Inhalt
301-J
Anforderungsprofile für Richter und Staatsanwälte
(AnfoRiStABek)
Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz
vom 30. September 2003, Az. 2200 - III - 12003/01
(JMBl. S. 199)
Zitiervorschlag: Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz über die Anforderungsprofile für Richter und Staatsanwälte (AnfoRiStABek) vom 30. September 2003 (JMBl. S. 199), die zuletzt durch Bekanntmachung vom 7. Dezember 2021 (BayMBl. Nr. 937) geändert worden ist
1.
Einleitung
Das Verhältnis der Bürger zum Staat hat sich im letzten Jahrzehnt stark gewandelt. Anstelle der obrigkeitlichen Durchsetzung staatlicher Maßnahmen rückt immer mehr die Dienstleistung im Interesse der Bürger in den Vordergrund. Diese veränderte Blickrichtung hat Auswirkungen im Außen- und im Innenverhältnis auf die staatlichen Institutionen und die dort handelnden Personen.
Dies gilt auch für den Justizbereich, in der freiwilligen und der Zivilgerichtsbarkeit mehr, in der Strafgerichtsbarkeit mit Abstrichen. Die vielfältigen und sich ändernden Aufgaben können nur mit hoch motiviertem und qualifiziertem Personal bewältigt werden. Dies erfordert, sich mit den einzelnen Berufsbildern in der Justiz verstärkt zu befassen.
Als erster Schritt in diese Richtung wurde vor einigen Jahren erstmals schriftlich ein Anforderungsprofil für Richter und Staatsanwälte niedergelegt, das - ohne erschöpfend sein zu wollen - Kriterien enthält, die von Richtern und Staatsanwälten in ihren von hoher Verantwortung geprägten Ämtern allgemein erwartet werden müssen. Dieses Basis-Anforderungsprofil enthält ein Leitbild und hat im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bereits im Einstellungsverfahren Bedeutung. Die Anforderungsprofile für Beförderungsämter sollen Grundlage für Ausschreibungen von Beförderungsämtern sein und der Personalauswahl sowie der Personalentwicklung dienen. In dienstlichen Beurteilungen soll auf besondere Fähigkeiten, die im Anforderungsprofil eines Beförderungssamtes bezeichnet sind, hingewiesen werden.
Die im Basis-Profil genannten Anforderungen sind bei sämtlichen Beförderungsämtern vorauszusetzen. Hinzutreten bei Beförderungsämtern besondere Anforderungen und die Bereitschaft, sie in der täglichen Praxis anzuwenden: Führungskompetenz, organisatorische Kompetenz und eine ausgeprägte Sozialkompetenz. Einige Anforderungen des Basis-Profils müssen für ein Beförderungsamt in besonderem Maß oder in besonderem Umfang vorhanden sein.
2.
Basis-Anforderungsprofil für Richter und Staatsanwälte
2.1
Fachliche Eignung
2.1.1
Juristische Qualifikation
- •
breites Fachwissen
- •
präsente Fachkenntnisse
- •
Fähigkeit zur Analyse eines unstrukturierten Sachverhalts auf seine rechtliche Relevanz
- •
Fähigkeit, Schwerpunkte zu bilden und sich auf die wesentlichen Argumente zu konzentrieren
- •
Fähigkeit, einen komplexen und komplizierten Vorgang allgemein verständlich darzustellen
- •
Zeitmanagement
2.1.2
Besondere Qualifikationen
- •
Entscheidungsfreude
- •
Bereitschaft, die Entscheidungskompetenz mit hoher Verantwortung auszuüben
- •
Überzeugungskraft
- •
Durchsetzungsvermögen
- •
Planungs- und Organisationsvermögen
- •
Objektivität bei der Bewertung widerstreitender Interessen
- •
Fähigkeit zur selbstkritischen Reflexion
- •
Fähigkeit zur Verhandlung und zum Ausgleich
- •
Konfliktfähigkeit
- •
Ausdrucks- und Argumentationsvermögen
- •
Besonnenes Auftreten
- •
Autorität, die keine Barrieren aufbaut
- •
Bereitschaft, neue Aufgaben zu übernehmen
- •
Aufgeschlossenheit für die moderne Informations- und Kommunikationstechnik
- •
Streben nach Fortbildung
2.1.3
Berücksichtigungsfähige Zusatzqualifikationen
- •
Zweitstudium oder Zusatzausbildung, z.B.
- –
betriebswirtschaftliche Kenntnisse
- –
Ausbildung zum Rechtspfleger
- –
Banklehre
- •
berufsbezogene Auslandserfahrung
- •
Anwaltstätigkeit vor der Bewerbung
- •
Sprachkenntnisse
- •
Tätigkeit an der Universität oder sonstige Lehrtätigkeit
2.2
Persönliche Eignung
- •
Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung
- •
Bereitschaft zur Mäßigung und Zurückhaltung innerhalb und außerhalb des Amtes
- •
Identifizierung mit dem Rechtsprechungs- und Strafverfolgungsauftrag der Justiz
- •
Unparteilichkeit
- •
Sozialkompetenz
- –
Freude am Umgang mit Menschen und Fähigkeit zu einfühlendem, mitmenschlichem und sozialem Verstehen
- –
angemessenes Auftreten
- –
Bürgernähe
- –
gesellschaftliches Engagement
- •
Einsatzbereitschaft und Ausdauer
- •
Bereitschaft zur Teamarbeit mit Kollegen und Mitarbeitern
- •
Interesse, sich außerberuflich weiterzubilden
- •
Flexibilität und Mobilität
2.3
Gesundheitliche Eignung
- •
amtsärztlich bescheinigte Dienstfähigkeit
- •
physische Belastbarkeit
- •
psychische Belastbarkeit
[Amtl. Anm.:] Alle Bezeichnungen in der männlichen Form verstehen sich auch in der weiblichen Form.
[Amtl. Anm.:] Sie wird in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung geprüft und bewertet; ergänzende Anhaltspunkte ergeben sich aus der Ersten Juristischen Staatsprüfung, aus den Zeugnissen während der Referendarzeit und evt. aus juristischen Zusatzausbildungen.
3.
Anforderungsprofil für Beförderungsämter für Richter und Staatsanwälte
3.1
Allgemeine Anforderungen
3.1.1
Fachliche Eignung
neben den Anforderungen des Basis-Profils
- •
breites Fachwissen, das sich in verschiedenen Aufgabenbereichen oder auf mehreren Rechtsgebieten bewährt hat
- •
Fähigkeit, auch bei schwierigen und komplexen Verfahren das Wesentliche schnell zu erfassen und verständlich darzustellen
- •
Fähigkeit, ein überdurchschnittliches Arbeitspensum durch gestraffte Arbeitsweise sach- und zeitgerecht zu bewältigen
3.1.2
Führungskompetenz
- •
Vorbildfunktion und Glaubwürdigkeit
- •
Fähigkeit, kooperativ zu führen
- •
Fähigkeit, Mitarbeiter zu motivieren
- •
Fähigkeit, Konflikte zu bewältigen
- •
Überzeugungskraft
- •
Durchsetzungsvermögen
- •
Fähigkeit zur Leitung von Besprechungen und Verhandlungen
3.1.3
Organisatorische Kompetenz
ausgeprägtes Planungsvermögen
3.1.4
Sozialkompetenz
- •
hohe Bereitschaft und ausgeprägte Fähigkeit zur Teamarbeit mit Kollegen und Mitarbeitern
- •
ausgeprägte Fähigkeit zum Dialog und Kompromiss
3.1.5
Verwendungsbreite
- •
staatsanwaltliche und richterliche Erfahrung im Eingangsamt
- •
regelmäßig mindestens einjährige Erfahrung im Justizdienst im Zivil- oder Familienrecht einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit
3.2
Besondere Anforderungen
3.2.1
Vorsitzender Richter am Landgericht
Fähigkeit zur vertieften Auseinandersetzung mit schwierigen Rechtsfragen und komplizierten Sachverhalten sowie Fähigkeit, diese auf das Wesentliche zurückzuführen und verständlich darzustellen
3.2.2
Richter am Oberlandesgericht und Oberstaatsanwalt bei den Generalstaatsanwaltschaften
ausgeprägte Fähigkeit zur vertieften Auseinandersetzung mit schwierigen Rechtsfragen und komplizierten Sachverhalten sowie Fähigkeit, diese auf das Wesentliche zurückzuführen und verständlich darzustellen
3.2.3
Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht
besonders ausgeprägte Fähigkeit zur auf wissenschaftlichem Niveau vertieften Auseinandersetzung mit schwierigen und grundlegenden Rechtsfragen sowie komplizierten Sachverhalten, auch in Spezialgebieten, sowie Fähigkeit, diese Rechtsfragen und Sachverhalte auf das Wesentliche zurückzuführen und verständlich sowie mit großer juristischer Präzision darzustellen
3.2.4
Zusätzlich zu Nr. 3.2.1 beim Vorsitzenden Richter am Landgericht, zusätzlich zu Nr. 3.2.2 beim Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und zusätzlich zu Nr. 3.2.3 beim Vorsitzenden Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht
- •
Fähigkeit, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung des Spruchkörpers zu wahren und zu fördern
- •
Fähigkeit und Bereitschaft, Nachwuchskräfte bei der Einarbeitung zu unterstützen und vorbildhaft anzuleiten
- •
Fähigkeit, Mitarbeiter sachgerecht einzuschätzen, kooperativ anzuleiten und zu fördern
- •
Fähigkeit, technische und organisatorische Maßnahmen anzustoßen und im Benehmen mit dem Behördenleiter und dem Geschäftsleiter umzusetzen
3.2.5
Oberstaatsanwalt als Abteilungsleiter bei den Staatsanwaltschaften und Staatsanwalt als Gruppenleiter
- •
Fähigkeit, auf eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts und sachgerechte Rechtsanwendung unter Beachtung des Legalitätsprinzips hinzuwirken
- •
Fähigkeit und Bereitschaft, Nachwuchskräfte bei der Einarbeitung zu unterstützen und vorbildhaft anzuleiten
- •
Fähigkeit, Mitarbeiter sachgerecht einzuschätzen, kooperativ anzuleiten und zu fördern
- •
Fähigkeit, technische und organisatorische Maßnahmen anzustoßen und im Benehmen mit dem Behördenleiter und dem Geschäftsleiter umzusetzen
3.2.6
Leitung eines Gerichts oder einer Staatsanwaltschaft (einschließlich ständiger Vertreter, Leitender Oberstaatsanwalt bei den Generalstaatsanwaltschaften, Oberstaatsanwalt als Hauptabteilungsleiter bei den Staatsanwaltschaften, Leiter einer Hauptabteilung an den Amtsgerichten und weiterer aufsichtführender Richter am Land- und Amtsgericht)
- •
Fähigkeit, Mitarbeiter sachgerecht einzusetzen und zu beurteilen, kooperativ anzuleiten und zu fördern
- •
Fähigkeit zur Integration
- •
Fähigkeit zum kompetenten Umgang mit den Medien
- •
Fähigkeit und Bereitschaft zur Repräsentation in der Öffentlichkeit, zur Darstellung justizieller Belange in Reden und Ansprachen
- •
Fähigkeit, technische und organisatorische Maßnahmen anzustoßen und umzusetzen
- •
Fähigkeit zur sachgerechten Delegation
Ergänzend wird auf die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz betreffend Führungskräftestandards in der bayerischen Staatsverwaltung vom 12. Mai 2005 (JMBl S. 53) verwiesen.