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Vollzugshinweise anlässlich des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 8. Juli 2013

AllMBl. 2013 S. 345


2024.4-I
Vollzugshinweise anlässlich des Gesetzes zur Änderung
des Kommunalabgabengesetzes vom 8. Juli 2013
Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums
des Innern
vom 17. Juli 2013 Az.: IB4-1521.1-50
Am 1. August 2013 ist das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 8. Juli 2013 (GVBl S. 404, BayRS 2024-1-I) in Kraft getreten. Dazu weist das Staatsministerium des Innern auf Folgendes hin:

1. Sinn und Zweck der Neuregelung

Die Neuregelung ermöglicht es den Einrichtungsträgern, bei der Kalkulation von Benutzungsgebühren für ihre – insbesondere leitungsgebundenen – Einrichtungen nicht mehr nur von Anschaffungs- und Herstellungskosten, sondern auch von Wiederbeschaffungszeitwerten abzuschreiben, um so finanzielle Reserven für künftig entstehenden Kostenaufwand zu bilden.
Die Neuregelung beschränkt sich nicht auf die leitungsgebundenen Einrichtungen, soll aber hier wegen des erheblichen Investitionsbedarfs vornehmlich zur Anwendung kommen.
Vergleichbare Regelungen gibt es bereits in neun deutschen Flächenländern; die Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten ist auch in der Rechtsprechung dem Grunde nach anerkannt.

2. Zu Art. 8 Abs. 3 Satz 1 KAG

Die Streichung der Worte „von den Anschaffungs- und Herstellungskosten “ führt dazu, dass an dieser Stelle nunmehr lediglich grundsätzlich klargestellt wird, dass zu den bei der Kalkulation nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten (Art. 8 Abs. 2 Satz 1 KAG) insbesondere auch angemessene Abschreibungen und eine angemessene Verzinsung des Anlagekapitals gehören. Die Abschreibungsmethode bleibt offen, namentlich die Einengung auf eine Abschreibung von Anschaffungs- und Herstellungskosten entfällt.

3. Zu Art. 8 Abs. 3 Satz 2 KAG

Es werden wahlweise zwei Abschreibungsmethoden zugelassen – die Abschreibung von den Anschaffungs- und Herstellungskosten oder – neu – die Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten.

3.1 Definition

Unter dem Begriff „Wiederbeschaffungszeitwert “ ist der Betrag zu verstehen, der aufzuwenden wäre, wenn das Anlagegut zu den jeweils aktuellen Preisen neu gekauft würde. Das OVG Münster (Urteil vom 5. August 1994 Az.: 9 A 1248/92, NVwZ 1995,1233) definiert genauer. Unter dem Wiederbeschaffungszeitwert sei der Preis zu verstehen, der zum Bewertungszeitpunkt für die Erneuerung eines vorhandenen Vermögensgegenstandes durch einen solchen gleicher Art und Güte gezahlt werden müsste. Ein Gegenstand gleicher Güte ist ein neuwertiger Gegenstand des Anlagevermögens. Das Kriterium „gleiche Art “ verhindert, dass Preise andersartiger Güter angesetzt werden, etwa von Gütern, die inzwischen infolge des technischen Fortschritts anstelle der bisher eingesetzten verwandt werden. Die Kriterien „gleiche Art “ und „gleiche Güte “ sind bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungszeitwerts auf Grundlage der Indexmethode (siehe unten Nr. 3.3) ohne Weiteres erfüllt, da hier auf die vorhandenen Anlagegüter abgestellt wird.
Dies ist Ausdruck dessen, dass die Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten von der Rechtsprechung als Methode zur Substanzerhaltung der Anlage unter Berücksichtigung des Werteverzehrs gesehen wird (BVerwG, Beschluss vom 25. März 1985 Az.: 8 B 11/84, NVwZ 1985, 496).

3.2 Funktionsweise der Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten

Die Abschreibung auf Basis der Anschaffungs- und Herstellungskosten geht von den Preisen zum Zeitpunkt der Herstellung bzw. Anschaffung der Anlage aus: Kostete die Anlage beispielsweise 1 Mio. Euro und wird auf 50 Jahre abgeschrieben, können jährlich 20.000 Euro Abschreibungen in die Gebührenkalkulation eingestellt werden. Der Einrichtungsträger hat damit nach Ablauf der fünfzigjährigen Periode 1 Mio. Euro wieder zurückerhalten. Ein Betrag dieser Größenordnung wird dann aber aufgrund des üblicherweise gestiegenen Preisniveaus nicht ausreichen, um erneut eine entsprechende Anlage herzustellen. Beim Wiederbeschaffungszeitwert orientiert sich die Abschreibung an dem aktuellen Neupreis der spezifischen Anlagegüter. So werden Abschreibungserlöse erwirtschaftet, die auch nach Preissteigerungen den Einrichtungsträger besser in die Lage versetzen, die abgeschriebenen Güter neu zu beschaffen. Der Wiederbeschaffungszeitwert entfernt sich mit der Zeit kontinuierlich von den historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten (er ist höher als diese). Bei der Abschreibung von diesem Wert wird ein Ansparvolumen generiert, das – wegen der breiteren Abschreibungsbasis bei der Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten – der Differenz zwischen den beiden Abschreibungsmethoden (Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten – Abschreibung von Anschaffungs- und Herstellungskosten) entspricht. Mit zunehmender Alterung der Einrichtung steigen die vereinnahmten Mehrerlöse. Das ist sachgerecht, weil die Geldmittel gerade dann verstärkt benötigt werden, etwa zur Erneuerung von Anlagenteilen.
Dies soll anhand eines Berechnungsbeispiels verdeutlicht werden:
Ausgangsdaten:
Kanal Inbetriebnahme
1970
Anschaffungs- und Herstellungskosten (AHK)
1.000.000 €
Nutzungsdauer
50 Jahre
Berechnung Wiederbeschaffungszeitwert (WBZ) zum 31. Dezember 2012:
Grundlage:
Preisindizes für die Bauwirtschaft Deutschland
Basisjahr 2005 = 100
Sonstige Bauwerke, Entwässerungskanalarbeiten (Code 61261-0003)
Indizes einschließlich Umsatzsteuer
Quelle:
Statistisches Bundesamt Wiesbaden
Stand Februar 2013
Index Jahr der Inbetriebnahme (1970)
33,9
= Index 1
Index Berechnungsjahr (2012)
119,5
= Index 2
Wiederbeschaffungszeitwert
=
AHK x Index 2
=
1.000.000 € x 119,5
=
3.525.074 €
Index 1
33,9
Ermittlung der Abschreibungen:
Abschreibungssatz (in v. H.): 100 : Nutzungsdauer = 100 : 50 = 2
Abschreibungen:
– von AHK:
1.000.000 € x 2 % =
20.000 €
– von WBZ:
3.525.074 € x 2 % =
70.501 €
Differenz:
50.501 €

3.3 Ermittlung der Wiederbeschaffungszeitwerte

Der Anlagenbestand, dessen Anschaffungs- und Herstellungskosten und Nutzungsdauer können als bekannt vorausgesetzt werden, da die Einrichtungsträger schon bisher bei ihrer Gebührenkalkulation Abschreibungen von Anschaffungs- und Herstellungskosten zu berücksichtigen hatten (Art. 8 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 KAG a. F.).
Für die Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten sind diese Werte zum maßgeblichen Bewertungsstichtag zu ermitteln. Um aufwendige und kostenintensive Gutachten zu vermeiden, haben sich im Wesentlichen zwei Methoden herausgebildet:
die Indexmethode und
die Mengenmethode.
Bei der Indexmethode werden die historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten mit einem amtlichen Preisindex vervielfältigt, der die Preisentwicklung seit der letzten Anpassung wiedergibt. Diese Methode setzt voraus, dass der Anlagenbestand und dessen Anschaffungs- und Herstellungskosten möglichst genau ermittelt sind.
Bei der Mengenmethode werden sämtliche Vermögensgegenstände zum Bewertungsstichtag nach Art und Menge ermittelt und mit den zu diesem Zeitpunkt geltenden Einheitspreisen multipliziert. Diese Methode setzt voraus, dass Einheitspreise vorhanden sind, ist also etwa bei Sonderbauwerken nicht tauglich.
Praktisch relevant dürfte vor allem die Ermittlung von Wiederbeschaffungszeitwerten nach der Indexmethode sein.
Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 17. April 2002 Az.: 9 CN 1.01) leitet dabei aus der einer Kostenkalkulation immanenten Prognoseentscheidung ab, dass es auch Prognosespielräume geben müsse. Auch ein Rekurs auf „betriebswirtschaftliche Grundsätze “ rechtfertige es nicht, eine Gemeinde bei der Ermittlung der Abschreibungen auf eine allein „richtige “ Quote festzulegen. Man könne vertretbarer Weise auch auf eine bilanzierende Betrachtung abstellen, bei der sich die für verschiedene Kostenfaktoren ergebenden Preissteigerungen statistisch einpendeln. Eine solche Betrachtung ziele auf eine Kostendeckung ab und sei im Prinzip zur Erreichung des Ziels nicht weniger geeignet als eine „punktgenaue “ Aussage für jeden Anlagegegenstand.
Die Rechtsprechung (z.B. VG Düsseldorf, Urteil vom 28. November 2005 Az.: 5 K 4179/02) lässt darüber hinaus zu, dass in den Fällen, in denen spezifische Indizes fehlen, auf verwandte Indizes zurückgegriffen werden kann.
Geeignet sind demnach amtliche Indizes, die den Wiederbeschaffungszeitwert im Hinblick auf das Kostendeckungsprinzip möglichst zutreffend abbilden, und gleichzeitig eine praktikable, verlässliche und rechtssichere Kalkulation ermöglichen. Wegen der langen Lebensdauer verschiedener Anlagegüter sind zudem lange Zeitreihen erforderlich.
Das Statistische Bundesamt (www.destatis.de oder https://www-genesis.destatis.de) etwa stellt verschiedene – auch langjährige – Indexreihen zur Verfügung, so zum Beispiel:
zum (allgemeinen) Verbraucherpreisindex
zu verschiedenen Baupreisindizes (darunter auch Ortskanäle und Nicht-Wohngebäude)
(www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/Konjunkturindikatoren/Konjunkturindikatoren.html > Verbraucherpreise).
Den einen, „richtigen “ Index gibt es nicht. Die Einrichtungsträger haben im Rahmen der Kalkulation eine Entscheidung über die Wahl geeigneter Indizes zu treffen. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Gegebenheiten kommt sowohl die einheitliche Anwendung des allgemeinen Verbraucherpreisindexes infrage als auch die Verwendung spezifischer Indizes, soweit diese für bestimmte Anlagengruppen vorliegen.
Werden spezifische Indizes verwendet, erscheint bei der Abwasserbeseitigung etwa folgende Zuordnung denkbar:
Anlagengruppen
Index
Schmutz-, Misch-, Regenwasserkanäle, Hausanschlüsse
Baupreisindex – Sonstige Bauwerke – Ortskanäle
Mechanische und biologische Klärung, Schlammbehandlung, Sonderbauwerke wie Pumpwerke, Düker, Regenüberlaufbecken, Regenrückhaltebecken (= Massivbauwerke)
Baupreisindex – Sonstige Bauwerke – Brücken im Straßenbau
Betriebsgebäude/-gelände
Baupreisindex – Nichtwohngebäude – Gewerbliche Betriebsgebäude
Dienstwohnung
Baupreisindex – Wohngebäude
Im Übrigen (z.B. Prozessleittechnik, Elektro/Elektronik, Fuhrpark, Betriebs- und Geschäftsausstattung)
Allgemeiner Verbraucherpreisindex
Die Entscheidung wird zu Beginn des Kalkulationszeitraums auf Basis der dann verfügbaren aktuellen Indizes getroffen. Der Index kann entweder jährlich fortgeschrieben oder für den gesamten Kalkulationszeitraum beibehalten werden.
Bei Entwässerungseinrichtungen kann zur Ermittlung der Wiederbeschaffungszeitwerte ergänzend auf das Arbeitsblatt DWA-A 133 „Wertermittlung von Abwasseranlagen – Systematische Erfassung, Bewertung und Fortschreibung “ der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V., das anerkannte Regeln der Technik enthält, zurückgegriffen werden. Für den Bereich der Wasserversorgung sind die in diesem Arbeitsblatt getroffenen Feststellungen grundsätzlich übertragbar.

3.4 Kalkulatorische und haushaltsrechtliche Erfassung

Die durch die Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten erzielbaren Mehrerlöse bestehen in der Differenz zwischen der Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten und der Abschreibung von Anschaffungs- und Herstellungskosten. Diese Differenz muss ermittelt und transparent ausgewiesen werden, um die Mehrerlöse in zutreffender Höhe der Einrichtung wieder zuführen zu können.
§ 20 Abs. 4 KommHV-Kameralistik wird so geändert, dass Mehrerlöse, die sich aus einer Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten gegenüber einer Abschreibung von Anschaffungs- und Herstellungskosten oder dadurch ergeben, dass Zuwendungen nicht in Abzug gebracht werden, einschließlich einer angemessenen Verzinsung einer eigens für die kostenrechnende Einrichtung zu bildenden Sonderrücklage zuzuführen sind. Die Zuführung hat spätestens zum Ende des Kalkulationszeitraums zu erfolgen.
Eine entsprechende Änderung erfährt § 73 KommHV-Doppik hinsichtlich der Bildung von Sonderposten.
In den Anlagenachweisen (Muster zu § 76 Abs. 2 KommHV-Kameralistik) und in die Anlagenübersicht (Muster zu § 86 Abs. 3 Nr. 1 KommHV-Doppik) sind nach wie vor die Anschaffungs- und Herstellungskosten und das Anschaffungsjahr einzupflegen. Weiterhin ist nachrichtlich der Betrag der Mehrerlöse aufzunehmen, der sich aus einer Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten gegenüber einer Abschreibung von Anschaffungs- und Herstellungskosten ergibt. Entsprechendes gilt für Mehreinnahmen infolge einer Kostenüberdeckung bei der Gebührenbemessung kostenrechnender Einrichtungen, und zwar unabhängig davon, ob die Mittel der entsprechenden Sonderrücklage zugeführt bzw. für die Mehreinnahmen fortlaufend oder zum Ende des Kalkulationszeitraums Sonderposten gebildet werden. Der Betrag muss jeweils bis zu seiner zweckentsprechenden Verwendung nachvollziehbar aus den Kalkulationsunterlagen herleitbar sein. Diese Unterlagen sind ggf. auch über die Aufbewahrungsfristen nach § 82 KommHV-Kameralisitk, § 69 KommHV-Doppik hinaus aufzubewahren.
Die Rechtsaufsichtsbehörden haben im Rahmen der jährlichen Haushaltswürdigungen darauf zu achten, ob die erforderlichen (liquiden) Mittel rechtzeitig für ihren Zweck zur Verfügung stehen. Die zweckgebundenen Einnahmen sind ggf. bei der Errechnung des nach Art. 71 Abs. 1 GO höchstzulässigen Betrags der Kreditaufnahme zu berücksichtigen.

3.5 Kalkulatorische Zinsen

Basis für die kalkulatorische Verzinsung ist – wie bisher – das (mit Anschaffungs- und Herstellungskosten bewertete) Anlagekapital bzw. dessen Restbuchwert.
Der aus Mehrerlösen aufgebrachte Kapitalanteil hat bei der Verzinsung des Anlagekapitals außer Betracht zu bleiben, wenn er zur Deckung von Anschaffungs- und Herstellungskosten verwendet wird (entsprechend der bisherigen Regelung des Art. 8 Abs. 3 Satz 2 KAG, vgl. Nr. 4.8 der Bekanntmachung des Staatsministeriums des Innern vom 30. Mai 2000, AllMBl S. 415). Bei einer Verwendung für Unterhaltsmaßnahmen sind die einzusetzenden Mittel durch Kürzung der Kosten oder als „sonstige Erlöse “ gebührenmindernd zu berücksichtigen.

3.6 Wahl der Abschreibungsmethode

Es wurde bewusst darauf verzichtet, die Wahl der Abschreibungsmethode an bestimmte Voraussetzungen zu knüpfen. Die Wahl trifft der Einrichtungsträger vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen. Als spezielle Vorschrift geht Art. 8 Abs. 3 Satz 2 KAG dem Art. 61 Abs. 2 GO, wonach der Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung die Ausschöpfung aller Einnahmemöglichkeiten erfordert, vor.
Bei der Ermessensausübung wird der Einrichtungsträger den künftigen Investitionsbedarf zu berücksichtigen haben. Insgesamt weist das vom Landesamt für Umwelt in Auftrag gegebene Gutachten des IKT-Instituts aus dem Jahr 2008 einen Sanierungsbedarf allein bei den Entwässerungseinrichtungen in Milliardenhöhe aus. Staatliche Zuwendungen für Sanierungs- oder Erneuerungsmaßnahmen der Abwasserentsorgung stehen nicht zur Verfügung. Bei Einrichtungen mit hohem Sanierungsbedarf kann das Ansparen von Mitteln ein probates Mittel sein, um hohe Gebührensprünge zu vermeiden.
Die Entscheidung über die Abschreibungsmethode kann für jeden Kalkulationszeitraum neu getroffen werden. Dadurch ist es auch möglich, bereits bestehende Einrichtungen, die bisher nach Anschaffungs- und Herstellungskosten abgeschrieben werden, auf eine Abschreibung auf Wiederbeschaffungszeitwerte umzustellen.

3.7 Teileinrichtungen

Im Ermessen des Einrichtungsträgers steht auch die Entscheidung, ob ein und dieselbe Abschreibungsmethode für die gesamte Einrichtung angewandt wird, oder ob unterschiedliche Abschreibungsmethoden für unterschiedliche Teileinrichtungen gewählt werden. Dies ermöglicht den Einrichtungsträgern eine flexible und zielgerichtete Kalkulation der benötigten Geldmittel unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Gebührenhöhe.
Die Bestimmung von Teileinrichtungen könnte sich – unter Beachtung betriebswirtschaftlicher Grundsätze – an folgenden Kriterien orientieren:
Abgrenzung in zeitlicher Hinsicht unter Berücksichtigung der verbleibenden Nutzungsdauer (z.B. Anknüpfen an das Herstellungsjahr)
Abgrenzung in quantitativer Hinsicht (z.B. besonders kostenintensive oder besonders umfangreiche Teileinrichtungen)
Abgrenzung in qualitativer Hinsicht (z.B. Kanäle, Kläranlage)
oder einer Kombination hieraus.
Als Basis der Überlegungen sollten die Anlagegruppen dienen.

3.8 Kürzung um Beiträge und ähnliche Entgelte

Sowohl die Anschaffungs- und Herstellungskosten als auch die Wiederbeschaffungszeitwerte sind verpflichtend um Beiträge und ähnliche Entgelte zu kürzen.

3.9 Kürzung um Zuwendungen

Schon bisher konnte nach Art. 8 Abs. 3 Satz 4 KAG a. F. auf zuwendungsfinanzierte Anschaffungs- und Herstellungskosten abgeschrieben werden. Diese Option wird beibehalten und – gleichfalls optional – auf Wiederbeschaffungszeitwerte ausgeweitet. Da auch die Abschreibung auf zuwendungsfinanzierte Anlagenteile Mehrerlöse generiert, kann der Einrichtungsträger in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens entscheiden, ob und in welcher Höhe Geldmittel für künftigen Kostenaufwand angespart werden. Für die Ermessensausübung gilt Nr. 3.6 entsprechend.
Auf Nr. 4.2 der Bekanntmachung des Staatsministeriums des Innern vom 30. Mai 2000 (AllMBl S. 415) wird ergänzend verwiesen.

4. Zu Art. 8 Abs. 3 Satz 4 KAG

4.1 Zweckbindung

Die Vorschrift stellt klar, dass Mehrerlöse, die
sich aus einer Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten gegenüber einer Abschreibung von Anschaffungs- und Herstellungskosten ergeben oder
sich daraus ergeben, dass Zuwendungen nicht in Abzug gebracht werden (was bereits nach Art. 8 Abs. 3 Satz 4 KAG a. F. möglich war),
einschließlich einer angemessenen Verzinsung der Einrichtung wieder zugeführt werden müssen. Es handelt sich um zweckgebundene Mittel, die aus Gründen der Transparenz gesondert zu erfassen sind (siehe Nr. 3.4).
Im Falle der Veräußerung (Wechsel des Einrichtungsträgers) ist sicherzustellen, dass die Abschreibungserlöse einschließlich Verzinsung den Abgabeschuldnern voll zugutekommen.

4.2 Verwendung für Unterhaltungsmaßnahmen

Art. 8 Abs. 3 Satz 5 Halbsatz 2 KAG a. F. ordnete an, dass künftige Anschaffungs- und Herstellungskosten um die erzielten Mehrerlöse zu kürzen sind; damit verbunden war die Einschränkung, dass die Mehrerlöse auch nur für Anschaffungen, Herstellungs-, Erneuerungs- und Verbesserungsmaßnahmen verwendet werden konnten. Diese Einschränkung ist mit der Neuregelung entfallen. Möglich ist der Einsatz der Mehrerlöse daher auch zur Finanzierung von Unterhaltungsmaßnahmen. Auch dies dient der Substanzerhaltung der Einrichtung und kommt den Gebührenschuldnern zugute. Die Entscheidung über die Verwendung der erzielten Mehrerlöse zugunsten von Investitionen oder Unterhaltungsmaßnahmen liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Einrichtungsträgers unter Berücksichtigung des jeweiligen Investitionsbedarfs.
Die erweiterte Verwendungsmöglichkeit gilt auch für bereits vorhandene Sonderrücklagen, in die Mehrerlöse aufgrund von Abschreibungen auf zuwendungsfinanziertes Anlagevermögen eingestellt wurden (vgl. Art. 19 Abs. 5 KAG n. F.).

4.3 Angemessene Verzinsung

Die erzielten Mehrerlöse sind der Einrichtung einschließlich einer angemessenen Verzinsung wieder zuzuführen. Angemessen wird der jeweilige aktuelle Habenzins sein; dies ergibt sich daraus, dass die Mehrerlöse in eine Sonderrücklage einzustellen sind, und Mittel der Rücklagen sicher und ertragbringend anzulegen sind (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 KommHV-Kameralistik). Entsprechendes gilt nach § 22 Abs. 2 Satz 1 KommHV-Doppik bei einer Haushaltsführung nach den Grundsätzen der doppelten kommunalen Buchführung. Der Zinsertrag, welcher ebenfalls der Sonderrücklage zuzuführen ist bzw. im Sonderposten auszuweisen ist, ist somit anhand des aktuellen Habenzinssatzes konkret bestimmbar.

4.4 Vorübergehende anderweitige Verwendung

Die erzielten Mehrerlöse einschließlich der angemessenen Verzinsung müssen für die Einrichtung zur Verfügung stehen, wenn zu finanzierende Maßnahmen anstehen. Dies ist sowohl in der Gebührenkalkulation als auch in der Haushaltsplanung zu berücksichtigen. Eine vorübergehende anderweitige Verwendung ist dadurch nicht ausgeschlossen; sie kann sogar betriebswirtschaftlich sinnvoll sein („innere Darlehen “). Werden innere Darlehen in Anspruch genommen, sind die Mittel ebenfalls angemessen zu verzinsen (siehe Nr. 4.3).
§ 21 Abs. 1 Sätze 1 und 4 KommHV-Kameralistik und § 22 Abs. 1 und 3 KommHV-Doppik sind zu beachten.

5. Auswirkungen

Bei Betrieben gewerblicher Art, die der Körperschaftsteuer und ggf. der Gewerbesteuer unterliegen, kann für die Verpflichtung nach Art. 8 Abs. 3 Satz 4 KAG (nämlich Mehrerlöse, die sich aus einer Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten gegenüber einer Abschreibung von Anschaffungs- und Herstellungskosten oder dadurch ergeben, dass Zuwendungen nicht in Abzug gebracht werden, der Einrichtung einschließlich einer angemessenen Verzinsung wieder zuzuführen) keine den steuerlichen Gewinn mindernde Rückstellung passiviert werden.

6. Evaluation

Die Staatsregierung wird die Wirkung der Neuregelung nach sechs Jahren evaluieren.
Günter Schuster
Ministerialdirektor