitgliedern des Gemeinderates - Kenntnis von der Tagesordnung auch der nichtöffentlichen Sitzung vom 9. November 2015 und damit auch von dem Tagesordnungspunkt „Stellenplan 2016“ gehabt. Die Beklagte könne in ihrem elektronischen Archivierungssystem nachvollziehen, wer wann auf welche Dokumente zugegriffen habe und eine entsprechende Protokollierung vorlegen.
15
Unter dem Datum vom 25. April 2018 erwiderte der Beklagtenbevollmächtigte, die Klägerin habe mit ihrem Schreiben vom 13. November 2015 dem Bauamtsleiter Inhalte und Beschlussfassungen aus der nichtöffentlichen Sitzung bekanntgemacht, die diesem zu diesem Zeitpunkt noch nicht eröffnet worden oder sonst bekannt geworden waren. Dies sei bewusst und gewollt geschehen, weil die Klägerin sich hierzu berechtigt, gar verpflichtet gehalten habe. Derartige Personalangelegenheiten gehörten typischerweise zu den Gegenständen, die der Verschwiegenheitspflicht unterlägen. Der Bauamtsleiter sei entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht berechtigt, über die EDV der Beklagten die Beschlussvorbereitungen für eine Gemeinderatssitzung oder die danach erstellten Beschlussprotokolle im nichtöffentlichen Teil einzusehen. Somit fehle es an der von Klägerseite behaupteten Offenkundigkeit. Der Klägerin habe kein Selbsteintrittsrecht oder Selbsthilferecht hinsichtlich des dem ersten Bürgermeister obliegenden Vollzugs der Beschlüsse des Gemeinderates zugestanden. Sie habe vielmehr bewusst und gewollt gegen ihre Verschwiegenheitspflicht verstoßen. Die Höhe des Ordnungsgeldes sei angemessen und berücksichtige die Einzelfallumstände.
16
Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2018 trug der Beklagtenbevollmächtigte ergänzend vor, der Bauamtsleiter der Beklagten habe unter dem von ihr verwendeten Dokumentenmanagementsystem „REGISAFE“ keinerlei Zugriff auf den Bereich die Stellenpläne im Bereich der Personalverwaltung und habe hierauf auch tatsächlich keinen Zugriff genommen. Insoweit werde auf ein beigefügtes Protokoll zur entsprechenden Ordnergruppe verwiesen. Die Beklagte verfüge auch über ein sogenanntes „Ratsinformationssystem“, welches den Gemeinderatsmitgliedern Zugriff auf Informationen für die Gemeinderatssitzung ermögliche. Dort würden aber ausschließlich gescannte Papierdokumente oder elektronische Dokumente eingestellt, die den Gemeinderäten zur Vorbereitung dienten. Ein weitergehender Zugriff auf Dokumente der Beklagten sei damit nicht verbunden.
17
Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2018 zeigte sich der Bevollmächtigte der Klägerin an und führte zur Klagebegründung unter dem Datum vom 26. Juni 2018 aus, der entscheidungserhebliche Sachverhalt werde in der Begründung des streitgegenständlichen Bescheides nicht hinreichend konkret benannt. Vielmehr bleibe die eigentliche Verletzungshandlung im Dunkeln, es werde nur allgemein darauf verwiesen, es seien unter dem Tagesordnungspunkt „Stellenplan 2016“ Personalangelegenheiten behandelt worden und es seien Beratungen und Beschlussfassungen erfolgt. Welche Aussagen aus der nichtöffentlichen Sitzung vom 9. November 2015 von der Klägerin konkret offenbart worden seien sollen, bliebe unklar. Es sei nicht belegt, dass der Inhalt des Schreibens der Klägerin vom 13. November 2015 aus dem nichtöffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung vom 9. November 2015 stamme. Die bevorstehende Einstellung eines Ingenieurs sei zudem offenkundig und allseits bekannt gewesen. Die außerdem im Schreiben der Klägerin enthaltenen Ratschläge zum zukünftigen Verhalten seien nicht Gegenstand der nichtöffentlichen Sitzung gewesen. Es fehle an einem Nachweis dafür, welche Aussagen aus der nichtöffentlichen Sitzung die Klägerin offenbart haben soll. Im Hinblick auf die inzwischen vergangene Zeit sei eine konkrete Benennung des Sachverhaltes umso erforderlicher. Sollte die Beklagte nunmehr behaupten, der Umstand, dass ein Ingenieur eingestellt werden sollte, sei der maßgebliche offenbarte Sachverhalt, gehe dies über eine Ergänzung der Ermessenserwägungen hinaus, da damit der einzig konkrete Sachverhalt erstmals vorgetragen würde. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass die Klägerin nicht die breite Öffentlichkeit, sondern einen einzelnen Gemeindemitarbeiter, der seinerseits zur Verschwiegenheit verpflichtet sei, informiert habe. Im Hinblick darauf, dass zwischen dem von Beklagtenseite behaupteten Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht und dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheides etwa zweieinviertel Jahre vergangen seien, sei die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nicht verhältnismäßig. Es sei davon auszugehen, dass in der Zwischenzeit etwa 25 Gemeinderatssitzungen stattgefunden hätten, bei denen keine Verstöße der Klägerin vorgekommen seien. Im Zeitpunkt des Bescheidserlasses habe also kein Anlass bestanden, auf die Klägerin hinsichtlich der Einhaltung ihrer Verschwiegenheitspflicht einzuwirken. Der Zeitablauf sei nicht für die Höhe des Ordnungsgeldes maßgeblich, da dieser die Schwere des Tatvorwurfes nicht beeinflusse.
18
Dem Bescheid stehe zudem der Grundsatz der Verwirkung entgegen. Die Beklagte habe zunächst gar nichts unternommen. Zudem sei das Schreiben der Klägerin vom 13. November 2015 bereits Gegenstand der Gemeinderatssitzung vom 18. Januar 2016 gewesen. Der erste Bürgermeister habe der Klägerin in dieser Sitzung eine Rüge ausgesprochen, die aber nicht in die Niederschrift aufgenommen worden sei. Erst etwa ein Jahr später sei das Thema Verschwiegenheitspflicht erneut - nicht aber hinsichtlich des Briefes der Klägerin vom 13. November 2015 - aufgegriffen worden. Am 31. Januar 2017 habe die Beklagte offenbar Material für ein Ordnungsgeld gegen die Klägerin gesammelt; das Schreiben vom 13. November 2015 sei dabei nur einer von vier möglichen Sachverhalten gewesen. Erst am 11. Mai 2017 habe eine Anhörung der Klägerin stattgefunden, ohne dass dabei der konkrete Tatvorwurf hinreichend bestimmt gewesen wäre. Da einerseits in der Gemeinderatssitzung vom 18. Januar 2016 eine Rüge ausgesprochen worden sei und andererseits die Beklagte im Januar 2017 selbst noch nicht gewusst habe, welchen Sachverhalt man der Klägerin vorwerfen wolle und ob eine Verschwiegenheitspflichtverletzung vorgelegen habe, sei auch das Umstandsmoment der Verwirkung gegeben. Allein die über einjährige Untätigkeit der Beklagten im Bewusstsein monatlicher Gemeinderatssitzungen mit der potentiellen Gefahr eines Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht seien ausreichend, um bei der Klägerin das Vertrauen darauf zu wecken, dass kein Ordnungsgeld verhängt werde. Während der Beratung in der Gemeinderatssitzung am 11. September 2017 habe die Klägerin am Ende des Stockwerksflures gestanden und dennoch die Wortbeiträge von Verwaltung und Gemeinderatsmitglieder hören können. Dabei habe keine fachliche Abwägung stattgefunden, sondern es sei vielmehr deutliche Missgunst gegenüber der Klägerin zum Ausdruck gekommen.
19
Der Beklagtenbevollmächtigte erwiderte hierauf mit Schriftsatz vom 3. August 2018, der streitgegenständliche Bescheid sei ausführlich begründet, das bestehende Ermessen sei erkannt und ordnungsgemäß ausgeübt worden. Der Klägerin sei stets klar gewesen, worum es konkret gehe. Die Verletzungshandlungen seien im Bescheid größtenteils als wörtliches Zitat wiedergegeben. Auch die Wiedergabe des Umstandes, dass die Einstellung eines Ingenieurs für das Bauamt erfolgen solle, sei am 13. November 2015 geheimhaltungsbedürftig gewesen. Die Klägerin stelle durchgängig bis heute jede Pflichtverletzung in Abrede und fühle sich offenbar im Recht. Gerade deswegen sei die Verhängung eines Ordnungsgeldes notwendig. Die Klägerin habe viele Gelegenheiten, für Klarheit zu sorgen und ihr Fehlverhalten aus der Welt zu schaffen, nicht genutzt. Deshalb sei auch nach längerem Zeitabstand ein Ordnungsgeld erforderlich, angemessen und verhältnismäßig. Eine Verwirkung komme generell, aber auch wegen des Verhaltens der Klägerin nicht in Betracht.
20
Der Klägerbevollmächtigte führte hierzu unter dem Datum vom 19. September 2018 aus, die Beklagte teile nicht mit, welche Aussagen aus dem Brief vom 13. November 2015 der Geheimhaltung bedurft hätten. Der Brief enthalte keine Inhalte aus der nichtöffentlichen Sitzung.
21
Mit Schriftsätzen vom 30. Oktober 2019 bzw. 18. November 2019 verzichteten die Beteiligten auf eine mündliche Verhandlung. Der Beklagtenbevollmächtigte legte mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2019 das Beschlussprotokoll der Gemeinderatssitzung vom 9. November 2015 und den Stellenplan 2016 vor.
22
Ergänzend wird nach § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
23
1. Über die Klage kann nach § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
24
2. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid vom 13. März 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
25
a) Rechtsgrundlage für die hier streitgegenständliche Festsetzung eines Ordnungsgeldes ist Art. 20 Abs. 4 Satz 1 GO. Danach kann, wer den Verpflichtungen nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GO schuldhaft zuwiderhandelt, mit einem Ordnungsgeld bis zu 250,00 €, bei unbefugter Offenbarung personenbezogener Daten bis zu 500,00 € belegt werden. Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GO haben ehrenamtlich tätige Personen über die ihnen bei dieser Tätigkeit bekanntgewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren; das gilt nicht für Mitteilungen im amtlichen Verkehr und über Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen.
26
b) Der streitgegenständliche Bescheid ist in formeller Hinsicht rechtmäßig. Er beruht auf einem Beschluss des hierfür nach Art. 29 GO zuständigen Gemeinderates vom 12. März 2018. Die Klägerin wurde vor seinem Erlass nach Art. 28 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) angehört.
27
c) Der Bescheid der Beklagten vom 13. März 2018 begegnet auch in materiell-rechtlicher Hinsicht keinen Bedenken.
28
aa) Der streitgegenständliche Bescheid ist inhaltlich ausreichend bestimmt. Ein Verwaltungsakt ist hinreichend bestimmt, wenn insbesondere die durch ihn getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig ist, dass für den Adressaten ohne weiteres erkennbar ist, was genau von ihm gefordert wird, und wenn er sein Verhalten danach richten kann und andererseits die Behörden, die mit dem Vollzug betraut sind oder für deren sonstiges Verwaltungshandeln der Verwaltungsakt von Bedeutung ist, seinen Inhalt etwaigen Vollstreckungshandlungen (Titelfunktion) oder sonstigen Entscheidungen zugrunde legen können (Tiedemann in: BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, 46. Edition, Stand: 1.1.2020, § 37, Rn. 1 m.w.N.). Dabei bezieht sich das Bestimmtheitserfordernis nur auf den verfügenden Teil des Verwaltungsaktes einschließlich aller Nebenbestimmungen; nicht dem Bestimmtheitsgebot unterworfen ist dagegen alles, was nicht zum verfügenden Teil gehört. So muss insbesondere die Begründung des Verwaltungsaktes nicht hinreichend bestimmt sein, da sie seine Regelungswirkung unangetastet lässt (Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 37, Rn. 3 m.w.N.). Der verfügende Teil des hier streitgegenständlichen Bescheides ist offensichtlich inhaltlich bestimmt. Im Bescheidstenor wird gegenüber der Klägerin ein Ordnungsgeld in bestimmter Höhe festgesetzt und die Fälligkeit der Zahlung geregelt, ohne dass dabei Spielraum für Zweifel bestünde.
29
Aus dem Bescheid der Beklagten vom 13. März 2018 geht darüber hinaus aber auch eindeutig hervor, dass die - in der Bescheidsbegründung wörtlich wiedergegebenen - Textpassagen einen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht der Klägerin aus Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GO darstellen, der nach Art. 20 Abs. 4 Satz 1 GO mit einem Ordnungsgeld geahndet wird. In der Begründung des Bescheides heißt es hierzu ausdrücklich: „Durch Ihr Schreiben vom 13. November 2015 haben Sie als Mitglied des Gemeinderats bei einer Ihnen bekanntgewordenen und nichtöffentlichen Angelegenheit, nämlich der Personal- und Stellenangelegenheit ‚Bauamt - Tiefbau, Straßenbaulast und Bauhof‘, die der gemeindliche Mitarbeiter … innehat, die erforderliche Verschwiegenheit diesem gegenüber nicht gewahrt, sondern ihn brieflich über Inhalte der Beratung und Beschlussfassung informiert. Mit diesen Äußerungen haben Sie Inhalte und Beschlussfassungen des Gemeinderats … aus einer nichtöffentlichen Sitzung an einen gemeindlichen Bediensteten zeitnah weitergegeben, der nicht Mitglied des Gemeinderates ist, aber selbst inhaltlich davon betroffen ist, ohne dass ihm die Beschlussvorlagen, die Inhalte und mögliche Veränderungen zu diesem Zeitpunkt persönlich bekannt waren“. Daraus geht eindeutig hervor, dass sich die der Klägerin vorgeworfene Verletzung der Verschwiegenheitspflicht konkret auf die Mitteilung von Inhalten der Beratung und der Beschlussfassung im Gemeinderat hinsichtlich der Personal- und Stellenangelegenheit „Bauamt - Tiefbau, Straßenbaulast und Bauhof“ bezieht. An der inhaltlichen Bestimmtheit bestehen damit auch im Hinblick auf das mit dem festgesetzten Ordnungsgeld geahndete Verhalten der Klägerin keine Zweifel.
30
bb) Die insoweit maßgeblichen Informationen, nämlich die entsprechende Beratung und Beschlussfassung zu der genannten Personalangelegenheit, hat die Klägerin im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als Mitglied des Gemeinderates der Beklagten in einer nichtöffentlichen Sitzung erfahren. Dabei handelte es sich nicht um eine Mitteilung im amtlichen Verkehr i.S.d. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GO, also nicht nur um einen Informationsaustausch zwischen Behörden (vgl. Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Stand: Juni 2019, Art. 20, Rn. 5).
31
cc) Die Tatsachen, die die Klägerin offenbart hat, waren auch geheimhaltungsbedürftig.
32
Dabei stellt zwar Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GO hinsichtlich des Bestehens einer Verschwiegenheitspflicht nicht darauf ab, ob der geheimhaltungsbedürftige Umstand dem ehrenamtlich Tätigen in nichtöffentlicher Sitzung bekannt geworden ist; vielmehr regelt die Norm eigenständig die Voraussetzungen, unter denen Gemeinderatsmitglieder Verschwiegenheit zu bewahren haben. Die Behandlung in nichtöffentlicher Sitzung stellt dabei ein starkes Indiz für das Bestehen einer Verschwiegenheitspflicht der Gemeinderatsmitglieder dar; es ist auch nicht Sache des einzelnen Gemeinderates, darüber zu befinden, ob die Behandlung eines Tagesordnungspunktes zu Recht in nichtöffentlicher Sitzung erfolgt ist. Gleichwohl ist aber im Einzelfall zu prüfen, ob und inwieweit die Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GO erfüllt sind (vgl. dazu zutreffend und instruktiv Mösbauer in: KommunalPraxis Bayern 2000, 409 f. m.w.N.). Bei den hier maßgeblichen Informationen handelte es sich aber unzweifelhaft um geheimhaltungsbedürftige Angelegenheiten. Die Beratung und Abstimmung über Personalangelegenheiten einzelner Gemeindebediensteter betrifft jedenfalls berechtigte Ansprüche Einzelner i.S.d. Art. 52 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 GO, die den Ausschluss der Öffentlichkeit bei einer Sitzung des Gemeinderates erfordern (vgl. Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Stand: Juni 2019, Art. 52, Rn. 12; Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung, Stand: September 2019, Art. 52 GO, Erl. 4). Zu Recht erfolgte deren Behandlung daher im nichtöffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung der Beklagten vom 9. November 2015. Die entsprechenden Informationen waren im Hinblick auf die dabei betroffenen berechtigten Ansprüche Einzelner auch geheimhaltungsbedürftig i.S.d. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GO. Dies waren sie auch noch im Zeitpunkt ihrer Offenbarung durch die Klägerin durch ihren Brief vom 13. November 2015. Denn auch in diesem Zeitpunkt waren die Voraussetzungen für die Geheimhaltungsbedürftigkeit nicht entfallen, insbesondere nicht etwa dadurch, dass bereits mit dem Vollzug des beschlossenen Stellenplanes begonnen worden wäre. Auch ist es nicht Sache des einzelnen Gemeinderatsmitglieds, selbst über den Wegfall der Geheimhaltungsgründe zu befinden, sondern hierüber hat der Gemeinderat - wie auch über die Behandlung in nichtöffentlicher Sitzung nach Art. 52 Abs. 2 Satz 2 GO - zu entscheiden (Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Stand: Juni 2019, Art. 20, Rn. 12 m.w.N.).
33
Bei den von der Klägerin mitgeteilten Informationen handelte es sich auch nicht um offenkundige Umstände. Offenkundig sind Tatsachen, die jedermann, also nicht nur ein beschränkter Personenkreis in Erfahrung bringen kann; nicht entscheidend ist, ob die Tatsache tatsächlich große Publizität erlangt hat (Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Stand: Juni 2019, Art. 20, Rn. 8; Glaser in: Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand: Mai 2018, Art. 20, Rn. 4). Dies war bei den hier in Rede stehenden Tatsachen gerade nicht der Fall. Zwar hat die Klägerseite darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit der Schaffung einer weiteren Stelle für die Bauverwaltung der Beklagten seit Längerem diskutiert worden sei. Bei den von der Klägerin offenbarten Informationen handelte es sich aber um den konkreten Beschluss des Gemeinderates der Beklagten, von dieser Möglichkeit nun Gebrauch zu machen. Gerade der Umstand, dass der Gemeinderat in der zuvor offenbar seit längerem umstrittenen Frage nun eine Entscheidung getroffen hat, war nicht für jedermann bekannt oder in Erfahrung zu bringen.
34
Der Einwand der Klägerseite, dass der Adressat des Schreibens der Klägerin vom 13. November 2015 als Mitarbeiter der Beklagten seinerseits selbst zur Verschwiegenheit über im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit bekanntgewordene Tatsachen gewesen sei, geht an der Sache vorbei. Dieser Umstand vermag nichts daran zu ändern, dass die Klägerin auch und gerade ihm gegenüber als unbeteiligtem Dritten zur Verschwiegenheit verpflichtet war. Dürften Tatsachen, die der Verschwiegenheitspflicht nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GO unterliegen, an jeden beliebigen Dritten mitgeteilt werden, solange dieser rein formal in irgendeiner Weise selbst zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, liefe die Vorschrift letztlich leer.
35
dd) Die von der Klägerin mitgeteilten Tatsachen waren dem Adressaten ihres Schreibens vom 13. November 2015 auch noch nicht bekannt. Auch wenn dieser als leitender Mitarbeiter der Beklagten tätig war, so hatte er dennoch keinen Zugriff auf die maßgebliche Beschlussvorlage zum Stellenplan der Beklagten für das Jahr 2016. Dies ergibt sich aus den vom Beklagtenbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 1. Juni 2018 mitgeteilten Angaben zur Regelung des Dokumentenzugriffs in dem von der Beklagten verwendeten Dokumentenmanagementsystem. Diese werden belegt durch die ebenfalls vorgelegte Protokollierung der Dateizugriffe. Die Beklagte ist schon aus datenschutzrechtlichen Gründen gehalten, Personalangelegenheiten nur denjenigen Mitarbeitern zugänglich zu machen, die unmittelbar mit diesem Aufgabenkreis betraut sind. Vor diesem Hintergrund ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, wie der Bauamtsleiter der Beklagten vor dem Erhalt des Schreibens der Klägerin vom 13. November 2015 von den streitgegenständlichen Tatsachen hätte Kenntnis erlangen sollen.
36
ee) Der Klägerin war bekannt, dass es sich bei den von ihr mit ihrem Schreiben vom 13. November 2015 mitgeteilten Tatsachen um geheimhaltungsbedürftige Informationen handelte. Denn die Beratung und Beschlussfassung hierzu hatte im nichtöffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung vom 9. November 2015 stattgefunden. Die dem fraglichen Tagesordnungspunkt zugrundeliegende Beschlussvorlage war ausdrücklich als „Stellenplan 2016 vertraulich“ gekennzeichnet. Die Klägerin teilte die genannten Inhalte der nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung dennoch gezielt dem Bauamtsleiter der Beklagten schriftlich mit, nachdem eine telefonische Kontaktaufnahme nicht zustande gekommen war. Sie handelte damit vorsätzlich, also schuldhaft i.S.d. Art. 20 Abs. 4 Satz 1 GO.
37
Dieser schuldhafte Pflichtverstoß kann auch nicht durch eine von der Klägerin angenommen Fürsorgepflicht gegenüber dem Adressaten ihres Schreibens vom 13. November 2015 gerechtfertigt werden. Denn eine entsprechende Fürsorgepflicht obliegt ausschließlich dem Dienstherrn bzw. Arbeitgeber. Der Klägerin als einzelnem Gemeinderatsmitglied steht es insoweit nicht zu, nach eigener Entscheidung für die Gemeinde tätig zu werden.
38
ff) Die Ermessensentscheidung der Beklagten begegnete keinen im Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO vom Gericht zu berücksichtigenden rechtlichen Bedenken. Dies gilt sowohl für das „Ob“ einer Ahndung des Verstoßes der Klägerin gegen ihre Verschwiegenheitspflicht mit einem Ordnungsgeld als auch in Bezug auf dessen Höhe.
39
Der Verstoß der Klägerin gegen ihre Verschwiegenheitspflicht wurde insbesondere nicht durch eine bereits erfolgte Rüge für die Ahndung durch ein Ordnungsgeld „verbraucht“. Zwar kann anstelle eines Ordnungsgeldes nach Art. 20 Abs. 4 Satz 1 GO als milderes Mittel auf gleicher Rechtsgrundlage grundsätzlich auch eine Rüge ausgesprochen werden (vgl. BayVGH, U.v. 23.10.1998 - 4 ZB 98.2589 - juris). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verbietet es, ein Verhalten, das bereits zu einer Rüge auf Grundlage des Art. 20 Abs. 4 Satz 1 GO geführt hat, erneut durch ein Ordnungsgeld zu ahnden. Wie die Festsetzung eines Ordnungsgeldes obliegt aber auch die Entscheidung, eine Rüge auszusprechen, der Entscheidung durch den Gemeinderat, Art. 29 GO. Es mag sein, dass der erste Bürgermeister der Beklagten, wie von Klägerseite angeführt, das Verhalten der Klägerin in der Gemeinderatssitzung vom 18. Januar 2018 ihr gegenüber kritisiert hat. Ein dahingehender Gemeinderatsbeschluss, ihr eine förmliche Rüge als Ahndung i.S.d. Art. 20 Abs. 4 Satz 1 GO auszusprechen, liegt aber ersichtlich nicht vor. Somit kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch die Klägerin bereits förmlich geahndet worden wäre.
40
Auch war eine Festsetzung eines Ordnungsgeldes nicht nach den Grundsätzen der Verwirkung ausgeschlossen. Dabei kann es dahinstehen, ob die Befugnis der Beklagten zur Ahndung eines schuldhaften Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht überhaupt der Verwirkung unterliegt oder diese hier - ähnlich wie im Bereich der Gefahrenabwehr - grundsätzlich ausgeschlossen ist (vgl. zu Letzterem etwa BVerwG, B.v. 28.2.2008 - 7 B 12.08 - juris Rn. 7). Denn trotz der zwischen dem Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht und seiner Ahndung durch ein Ordnungsgeld vergangenen Zeit fehlt es insoweit jedenfalls am neben dem Zeitablauf ebenso erforderlichen sogenannten Umstandsmoment. Eine bloße Untätigkeit auch über einen längeren Zeitraum hinweg genügt hierfür jedenfalls nicht. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die die spätere Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser seinen Anspruch nach längerer Zeit nicht mehr geltend machen würde, und wenn er sich infolge seines Vertrauens so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2012 - 8 C 4.11 - juris Rn. 86 m.w.N.). Daran fehlt es hier schon deswegen, weil die Beklagte gegenüber der Klägerin immer wieder zum Ausdruck gebracht hat, ihr Verhalten nicht akzeptieren zu wollen. In diesem Sinne kann auch die von der Klägerin als „Rüge“ aufgefasste Kritik durch den ersten Bürgermeister in der Gemeinderatssitzung am 18. Januar 2018 verstanden werden. Auch wenn der Erlass des streitgegenständlichen Bescheides letztlich erst am 13. März 2018 erfolgte, musste die Klägerin spätestens mit Erhalt des Anhörungsschreibens der Beklagten vom 11. Mai 2017 davon ausgehen, dass diese die Sache nicht auf sich beruhen lassen werde. Insgesamt hat sich die Beklagte zu keinem Zeitpunkt so verhalten, dass ein berechtigtes Vertrauen der Klägerin darauf hätte entstehen können, dass ihr schuldhaftes Fehlverhalten nicht mehr geahndet werden würde. Daran ändert es auch nichts, dass die Klägerin in der Zwischenzeit weiter an den Sitzungen des Gemeinderates der Beklagten teilnahm, denn hierzu war sie nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 GO verpflichtet.
41
Die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes von 150,00 € hält den Rahmen des Art. 20 Abs. 4 Satz 1 GO ein. Die Erwägungen der Beklagten zur Bemessung des Ordnungsgeldes sind im Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO nicht zu beanstanden.
42
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO hinsichtlich der Vollstreckung durch die Beklagte bedurfte es angesichts ihrer allenfalls geringen vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen nicht, zumal sie auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.