Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 22.06.2020 – W 8 K 20.319
Titel:

Erfolglose Klage auf Bewilligung von Jungwuchspflege

Normenketten:
BayHO Art. 23, Art. 44
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Richtlinie für Zuwendungen zu waldbaulichen Maßnahmen im Rahmen eines forstlichen Förderprogramms begründet als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfaltet erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Für die gerichtliche Prüfung einer Förderung ist deshalb entscheidend, wie die Behörde des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aufgrund des freiwilligen Charakters einer Förderung und dem weiten Ermessen des Förderungsgebers bei der Aufstellung von Förderrichtlinien, ist eine entsprechende Nachprüfung nur im Hinblick auf eine möglicherweise willkürliche Ungleichbehandlung potentieller Förderungsempfänger eröffnet, nicht aber in Form einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verpflichtungsklage, Bewilligung der Jungwuchspflege, Prämienzahlung, Antragsberechtigung des Bewirtschafters, fehlende forstfachliche Notwendigkeit der Jungwuchspflege, Bewilligung, ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften, Jungwuchspflege, Haushaltsmittel, Gleichbehandlungsgrundsatz, Verwaltungspraxis, Zuwendung, Zuwendungszweck, Förderrichtlinie, Gleichheitssatz
Fundstelle:
BeckRS 2020, 19437

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Bewilligung der Förderung der Jungwuchspflege und die Prämienzahlung wegen Jungwuchspflege in Bezug auf die Grundstücke Fl.Nrn. 3268 und 3270 der Gemarkung L.
2
Eigentümer der Grundstücke Fl.Nrn. 3268 und 3270 der Gemarkung L. ist der Sohn des Klägers. Der Kläger stellte in Bezug auf diese Grundstücke beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (im Folgenden: AELF) Karlstadt wiederholt Antrag auf Jungwuchspflege, zuletzt mit Antrag vom 10. August 2019.
3
Ein Antrag des Klägers nach § 123 VwGO auf vorläufige Bewilligung der Jungwuchspflege wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 19. Dezember 2018 (W 8 E 18.1580) abgelehnt.
4
Der Kläger erhob mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2019, eingegangen bei Gericht am 31. Dezember 2019 Klage. Zur Begründung wurde vorgebracht, für die Fl.Nrn. 3268 und 3270 sei die Jungwuchspflege am 10. Juni 2019 beantragt worden. Trotz Erinnerung sei keine Reaktion gekommen. Da die Eichelsaat übermächtig geworden sei, sei eine Ausdünnung dringend geworden, um die Zukunftsbäume zu fördern. Diese Arbeiten seien jetzt dringend zu erledigen und nicht in der Vogelbrutzeit. In der Sache sei ein neutraler Gutachter einzusetzen, da vom AELF keine sachgemäße Arbeit erwartet werde. Es werde beantragt, die Fälle nach den damals gültigen Richtlinien zu erledigen. Bezüglich der Erstaufforstung Fl.Nr. 3270 der Gemarkung L. habe der Sachbearbeiter rechtswidrig mit falschen Angaben den Bewilligungsbescheid aufgehoben. Er habe vorgegeben, nicht gewusst zu haben, dass der Bevollmächtigte das Grundstück nicht bewirtschaftet habe, obwohl dies im Antrag vom 16. Oktober 2000 ordnungsgemäß angegeben worden sei. Aufgrund dieser Angabe sei nicht die große Prämie ausgewiesen worden, sondern nur die kleine Prämie. Es sei Klage geboten zur Richtigstellung und Prämienauszahlung wie ausgewiesen, da noch nichts ausbezahlt worden sei. In Bezug auf die Erstaufforstung auf Fl.Nr. 3268 seien trotz neuer Aufforderung an das AELF, die Sache zu erledigen, die laufende und die Nachpflanzprämie offen.
5
Mit Schriftsatz vom 23. März 2020 wies der Kläger darauf hin, dass er bei den Fl.Nrn. 3268 und 3270 der Bewirtschafter sei und Anspruch auf alle Zuschüsse habe. Herr G.T. sei nur der Besitzer und habe mit der Sache nichts zu tun. Er könne auch keine Klage führen.
6
Das AELF Karlstadt, Außenstelle Lohr, erwiderte für den Beklagten mit Schriftsatz vom 23. Januar 2020 im Verfahren W 8 K 19.1727 / W 8 E 19.1726, im Wesentlichen Folgendes: Dem Kläger sei mehrfach mitgeteilt worden, dass aus forstfachlicher Sicht zurzeit keine Jungwuchspflege auf diesen Flächen notwendig und damit eine derartige Maßnahme nicht förderfähig sei. Auch zu den erhobenen Prämienansprüchen sei in den vergangenen Jahren mehrfach Stellung genommen worden. Von einer Nichtbehandlung dieser Angelegenheit könne daher keine Rede sein.
7
In der mündlichen Verhandlung am 22. Juni 2020 beantragte der Kläger:
8
Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für die Fl.-Nrn. 3268 und 3270 der Gemarkung L* … eine Förderung für die Jungwuchspflege zu bewilligen und die entsprechenden Prämien auszuzahlen.
9
Die Beklagtenvertreter beantragten,
die Klage abzuweisen.
10
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Verfahren W 5 K 13.656, W 8 K 19.1726 und des Eilverfahrens W 8 E 19.1727 sowie des Eilverfahrens des Sohns des Klägers W 8 E 20.284) sowie den beigezogenen Auszug aus der Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11
Die Klage hat keinen Erfolg.
12
Es kann hier dahinstehen, ob es sich vorliegend mangels förmlicher Entscheidung über den klägerischen Antrag durch die Behörde um eine Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO handelt oder ob in den Schreiben des AELF Karlstadt vom 25. September 2019 bzw. 30. Oktober 2019, wonach aus forstfachlicher Sicht auf den betreffenden Flächen zurzeit keine Jungwuchspflege notwendig und damit eine derartige Maßnahme nicht förderfähig ist, ein Verwaltungsakt zu sehen ist. In letzterem Fall läge eine Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1 VwGO vor, welche mangels erfolgter Rechtsbehelfsbelehrung:nicht verfristet ist (vgl. § 58 Abs. 2 VwGO). In beiden Fällen ist die Klage zulässig.
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Die Klage ist jedoch unbegründet.
14
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Bewilligung der Jungwuchspflege und Prämienzahlung (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
15
Bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige Maßnahmen des Freistaates Bayern. Eine explizite Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch des Klägers auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinien. Die Förderrichtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Das Gericht ist somit grundsätzlich an den Zuwendungszweck gebunden, wie ihn der Zuwendungsgeber versteht. Für die gerichtliche Prüfung einer Förderung ist deshalb entscheidend, wie die Behörde des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris Rn. 26; U.v. 28.10.1999 - 19 B 96.3964 - juris Rn. 59; VG München, U.v. 19.11.2009 - M 15 K 07.5555 - juris Rn. 30).
16
Vorliegend ist insbesondere die Richtlinie für Zuwendungen zu waldbaulichen Maßnahmen im Rahmen eines forstlichen Förderprogramms (WALDFÖPR 2018) einschlägig.
17
Die maßgeblichen Fördervoraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
18
Der Kläger ist zwar trotz seiner fehlenden Eigentümerstellung als Bewirtschafter grundsätzlich antragsberechtigt. So sind laut Nr. 3.1 Sätze 1 und 3 der Richtlinie für Zuwendungen zu waldbaulichen Maßnahmen im Rahmen eines forstlichen Förderprogramms (WALDFÖPR 2018 und 2020) Eigentümer(innen) sowie Bewirtschafter(innen) antragsberechtigt, wobei Maßnahmenträger und Antragstellerinnen bzw. Antragsteller, die nicht Eigentümerin oder Eigentümer der beantragten Förderfläche(n) sind, nur mit schriftlicher Einverständniserklärung der Eigentümerin oder des Eigentümers gefördert werden. Eine solche Einverständniserklärung des Sohns des Klägers liegt hier vor (vgl. Antrag „Förderung von waldbaulichen Maßnahmen“ vom 18. August 2018).
19
Die zu fördernde Maßnahme muss jedoch gemäß Nr. 4.2.1 der einschlägigen Förderrichtlinie WALDFÖPR 2018 forstfachlich notwendig und darauf ausgerichtet sein, standortgemäße, klimaangepasste Mischbestände zu schaffen.
20
Aufgrund des freiwilligen Charakters einer Förderung und dem weiten Ermessen des Förderungsgebers bei der Aufstellung von Förderrichtlinien, ist eine entsprechende Nachprüfung nur im Hinblick auf eine möglicherweise willkürliche Ungleichbehandlung potentieller Förderungsempfänger eröffnet, nicht aber in Form einer Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 - 10 C 1/17 - juris Rn. 15 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung des BVerfG; VG München, U.v. 28.8.2019 - M 31 K 19.203 - juris Rn. 15).
21
Aus dem Schreiben des Beklagten vom 23. Januar 2020 ergibt sich, dass aus forstfachlicher Sicht zurzeit keine Jungwuchspflege auf den Fl.Nrn. 3268 und 3270 erforderlich und damit eine derartige Maßnahme nicht förderfähig ist. Nach dem Vorbringen der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung weise das Grundstück Fl.Nr. 3270 der Gemarkung L. als junge Fläche noch keinen geschlossenen Bestand auf, auf dem die Voraussetzungen für eine Jungwuchspflege noch nicht gegeben seien. Bei der Fl.Nr. 3268 der Gemarkung L. sei die Höhe von 15 m bei den Bäumen überschritten gewesen, so dass nach den Richtlinien keine Förderfähigkeit mehr gegeben sei.
22
Gemäß Nr. 4.2.1 Satz 3 der WALDFÖPR 2018 (vgl. auch Nr. 4.3 Satz 8 der geltenden Förderrichtlinie WALDFÖPR 2020) trifft die Entscheidung über Notwendigkeit und Pflegeziel die Bewilligungsbehörde. Der Bewilligungsbehörde wird damit im Bewilligungsverfahren eine vorrangige Beurteilungskompetenz zugewiesen. Die Ausführungen der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung waren schlüssig und nachvollziehbar. Andere Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich, auch nicht in Bezug auf eine Abweichung von der ständigen Verwaltungspraxis. Ein Anlass zu einer Beweiserhebung durch Einholung eines Gutachtens eines externen Sachverständigen zur Frage der Erforderlichkeit der Jungwuchspflege auf den Fl.Nrn. 3268 und 3270 der Gemarkung L. besteht nicht.
23
Die Voraussetzungen für die Bewilligung der Förderung Jungwuchspflege liegen damit nicht vor.
24
Dies gilt auch für den Anspruch auf Prämienauszahlung in Bezug auf die erfolgte Erstaufforstung der streitgegenständlichen Grundstücke. Ein dem Kläger erteilter Bescheid auf Einkommensausgleich in Bezug auf das Grundstück Fl.Nr. 3270 der Gemarkung L. wurde vom damaligen Forstamt A* … wieder aufgehoben. Der Aufforstungsantrag des Klägers vom 10. Januar 2013 wurde vom Verwaltungsgericht Würzburg mit Urteil vom 10. April 2014 (W 5 K 13.565) abgewiesen. Eine Grundlage für die Prämienauszahlung ist somit nicht ersichtlich.
25
Auch in Bezug auf das Grundstück Fl.Nr. 3268 der Gemarkung L. ist unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen ein Anspruch auf Prämienzahlung nicht gegeben. Ein Antrag vom 22. März 2007 auf Förderung einer Nachbesserung auf diesem Grundstück wurde bereits mit Bescheid des AELF Karlstadt vom 10. Mai 2007 rechtskräftig abgelehnt (vgl. VG Würzburg, U.v. 13.12.2007 - W 5 K 07.1021).
26
Nach alldem war die Klage abzuweisen.
27
Die Kostenentscheidung des gerichtlichen Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
28
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.